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Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg

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<strong>Jahresbericht</strong><br />

<strong>2011</strong> / <strong>2012</strong><br />

Seine Sorgen<br />

möchten Sie<br />

nicht haben.<br />

www.diakonie-<br />

wuerttemberg.de<br />

Menschlichkeit<br />

braucht Ihre<br />

Unterstützung


<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2011</strong> / <strong>2012</strong><br />

Diakonisches Werk <strong>Württemberg</strong><br />

Landesgeschäftsstelle<br />

Vorgelegt zur Mitgliederversammlung<br />

am 14. November <strong>2012</strong><br />

Seine Sorgen<br />

möchten Sie<br />

nicht haben.<br />

Menschlichkeit braucht<br />

Ihre Unterstützung


4<br />

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Vorwort des Vorstandes<br />

„Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe<br />

zu ermöglichen“<br />

Interview mit dem Vorstand über sozial- und<br />

verbandspolitische Herausforderungen<br />

<strong>Diakonie</strong> konkret: Zuerst der Mensch<br />

Beispiele diakonischen Handelns aus verschiedenen<br />

Arbeitsbereichen<br />

Arbeitsbereich 1: Kinder- und Jugendhilfe<br />

Bericht einer Mutter über den Neuanfang<br />

ihres Sohnes<br />

Interview zu den Herausforderungen<br />

der heutigen Kinder- und Jugendhilfe<br />

Arbeitsbereich 2: Arbeitslosenhilfe<br />

Reportage aus der Arbeit eines <strong>Diakonie</strong>ladens<br />

Interview zu den Herausforderungen<br />

der Arbeitslosenhilfe heute<br />

Arbeitsbereich 3: Gesundheit, Alter<br />

und Pflege<br />

Bericht über eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter<br />

noch ein Privatleben hat<br />

Interview zu den Herausforderungen<br />

der Altenhilfe heute<br />

Arbeitsbereich 4: Internationale <strong>Diakonie</strong><br />

Wie abgeschobene Roma in Serbien<br />

wieder Perspektiven finden<br />

Interview über Herausforderungen<br />

der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute<br />

Beispielhaft: Zentrale Themen<br />

des Verbands und der Landesgeschäftsstelle<br />

Vom Zivi zum Bufdi<br />

35.000 Freiwillige bei der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> aktiv<br />

Personalentwicklung hilft Fach- und Führungskräfte<br />

zu finden<br />

Wirtschaftliche Situation diakonischer Träger<br />

Kurz und knapp<br />

Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong><br />

„Sozialpolitische Probleme lassen sich nicht<br />

durch Tarifpolitik lösen“<br />

Interview mit der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen<br />

über die arbeitsrechtlichen Herausforderungen<br />

und die Zukunft des Dritten Weges<br />

Zahlen – Daten – Fakten<br />

zur <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong><br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Impressum<br />

Organisationsplan


4 Vorwort<br />

<strong>Diakonie</strong>: Seine<br />

Sorgen möchten<br />

Sie nicht haben.<br />

Menschlichkeit braucht<br />

Ihre Unterstützung.<br />

Rainer Middel, Heike Baehrens, Dieter Kaufmann<br />

Seine Sorgen möchten Sie nicht haben<br />

Liebe Mitglieder im Diakonischen Werk<br />

<strong>Württemberg</strong>, liebe Freundinnen und Freunde<br />

der württembergischen <strong>Diakonie</strong>,<br />

der Kopf gesenkt, die Augen niedergeschlagen. Der Blick<br />

geht ins „Leere“ oder besser: Es ist unklar, wo der Blick<br />

hingeht. Der junge Mann wirkt in sich gekehrt. Dieses Portrait<br />

eines Jugendlichen war das Plakatmotiv zur diesjährigen<br />

Woche der <strong>Diakonie</strong>. „Seine Sorgen möchten Sie nicht haben“<br />

war das Motto der Aktionswoche. Im Mittelpunkt standen zwar<br />

die Sorgen und Nöte junger Menschen. Aber insgesamt<br />

werden damit die Sorgen und Nöte der Menschen angesprochen,<br />

die am Rand der Gesellschaft stehen, die auf die<br />

Unterstützung der <strong>Diakonie</strong> angewiesen sind, sei es auf<br />

konkrete Hilfe oder aber auf das anwaltschaftliche Eintreten<br />

in unserer Gesellschaft.<br />

Deshalb haben wir dieses Motto auch als Grundlage für<br />

unseren diesjährigen <strong>Jahresbericht</strong> gewählt, um die vielfältigen<br />

sozial- und verbandspolitischen Herausforderungen im<br />

Berichtszeitraum vorzustellen. Vor zehn Jahren wurden die<br />

Hartz-Gesetze auf den Weg gebracht. Die Stuttgarter Zeitung<br />

hat den Bericht dazu überschrieben: „Hochgelobter Sozialabbau“.<br />

Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Die<br />

Instrumentenreform führt dazu, dass Langzeitarbeitslose von<br />

der Gesellschaft in Stich gelassen werden und kaum mehr<br />

Chancen auf sinnvolle Beschäftigung bekommen. Die Pflegereform<br />

hat wieder mal die Bedürfnisse von Demenzkranken<br />

kaum berücksichtigt. In der Kinder- und Jugendhilfe wird die<br />

Finanzierung der immer mehr ausdifferenzierten Angebote in<br />

Frage gestellt Und während es immer schwieriger wird, die<br />

Refinanzierung diakonischer Arbeit zu gewährleisten, ist die<br />

<strong>Diakonie</strong> herausgefordert, internationaler und europäischer<br />

zu denken und zu handeln.<br />

Einige dieser zentralen Themen werden im <strong>Jahresbericht</strong><br />

aufgegriffen. Im Interview mit dem Vorstand wird die breite<br />

Palette sozial- und verbandpolitischer Themen angesprochen.<br />

Die Arbeit bewegt sich zwischen dem Anspruch der „Inklusion“<br />

und den Erfahrungen von „Exklusion“. Das Gespräch<br />

spiegelt die problematische Finanzierungsstruktur sozialer<br />

Arbeit wider.<br />

Unter dem Motto „<strong>Diakonie</strong> konkret“ werden vier Arbeitsbereiche<br />

vorgestellt. In einer Reportage wird jeweils die konkrete<br />

Hilfe der <strong>Diakonie</strong> dargestellt. Dies wird dann von Seiten der<br />

