Internationale AngelegenheitenSoziale Sicherheit Schweiz–KososvoVoraussetzungen für einallfälliges neues Abkommenmit KosovoSchweizerische Gewerkschaftenhaben sich sofort nach dem B<strong>und</strong>esratsentscheidfür ein neues Sozialversicherungsabkommeneingesetzt,<strong>und</strong> die Unia hat am 4. Mai 2010eine Petition mit mehreren zehntausendUnterschriften bei der B<strong>und</strong>eskanzleieingereicht. Die RegierungKosovos zeigt ebenfalls Interesse amAbschluss eines <strong>neuen</strong> Abkommens.Bereits im September 2010 fand einInformationsaustausch des BSV mitden kosovarischen Behörden statt,an dem die Schweiz die Voraussetzungendargelegt hat, die erfüllt seinmüssen, damit die Aufnahme <strong>von</strong>Verhandlungen über ein allfälligesneues Abkommen geprüft werdenkann. Unerlässlich ist, dass auf beidenSeiten nationale Sozialversicherungssystemebestehen, welche mittelseines Abkommens koordiniertwerden können. Zudem sind verlässliche<strong>und</strong> vollständige Register (z.B.Zivilstand, Einwohner, Geburten)unabdingbar. In Kosovo sind sodannmassgebliche Verbesserungen aufadministrativer Ebene erforderlich,damit die für die Durchführung einesallfälligen Abkommens erforderlicheZusammenarbeit gewährleistetwerden könnte. Es braucht beispielsweiseeine oder mehrere Verbindungsstellenbeziehungsweise zuständigeBehörden für die <strong>von</strong> einemAbkommen erfassten Sozial-versicherungszweige,die für die internationaleKoordination zuständig sind<strong>und</strong> als Ansprechpartner für dieausländischen Sozialversicherungsträgerdienen. Sodann muss einemedizinische Infrastruktur vorhandensein, die es erlaubt, verlässlichemedizinischen Diagnosen <strong>und</strong> Gutachtenzu erstellen. Aus schweizerischerSicht muss zudem auch dieDurchführung <strong>von</strong> Betrugsbekämpfungsmassnahmenim anderen Vertragsstaat,die in <strong>neuen</strong> Abkommenregelmässig vorgesehen ist, gewährleistetsein.Kosovo hat der Schweiz Informationenzur Gesetzgebung übermittelt,die geprüft worden sind, aberweiterhin verschiedene Fragen offenlassen. Unabdingbare Voraussetzungfür ein Sozialversicherungsabkommenist, dass der jeweilige Staat Gegenrechthinsichtlich des Rentenexportsgewährt. Die in Kraft stehendekosovarische Gesetzgebung stehteinem Export der Renten ins Auslandjedoch entgegen. Der Exportwäre selbst mit einer entsprechendenAbkommensregelung nicht möglich,weil das nationale Recht aus kosovarischerSicht vorrangig ist. Dieerforderliche Gegenseitigkeit in dieserfür ein Abkommen gr<strong>und</strong>legendenFrage fehlt somit. Der Abschlusseines <strong>neuen</strong> Abkommens ist ausgeschlossen,solange die Gesetzgebungin dieser Hinsicht nicht geändertwird <strong>und</strong> im Rahmen eines Abkommenslediglich die schweizerischenRenten exportiert würden. Weiter istnicht klar, inwieweit die in den Gesetzenvorgesehenen Prüfungsmechanismenhinsichtlich des Ges<strong>und</strong>heitszustandes,des Wohnsitzes, desZivilstandes etc. bereits in die Tatumgesetzt wurden, <strong>und</strong> inwieweit dieschweizerischen Versicherungsträgerbei der Umsetzung eines allfälligenAbkommens darauf zurückgreifenkönnten. Die Gesetze sehenzwar auch die Errichtung verschiedenerRegister vor. Es ist allerdingsnoch offen, ob diese Register bereitsbestehen <strong>und</strong> vollständig sowie zuverlässigsind.Informationen zur sozialversicherungsrechtlichenSituation <strong>von</strong> Staatsangehörigen Kosovos:• Informationsblatt «Information für Staatsangehörige des Kosovo: Diewichtigsten Auswirkungen der Nichtweiteranwendung des Sozialversicherungsabkommens»:www.bsv.admin.ch ➞ Themen ➞ Internationales➞ Aktuell• Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen <strong>und</strong> EL-Durchführungsstellen,Nr. 265 vom 28. Januar 2010: www.bsv.admin.ch ➞ Praxis ➞ AHV➞ Mitteilungen ➞ Nr. 265• <strong>IV</strong>-R<strong>und</strong>schreiben Nr. 322 vom 24. September 2013: http://www.bsv.admin.ch ➞ Praxis ➞ <strong>IV</strong> ➞ Gr<strong>und</strong>lagen ➞ Individuelle Leistungen ➞R<strong>und</strong>schreiben ➞ Nr. 322Weiteres VorgehenUm beurteilen zu können, ob dieVoraussetzungen für die Aufnahme<strong>von</strong> Verhandlungen zwecks Abschlusseines allfälligen <strong>neuen</strong> Abkommenserfüllt sind, sind zusätzlicheAbklärungen zur Gesetzgebung<strong>und</strong> zum tatsächlichen Funktionierender Einrichtungen im Kosovoerforderlich. Das B<strong>und</strong>esamt fürSozialversicherungen (BSV) wirddiese Abklärungen vornehmen <strong>und</strong>laufend prüfen, wie sich die Verhältnisseim Kosovo entwickeln. Mitberücksichtigtwerden auch die Erfahrungenanderer europäischer Staaten,die im Sozialversicherungsbereich348 Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Internationale AngelegenheitenSoziale Sicherheit Schweiz–KososvoBeziehungen zu Kosovo unterhalten.Es hat sich gezeigt, dass gewisse Staatenihre früheren Sozialversicherungsabkommenim Verhältnis zuKosovo ebenfalls nicht mehr anwenden(Österreich, Luxemburg <strong>und</strong>Tschechien). Andere treffen bei derUmsetzung auf die gleichen Schwierigkeitenwie die Schweiz. Liegen dieAuswertungen <strong>und</strong> Ergebnisse vor,wird eine neue Standortbestimmungvorgenommen. Sollten die Voraussetzungenfür die Aufnahme <strong>von</strong>Verhandlungen als erfüllt erachtetwerden, könnte der B<strong>und</strong>esrat gegebenenfallsein entsprechendes Verhandlungsmandatverabschieden.Vorerst bleibt Kosovo ein Nichtvertragsstaat<strong>und</strong> seine Staatsangehörigenwerden gleich behandelt wieAngehörige anderer Nichtvertragsstaaten.Eine provisorische Anwendungdes alten Abkommens währendder Übergangszeit, wie sie auchschon vorgeschlagen wurde, erscheintaus den oben angeführtenGründen als nicht angezeigt.Raphael Tschanz, Jurist, GeschäftsfeldInternationale Angelegenheiten, BSVE-Mail: Raphael.tschanz@bsv.admin.chSoziale Sicherheit CHSS 6/2013 349