“Willkommen Zuhause, kleine Emily” “Willkommen ... - vita sana GmbH
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aber gar keine Rolle einnehmen<br />
müssen und niemandem als mir<br />
selbst verpflichtet sein. Und der erste<br />
Schritt meiner Wanderschaft<br />
sollte unmittelbar vor meiner Haustüre<br />
beginnen.<br />
Wer kennt es nicht, dieses Gefühl:<br />
Ich hätte gute Lust, auf- und davon<br />
zu laufen? Aber da sind Zwänge,<br />
Verpflichtungen. Wie hat Pia Brodmanns<br />
Mann reagiert, als seine Frau<br />
ihm mitteilte, dass sie auf Allein-<br />
Wanderschaft gehen würde?<br />
Anfänglich ermutigte mich mein<br />
Mann Albi, «ja, mach das». Aber je<br />
näher der Abschied kam, desto<br />
mehr spürte ich, dass sich bei ihm<br />
Ein Pilgergefährte, nicht aus Fleisch und<br />
Blut<br />
ein Gefühl des Verlassenwerdens<br />
einnistete. Es war nicht leicht,<br />
mich von diesem Gefühl nicht umstimmen<br />
zu lassen. Und es war<br />
auch nicht leicht, mitzuteilen, dass<br />
ich vom 9. Juni bis zum 15. August<br />
nicht würde Grosskinder hüten<br />
können. Ich blieb aber fest, weil ich<br />
wusste, dass es hier nicht um eine<br />
ehrgeizige Leistung ging, sondern<br />
viel mehr um einen inneren Weg.<br />
Auf diesem Weg wollte ich keine im<br />
Reiseführer beschriebenen Ziele<br />
erreichen. Sondern am Morgen<br />
aufbrechen, am Abend ankommen<br />
und in der Zwischenzeit unendlich<br />
viel ganz unmittelbar wahrnehmen,<br />
selbst <strong>kleine</strong> Dinge am Strassenrand.<br />
Was Pia Brodmann auf ihrer Pilgerschaft<br />
nach Santiago de Compostela<br />
und auf jener vom Odilienberg bis<br />
zum Atlantik erlebt hat, welche Begegnungen<br />
ihr zuteil geworden sind,<br />
von beseligenden Erlebnissen und<br />
wunden Füssen: All das muss man in<br />
Pia Brodmanns beiden Büchern lesen.<br />
Welche Gefühle waren beim Unterwegssein<br />
besonders prägend?<br />
Das Gefühl, den ganzen Tag lang<br />
ganz auf sich selbst zurückgeworfen<br />
zu sein, es gibt keine Termine<br />
und keine Ablenkungen: Das sind<br />
Eindrücke, die man niemals vergisst.<br />
Die Quintessenz der Wanderschaft<br />
nach Santiago und<br />
schliesslich bis Finisterre, zum<br />
«Ende der Welt», war diese: Ich<br />
muss lernen, loszulassen. Aber damit<br />
allein ist es nicht getan. Ich<br />
muss lernen, den Schmerz des<br />
Loslassens auszuhalten. Und dann<br />
weiter zu gehen, vorwärts.<br />
Wer wie Pia Brodmann während<br />
vieler Wochen jeden Tag Fuss vor<br />
Fuss setzt, macht vermutlich ganz<br />
besondere spirituelle Erfahrungen.<br />
Auf dieser Wanderung ist mein<br />
ganzes Leben wie ein Film vor mir<br />
abgelaufen. Im Gehen kommt man<br />
in einen bestimmten Rhythmus, ein<br />
Fuss hat immer Kontakt mit der Erde,<br />
es entwickelt sich eine meditative<br />
Grundstimmung. So konnte es<br />
vorkommen, dass ich mich tagelang<br />
mit einem einzigen Gedanken<br />
beschäftigte. Dann löste er sich unversehens<br />
auf, Klarheit war da.<br />
Auf der Santiago- Wanderung<br />
plagte mich lange die Zeit das<br />
schlechte Gewissen, dass ich meinen<br />
Mann allein gelassen hatte.<br />
Aber plötzlich hatte ich die Gewissheit:<br />
Ich darf mir das Recht auf diesen<br />
Pilgerweg zugestehen – und<br />
das Gefühl des schlechten Gewissens<br />
loslassen.<br />
Zur zweiten Wanderung, die mich<br />
von Kraftort zu Kraftort führte, trieb<br />
mich das Gefühl, dass sich im steten<br />
Gehen in mir nochmals etwas<br />
verändern würde. Und so lernte ich<br />
Kein Hosen- und Bettnässen mehr!<br />
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<strong>vita</strong> <strong>sana</strong> sonnseitig leben 10/2004 13