Mitarbeitenden der Landesgeschäftsstelle in einen größeren<br />

sozialpolitischen Rahmen gestellt. Unter „Beispielhaft“ werden


Seine Sorgen möchten Sie nicht haben Vorwort 5<br />

vier Themen vorgestellt, die die Landesgeschäftsstelle im<br />

Berichtszeitraum besonders bewegt haben. „Kurz und knapp“<br />

berichten dann einige Mitarbeitende der Landesgeschäftsstelle<br />

von den Sorgen und der Sorgenbewältigung aus<br />

ihrem Arbeitsbereich.<br />

Zu guter Letzt berichtet die Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen<br />

im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV)<br />

in einem Interview über ihre Herausforderungen und Strategien<br />

im Umgang mit dem Arbeitsrecht und dem Dritten Weg.<br />

Daneben finden sie aktuelle Daten, Zahlen, Fakten und das<br />

Organigramm der Landesgeschäftsstelle sowie ein Faltblatt<br />

mit den zentralen Strategischen Zielen der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong><br />

für die Jahre <strong>2012</strong> bis 2017.<br />

Eine zentrale Botschaft des <strong>Jahresbericht</strong>es lautet: Die<br />

<strong>Diakonie</strong> lässt sich nicht von den Sorgen erdrücken. Sie sucht<br />

nach kreativen Möglichkeiten, mit diesen Sorgen umzugehen.<br />

Dazu passt das Bildmotiv, das sich durch den ganzen Bericht<br />

zieht: Ein „Sorgensack“, den man werfen kann, an dem man<br />

zerren kann, auf den man sich stellen kann etc. Denn „Alle<br />

eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1. Petr. 5,7).<br />

Der erste Petrusbrief - wie überhaupt die ganze Bibel - geht<br />

davon aus, dass es Wege aus dem Bann unserer Ängste und<br />

Sorgen gibt. Darum nimmt. <strong>Diakonie</strong> Sorgen ernst, sie<br />

verharmlost nicht die Nöte der Menschen, aber sie hilft,<br />

Sorgen zu bewältigen oder mit Beeinträchtigungen leben<br />

zu können.<br />

In der Bibel heißt es: „Einer trage des anderen Last“ (Galater<br />

6,2). Gott hat uns also beauftragt, die Sorgen der anderen<br />

ernst zu nehmen und sich ihrer anzunehmen. Deshalb auch<br />

der zweite Teil des Mottos der diesjährigen Woche der<br />

<strong>Diakonie</strong>: „Menschlichkeit braucht Ihre Unterstützung“. Wir<br />

sind überzeugt: Es ist die gemeinsame Aufgabe von Gesellschaft,<br />

Kirche und <strong>Diakonie</strong>, von Haupt- und Ehrenamtlichen,<br />

von organisierter <strong>Diakonie</strong> und Menschen, die im Alltag<br />

selbstverständlich Nächstenliebe praktizieren, die Sorgen der<br />

Menschen am Rand der Gesellschaft ernst zu nehmen, sie zu<br />

verstehen und gemeinsam Perspektiven sowie Wege zu Teilhabe<br />

und Inklusion zu finden. Gemeinsam sind wir ein Netzwerk<br />

von Menschen für Menschen. Martin Luther hat einmal<br />

gesagt: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über<br />

deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie<br />

Nester in deinem Haar bauen, das kannst du ändern.“ Dazu<br />

wollen gemeinsam unseren Beitrag leisten.<br />

Vielen Dank den Mitarbeitenden der Landesgeschäftsstelle<br />

für ihren Einsatz und ihr Engagement. Dank an die haupt- und<br />

ehrenamtlich Mitarbeitenden in den vielfältigen Einrichtungen<br />

und Diensten sowie in den Verbandsgremien der württembergischen<br />

<strong>Diakonie</strong> für ihren engagierten Einsatz und ihr überzeugendes<br />

Wirken im Lichte des Evangeliums. Vielen Dank an<br />

alle Partnerinnen und Partner der <strong>Diakonie</strong> für die Begleitung<br />

und Unterstützung sowie das gemeinsame Wirken im Rahmen<br />

des Sozialstaates und unserer Bürgergesellschaft. Wir<br />

wünschen Ihnen allen eine anregende Lektüre des <strong>Jahresbericht</strong>s<br />

<strong>2011</strong>/<strong>2012</strong>. Wir freuen uns, wenn Sie uns Kritik und<br />

Lob zurückmelden.<br />

Oberkirchenrat<br />

Dieter Kaufmann<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

Finanzvorstand<br />

Rainer Middel<br />

Kirchenrätin<br />

Heike Baehrens<br />

Ausblick<br />

Ein wichtiges Ereignis wurde im Berichtszeitraum<br />

(1. Juli <strong>2011</strong> bis 30. Juni <strong>2012</strong>) vorbereitet, wird aber erst<br />

im nächsten Berichtsjahr wirksam: Rainer Middel wird<br />

Ende dieses Jahres als Finanzvorstand seinen Dienst<br />

beenden und in die passive Phase der Altersteilzeit<br />

gehen. Robert Bachert, bisher Finanzvorstand der<br />

badischen <strong>Diakonie</strong>, ist seit 1. September Mitglied des<br />

Vorstands und wird ab 1. Januar 2013 die Aufgabe als<br />

neuer Finanzvorstand übernehmen. Mehr dazu im<br />

nächsten <strong>Jahresbericht</strong>.


