STANDORTINNOVATIONEthisches Wirtschaften lohnt sichDass hohe Umweltstandards und überdurchschnittlich hohe Löhne mit wirtschaftlichem Erfolg nicht inWiderspruch stehen müssen, bewe<strong>ist</strong> der steirische Leiterplattenhersteller AT&S. Im Werk von Shanghaigelten die gleichen Normen wie in Europa.AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer: „Ressourcenschonendes Arbeiten gehört zu unserer Unternehmenskultur.“Vor zehn Jahren hatte die Konkurrenz überdie Ambitionen von AT&S, in China einLeiterplattenwerk mit strengen Standardsfür Energie-und Wasserverbrauch zuerrichten, noch gelacht. Heute <strong>ist</strong> <strong>das</strong> Lachenverstummt, wohl auch deshalb, weil stetigsteigende Energiepreise den Managern vonAT&S Recht gegeben haben. „Wir haben unsbeim Bau unseres Werks in Shanghai vonAnfang an an europäische Umweltstandardsgehalten“, sagt CEO Andreas Gerstenmayer.„Nicht nur der Umwelt zuliebe, sondernauch weil wir wussten, <strong>das</strong>s Energie mittelfr<strong>ist</strong>igzu einem entscheidenden Thema werdenwird. Wir errichten so ein Werk ja nichtfür eine Lebensdauer von ein paar Jahren.“Weil die Herstellung von Leiterplatten, demHerzstück fast aller elektronischen Geräte,den Einsatz von großen Mengen Wasser undEnergie erfordert, <strong>ist</strong> die Rechnung, von Anfangan in China europäische Umweltnormeneinzuhalten, auch rein ökonomisch aufgegangen.AT&S produziert mit rund einemDrittel weniger Wasser, als es die strengstenchinesischen Standards erfordern. Hinzukommt, <strong>das</strong>s AT&S rund 90 Prozent des Industrieabfallseinem internen oder externenRecycling zuführt.„Ressourcenschonend zu arbeiten, <strong>das</strong> gehörtzu unseres Unternehmenskultur“, sagtGerstenmayer. Eine Haltung, die inzwischenauch auf die chinesischen Behörden Eindruckgemacht hat. Das Unternehmen hat inden letzten Jahren nicht nur zahlreiche Auszeichnungenfür sein Öko-Engagement erhalten,die chinesische Regierung hat densteirischen Leiterplattenhersteller inzwischenauch bei der Regulierung des Sektorsdurch neue Gesetzgebung als Berater hinzugezogen.AT&S <strong>ist</strong> mit einer Gesamtinvestitionssummevon 700 Millionen US-Dollar dergrößte österreichische Industrieinvestor inChina. 30 Millionen Dollar hat <strong>das</strong> Unternehmenfür Umweltmaßnahmen ausgegeben.In der südchinesischen MetropoleShanghai errichtete AT&S eines der größtenHDI Leiterplattenwerke der Welt. Derzeitbeliefert AT&S acht der zehn größten Mobiltelefonherstellerund hat sich als Quali-Ö 26WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 4/2012
STANDORTINNOVATIONAT&S-Werk Shanghai: Höhere Löhne und bessere Sozialle<strong>ist</strong>ungen für Mitarbeiter.tätszulieferer auch im Bereich Smartphonesund Tablet Computer positioniert.WanderarbeiterEin Markt, von dem sich Gerstenmayer inden kommenden Jahren große Wachstumschancenerwartet. Zurzeit produzieren die4500 Mitarbeiter einen Jahres-Output vonmehr als 700.000 Quadratmetern, <strong>das</strong> entspricht160 Millionen Leiterplatten für Mobiltelefone.Im vergangenen Jahr wurde derGrundstein für <strong>das</strong> zweite chinesische Werkin der Stadt Chongqing gelegt.Neue Wege geht AT&S aber auch in der Personalpolitik.Auch deshalb, weil der chinesischeArbeitsmarkt viel flexibler <strong>ist</strong> als dereuropäische. Viele chinesische Mitarbeitersind klassische Wanderarbeiter. Sie habenihre Familien am Land zurückgelassen undsind in die Städte gezogen. Mit dem Ziel,möglichst viel Geld nach Hause schicken zukönnen. Dafür nehmen die chinesischen ArbeitskräfteLebensumstände in Kauf, die inEuropa unvorstellbar sind. „Viele