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Stufen - AA Gruppe Markus Nürnberg

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Mein Counselor (Ed) meinte nach unserem ersten Gespräch, dass ich doch eigentlich spirituell am<br />

Ende sei. Er formulierte es sehr konkret: „you are spiritual bankrupt” (du bist spirituell bankrott). Ich<br />

wollte natürlich wissen, woran er dies denn ausmachen würde. Seine Antwort war kurz und bündig:<br />

„Du hast kein Vertrauen zu Gott.” Ich war sehr betroffen von dieser Aussage. Schließlich war ich<br />

seit über 20 Jahren Priester und zuletzt Spiritual im Priesterseminar, wo es ja gerade um die<br />

spirituelle Ausbildung der Theologiestudenten ging. Zur Betroffenheit kam auch Arger über meinen<br />

Counselor.<br />

Umdenken<br />

So ging ich mit diesen gemischten Gefühlen einige Tage umher. Sicherlich wollte er mich mit<br />

dieser scharfen Formulierung herausfordern, was ihm auch wirklich gelungen ist. Ich wollte das<br />

aber zunächst nicht akzeptieren. Nach einigem Nachdenken und Meditieren wurde mir aber klar,<br />

dass mit meinem Gottesbild etwas nicht in Ordnung war. Ich hatte Angst vor der Hingabe an Gott.<br />

Ich schreckte davor zurück, Gott mein Leben und meinen Willen ganz anzuvertrauen. Langsam<br />

verflog der Ärger und mein Verstand tauchte wieder auf. Hatte dieser Ed vielleicht doch ein wenig<br />

Recht? War ich nicht beim Lesen des dritten Schrittes der <strong>AA</strong> - ,wir fassten den Entschluss, unser<br />

Leben und unseren Willen der Sorge Gottes anzuvertrauen' - zusammengezuckt? Und will ich<br />

das? Was wird Gott mit mir machen, wenn ich ihm eine Blankovollmacht über mein Leben<br />

ausstelle. Sicher wird er ziemlich Schweres und Leidvolles von mir verlangen.<br />

Es gab in Hazelden einen Slogan, der hieß: ,Go out of the driver Beat' (geh' aus dem Fahrersitz<br />

heraus); überlasse Gott den Führersitz und setze du dich daneben. Aber gerade das wollte ich<br />

eigentlich nicht, ich wollte das ,Lenkrad meines Lebens-Autos' nicht abgeben. Mir wurde in diesen<br />

Tagen klar, dass mein Gottesbild immer noch sehr strenge und strafende Züge trug. Zwar sprach<br />

ich in meinen Predigten häufig vom liebevollen und barmherzigen Vater, aber für mich konnte ich<br />

das noch nicht annehmen.<br />

Kapitulation<br />

Dann kam für mich die Kapitulation. Ich ging an einem schönen Maimorgen vor der Old Lodge auf<br />

und ab und war in meine Gedanken vertieft. Da traf mein Auge eine kleine Statue des Heiligen<br />

Franziskus, meines Namenspatrons, die in die Höhlung eines Baumes eingefügt war.<br />

Wahrscheinlich hatte sie ein dankbarer Patient dort zurückgelassen. Ich hatte sie vorher nie<br />

wahrgenommen. In diesem Augenblick wurde mir klar, Ed hat recht. Ich war wirklich spirituell<br />

bankrott, denn ich konnte mich und mein Leben nicht vertrauensvoll übergeben. Ich hatte zwar<br />

Theologie studiert und viel über Gott gelesen, aber immer noch war da so eine Angst vor dem<br />

Gott, der viel Leid auferlegt. Diese Angst verschwand in diesen Tagen und ich konnte mein Leben<br />

,surrendern' (übergeben). Langsam wurde mir klar, dass ich auf dem Holzweg war, und ich<br />

entdeckte Gott als den Liebhaber des Lebens, als den gütigen und fürsorglichen Vater. Was ich in<br />

meinem Studium zwar rein kognitiv gelernt hatte, wurde mir durch die Schritte der <strong>AA</strong> und die<br />

<strong>Gruppe</strong>n-Sitzungen der Alkoholiker zu einem Herzenswissen. Ich fing an, mich immer mehr in die<br />

Hände meines gütigen Vaters zu legen.<br />

Dabei half mir auch eine sehr weltliche Erfahrung. Ich ging manchmal nach Dienst an den St.-<br />

Croix-Fluss. Sauber und gemächlich floss er in Richtung St. Paul, wo er in den Mississippi fließt.<br />

Ich schwamm in die Mitte des Flusses und ließ mich von der Strömung tragen. Ich brauchte keine<br />

Schwimmbewegungen mehr zu machen, ich vertraute mich einfach der Strömung an. Sie trug<br />

mich. Das war für mich ein Bild für Anvertrauen, sich dem Leben übergeben. Loslassen und sich<br />

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