Stufen - AA Gruppe Markus Nürnberg
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Nach drei Wochen war meine Zeit in der Old Lodge abgelaufen. Es war für mich eine ungemein<br />
wichtige Zeit gewesen. Ich hatte viel über Alkoholismus und Alkoholiker gelernt, aber nicht aus<br />
Büchern, sondern aus den oft sehr bewegenden Geschichten meiner Mitpatienten. Ich habe auch<br />
viel über mich selbst erfahren und über meine Beziehung zu Gott und zu den Menschen. Die<br />
restlichen zwei Monate arbeitete ich dann als Geistlicher auf einer Langzeit-Unit. Meine Aufgabe<br />
war es, fünfte Schritte des <strong>AA</strong>-Programms zu hören. Zum Abschluss der Therapie gehörte es, den<br />
vierten und fünften Schritt zu machen. Der vierte Schritt heißt: „Wir machten eine gründliche und<br />
furchtlose Inventur in unserem Innern” und der fünfte Schritt: „Wir gaben Gott, uns selbst und<br />
einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu”.<br />
Eine Begebenheit, die ich in diesem Zusammenhang erlebt habe, möchte ich noch berichten: Ich<br />
wurde eines Tages in eine andere Unit gerufen, um bei einem Patienten den fünften Schritt zu<br />
hören. Bevor wir mit diesem Schritt begannen, erzählten wir einander ein wenig über unser Leben.<br />
Der Patient berichtete mir, dem Priester aus Deutschland, unter anderem, dass er während des<br />
Zweiten Weltkriegs Bomberpilot gewesen sei. Ich fragte ihn darauf, ob er auch bei dem schweren<br />
Angriff auf Augsburg im Februar 1944 dabei gewesen sei. Nach kurzem Nachdenken bestätigte er<br />
es mir.<br />
Ich erzählte ihm darauf, dass ich damals als Flak-Helfer auf der anderen Seite gewesen sei und<br />
gegen die Bomber geschossen habe. In diesem Augenblick waren wir beide sehr bewegt. Die<br />
Feinde von damals waren jetzt Freunde und bereit, vor Gott unsere Fehler unverhüllt zuzugeben.<br />
Es war ein guter fünfter Schritt, und ich hoffe und wünsche von Herzen, dass mein Freund von<br />
damals noch am Leben ist und trocken und zufrieden ist.<br />
Abschied von Hazelden<br />
Rückblickend kann ich sagen, dass diese drei Monate in Hazelden die wichtigsten in diesem Jahr<br />
der klinischen Seelsorgeausbildung waren. In mir war eine Sehnsucht ein-gepflanzt, die mich nun<br />
nicht mehr Ioslassen sollte. Schweren Herzens nahm ich Abschied von meinen Unit-Freunden und<br />
arbeitete anschließend noch zweieinhalb Monate als geistlicher Begleiter in der Langzeittherapie<br />
von Hazelden.<br />
Zurück in München<br />
Im Oktober 1974 kehrte ich dann mit vielen neuen Erfahrungen in meine Heimatdiözese München<br />
zurück und begann meine Arbeit als Klinikpfarrer am neu eröffneten Klinikum Groß-Hadern in<br />
München. Ich war mit dabei, als die ersten Patienten in die Klinik kamen. Heute kann diese Klinik<br />
etwa 1800 Patienten aufnehmen. Im Krankenhaus-Jargon spricht man von 1800 Betten.<br />
Zusammen mit meinem evangelischen Kollegen, Waldemar Pisarski, der zwei Jahre vor mir die<br />
klinische Seelsorgeausbildung in den USA absolviert hatte, waren wir ein gutes, freundschaftliches<br />
Team. Ich erinnere mich noch sehr gerne an diese Zeit.<br />
Auf der Suche<br />
Dennoch drängte sich in mir immer mehr das Gefühl auf: ,Das ist nicht der richtige Platz für dich.'<br />
Die Erinnerung an Hazelden und meine Arbeit mit Alkoholikern trat immer mehr in den<br />
Vordergrund. Mir fiel ein, dass es in Hazelden auch eine Ausbildung zum<br />
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