6 Interview<br />

„Es ist falsch,<br />

Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen<br />

Menschen keine Teilhabe<br />

zu ermöglichen“<br />

Interview mit dem Vorstand Oberkirchenrat Dieter Kaufmann,<br />

Vorstandsvorsitzender, Kirchenrätin Heike Baehrens, Stellvertretende<br />

Vorstandsvorsitzende, und Rainer Middel, Finanzvorstand,<br />

zum Jahresmotto sowie zu den sozial- und verbandspolitischen<br />

Herausforderungen der württembergischen <strong>Diakonie</strong>


Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 7<br />

Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – welche<br />

Personengruppen fallen Ihnen da vor allem ein?<br />

Kaufmann: Von einem eindrücklichen Beispiel habe ich im<br />

Rahmen der Woche der <strong>Diakonie</strong> erfahren. Ein elfjähriges<br />

Mädchen mit alleinerziehender Mutter wünscht sich eine<br />

intakte Familie. Sie bekommt wechselnde Stiefväter, wird<br />

verschlossener und lässt in den schulischen Leistungen stark<br />

nach. Viele Kinder und Jugendliche haben einen schweren<br />

Start ins Leben, sie haben schon früh vielerlei Sorgen.<br />

Baehrens: Da fallen mir vor allem diejenigen ein, die durch alle<br />

Netze gefallen sind. Die für sich keine Chance mehr sehen,<br />

einen Weg ins Arbeitsleben zu finden oder sich ihre Wohnung<br />

nicht mehr leisten können. Viele Menschen rennen unseren<br />

Arbeitshilfeträgern quasi die Büros ein. Nicht einmal die Ein-<br />

Euro-Jobs, die vielen Menschen sinnvolles Tun, ein soziales<br />

Umfeld und Tagesstruktur gegeben haben, stehen noch<br />

zur Verfügung.<br />

Middel: Viele Langzeitarbeitslose wollen unbedingt Arbeit<br />

haben – sie bekommen aber keine Chance und unsere<br />

Arbeitshilfeträger können ihnen aufgrund der Kürzungen der<br />

Eingliederungsmaßnahmen durch die Politik nicht helfen.<br />

Diese Menschen brauchen dringend unsere Unterstützung.<br />

Was hat die Landesgeschäftsstelle im Berichtszeitraum<br />

unternommen, um diesen Personen besonders zu helfen?<br />

Baehrens: Unsere Einrichtungen und Dienste sind nah an den<br />

Menschen dran und helfen vor Ort. Unsere Aufgabe ist es, sie<br />

dabei zu unterstützen und sozialpolitische Lobbyarbeit zu<br />

betreiben. Wir setzen uns beispielsweise dafür ein, dass<br />

benachteiligte junge Menschen Zugang zum Bildungssystem<br />

bekommen. Bei unserem Modellprojekt FSJplus haben viele<br />

junge Menschen durch die Arbeit in einer diakonischen<br />

Einrichtung plus Schulbesuch, der zum Realschulabschluss<br />

führt, eine neue Chance bekommen und sie auch genutzt. Bei<br />

denen, die im Sommer abgeschlossen haben, wählten elf von<br />

18 eine Ausbildung im sozialen Bereich, vier gehen auf weiterführende<br />

Schulen. Dies ist ein großer Erfolg diakonischer Arbeit.<br />

Kaufmann: In unserer Kampagne zur Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit<br />

haben wir zu jedem Ersten des Monats,<br />

wenn die Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, darauf<br />

hingewiesen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen trotz<br />

Wirtschaftswachstums nicht sinkt. Hier wird eine große<br />

Gruppe von Personen von der Gesellschaft ausgeschlossen<br />

und Teilhabe verweigert. Wir haben deshalb Kontakt mit dem<br />

Baden-<strong>Württemberg</strong>ischen Handwerkstag aufgenommen, um<br />

Modelle im Sinn des Passiv-Aktiv-Transfers auf den Weg zu<br />

bringen. Wir wollen, dass statt Arbeitslosigkeit Arbeit finanziert<br />

wird und dass dies im Rahmen eines öffentlich geförderten<br />

Arbeitsmarktes geschieht.<br />

Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – gibt es<br />

Branchen innerhalb der <strong>Diakonie</strong>, deren Probleme<br />

besonders groß sind?<br />

Middel: Für alle Branchen werden die wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen schlechter. Sie stehen in Konkurrenz<br />

mit Trägern, die oft nicht tarifgebunden arbeiten müssen.<br />

Aber besonders hart trifft es die Arbeitslosenhilfe. Bei den<br />

Ausschreibungen für Leistungen können diakonische Träger<br />

aufgrund schlechter Refinanzierung und der Tarifbindung bei<br />

der Bezahlung der Mitarbeitenden kaum mehr mithalten.<br />

Wie hat hier die Landesgeschäftsstelle unterstützt?<br />

Middel: Wir haben einen Strategie-Ausschuss für die Arbeitslosenhilfe<br />

ins Leben gerufen und die Wirtschaftsberatung bei<br />

der Refinanzierung unterstützt. Auch wirken wir mit bei der<br />

Tarifsetzung und versuchen dabei, die Interessen der Träger<br />

und Mitarbeitenden ins Lot zu bekommen.<br />

Sozialpolitische Herausforderungen<br />

Welche (sozial-)politischen Themen standen im<br />

Berichtszeitraum im Mittelpunkt der diakonischen<br />

Arbeit der Landesgeschäftsstelle?<br />

Baehrens: Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe<br />

hin zu mehr Inklusion hat uns besonders intensiv beschäftigt.<br />

Dabei geht es vor allem um mehr Selbstbestimmung und Teilhabe<br />

von Menschen mit Behinderungen. Wir begleiten die<br />

Umbauprozesse der Träger der Behindertenhilfe und betreiben<br />

Lobbyarbeit in Politik und Gesellschaft. Denn Inklusion kann<br />

nur real werden, wenn die Gesellschaft bereit ist, sich diesem<br />

Thema zu stellen und zu öffnen. Wir wollen das Thema ins<br />

Gespräch bringen und deutlich machen, welche Konsequenzen<br />

Inklusion für die Gesellschaft hat. Dazu wollen wir auch<br />

die Kirchengemeinden gewinnen. Der Konversionsprozess von<br />

großen Einrichtungen hin zu wohnortnahen Wohn- und Freizeitangeboten<br />

braucht einen langen Atem. Es ist ein langer<br />

Weg, die unterschiedlichen Gruppen miteinander ins Gespräch<br />

zu bringen und mehr Miteinander in der Gesellschaft zu<br />

ermöglichen.<br />

Kaufmann: Die Instrumentenreform hat Möglichkeiten, Langzeitarbeitslose<br />

in die Arbeitswelt einzugliedern, hat Bewährtes


8 Interview<br />

Dieter Kaufmann<br />

reduziert und beinahe abgeschafft. Wir haben auf landes- und<br />

bundespolitischer Ebene nicht nur klar widersprochen. Wir<br />

haben aus unseren Arbeitsfeldern aufgezeigt, wie nachweislich<br />

durch diakonische Hilfe Menschen eine Perspektive gefunden<br />

haben. Diese Menschen werden gebraucht. Es ist falsch,<br />

ihnen keine Teilhabe zu ermöglichen und sie aus dem Hilfesystem<br />

auszuschließen. Es ist dringend erforderlich, sie zu qualifizieren<br />

und vor allem ihnen geförderte Arbeitsplätze zu<br />

ermöglichen. Unsere Diakonischen Bezirksstellen stellen einen<br />

immer höheren Beratungsbedarf fest. Alleinerziehende und<br />

Familien, die von geringsten Löhnen leben müssen, kommen<br />

nicht zurecht. Wo Maßnahmen für Langzeitarbeitslose abgeschafft<br />

werden, fehlt den Betroffenen ein strukturierter Tagesablauf.<br />

Sie werden nicht erwartet, haben keine Aufgabe, oft<br />

sind sie orientierungslos. Dazu kommt die Überschuldung so<br />

vieler Haushalte. Wir haben zwei Mal die Situation auf eigene<br />

Kosten genau untersucht und festgestellt, dass die Überschuldung<br />

in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Derzeit gibt<br />

es nur für rund fünf Prozent der absolut Überschuldeten Beratungsangebote.<br />

Deshalb fordern wir nach wie vor, dass in<br />

einem Armuts- und Reichtumsbericht auch die Überschuldungssituation<br />

laufend erforscht und dass die Zahl der Beratungsstellen<br />

erhöht wird. Ein weiteres Thema ist das interkulturelle<br />

Engagement. Wir haben Fachstellen in vier Regionen,<br />

die unsere Einrichtungen und Dienste bei ihrer interkulturellen<br />

Orientierung begleiten. Auch das Projekt FairCare und der<br />

Integrationspreis mit einer sehr guten Beteiligung sind hier zu<br />

nennen. Wir haben einen guten Austausch mit Partnern in<br />

Osteuropa. Das gute Miteinander von Kulturen und Religionen<br />

ist Ausdruck des diakonischen Auftrags.<br />

Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen<br />

Was hat der Verband bei diesen Themen erreicht?<br />

Kaufmann: Bei der Instrumentenreform wurde uns auf<br />

Bundesebene bestätigt, dass wir durch unsere Aktivitäten<br />

zumindest kleine Veränderungen erreichen konnten. Hier<br />

wurden wir als <strong>Diakonie</strong> als die wahrgenommen, die für die<br />

langzeitarbeitslosen Menschen eintreten, Ideen entwickeln<br />

und aus guten Erfahrungen auf die dadurch entstandenen<br />

Lebensperspektiven verweisen können. Zum Thema Inklusion<br />

gibt es viele Aktivitäten von uns als <strong>Diakonie</strong>. Viele machen<br />

