Stufen - AA Gruppe Markus Nürnberg
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versucht, Eure Grenzen zu erweitern und eine größere Freiheit zu bekommen. Das Ende war aber<br />
nicht Freiheit, sondern Gefangenschaft und Versklavung.<br />
Vor diesem Hintergrund wollen wir uns jetzt die Frage neu stellen: Was kann mir meine<br />
Gesundheit, meine Freiheit, meine Lebendigkeit wieder zurückgeben?<br />
Da sagt der zweite Schritt: ,Eine Macht, größer als wir selbst'. Das heißt also, wir selbst können es<br />
nicht aus eigener Kraft. Ich habe es versucht mit meinem Eigenwillen, aber es hat nicht geklappt.<br />
Ich möchte Euch jetzt einen Vorschlag machen, eine Hilfe anbieten. Ich verstehe zunächst einmal<br />
unter höherer Macht das ,Vertrauen'. Vertrauen steht gegen ,Angst' und ,Misstrauen'. Gerade das<br />
ist es ja, was den Alkoholiker so sehr belastet. Dieser Mangel an Vertrauen, dieses ,weder sich<br />
selbst, noch anderen, noch Gott vertrauen'. Das gehört zu dieser Krankheit, das macht sie ja so<br />
isolierend und bestürzend.<br />
Also Vertrauen: worauf kann ich mein Vertrauen setzen? Da will ich einmal beginnen mit einem<br />
Therapieprogramm: Ich vertraue, dass ein Therapieprogramm, wie es zum Beispiel hier in<br />
Tönisstein angewendet wird, hilfreich ist; oder Vertrauen auf andere: auf meine <strong>Gruppe</strong>, dass ich<br />
eine vertrauensvolle Beziehung zu diesen Männern und Frauen meiner <strong>Gruppe</strong> aufbaue. Manche<br />
Patienten meinen, das Vertrauen würde am Ende der Therapie oder gar erst, wenn man entlassen<br />
ist, beginnen. Nein, hier ist der Ort, an dem Vertrauen wächst, und ich meine, das wichtigste<br />
Instrument der Therapie ist die <strong>Gruppe</strong>, der vertrauensvolle Umgang miteinander. Vertrauen zu<br />
Euch selbst. Das wäre einmal ein Stück höherer Macht: Vertrauen.<br />
Dann möchte ich noch ein zweites sagen, das auch in diese Richtung geht: nämlich ,Liebe'.<br />
Vertrauen und hoffende Liebe, oder hoffendes Vertrauen und Liebe. Das sind die entscheidenden<br />
Haltungen. Liebe ist eigentlich die Grundsehnsucht des Menschen. Jeder von uns hat ein tiefes<br />
Bedürfnis nach Liebe und Geliebtwerden. Wenn dieses Bedürfnis nicht gestillt wird, wird er krank,<br />
und dann sucht der Mensch sich irgendwo Ersatz, z.B. den Alkohol. Alkohol kann Ersatz für<br />
Beziehung sein, für Liebe, für Wärme, für Trost, aber er ist eben nur Ersatz, und in Wirklichkeit<br />
tröstet er nicht, sondern er macht am Schluss den Menschen kaputt.<br />
Die höhere Macht ist die Liebe, und zwar die Liebe, die anfängt bei mir selbst: Selbstliebe. Früher<br />
habe ich immer gemeint, lieben heißt zunächst einmal den anderen lieben. Das ist richtig, zum<br />
Lieben gehört auch die Nächstenliebe. Aber anfangen muss ich bei mir selbst. Ich muss mich<br />
selbst mögen, ich muss mich selbst annehmen, mit meinen Schwierigkeiten, mit meinen Grenzen,<br />
mit meiner Schuld. Ich darf allerdings da nicht stehen bleiben. Mich selbst lieben, aber auch den<br />
anderen lieben. Die Frage ist, wie geht das, den anderen lieben?<br />
Da haben mir die Amerikaner geholfen. Sie kennen zwei Worte, die sehr genau umschreiben, was<br />
Liebe heißt, nämlich ,Sharing' und ,Caring'. To share heißt: sich mitteilen. Ich glaube, das ist etwas<br />
ganz Grundlegendes der Liebe: dass der Liebende sich dem anderen mitteilt, nicht verschließt,<br />
nicht hinter seiner Mauer, seinem Schild stehen bleibt, sondern sich öffnet, sich mitteilt. Ich erlebe<br />
immer wieder in den Familienseminaren, wie wenig die Ehepartner voneinander wissen, wie selten<br />
sie offen miteinander sprechen. Manchmal sagen mir Paare nach dem Seminar: so haben wir noch<br />
nie in unserer langjährigen Ehe gesprochen, so offen. Wir haben uns noch nie so viel mitgeteilt von<br />
uns selbst. Kein Wunder, dass eine Ehe, in der kein Sharing passiert, leidet, dahinsiecht. Sharing<br />
gilt aber nicht nur für die Ehe, es gilt genauso für die <strong>Gruppe</strong> hier. Wenn ich dem anderen nicht<br />
mitteile, was mit mir ist, was mich bewegt, dann wird nicht viel laufen in meiner Therapie. Das eine<br />
ist also Sharing; und das andere ist Caring: to care. Wir kennen es von den Care-Paketen.<br />
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