Invalidenversicherung<strong>Sozialleistungsbezüge</strong> <strong>und</strong> <strong>Profile</strong> <strong>von</strong> <strong>neuen</strong> <strong>IV</strong>-<strong>Rentenbeziehenden</strong>Risikoprofile <strong>von</strong><strong>IV</strong>-Neurentnerinnen <strong>und</strong>NeurentnernStudie:Fluder, Robert, Renate Salzgeber <strong>und</strong> TobiasFritschi, Verläufe <strong>und</strong> <strong>Profile</strong> <strong>von</strong> <strong>neuen</strong> <strong>IV</strong>-<strong>Rentenbeziehenden</strong>. Analyse anhand derSH<strong>IV</strong>ALV-Daten 2005–2010. Beiträge zurSozialen Sicherheit, ForschungsberichtNr. 10/13: www.bsv.admin.ch ➞ Praxis➞ Forschung ➞ ForschungspublikationenMit einem multivariaten Modellwurde geschätzt, welche Faktoren wiestark die Wahrscheinlichkeit für einenVerlauf mit vorgängigen Leistungenbeeinflussen. Im Gegensatz zu den deskriptivenAuswertungen (vgl. ausführlicherBericht), bei denen jeder einzelneEinflussfaktor in eine bivariateBeziehung zum Verlaufstyp gesetztwurde, wurden im multivariatenSchätzmodell alle Einflussfaktorengleichzeitig einbezogen. Damit liesssich der Effekt der einzelnen Einflussfaktorenbei Kontrolle der übrigenermitteln. Grafik G2 weist aus, für welcheFaktoren (erklärende Variablen)ein Einfluss auf einen Verlauf mit Sozialleistungsbezugvor dem <strong>IV</strong>-Rentenentscheidfestgestellt wurde. Dabeiwird nur die Stärke des Einflusses (-,--, ---, kein Einfluss = leer, +, ++, +++)angegeben – die Angaben sind nichtmetrisch zu interpretieren. Pro Einflussfaktorist angegeben, ob eine bestimmteAusprägung der Variablen dieWahrscheinlichkeit für einen Sozialleistungsbezugvor der Rente signifikanterhöht (+ bis +++) oder verringert(- bis ---) im Vergleich zu einem Verlaufohne vorgängigem Leistungsbezug(Verlaufstyp 6 ist Referenz).Zum einen erwiesen sich soziodemografischeMerkmale der <strong>IV</strong>-Neurentnerinnen<strong>und</strong> Neurentner als bedeutsam.Bei älteren <strong>und</strong> bei verheirateten<strong>neuen</strong> <strong>IV</strong>-<strong>Rentenbeziehenden</strong>(mit <strong>und</strong> ohne Kinder) waren Verläufemit einem Bezug <strong>von</strong> ALE oder Sozialhilfeweniger wahrscheinlich. Demgegenüberhatten nicht verheiratete<strong>IV</strong>-Neurentnerinnen <strong>und</strong> Rentner mitKindern (Alleinerziehende) eine erhöhteWahrscheinlichkeit für Verläufemit Leistungsbezug. Bei der Nationalitätkönnen die Unterschiede, die beider deskriptiven Auswertung zwischenSchweizer <strong>und</strong> ausländischen Staatsangehörigenin Bezug auf einen vorgängigenLeistungsbezug gef<strong>und</strong>enwurden, teilweise durch die Ausprägungenbeim Ausbildungsniveau <strong>und</strong>bei der Branchenzugehörigkeit sowieder beruflichen Stellung erklärt werden:Es sind Ausbildung <strong>und</strong> (frühere)Branchenzugehörigkeit, welche dasResultat bestimmen. Nur neue Rentenbeziehendeaus Staaten ausserhalbder EU/EFTA wiesen auch nach Kontrolle<strong>von</strong> weiteren Faktoren eine deutlichhöhere Wahrscheinlichkeit fürVerläufe mit Leistungsbezug auf.Wie erwähnt, konnten auch bei densozioprofessionellen Merkmalen deutlicheEffekte nachgewiesen werden.Erstaunlich ist, dass insgesamt keinsignifikanter Unterschied zwischenPersonen ohne <strong>und</strong> solchen mit einerBerufsausbildung