sich auf den Weg. In Verbindung mit dem Evangelischen<br />

Schulwerk sind wir mit einem Modellprojekt „Inklusive Schulentwicklung“<br />

unterwegs, um zu überlegen, wie Inklusion in<br />

Regelschulen gestaltet werden kann. Das ist eine wichtige<br />

Herausforderung – dazu wollen wir unsere Schulen stärker<br />

gewinnen. Als weiteres Thema nenne ich unsere Beteiligung<br />

am Heimkinder-Entschädigungsfonds. Wir beraten und begleiten<br />

die Aufarbeitung in den Einrichtungen und unterstützen<br />

ehemalige Heimkinder bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte.<br />

Baehrens: Im Vorfeld der Landtagswahl haben wir uns mit<br />

unseren sozialpolitischen Vorstellungen eingebracht. Es freut<br />

uns, dass vieles davon in den Koalitionsvereinbarungen seinen<br />

Niederschlag gefunden hat. Bei vielen Themen werden wir in<br />

der Politik und der öffentlichen Verwaltung als Gesprächspartner<br />

wieder ernst genommen. Den Umstieg vom Zivildienst auf<br />

den Bundesfreiwilligendienst haben wir gut bewältigt. Wir sind<br />

inzwischen der Träger mit den meisten Bufdi-Stellen bundesweit.<br />

Natürlich können wir den Zivildienst nicht ersetzen, aber<br />

wir haben den neuen Dienst gut etabliert. Auch Menschen<br />

über 27 Jahre finden dort Entfaltungsmöglichkeiten – 70 von<br />

den rund 420 Bufdis sind über 27 Jahre alt. Und, wie gesagt,<br />

beim Thema Inklusion haben wir erste Hürden genommen.<br />

In welchen Politikfeldern konnten keine Erfolge<br />

erzielt werden?<br />

Baehrens: Womit wir nicht zufrieden sein können, ist die<br />

Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Wir hatten uns<br />

dafür stark gemacht, dass die Pflegebedürftigkeit nicht nur<br />

anhand der körperlichen Bedürftigkeit beurteilt wird. Vor allem<br />

die Bedürfnisse demenziell Erkrankter werden kaum berücksichtigt.<br />

Mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz ist nicht der<br />

notwendige große Wurf gelungen. Die stationäre Pflege wird<br />

weiter geschwächt, nachdem die Qualitätsanforderungen<br />

immer größer werden und die Vergütung nicht Schritt halten<br />

kann. So stimmt der geforderte Personalschlüssel – den wir<br />

unbedingt halten wollen – nicht mit der Refinanzierung überein.<br />

Außerordentlich schwierig sind auch die Vergütungsverhandlungen<br />

in der ambulanten Pflege. Da tun sich besonders die


Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 9<br />

Krankenkassen schwer, dem politischen Ziel „ambulant vor<br />

stationär“ auch Taten folgen zu lassen. Gute Qualität in der<br />

Pflege muss bezahlt werden und unser Anspruch ist, dass wir<br />

die Pflegekräfte nach Tarif entlohnen. Hier muss sich politisch,<br />

aber auch gesellschaftlich noch viel tun. Bei der Frage von<br />

FSJ und Bundesfreiwilligendienst haben wir es immer noch<br />

nicht geschafft, dass für beide Freiwilligendienste gleiche<br />

Bedingungen gelten. Da muss sich der Bundesgesetzgeber<br />

noch bewegen.<br />

Kaufmann: Bei der Politik ist die besondere Situation von<br />

Langzeitarbeitslosen noch nicht genügend angekommen.<br />

Es gibt immer noch die Ideologie: Wenn die Wirtschaft wächst,<br />

kommen alle Menschen auch in Arbeit. Aber viele Betroffene<br />

schaffen diesen Weg nicht oder nur sehr mühsam. Die Zahlen<br />

der Langzeitarbeitslosen gehen nicht so zurück wie die der<br />

anderen Arbeitslosen. Und die Bundesagentur für Arbeit hat<br />

viele Millionen Euro an das zuständige Bundesministerium<br />

zurück überwiesen anstatt die Eingliederungshilfe, die dringend<br />

notwendig ist, wieder auszubauen. Das ist ein Skandal,<br />

der auch so genannt werden muss. Wir sind froh, dass zumindest<br />

das Land an einem neuen Landesarbeitsprogramm für<br />

Langzeitarbeitslose arbeitet, an dem wir uns intensiv be-<br />

teiligen. Auf Bundesebene stoßen wir da leider auf wenig<br />

Verständnis.<br />

Verbandsinterne Herausforderungen<br />

Welche verbandsinternen Themen haben Sie im<br />

Berichtzeitraum beschäftigt?<br />

Middel: Bei uns im Vorstandsbereich war es das neue Risikomanagement.<br />

Wir brauchen dies als Frühwarnsystem, damit<br />

wir bei einer wirtschaftlichen Schieflage einer Einrichtung<br />

rechtzeitig helfen können. Unser Ziel ist, dass sich endlich alle<br />

Träger daran beteiligen. Und damit wir dann auch Mittel<br />

haben, um im Krisenfall helfen zu können, brauchen wir dringend<br />

den Einrichtungssicherungsfonds. Damit können im<br />

Krisenfall Einrichtungen und damit Arbeitsplätze für Mitarbeitende<br />

und Hilfen für Betroffene erhalten werden. Wir sind froh,<br />

dass wir von allen Seiten Unterstützung erfahren – von den<br />

Mitarbeitenden, über die Träger bis hin zur Landeskirche. Nun<br />

hoffen wir, dass wir die steuerlichen Hürden noch überwinden<br />

können.<br />

Wie schätzen Sie denn die derzeitige wirtschaftliche<br />

Lage unserer Träger ein?<br />

Middel: Die Situation hat sich verschlechtert. Es gibt immer<br />

mehr Indikatoren, die deutlich machen, dass es für unsere<br />

