Stufen - AA Gruppe Markus Nürnberg
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kommenden Vorträgen über diese Schritte sprechen und sie auf ihre Bedeutung für die Therapie<br />
hin auslegen. Fangen wir heute mit dem ersten Schritt an. Er lautet:<br />
Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind - und unser Leben nicht mehr<br />
meistern konnten.<br />
Dieser Schritt hat zwei Teile. Bei dem ersten Teil geht es um die Machtlosigkeit gegenüber dem<br />
Alkohol. Im zweiten Teil geht es um die Unfähigkeit, das Leben zu meistern. Beides hängt zwar<br />
eng miteinander zusammen, ist aber doch sehr verschieden. Beim heutigen Vortrag möchte ich<br />
mich auf den ersten Teil des ersten Schrittes beschränken.<br />
Der erste Schritt beginnt mit dem Wort ,wir'. Wir, das heißt in der Vergangenheit die Gründer der<br />
Anonymen Alkoholiker, Bob und Bill und wie diese ersten Leute hießen. Etwa 1936 trafen sich zwei<br />
,hoffnungslose Alkoholiker' zu einem Gespräch und erzählten sich ihren Leidensweg. Dieses<br />
gegenseitige Mitteilen der Trinkgeschichte hatte zur Folge, dass der Trinkwunsch deutlich<br />
nachließ. Das war wohl die Geburtsstunde der Anonymen Alkoholiker. Nach einigen Jahren haben<br />
sich dann diese Mitglieder gefragt: „Wie sind wir eigentlich trocken geworden?”. Es wäre etwa so,<br />
als wenn Du dich nach Deiner Therapie oder vielleicht auch ein halbes Jahr danach hinsetzen<br />
würdest, Deine Aufzeichnungen nähmst und Dir Gedanken machtest, wie das eigentlich passiert<br />
ist, dass aus einem nassen Alkoholiker ein trockener geworden ist. Wie waren diese Schritte bei<br />
Dir? - So ähnlich haben das diese Anonymen Alkoholiker gemacht und dann diese Zwölf Schritte<br />
aufgestellt. Da handelt es sich nicht um eine Theorie, sondern um ein Nachbuchstabieren eines<br />
Erfahrungsweges.<br />
Ich möchte da kurz noch ein Wort sagen zu der religiösen Sprachform der Schritte. Manche von<br />
Euch fühlen sich etwas abgestoßen von den religiösen Formulierungen der Zwölf Schritte der<br />
Anonymen Alkoholiker. Ich kann das durchaus verstehen. Diese Selbsthilfebewegung ist auch aus<br />
einer religiösen Erweckungsbewegung, der so genannten Oxford-Bewegung entstanden und hat<br />
damit auch das religiöse Sprachkleid übernommen. Wichtig ist allerdings für mich, dass dieses<br />
Sprachkleid nicht einfach übernommen werden muss, um trocken zu bleiben. Auch jemand, der<br />
nicht mehr viel mit dem Wort Gott oder Religion oder Glauben verbindet, kann aufgrund dieses<br />
Therapieprogramms trocken werden. Aus diesem Grund haben die Verfasser der Schritte auch<br />
immer von ,Gott - wie wir ihn verstehen' - gesprochen, d.h. Du musst Dir klar werden, was für Dich<br />
Dein höchster Wert ist oder, wie Paul Tillich es ausdrückt: ,das was Dich unbedingt angeht'. Um<br />
das kommst Du allerdings nicht herum. Wer glaubt, dass er nur durch einige Korrekturen seines<br />
Verhaltens lange Zeit trocken bleiben kann, liegt meiner Ansicht nach falsch. Es geht um eine<br />
Neuorientierung meines Lebens auf Werte hin, bzw. auf meinen höchsten Wert.<br />
In der Gegenwart bedeutet das w i r nun die Therapiegruppe in Bad Tönisstein. Ich bin der<br />
Meinung, dass die <strong>Gruppe</strong> in Bad Tönisstein das wichtigste Instrument der Therapie ist. Sicherlich<br />
haben die Therapeuten auch ihre Bedeutung. Ich möchte das nicht herunterspielen; aber die<br />
Frage, ob einer letztlich trocken bleibt, liegt an der intensiven Mitarbeit in der <strong>Gruppe</strong>. Und zwar<br />
meine ich das in doppelter Weise: dass ich von mir in der <strong>Gruppe</strong> mitteile, dass ich mich öffne und<br />
meine Ängste und Schwierigkeiten und Fragen anspreche. Gleichzeitig aber ist wichtig, dass ich<br />
mich für die anderen interessiere, dass ich Interesse habe an dem Schicksal der anderen. Ich<br />
weiß, dass dies nicht so leicht ist. Viele kommen hier mit einer Menge Angst nach Bad Tönisstein.<br />
Der erste Tag oben auf der Aufnahmestation ist für viele sehr beängstigend. Kaum habt Ihr dann<br />
Wurzeln geschlagen in der <strong>Gruppe</strong>, kommt Ihr wieder in eine neue Therapiegruppe, und wieder<br />
beginnt ein Stück Angst. Trotzdem ist es wichtig, dass Du Dich von dieser Angst nicht bestimmen<br />
lässt, sondern Dich langsam öffnest.<br />
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