festgestellt wurde.Neue <strong>IV</strong>-Rentenbeziehende mit einerTertiärausbildung jedoch zeigten einedeutlich geringere Wahrscheinlichkeitfür einen Verlauf mit vorgängigemLeistungsbezug. Bei der Branchenzugehörigkeitwar diese für <strong>IV</strong>-Neurentnerinnen<strong>und</strong> Neurentnern aus demBau- <strong>und</strong> Gastgewerbe erhöht, beisolchen aus dem Finanzwesen <strong>und</strong> deröffentlichen Verwaltung hingegen geringer.Ein klares Muster zeigte sichzudem bei der beruflichen Stellung:Nichterwerbstätige <strong>und</strong> Personen mitHilfsfunktionen wiesen im Vergleichzu den Fachfunktionen ein erhöhtesRisiko für vorgängige Leistungsbezüge;Personen aus dem Kader <strong>und</strong> selbstständigErwerbende ein verringertesRisiko aus. Auch für den Erwerbseinkommensverlaufliess sich ein Zusammenhangmit dem Verlauf in die <strong>IV</strong>herstellen. <strong>IV</strong>-Neurentner <strong>und</strong> Rentnerinnenmit einem tiefen Einkommenwiesen im Vergleich zur Gruppe miteinem sinkenden Einkommen eineerhöhte Wahrscheinlichkeit für einenLeistungsbezug vor Rentenbeginn auf,während diese bei Betroffenen mitmindestens mittleren Einkommen geringerwar.Bei der Gebrechensart haben neue<strong>IV</strong>-Rentenbeziehende mit psychischenBeeinträchtigungen eine deutlich höhereWahrscheinlichkeit auf vorgängigeLeistungsbezüge. Zudem konntenregionale Einflussfaktoren nachgewiesenwerden: Im Vergleich zu den mittelgrossenKantonen mit städtischenZentren ist bei den Stadtkantonen(inkl. Kanton Zürich) die Wahrscheinlichkeitfür vorgängige Leistungendeutlich erhöht <strong>und</strong> im Kanton Tessinsignifikant geringer.Insgesamt zeigt sich ein deutlicherEinfluss sowohl der soziodemografischenwie auch der arbeitsmarktbezogenenMerkmale auf einen allfälligenLeistungsbezug vor dem Rentenentscheid.Neue Bezügerinnen <strong>und</strong> Bezüger<strong>von</strong> <strong>IV</strong>-Renten mit schwach ausgestattetenRessourcen <strong>und</strong> mit generellerhöhten sozialen Risiken waren häufigerin Verläufen mit vorgängigemLeistungsbezug zu finden. Zusätzlichspielt die Art der ges<strong>und</strong>heitlichen Beeinträchtigung<strong>und</strong> die regionale Zugehörigkeiteine Rolle.Dr. Robert Fluder, Leiter Schwerpunkt SozialeSicherheit, BFH Soziale ArbeitE-Mail: robert.fluder@bfh.chRenate Salzgeber, lic. oec. publ., Dozentin<strong>und</strong> Projektleiterin BFH Soziale ArbeitE-Mail: renate.salzgeber@bfh.chTobias Fritschi, lic. rer. pol., Dozent <strong>und</strong>Projektleiter, BFH Soziale ArbeitE-Mail: tobias.fritschi@bfh.ch340 Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
invalidenversicherungInvalidenversicherungProjekt BECK der GELIKOBECK – Berufliche Eingliederung <strong>von</strong> Menschenmit einer chronischen KrankheitMit dem Projekt BECK «Berufliche Eingliederung <strong>von</strong> Menschen miteiner chronischen Krankheit» unterstützt die Schweizerische Ges<strong>und</strong>heitsligenkonferenz(GELIKO) Betroffene bei Problemen am Arbeitsplatzzu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Dies mit dem Ziel, einen drohendenArbeitsplatzverlust abzuwenden. Neben der Beratung übernehmendie Ges<strong>und</strong>heitsligen auch die anwaltschaftliche Vertretung ihrerKlienten im Dreieck Arbeitgeber, Sozialversicherungen <strong>und</strong> Arzt.Margareta Schmid Eliane Boss Erich TschirkyFachstelle Evaluation & Krebsliga Schweiz SchweizerischeGes<strong>und</strong>heitsforschungGes<strong>und</strong>heitsligen-KonferenzAufgr<strong>und</strong> der Zunahme chronischerErkrankungen sowie im Zuge der 5.