Träger schwieriger wird. Bei einem Drittel unserer Träger<br />

haben wir deutliche Anzeichen dafür. Darauf müssen wir<br />

reagieren.<br />

Welches verbandsinterne Thema war für Sie,<br />

Herr Kaufmann, besonders wichtig?<br />

Kaufmann: Wie gehen wir aufgrund der demografischen<br />

Entwicklung mit den Herausforderungen um? Zum einen<br />

haben wir älter werdende Menschen zu begleiten und zu<br />

pflegen. Die Zahlen steigen. Zum anderen werden wir in Zeiten<br />

des Fachkräftemangels unsere Mitarbeitenden gut führen und<br />

fortbilden müssen, damit sie auf Dauer den Anforderungen<br />

gewachsen sind. lm Projekt Chronos haben wir dies zusammen<br />

mit vielen unserer Mitglieder bearbeitet. Das hat uns eine<br />

hohe Anerkennung auch von außen gebracht, zum Beispiel<br />

von den Krankenkassen. Die Fortbildung und das Gesundheitsmanagement<br />

einer älter werdenden Mitarbeiterschaft sind<br />

sehr wichtig. Dies wird nach Abschluss des Projektes in den<br />

Einrichtungen weiterentwickelt werden. Wir sehen, dass auch<br />

an uns hohe Erwartungen im Hinblick auf die Personalentwicklungsberatung<br />

gestellt werden. In dem Projekt Chronos haben<br />

wir wichtige und qualifizierte Antworten entwickeln können.<br />

Ein überwältigendes Signal haben wir im Hinblick auf die<br />

Erwartungen an das geistliche Leben, die diakonische Kultur<br />

als Ausdruck des Glaubens, bekommen. Unser Gebetsbüchlein<br />

für Pflegende und Menschen, die mit älteren und kranken<br />

Menschen zu tun haben, ist über 60.000-mal angefordert<br />

worden. Das ist ein tolles Signal nach innen und nach außen.<br />

Heike Baehrens


10 Interview<br />

Rainer Middel<br />

Ein Thema ist ja nach wie vor die Diskussion um den sog.<br />

„Dritten Weg“ – was sind da die nächsten Schritte?<br />

Kaufmann: Es gelingt uns mehr und mehr, deutlich zu machen,<br />

was damit gemeint ist. Wir tun alles, um unseren Weg besser<br />

verständlich zu machen. Es wird immer deutlicher, dass Ver.di<br />

eine offensive Kampagne gegen den Dritten Weg vor allem<br />

bei der <strong>Diakonie</strong> fährt. Das trifft uns sehr, weil man sich nur<br />

schwer dagegen wehren kann. Da werden zum Beispiel<br />

Behauptungen über Niedriglöhne aufgestellt, wo wir<br />

94 Prozent unserer Mitarbeitenden nach kirchlichem Tarif<br />

bezahlen, den Rest nach Tarifen, die mit einer DGB-Gewerkschaft<br />

ausgehandelt wurden. Und der Vorwurf der Leiharbeit<br />

ist beinahe lächerlich – in einer Situation, in der wir händeringend<br />

nach Mitarbeitenden suchen, ist Leiharbeit für uns<br />

fast kein Thema mehr. Es ist schade, dass hier Ver.di uns<br />

als „Gegner“ ausgesucht hat, um zusätzliche Mitglieder zu<br />

bekommen, statt sich mit uns zusammen für bessere soziale<br />

Verhältnisse in Deutschland einzusetzen.<br />

Middel: Und unsere Gehälter müssen sich wirklich nicht<br />

verstecken, sie sind im Vergleich mit anderen sozialen Dienstgebern<br />

überdurchschnittlich. Die Mitarbeitenden können sich<br />

bei uns auch stark einbringen. Dienstgeber und Dienstnehmer<br />

müssen so lange verhandeln, bis sie zu einvernehmlichen<br />

Lösungen gefunden haben. Wir haben also sehr gute Mitbestimmungsrechte.<br />

Der Dritte Weg ist im Interesse auch und<br />

gerade der Mitarbeitenden.<br />

Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen<br />

Wie wirken sich die vereinbarten Tariferhöhungen für<br />

unsere Träger aus?<br />

Baehrens: Wir merken, dass die Tariferhöhungen nur schwer<br />

refinanziert werden können. In der ambulanten Pflege gelingt<br />

das gar nicht. Die Dienste haben große Schwierigkeiten, die<br />

Qualität in gewohnter Weise zu erbringen. Seit 15 Jahren hören<br />

wir, dass die Arbeit effizienter gestaltet werden soll. Jetzt sind<br />

die Spielräume ausgeschöpft. Unsere Dienste stehen unter<br />

enormem Druck. Wir müssen prinzipiell darüber reden, wie die<br />

ambulanten Dienste langfristig finanziert werden sollen. Offiziell<br />

gilt ambulant vor stationär. Doch kein anderer Hilfebereich<br />

hat so komplizierte Finanzierungsstrukturen wie gerade diese<br />

kleinsten Pflegedienste. Und zudem sind die Nachweis-<br />

und Dokumentationspflichten in diesem Bereich außerordentlich<br />

aufwendig.<br />

War die „dynamische Verweisung“ in der AVR der<br />

falsche Weg?<br />

Middel: Das kann man nicht pauschal sagen. Bei Verhandlungen<br />

über Leistungsentgelte ist jetzt jedenfalls immer klar, dass<br />

die Tariferhöhungen im TVöD in der Plausibilität der Kalkulation<br />

anerkannt werden. Leider haben wir aber immer noch keine<br />

verbandliche Notfallregelung. Das war die Gegenleistung, die<br />

von der Mitarbeiterseite für den Fall des Falles zugesagt<br />

wurde.<br />

Was sind die nächsten tarifpolitischen Herausforderungen?<br />

Middel: Zuerst ist es wichtig, dass wir den Einrichtungssicherungsfonds<br />

in trockene Tücher bekommen. Dann muss endlich<br />

beschlossen werden, wie der Sozial- und Erziehungstarif (SuE)<br />

in der <strong>Diakonie</strong> umgesetzt werden kann. Und wir hoffen, dass<br />

