Überlegungen im Vorfeld 28 Einführung / <strong>Wegweiser</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong>
Im Vorfeld einer <strong>Umgang</strong>sregelung wissen viele Eltern nicht, woran sie sich orientieren können. Es gibt keine allgemeingültigen Maßstäbe, die <strong>für</strong> jede Familie passen. Berücksichtigt wer<strong>den</strong> müssen das Alter des Kindes, die bisherige Beziehung von Eltern <strong>und</strong> Kind sowie die Bedürfnisse <strong>und</strong> der Wille des Kindes. Aber auch die Eltern sollten sich fragen, welche <strong>Umgang</strong>sregelung mit ihrer Lebenssituation vereinbar ist <strong>und</strong> kontinuierlich <strong>und</strong> zuverlässig eingehalten wer<strong>den</strong> kann. Sie sollten sich aber auch über ihre eigenen Wünsche <strong>und</strong> Bedürfnisse klar wer<strong>den</strong>. Zum einen, um sie von <strong>den</strong> Wünschen <strong>und</strong> Bedürfnissen des Kindes <strong>und</strong> <strong>den</strong> Erwartungen Dritter zu unterschei<strong>den</strong>, d.h. um <strong>den</strong> eigenen Standpunkt zu bestimmen. Zum anderen, um zu einer <strong>Umgang</strong>sregelung zu kommen, mit der die Eltern zufrie<strong>den</strong> sind, selbst wenn nicht alle Wünsche realisiert wer<strong>den</strong> können. Nina, 36 Jahre, mit Blanca, zwei Jahre: „Blancas Vater verließ mich kurz <strong>nach</strong> der Geburt. Fast ein Jahr lang hat er sich dann nicht mehr gerührt. Jetzt kommt er einmal die Woche, um mit Blanca zu spielen. Die bei<strong>den</strong> verstehen sich gut, aber ich kann es nur schwer ertragen, ihn in meiner Wohnung zu sehen. Vielleicht bitte ich Blancas Oma, bei <strong>den</strong> Terminen zu mir ’rüber zu kommen <strong>und</strong> ich geh’ in der Zeit irgendwo einen Kaffee trinken“. Beziehung von Eltern <strong>und</strong> Kind Eine erste Orientierungshilfe <strong>für</strong> Eltern bei <strong>den</strong> Überlegungen <strong>für</strong> die Ausgestaltung <strong>und</strong> Durchführung des <strong>Umgang</strong>s kann die Beziehung des jeweiligen Elternteils zum Kind sein. In diese Überlegungen sollten immer auch der Zeitpunkt der <strong>Trennung</strong> <strong>und</strong> das Alter des Kindes mit einbezogen wer<strong>den</strong>. Haben sich z.B. die Eltern bereits kurz <strong>nach</strong> der Geburt des Kindes getrennt <strong>und</strong> konnte das Kind dadurch keine enge Beziehung zum umgangsberechtigten Elternteil aufbauen, wird die <strong>Umgang</strong>sregelung anders aussehen müssen als wenn Eltern <strong>und</strong> Kinder bereits über viele Jahre zusammengelebt haben. Während bei der ersten Konstellation die Beziehung zwischen dem umgangsberechtigten Elternteil <strong>und</strong> dem Kind im Verlauf des <strong>Umgang</strong>s sich allmählich festigt, kann sich die <strong>Umgang</strong>sregelung im zweiten Fall auf eine schon gewachsene Vertrautheit stützen. Kennen sich der umgangsberechtigte Elternteil <strong>und</strong> das Kind noch nicht oder haben bisher nur wenige, zeitlich weit auseinanderliegende <strong>Umgang</strong>skontakte stattgefun<strong>den</strong>, sollten die ersten Besuche in der vertrauten Umgebung des Kindes <strong>und</strong> im Beisein des betreuen<strong>den</strong> Elternteils oder einer anderen vertrauten Person stattfi n<strong>den</strong>. Um ein Vertrauensverhältnis zum Kind aufzubauen, sollten die Termine regelmäßig stattfi n<strong>den</strong> <strong>und</strong> vereinbarte Termine zuverlässig eingehalten wer<strong>den</strong>. Sobald das Alter des Kindes <strong>und</strong> die Entwicklung des Vertrauensverhältnisses es zulassen, sollte der <strong>Umgang</strong> aber in der Lebenssphäre des umgangsberechtigten Elternteils stattfin<strong>den</strong>, damit das Kind ihn in seiner alltäglichen Umgebung erleben kann. Das Alter des Kindes <strong>und</strong> der Grad der Vertrautheit zwischen umgangsberechtigtem Elternteil <strong>und</strong> Kind sollte auch <strong>für</strong> die Häufi gkeit <strong>und</strong> die Dauer der Kontakte maßgeblich sein. Eine Ausweitung des <strong>Umgang</strong>s sollte in jedem Fall in Abhängigkeit von der Beziehung zum Kind überlegt wer<strong>den</strong>. Diese Beziehung zum Kind sollte realistisch beurteilt wer<strong>den</strong>. Weder der betreuende noch der umgangsberechtigte Elternteil sollten der Versuchung erliegen, die Bedeutung der Betreuung bzw. des <strong>Umgang</strong>s zu überhöhen. Der <strong>Umgang</strong> mit dem Kind eignet sich auf keinen Fall dazu, sich oder dem anderen Elternteil etwas beweisen zu wollen. Gerade wenn starke Konfl ikte zwischen <strong>den</strong> Eltern bestehen, sind sie aufgefordert, eine tragfähige Lösung zu fi n<strong>den</strong>, die bei<strong>den</strong> eine langfristige Perspektive bietet <strong>und</strong> die Bedürfnisse <strong>und</strong> <strong>den</strong> Willen des Kindes in <strong>den</strong> Mittelpunkt stellt. <strong>Wegweiser</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Umgang</strong> / Überlegungen im Vorfeld 29