–––Die Reflexion nimmt über die Gesamtheit der Kurse einen zu geringen Stellenwert ein. Wederwerden lange Sequenzen der Selbstreflexion in die Kurse integriert noch fliesst diese bewertungsrelevantin die Lernkontrolle ein.Aufgrund des Pflichtcharakters der Kurse für die Studierenden des wirtschaftspädagogischenLehrgangs entstehen zusätzliche Probleme. Gewisse Inhalte werden in allen Kursen teilweiseausführlich «repetiert» (Wertequadrat, aktives Zuhören, Kommunikationsquadrat). Der Problematikkönnte entgegengewirkt werden, wenn eine starre Reihenfolge für die Belegungder Kurse für Wirtschaftspädagogen vorgeschrieben würde. Zudem sollten Pädagogen undNicht-Pädagogen strikt voneinander getrennt werden, um zusätzliche Synergien zwischen deneinzelnen Modulen der Ausbildung nutzen zu können. Die Module könnten so aufeinanderaufbauen und stets zielgruppengerecht angeboten werden.Die Überprüfung des Lernerfolgs findet vorwiegend aus Gründen der Ökonomie häufig inschriftlicher Form statt. In Zukunft sollten Prüfungsformate für Sozialkompetenzen entwickeltwerden, welche allen Anforderungskriterien der Prüfung entsprechen und mehr prozessorientiertsind.SEKUNDÄRE FAKTOREN IM MODELLLernkulturDie Lernkultur wird von allen Interviewten der Universität St.Gallen <strong>als</strong> sehr heterogen beschrieben.Idealtypisch können vier Typen von Lernenden unterschieden werden, welche in Abb. 24dargestellt sind. Wilbers (Interview, 20. April 2005) glaubt, dass die Studierenden nach einemkonstruktivistischen Lernverständnis lernen wollen, jedoch ein ganz anderes Lernverhalten zeigen.Euler (Interview 11. April 2005) glaubt, dass die stark fremdgesteuerten und prüfungsorientiertenLernenden stärker vertreten sind <strong>als</strong> die hochgradig selbstgesteuerten Lernenden.FremdgesteuertSelbstgesteuertEgoistischAltruistischAbb. 24: Entwicklung der Lernkultur der Universität St.GallenEntsprechend den Ausführungen im ersten Teil ist anzustreben, dass die Lernkultur der UniversitätSt.Gallen homogener – und zwar im Sinne des Quadranten selbstgesteuert-altruistisch wird.Dies ist notwendig, um die hier vorgestellten Konzepte umsetzen zu können. Es ist nicht möglichin einer Kultur des Misstrauens und der übertriebenen Selbständigkeit Π-Kompetenz zu fördernund mit einem kooperativen Lernverhalten zu rechnen.Überfachliche Handlungskompetenzen <strong>als</strong> Positionierungsmerkmal einer UniversitätMasterarbeit Joël Luc Cachelin66
Sowohl Wilbers <strong>als</strong> auch Spoun weisen in den Interviews darauf hin, dass der Einfluss der UniversitätSt.Gallen letztlich aber gering ist. Die Studierenden brächten bereits einen grossen Schatzan Erfahrungen mit. Trotzdem: Die Wechselwirkung zwischen Kultur bzw. Image der UniversitätSt.Gallen und dem Entscheid an der Universität St.Gallen zu studieren kann nicht verleugnetwerden. Einmal mehr rückt der Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Positionierung inden Mittelpunkt – externe Kommunikation und Kultur beeinflussen sich gegenseitig. Die Kultursoll im Sinne der Marke Universität St.Gallen gelenkt werden.Um eine Lernkultur zu verändern, sind an die Anker von Von der Oelsnitz & Hahmann (2003)anzuknüpfen. Kommunikation, Sprache und Symbole sollen genutzt werden, um Homogenitätzu schaffen. Auch das Schaffen von Abhängigkeiten scheint mir ein zentraler Hebel zu sein. Essollen didaktische Konzeptionen geschaffen werden, die den Studierenden nur den Weg der Kooperationübriglassen. Je mehr Studierende dieselbe Note erhalten, desto mehr wird ein Handelnim Sinne des Kollektivs nötig. Und je mehr Lernende sich <strong>als</strong> Kollektiv verhalten, desto grösserwird aufgrund der Netzwerkeffekte der Anreiz, sich an einem Netzwerk zu beteiligen. Entsprechendsollten von einer Universität Netzwerke bzw. deren elektronische Infrastruktur geschaffenwerden, die gewisse Eintrittsbarrieren beinhalten. So könnte man Studierenden Zutritt zuLernprozessprodukten nur dann gewähren, wenn sie selber auch Lernprozessprodukte uploaden.Sicherlich sollen auch Einzelleistungen honoriert werden, zwecks Kultur soll aber durchaus eingewisses Gefühl für das Kollektiv «erzwungen» werden. Das Schaffen von zwingenden, aber bewertungsfreienKursen ist eine andere Möglichkeit zur Stärkung des Kollektivs. Homogenität istso zu verstehen, dass in einer homogenen Kultur heterogene Subkulturen und Individuen existieren,die aber alle die gleichen normativen Ziele im Sinne eines Curriculums erreichen wollen.Lernende OrganisationEine Universität ist ein Spezialfall der lernenden Organisation. Denn das Lernen und Lehren istAlltag der Organisation. Es ist aber nicht selbstverständlich, dass auch die Universität <strong>als</strong> Ganzeslernt und sich den verändernden Bedingungen anpasst. Alle Interviewten bestätigen, dass dieUniversität St.Gallen eine lernende Organisation ist. «Wenn eine lernende Organisationen eineInstitution ist, die versucht auf Herausforderungen der Umwelt zu reagieren, auch eine Organisationist, die aus Erfahrung lernt, aus Fehlern lernt, die Fehler zulässt, die Fehler nicht vermeidet,nur weil es unbequem werden könnte – dann kann man sagen, dass die Universität St.Gallen inden letzten fünf Jahren eine sehr lernende Organisation war» (Euler, Interview, 11. April 2005).Hervorgehoben werden von den befragten Experten Evaluationen und Feedbackrunden zur Verbesserungder Lehre. Für die Studierenden bleiben die Resultate der Befragungen jedoch oft imDunkeln. Nur einzelne Dozierende nehmen die Evaluationen ernst und führen neben Fokusgruppenauch ein Feedback zum Feedback durch.Überfachliche Handlungskompetenzen <strong>als</strong> Positionierungsmerkmal einer UniversitätMasterarbeit Joël Luc Cachelin67