Unternehmenbringen ihre Mitarbeiter in sogenanntendormitories unter“, berichtet Gerstenmayer.Dass sind ziemlich bescheidene Gemeinschaftsunterkünftemit Schlafsälen, in denendie Menschen eigentlich keine Privatsphärehaben. „<strong>Die</strong>se Art der Unterbringung <strong>ist</strong> füruns nicht in Frage gekommen“, sagt Gerstenmayer.Genauso wenig wie eine Entlohnungnach dem vom chinesischen Volkskongressfestgesetzten Mindestlohn. AT&S zahlthöhere Löhne, um wie viel mehr er zahlt,will er aus Konkurrenzgründen nicht sagen.Auch in diesem Fall hat sich die ethischeHaltung, höhere Gehälter zu zahlen, als ökonomischsinnvoll erwiesen. Denn chinesischeArbeitnehmer sind außergewöhnlichflexibel. Finden sie einen Arbeitgeber, derhöhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungenbietet, dann zögern sie nicht, ihren altenArbeitgeber zu verlassen. „<strong>Die</strong> Fluktuationsratensind in China außergewöhnlich hoch“,sagt Gerstenmayer. Wer seine Mitarbeiterhalten will, muss ihnen also ökonomischeAnreize bieten. Bei AT&S gibt es daher nichtnur höhere Löhne, sondern auch zusätzlichesoziale Le<strong>ist</strong>ungen, zum Beispiel wenn esdarum geht, eine Wohnung zu finden. Umdie Mitarbeiter zufriedenzustellen, hat AT&SShuttlebusse in Betrieb genommen, die dieMitarbeiter zum Werk bringen. Im Werkselbst finden die Angestellten, 40 Prozent davonsind Frauen, In-house-facilities, die inChina wohl Seltenheitswert haben dürften:Sozialräume, eine Bibliothek, ein Geschäftfür den täglichen Bedarf, Zugang zum Internetund einen Raum für all jene, die sich inden Pausen beim Yoga entspannen wollen.„All diese Zusatzle<strong>ist</strong>ungen haben dafür gesorgt,<strong>das</strong>s in unserem Werk die Fluktuationsrateviel niedriger <strong>ist</strong> als in vergleichbarenUnternehmen“, sagt Gerstenmayer. Undfügt hinzu, <strong>das</strong>s bei AT&S ein Diskriminierungsverbotgilt. „Niemand darf bei uns wegenseines Geschlechts oder seiner Herkunftdiskriminiert werden“, erklärt Gerstenmayer.„Das <strong>ist</strong> ein klares Signal, <strong>das</strong>s bei uns jeder,ob er nun aus Europa oder aus China kommt,gleich wichtig <strong>ist</strong>.“Ein Rezept, <strong>das</strong> immer wichtiger wird fürAT&S. Auch deshalb, weil sich die Belegschaftender Werke in Europa und Chinalangsam durchmischen. <strong>Die</strong> Forderung, alleMitarbeiter gleich zu behandeln, wird beiAT&S auch besonders jenen Mitarbeiternnahegelegt, die in China Führungsaufgabenübernehmen. „Wir würden es nicht tolerieren,wenn sich unsere Expats in China wiekoloniale Gutsherren aufführen würden“,sagt Gerstenmayer.Bei AT&S <strong>ist</strong> man davon überzeugt, <strong>das</strong>ssich die Investitionen in Umwelt und Mitarbeiterlohnen werden. Auch deshalb, weil<strong>das</strong> Beispiel Schule macht. Und Kundendes Leiterplattenherstellers inzwischen immeröfter wissen wollen, unter welchenUmständen produziert wird. Dass dieHandy-Bestandteile nicht von Kindern hergestelltwerden zum Beispiel. Gerstenmayerglaubt, <strong>das</strong>s auf Ausbeutung ausgerichteteUnternehmen in der Branche ohnedieskeine Zukunft haben. Dass die chinesischenBehörden inzwischen immer härtergegen solche schwarzen ‚Schafe durchgreifen,<strong>ist</strong> nur ein Grund. Auch die Endverbraucher,die Benutzer von Handys undTablet-Computer seien, was Arbeitsbedingungenund Umweltstandards betrifft, vielkritischer geworden. AT&S <strong>ist</strong> auch in dieserHinsicht gut aufgestellt.ÜSludge-Storage im AT&S-Werk: 90 Prozent des Industrieabfalls werden wiederverwertet.Fotos: AT&SWIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 4/2012 Ö 27