Die Kunst des Alterns
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2.2 Mechanismen der Energiebereitstellung<br />
in der Muskulatur<br />
Wie diese physische Leistung in den<br />
„Kraftwerken“ der Muskulatur zustande<br />
kommt, ist <strong>des</strong>halb auch heute nicht<br />
ganz uninteressant, weil damit<br />
schließlich eingeschätzt werden kann,<br />
mit welchen Problemen Menschen bei<br />
den inzwischen oftmals dominierenden<br />
nicht-physischen Belastungen konfrontiert<br />
werden. <strong>Die</strong> „Muskelmaschine“<br />
<strong>des</strong> Menschen bedarf – ähnlich<br />
wie ein Verbrennungsmotor – eines<br />
spezifischen Brennstoffes, der aus<br />
den aufgenommenen Nahrungsmitteln<br />
bezogen wird, die wiederum aus Kohlehydraten,<br />
Eiweiß und Fetten bestehen.<br />
Beim Abbau dieses Kraftstoffes,<br />
<strong>des</strong> sogenannten Adenosintriphosphats<br />
(ATP) zu Adenosindiphosphat<br />
(ADP), wird – wie in Bild 3 oben dargestellt<br />
– die für eine Muskelkontraktion<br />
benötigte Energie frei. <strong>Die</strong> Tatsache,<br />
dass zumin<strong>des</strong>t eine gewisse Menge<br />
<strong>des</strong> energiereichen Phosphats im Muskel<br />
speicherbar ist, garantiert eine sofortige<br />
Kontraktionsbereitschaft für<br />
Körperarbeit. Das ist eine absolut notwendige<br />
Voraussetzung, um nicht nur<br />
Bewegungen im Zeitlupentempo durchführen<br />
zu können. Mit dem im Muskel<br />
gespeicherten ATP lässt sich allerdings<br />
nicht lange wirtschaften, so dass andere<br />
Prozesse für eine längerfristige<br />
Muskelarbeit notwendig werden.<br />
Ebenfalls nur in beschränktem Umfang<br />
vermag der Muskel Kreatinphosphat<br />
(KP), einen weiteren energiereichen<br />
Stoff, zu speichern. KP wird gleichsam<br />
im Zuge einer Wiederaufbereitungsanlage,<br />
quasi nach dem Turboladerprinzip,<br />
dafür eingesetzt, um aus dem<br />
energieärmeren, jedoch noch nicht<br />
wertlosen ADP den spezifischen Brennstoff<br />
ATP, den „Sprit“ der Muskelmaschine<br />
zu regenerieren. Bei kontinuierlicher<br />
Arbeit wären auch diese<br />
Energievorräte bald erschöpft, wenn<br />
nicht noch andere Reserven und<br />
schließlich „laufende Einnahmen“ vorhanden<br />
wären. So kann der Muskel<br />
auch eine Vorstufe <strong>des</strong> Kraftstoffs ATP,<br />
nämlich Glucose bzw. Blutzucker selbst,<br />
als Primärenergie speichern. Zur Deckung<br />
einer „Lastspitze“ kann so auf<br />
schnellem Wege ohne Anwesenheit<br />
von Sauerstoff ATP gewonnen werden.<br />
Fehlt freilich Sauerstoff (O 2 ) bei der<br />
anaeroben Glycolyse – und bezüglich<br />
<strong>des</strong> O 2 lebt der Mensch von der Hand<br />
in den Mund – entsteht der energetisch<br />
Bild 3: Mechanismen der Energiebereitstellung im Muskel<br />
Figure 3: Metabolic processes which take place during muscular work<br />
Illustration 3: Mécanismes d’approvisionnement énergétique dans le muscle<br />
nicht voll verwertete Schlackenstoff<br />
Laktat (Milchsäure). Damit macht ein<br />
physisch nicht Trainierter im Sport oder<br />
bei plötzlichen Anstrengungen leicht<br />
Bekanntschaft, zumal u. a. in der Anhäufung<br />
von Milchsäure in der Muskulatur<br />
mithin die Ursache eines<br />
schmerzenden Muskelkaters zu sehen<br />
ist. Bei der aeroben Glycolyse entsteht<br />
jedoch erheblich mehr an ATP, und Glucose<br />
wird vollständig zu Kohlendioxid<br />
(CO 2 ) und Wasser (H 2 O) abgebaut.<br />
<strong>Die</strong> Prozesse � bis � lassen sich nach<br />
Müller-Limmroth (1993) durchaus mit<br />
Geldgeschäften vergleichen, wobei der<br />
Prozess �, d. h. die Aufspaltung von<br />
ATP, dem stets unentbehrlichen und<br />
flüssigen Bargeld im „Zahlungsverkehr<br />
<strong>des</strong> Organismus“ entspricht. Prozess<br />
Nr. � kann mit einem Bankkonto gleichgesetzt<br />
werden, von dem – in begrenztem<br />
Umfang – abgehoben werden<br />
kann. Prozess Nr. � entspricht dem Versatz<br />
von Wertpapieren, die in der Not<br />
verkauft, nicht den wahren Wert liefern,<br />
und Prozess Nr. � entspricht den regulären,<br />
laufenden Einnahmen, für die<br />
eine Durchblutungssteigerung der aktiven<br />
Muskulatur unabdingbar ist, weil<br />
nur so der Energiebedarf gedeckt werden<br />
kann. Alle „Geldmittel“ wären also<br />
ohne „laufende Einnahmen“ bald ver-<br />
braucht, wenn nicht auf dem Wege der<br />
Blutbahn Brennstoffe und O 2 an die<br />
Muskelzelle herangeschafft würden.<br />
Somit ist eine Durchblutungssteigerung<br />
der aktiven Muskulatur unabdingbar,<br />
wenn der Muskel für längere<br />
Zeit arbeiten soll.<br />
2.3 Physiologische Vorgänge bei<br />
dynamischer und statischer<br />
Arbeit<br />
Blutbedarf und tatsächliche Durchblutung<br />
sind nur in körperlicher Ruhe und<br />
bei dynamischer Muskelarbeit, nicht<br />
aber bei statischen Belastungen<br />
aufeinander abgestimmt. Wird – wie das<br />
im linken Teil von Bild 4 dargestellt ist<br />
– bei dynamischer Muskelarbeit in einer<br />
Art und Weise Arbeit geleistet, dass<br />
Kontraktion und Entspannung im<br />
Wechsel aufeinander folgen, so wird<br />
das Blut, das die Versorgung und Entsorgung<br />
der Muskeln sicherstellt,<br />
gleichsam wie bei einem Schwamm aus<br />
ihnen herausgepresst und frisches Blut<br />
wieder aufgesogen. Der dynamisch arbeitende<br />
Muskel ist <strong>des</strong>halb mit einer<br />
Pumpe vergleichbar. Er unterstützt die<br />
für den Energiestoffwechsel erforderli-<br />
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