wir nächstes Jahr einen Weg für eine diakoniespezifische<br />

Verwendung des Leistungslohnes finden. Wir denken, dass<br />

der Einsatz für gesundheitsfördernde Maßnahmen dafür am<br />

besten geeignet ist. Wir hoffen, dass sich da Dienstgeber und<br />

Dienstnehmer einig werden.<br />

Was ist im Berichtszeitraum verbandsintern offen<br />

geblieben, muss aber bald gelöst werden?<br />

Middel: Die größte Herausforderung ist, dass wir im Wettbewerb<br />

bestehen können. Da müssen alle zusammenarbeiten,<br />

damit dies gelingt.<br />

Kaufmann: Wir brauchen gute Wege, wie wir mit Kooperation<br />

und Konkurrenz in der <strong>Diakonie</strong> umgehen. Das zeigt sich<br />

gerade an den Diskussionen, wie sich unsere Komplexeinrichtungen<br />

weiterentwickeln können. Die Konversion bedeutet<br />

immer auch Dezentralisierung. Aber oft sind regionale Träger


Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 11<br />

schon jahrelang vor Ort. Wir kommen hier zu guten Kooperationen.<br />

Grundvoraussetzung ist das gegenseitige Verständnis<br />

für die Notwendigkeiten des anderen. Da wird die Landkreisebene<br />

eine wichtige Rolle spielen. Denn gerade dort müssen<br />

wir besser zusammenarbeiten – da ist noch viel zu leisten. Die<br />

<strong>Diakonie</strong> im Landkreis könnte sich auch zum Forum für Fragen<br />

der Nachwuchsgewinnung entwickeln. Auch muss die<br />

Aufsichtsverantwortung in der <strong>Diakonie</strong> mehr unterstützt<br />

werden. Wir haben gerade zwei Fortbildungsreihen dafür<br />

durchgeführt – mit großem Erfolg. Daran müssen wir an-<br />

knüpfen. Wichtig ist, dass wir neben der Kompetenz in organi-<br />

satorischen und betriebswirtschaftlichen Fragen die wichtige<br />

Rolle der Aufsichtsgremien für eine diakonische Kultur<br />

stärken können.<br />

Baehrens: Ich bedaure sehr, dass das Aufeinanderzugehen<br />

der Diakonischen Werke in Baden und <strong>Württemberg</strong> stockt.<br />

Uns ist es ein großes Anliegen, dass da mehr Vertrauen<br />

entstehen kann. Träger der Behindertenhilfe und Psychiatrie<br />

stoßen diesen Prozess des gemeinsamen Tuns in Baden und<br />

<strong>Württemberg</strong> derzeit erneut an. Dort kommt von den Trägern<br />

aus beiden Landesteilen der Wunsch, die Zusammenarbeit zu<br />

stärken. Das wollen wir gern unterstützen.<br />

Blick in die nächsten Jahre<br />

Was sind die zentralen Herausforderungen<br />

für das Jahr <strong>2012</strong>/2013?<br />

Kaufmann: In unserem Land wird sich die Frage nach dem,<br />

was sozialpolitisch zur Verfügung gestellt wird, intensivieren.<br />

Wir als <strong>Diakonie</strong> müssen dafür eintreten, dass gute Pflege<br />

sowie Beratung und Begleitung von Menschen mit materiellen<br />

und seelischen Sorgen für die Gesellschaft noch wichtiger<br />

werden. Wenn wir ein gutes soziales Klima haben, dann ist<br />

das auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland von größter<br />

Wichtigkeit. Dies immer wieder zu betonen, ist eine wichtige<br />

Aufgabe für die nächste Zeit.<br />

Baehrens: Mich freut es, dass wir mit dem Inklusionsprojekt<br />

starten und davon etwas in die Gesellschaft ausstrahlen<br />

können. Wir werden auch weiterhin den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit<br />

und Qualität aushalten müssen. Es wäre gut,<br />

wenn es gelingen könnte, dass gesellschaftlich anerkannt<br />

wird, was wir leisten, und dass die Gesellschaft bereit ist,<br />

dafür zu bezahlen.<br />

„Wir als <strong>Diakonie</strong> müssen dafür eintreten,<br />

dass gute Pflege sowie Beratung und<br />

Begleitung von Menschen mit materiellen<br />

und seelischen Sorgen für die Gesellschaft<br />

noch wichtiger werden.“<br />

Middel: Mir macht die Kampagne gegen die <strong>Diakonie</strong> Sorge –<br />

das hat sie nicht verdient. Wir müssen noch mehr Überzeugungsarbeit<br />

leisten, dass der Dritte Weg den Mitarbeitenden<br />

nützt und dem Selbstverständnis der <strong>Diakonie</strong> angemessen ist.<br />

Ihre Vision: Wie sieht die württembergische <strong>Diakonie</strong><br />

2020 aus?<br />

Kaufmann: Kirchengemeinden, Kirchenbezirke, Kommunen<br />

und diakonische Dienste und Einrichtungen sind so weiterentwickelt,<br />

dass Inklusion und Teilhabe gelebt werden und dass<br />

trotz aller Gegensätzlichkeit Menschen unterschiedlicher<br />

Prägung, Herkunft und Begabung selbstverständlich miteinander<br />

leben können. Das ist es, was Gemeinde eigentlich meint.<br />

Es wäre schön, wenn das bis 2020 immer mehr Realität<br />

werden kann.<br />

Baehrens: Dem schließe ich mich an. Ich habe die Hoffnung,<br />

dass dennoch spezielle Angebote für bestimmte Zielgruppen<br />

erhalten bleiben und die stationäre Pflege die notwendige<br />

Aufmerksamkeit der Gemeinde gewinnt, die sie braucht. Und<br />

ich vertraue darauf, dass es uns gelungen ist, gute Lösungen<br />

für die Mitarbeitendengewinnung für die Pflege gefunden zu<br />

haben, ohne dass ganze Landstriche in anderen Ländern<br />

verwaist sind.<br />

Middel: Dienstnehmer und Dienstgeber gestalten gemeinsam<br />

<strong>Diakonie</strong> und somit kann die <strong>Diakonie</strong> einen wichtigen Beitrag<br />

für eine soziale Gesellschaft leisten. Denn das Engagement<br />

unserer Mitarbeitenden und unserer Träger ist für unsere<br />

Gesellschaft unverzichtbar.<br />

Das Gespräch führten Claudia Mann und Peter Ruf


12<br />

<strong>Diakonie</strong> konkret:<br />

Zuerst der Mensch<br />

Beispiele diakonischen<br />

Handelns aus verschiedenen<br />

Arbeitsbereichen<br />

<strong>Diakonie</strong> konkret: Zuerst der Mensch<br />

„Zuerst der Mensch“ – so ist das Verbandsleitbild der württembergischen<br />

<strong>Diakonie</strong> überschrieben. Einer der Leitbildsätze lautet:<br />

„Aufgabe der <strong>Diakonie</strong> ist die Mitgestaltung einer gerechten<br />

und solidarischen Gesellschaft.“ Wie die <strong>Diakonie</strong> dies im Berichtszeitraum<br />

umgesetzt hat, wie sie dabei auf die Sorgen und Nöte<br />

der betroffenen Menschen eingegangen ist und sozialpolitische<br />

Lösungen gesucht hat, das soll anhand von vier Arbeitsbereichen<br />

dargestellt werden. Dabei wird jeweils ein Beispiel konkreter<br />

diakonischer Arbeit vorgestellt, das dann von Mitarbeitenden<br />

der Landesgeschäftsstelle im Rahmen eines Interviews kommentiert<br />

und in den aktuellen sozialpolitischen Rahmen eingeordnet wird.


