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Sozialleistungsbezüge und Profile von neuen IV-Rentenbeziehenden

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Ges<strong>und</strong>heitStruktur <strong>und</strong> Finanzierung der LangzeitpflegePflege durchFamilienangehörige –Pflichtgefühl oder persönlicheÜberzeugung?Wie im vorangegangenen Abschnittaufgezeigt, verfügt die Schweiz überein zielorientiertes Langzeitpflegesystembei vergleichsweise niedrigenöffentlichen Ausgaben. In anderenLändern mit ähnlich geringer öffentlicherBeteiligung, wie Spanien oderDeutschland, übernehmen Angehörigeintensive Pflegeleistungen <strong>und</strong>füllen damit häufig eine Lücke desstaatlichen Pflegeangebots. Obwohlin der Schweiz eine <strong>von</strong> fünf Personender über 75-Jährigen angibt, wöchentlichHilfe 9 <strong>von</strong> Familienangehörigen,Fre<strong>und</strong>en oder Nachbarn zu erhalten,bleibt der Zeitaufwand dieser Leistungenverglichen mit anderen Ländernrelativ niedrig. 10 Bei der Pflegeälterer Familienmitglieder sind dieVerhältnisse in der Schweiz eher mitnordischen Ländern wie Dänemark<strong>und</strong> Schweden oder mit den Niederlandenvergleichbar. Das heisst, Pflege-oder Hilfeleistungen innerhalbder Familie werden häufig in Ergänzungzur Pflege durch Fachkräfte <strong>von</strong>professionellen Anbietern erbracht. 11Interessanterweise ist in derSchweiz die Einstellung zur Pflegedurch Angehörige sehr unterschiedlich.In der Studie SwissAgeCare gabenr<strong>und</strong> 90 <strong>von</strong> 100 Laienpflegendenan, dass sie die Pflegeaufgabe auseiner persönlichen Überzeugung herauswahrnehmen. Etwa gleich vielesagten aber auch, sich zur Pflege ihrerAngehörigen moralisch verpflichtetzu fühlen. 12 Dies ist vergleichbar mitden Resultaten der EUROFAM-CARE-Studie, die in sechs europäischenLändern 13 durchgeführt wurde.80 <strong>von</strong> 100 Pflegenden gaben an, ausPflichtgefühl zu handeln, <strong>und</strong> gut 70<strong>von</strong> 100 betonten die persönlicheÜberzeugung. 14Angesichts des breiten Angebots<strong>von</strong> stationären <strong>und</strong> ambulanten Angebotenin der Langzeitpflege ist eserstaunlich, dass in der Schweiz einestaatliche Beteiligung als überhauptnicht selbstverständlich angesehenwird. In einer 2004 durchgeführtenUmfrage fanden nur r<strong>und</strong> 23 Prozentder über 65-Jährigen, dass der Staatfür Pflegeleistungen verantwortlichsei. In Dänemark <strong>und</strong> Schweden waren90 bzw. 67 Prozent dieser Meinung.15 Zusammenfassend lässt sichfeststellen, dass sich Familienangehörigezwar stark zur Betreuung verpflichtetfühlen, dass sie aber auchZufriedenheit aus der Aufgabe schöpfen.Obwohl die familiäre Unterstützungmehrheitlich in Ergänzung professionellerDienste erfolgt, wird demStaat keineswegs eine prioritäre Verantwortungfür die Langzeitpflegezugewiesen.Auf den zweiten Blick – Diehohe Kostenbeteiligung derprivaten Haushalte erklärendas Schweizer «Geheimnis»Eine Erklärung für den SchweizerMix aus gut ausgebauter öffentlicherVersorgung <strong>und</strong> niedrigen Erwartungenan den Staat als Pflegeleistungserbringerkönnte in den vergleichsweisehohen direkten Ges<strong>und</strong>heitsausgabender privaten Haushalteliegen. 16 Über 60 Prozent der Langzeitpflegeausgabenwerden in derSchweiz privat finanziert, womit dieSchweiz zum Sonderfall im internationalenVergleich wird, da kein anderesLand ähnlich hohe Eigenleistungenverzeichnet. Der Eigenleistungsanteilsinkt auf 36 Prozent, 17 wenn dieErgänzungsleistungen <strong>und</strong> die Hilflosenentschädigungenberücksichtigtwerden. Dennoch gehört die Schweizzu den OECD-Ländern mit demhöchsten Anteil an privaten Pflegeausgaben.Ähnlich hoch ist der Anteilmit 40 Prozent nur in den VereinigtenStaaten, während beispielsweiseDeutschland Anteile <strong>von</strong> 31,Slowenien <strong>von</strong> 27 oder Spanien <strong>von</strong>25 Prozent ausweisen (vgl. Grafik G2).Wirft man einen genaueren Blickauf die Art der privaten Ges<strong>und</strong>heitsausgaben,muss zwischen Pflegeleistungenzu Hause <strong>und</strong> Pflegeleistungenin Heimen unterschieden werden. Diehohe private Kostenbeteiligung istmöglicherweise teilweise dadurch zuerklären, dass, verglichen mit anderenLändern, viele ältere Menschen inPflegeheimen betreut werden. 18 Eskann jedoch da<strong>von</strong> ausgegangen werden,dass die Kostenbeteiligung beider stationären Pflege nicht unbedingthöher ist als bei der Pflege zu Hause. 19Mit der Einführung der Neuordnungder Langzeitpflegefinanzierung 2011wird <strong>von</strong> den Pflegebedürftigen inHeimen verlangt, Kost <strong>und</strong> Logis ausder eigenen Tasche zu bezahlen. Diesekommen zu den maximal 20 Prozentder selbst zu tragenden Kostenfür persönliche Pflege in den Heimenhinzu. 20 Bei der Pflege zu Hause beziehtsich die Kostenbeteiligung vorallem auf den Selbstbehalt bei persönlichenPflegeleistungen sowie aufDienstleistungen, die <strong>von</strong> der Krankenversicherungnicht übernommenwerden, zum Beispiel eine Haushalthilfe.Die Beteiligung der privatenHaushalte wurde mit der Neuordnungangehoben, womit sich die privatenGes<strong>und</strong>heitsausgaben 2011 auf zweiDrittel der Gesamtkosten für die Pflegezu Hause beliefen. 21Wichtig ist indessen zu erwähnen,dass in der Schweiz mit den Ergänzungsleistungenein bedarfsgeprüftesInstrument zur Verfügung steht, umprivate Haushalte zu unterstützen,wenn die anerkannten Kosten des9 Daten <strong>von</strong> 200610 Lit. Rodrigues et al., 62 f.11 Lit. Höpflinger12 Lit. Perrig-Chiello, 13913 Deutschland, Italien, Vereinigtes Königreich,Schweden, Polen <strong>und</strong> Griechenland14 Lit. Döhner et al.15 Lit. Haberkern <strong>und</strong> Szydlik, 30916 Die direkten Ges<strong>und</strong>heitsausgaben umfasseneinerseits die Kostenbeteiligung in der obligatorischenKrankenpflegeversicherung, in denZusatzversicherungen sowie die sogenannten«Out-of-Pocket»-Zahlungen für medizinische<strong>und</strong>Pflege-Leistungen, die nicht über eineVersicherung gedeckt sind.17 Lit. Colombo et al.18 Lit. Colombo et al., 4019 Lit. Höpflinger20 Lit. Curaviva21 Lit. Höpflinger, 99ff.; Spitex Verband Schweiz;BFS320 Soziale Sicherheit CHSS 6/2013

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