<strong>und</strong> 6. <strong>IV</strong>-Revision wird der Situationchronisch kranker Menschen am Arbeitsplatzvermehrt Beachtung geschenkt.Mit den Gesetzesänderungenwurde der <strong>IV</strong> die Aufgabe übertragenmitzuhelfen, dass drohendeArbeitsplatzverluste <strong>von</strong> Menschen1 Ges<strong>und</strong>heit2020: Die ges<strong>und</strong>heitspolitischenPrioritäten des B<strong>und</strong>esrates, 23. Januar 2013:www.ges<strong>und</strong>heit2020.ch2 www.geliko.ch3 Lit. Soltermann, 654; Lit. Pärli et al.mit ges<strong>und</strong>heitlichen Einschränkungenmöglichst verhindert werden können.Zentrales Element ist – im Zusammenspielaller Akteure – dieFörderung der beruflichen Integrationdurch rechtzeitiges Handeln. Ges<strong>und</strong>heitsbezogeneProbleme amArbeitsplatz sind für chronisch Krankemit vielen Belastungen <strong>und</strong> Unsicherheitenverb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> stellenalle Beteiligten vor grosse Herausforderungen.Die Versorgungsstrukturen desschweizerischen Ges<strong>und</strong>heitswesenssind nicht optimal auf die Bedürfnissechronisch kranker Menschen ausgerichtet.Die oft mangelhafte Koordinationder beteiligten Leistungserbringerführt zudem zu unerwünschten<strong>und</strong> teuren Doppelspurigkeiten.Dieser Missstand wurde auch vomB<strong>und</strong>esrat erkannt, der im Rahmender Strategie Ges<strong>und</strong>heit2020 1 dieBewältigung der durch chronischeKrankheiten versursachten Problemstellungenals zentrale ges<strong>und</strong>heitspolitischeHerausforderung identifizierthat.Um die besonderen Bedürfnissechronisch kranker Menschen kümmernsich seit langem die gemeinnützigorganisierten Ges<strong>und</strong>heitsligen.Neben der Präventionsarbeit unterstützensie insbesondere Betroffene,Angehörige sowie Betreuende mitBeratungsleistungen <strong>und</strong> engagierensich in ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> sozialpolitischenFragen. In enger Vernetzungmit einem erweiterten Kreis <strong>von</strong>Fachleuten begegnen sie negativenges<strong>und</strong>heitlichen, finanziellen <strong>und</strong>sozialen Folgen <strong>von</strong> chronischenKrankheiten. Um den Erfahrungsschatz<strong>und</strong> das Fachwissen der Ges<strong>und</strong>heitsligenzu bündeln <strong>und</strong> ein aufdie berufliche Eingliederung zugeschnittenesAngebot umzusetzen, hatdie Schweizerische Ges<strong>und</strong>heitsligen-Konferenz (GELIKO), 2 das Projekt«BECK – Berufliche Eingliederung<strong>von</strong> Menschen mit einer chronischenKrankheit» initiiert. Es gründet aufder unter allen Akteuren breit abgestütztenErkenntnis, dass die berufliche(Re-)Integration kranker oderverunfallter Menschen nur dannErfolg versprechend sein kann, wennsie früh beginnt, aber auch kompetent<strong>und</strong> koordiniert erfolgt. 3 Mit BECKsoll das Beratungsangebot für chronischKranke verbessert <strong>und</strong> Arbeitgeberhinsichtlich der Auswirkungen<strong>von</strong> chronischen Erkrankungen aufSoziale Sicherheit CHSS 6/2013 341