Kinder und Jugendhilfe Arbeitsbereich 1 13<br />

Arbeitsbereich 1:<br />

Kinder- und Jugendhilfe<br />

Bericht einer Mutter über den Neuanfang ihres Sohnes<br />

Interview zu den Herausforderungen<br />

der heutigen Kinder- und Jugendhilfe


„Mama, du wirst wieder den<br />

anderen Max kennenlernen“<br />

Eine Privatschule der besonderen Art<br />

„Wenn er fortgerannt ist, saß er immer auf dem Baum“,<br />

beginnt Frau V. und schluckt. „Wenn es Schwierigkeiten<br />

gab, ist er oft abgehauen und dann haben wir ihn jedes<br />

Mal auf demselben Baum sitzend wiedergefunden.“<br />

Max ist eigentlich ein ganz normaler elfjähriger Junge,<br />

der Hunde über alles liebt und gerne draußen herumtobt.<br />

Und doch hat er schon seit seinen ersten Lebensjahren<br />

mit Problemen zu kämpfen, die andere nur vom<br />

Hörensagen kennen.<br />

Max offenbart schon früh Schwierigkeiten im Sozialverhalten.<br />

„Er hatte schon seit seiner Geburt massivste<br />

Ängste und war später für eine Regelschule nicht mehr<br />

tragbar“, erklärt seine Mutter Frau V., die ihren vollen<br />

Namen nicht an dieser Stelle nennen will. „Zuerst hatte<br />

er nur Angst vor Ärzten, später dann auch vor Gleichaltrigen.<br />

In der Schule wollte er nie eigene Schwächen<br />

zugeben.“ Kam es deshalb zu einer Krise, sei Max<br />

immer aggressiv geworden. „Oft ist er dann auch auf<br />

seine Umgebung losgegangen; da war immer nur die<br />

Frage, wer oder was gerade in seiner Nähe war. Er<br />

wurde auf jeden Fall immer laut, häufig ist auch mal eine<br />

Tür geflogen. Durch sein Verhalten wollten Gleichaltrige<br />

nicht mehr mit ihm spielen.“<br />

Nach immer mehr Problemen in der Grundschule sehen<br />

die Eltern keinen Ausweg mehr. „Wir haben uns beim<br />

Jugendamt erkundigt und den Antrag auf eine Erziehungshilfeschule<br />

eingereicht.“ Das Jugendamt empfiehlt<br />

die Schule für Erziehungshilfe der Diakonischen Jugend-<br />

hilfe Heilbronn in Kleingartach. Sind die Eltern einverstanden,<br />

wird in so einem Fall gemeinsam mit dem<br />

zuständigen Sozialarbeiter des Jugendamtes und Mitarbeitern<br />

der Diakonischen Jugendhilfe Heilbronn e. V. ein<br />

Hilfeplan erarbeitet. Dieser enthält alle Erziehungsbereiche,<br />

in denen gehandelt werden muss, die Verteilung<br />

der Leistungen und Aufgaben und die Ziele. Die finanzielle<br />

Absicherung der Hilfe regelt das Jugendamt.<br />

Anschließend wird im Erziehungsplan geregelt, in<br />

welchem Zeitraum das Kind vorerst betreut werden soll.<br />

Dieser Plan ist gleichzeitig eine Art Entwicklungsbericht,<br />

denn er belegt, inwiefern die geleistete Hilfe und die<br />

eingesetzten Mittel zum Erreichen der Ziele beigetragen<br />

haben. Dadurch ist das Jugendamt über die Fortschritte<br />

immer informiert. „Etwa jedes halbe Jahr haben wir uns<br />

mit allen zusammengesetzt, um die Besserung seines<br />

Sozialverhaltens zu analysieren“, erklärt Frau V.<br />

Max wagt einen Neuanfang an der Schule für Erziehungshilfe<br />

in Kleingartach. Neben dem normalen Unterricht<br />

erhält er in der Nachmittagsbetreuung sechs<br />

Stunden in der Woche heilpädagogische Förderung.<br />

„Er sollte dort mehr Selbstvertrauen bekommen und<br />

insgesamt einfach offener werden“, meint seine Mutter.<br />

„Etwas Besseres als diese Schule für Erziehungshilfe<br />

findet man nicht.“ Bei kleinen Klassen mit zehn Schülern<br />

gibt es eine sehr intensive Betreuung durch Fachkräfte.<br />

Neben der Betreuung sei auch das Feedback der Lehrer<br />

an die Eltern hervorragend gewesen. Max habe jeden<br />

Tag ein Tagebuch mit Hausaufgaben ausfüllen müssen.<br />

Lehrer und Eltern konnten neben das Hausaufgabenfeld<br />

Bemerkungen eintragen. „So war ein viel engeres<br />

Verhältnis zwischen Lehrkräften und Eltern möglich.“<br />

Max selbst habe die Umstellung gefallen. „Er hat Leuten<br />

von früher immer gesagt, dass er jetzt auf eine Privatschule<br />

geht“, schmunzelt Frau V. Negative Seiten hatte


Bericht einer Mutter Arbeitsbereich 1 15<br />

der Schulwechsel aber auch: „Da hier nur verhaltensauffällige<br />

Schüler im Unterricht sind, ist die Lautstärke unglaublich hoch.<br />

Als Max die erste Woche in einer normalen Schule war, kam er<br />

nach dem Unterricht heim und meinte: „Mama, du glaubst gar<br />

nicht, dass die 120 Schüler in Kleingartach lauter waren, als<br />

die 800 Schüler hier.“<br />

Nach einiger Zeit in der Schule für Erziehungshilfe soll Max für<br />

eine genauere Untersuchung acht Wochen in die Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie. „Der Aufenthalt dort hat ihn weitergebracht.<br />

Ihm wurde dort ein Medikament verschrieben, das<br />

ihm sehr dabei hilft seine Aggressionen zu zügeln und Ängste<br />

abzubauen.“ Allerdings hätten die Eltern lange mit sich gerungen,<br />

ob sie ihm das Medikament geben sollten. „Zudeckeln<br />

und das Kind damit ruhig stellen kam für mich nie in Frage“,<br />

meint seine Mutter. Letztlich sei es aber das Beste für ihn<br />

gewesen. „Natürlich gab es auch Nebenwirkungen, er klagte<br />

anfangs über Appetitlosigkeit und hatte Schlafstörungen, aber<br />

zum Glück hat sich das nach einiger Zeit gebessert.“ Max sei<br />

zu ihr gekommen und habe gemeint: „Mama, du wirst wieder<br />

den anderen Max kennenlernen.“ Durch die medikamentöse<br />

Behandlung habe er sich jetzt besser unter Kontrolle:<br />

„Er hat gelernt, mit Schwierigkeiten besser umzugehen.<br />

In Situationen, in denen er früher weggelaufen wäre, bleibt<br />

er jetzt ruhiger.“<br />

„Er hat sich sehr gefreut, wieder auf eine<br />

normale Schule gehen zu können.“<br />

Schritt für Schritt habe sich sein Verhalten danach gebessert.<br />

Seinen eigenen Fortschritt konnte Max am schuleigenen<br />

Punktesystem mit drei Stufen Rot, Gelb und Grün verfolgen.<br />

„Damit wird festgehalten, wie weit sich der Schüler in seinem<br />

Sozialverhalten entwickelt hat“, meint Frau V. Langsam habe<br />

er sich nach vorn gearbeitet, bis er dann endlich im grünen<br />

Bereich gewesen sei. „Danach durfte er in einer normalen<br />

Realschule hospitieren, was eine tolle Belohnung für seine<br />

Mühen war. Er hat sich sehr gefreut, wieder auf eine normale<br />

Schule gehen zu können.“ Schweren Herzens habe man sich<br />

von der guten Betreuung der Schule für Erziehungshilfe verabschiedet.<br />

Für die Zukunft von Max sei eine normale Schule<br />

einfach besser gewesen. „Der Leistungsdruck in unserer<br />

Gesellschaft ist immer da und Erziehungshilfeschulen sind<br />

nicht anerkannt“, bedauert seine Mutter.<br />

Seit dem zweiten Halbjahr des Schuljahres <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong> geht<br />

Max nun auf eine normale Realschule. „Mittlerweile hat er<br />

Freunde an der Schule gefunden und kommt auch mit dem<br />

Lernstoff ganz gut klar. Er hat nur noch Probleme in Englisch.“<br />

Seine Medikamente nehme er weiterhin, denn die Umstellung<br />

von der Schule in Kleingartach auf die Realschule sei nicht<br />

einfach gewesen. „Er hat jetzt sehr viel mehr Lernstress, der<br />

Lernstoff ist ganz anders aufgebaut. Außerdem ist die Umstellung<br />

von einer kleinen Klasse mit nur zehn Schülern auf eine<br />

große Klasse mit 30 Schülern sehr schwierig gewesen. Eigentlich<br />

wäre er in die sechste Klasse gekommen, aber wir fanden<br />

es für seine Eingewöhnung besser, wenn er das zweite Halbjahr<br />

in der fünften Klasse noch einmal macht.“ Trotz aller<br />

Widrigkeiten habe Max die Umstellung super gemeistert. Auch<br />

für seinen späteren Berufswunsch habe er schon erste Ideen.<br />

„Max will schon seit langem Architekt werden. Er weiß auch,<br />

dass er dafür Abitur machen muss und glaubt, dass er das<br />

schaffen kann.“ Komplett ist bei Familie V. aber noch keine<br />

Normalität eingekehrt. „Max hat für sich festgestellt, dass er<br />

anders ist als die anderen. Unser größter Wunsch ist, dass er<br />

das nicht mehr denken muss. Wir wollen ihm den Schritt<br />

zurück in ein normales Leben ermöglichen. Wenn er älter ist,<br />

soll er zurückblicken und das Ganze als einen Lebensabschnitt<br />

ansehen, der zum Glück vorbei ist.“<br />

Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle


16 Arbeitsbereich 1<br />

Systeme stärken,<br />

in denen die Kinder leben<br />

Interview mit Ulrich Fellmeth,<br />

Leiter der Abteilung Kinder, Jugend<br />

und Familie, und Ingrid Scholz,<br />

Referentin für Kinder- und Jugendhilfe<br />

Ist das dargestellte Beispiel typisch für viele Personen?<br />

Also haben viele Personen ähnliche Sorgen und Nöte?<br />

Ja – es gibt zunehmend mehr Kinder und Jugendliche, die<br />

Unterstützung und Hilfe brauchen. Viele bleiben unter ihren<br />

Bildungsmöglichkeiten, weil ihre sozialen Probleme nicht<br />

gelöst sind. Ziel der Hilfe ist, dass Kinder ihre Potenziale<br />

entwickeln können.<br />

Warum nimmt die Zahl zu?<br />

Die Zahl von Kindern Alleinerziehender, aus Scheidungs- und<br />

Patchworkfamilien nimmt zu. Kinder sind oft die Symptomträger<br />

der Probleme in den Familien. Gleichzeitig nimmt der<br />

Leistungs- und Anforderungsdruck durch die Gesellschaft auf<br />

die Familien zu. Vor allem im Übergangsbereich zwischen den<br />

verschiedenen Schularten – also im Alter von 8 bis 13 Jahren –<br />

lastet ein großer Druck auf den Familien.<br />

„Die <strong>Diakonie</strong> will zuerst den Eltern<br />

Sorgen abnehmen – will sie also bei der<br />

Erziehung unterstützen. Und wir wollen<br />

die Kinder stärken, damit sie ihre<br />

Ressourcen entdecken und in gesellschaftlich<br />

anerkannter Art leben können.“<br />

Wie hilft die <strong>Diakonie</strong>, damit diese Sorgen<br />

weniger werden können?<br />

Die <strong>Diakonie</strong> will zuerst den Eltern Sorgen abnehmen – will sie<br />

also bei der Erziehung unterstützen. Und wir wollen die Kinder<br />

stärken, damit sie ihre Ressourcen entdecken und in gesellschaftlich<br />

anerkannter Art leben können. Um das leisten zu<br />

können, wurden die Angebote der diakonischen Jugendhilfe<br />

immer mehr ausdifferenziert.<br />

Welche Aufgabe hat heute die Schule<br />

für Erziehungshilfen?<br />

Die Rolle hat sich grundlegend geändert. Um die Schulen ist<br />

ein Netz von ambulanten Angeboten für Kinder entstanden.<br />

Herausforderungen der heutigen Kinder- und Jugendhilfe<br />

Es gibt immer mehr Kooperationen mit Regelschulen – z. B.<br />

Außenklassen in Regelschulen oder Lehrer aus der Schule<br />

für Erziehungshilfen sind als Berater in Regelschulen tätig.<br />

Teilweise haben die E-Schulen 15 unterschiedliche Standorte.<br />

Nur ein kleiner Teil der Schüler geht direkt in die E-Schule.<br />

Heute sollen die Kinder nicht isoliert werden, sondern solange<br />

wie möglich in den Regelschulen bleiben und sobald als<br />

möglich wieder dorthin zurückkehren. Einmal E-Schule, immer<br />

E-Schule gilt heute nicht mehr. Diese Schulen sind nur noch<br />

für Schüler da, die im Moment ganz besonderen Förder-<br />

bedarf haben.<br />

Jugendhilfe – Partner für Eltern,<br />

ist das die heutige Aufgabe von Kinder- und Jugendhilfe?<br />

Und was bedeutet dies?<br />

Heute geht es in der Kinder- und Jugendhilfe darum, Eltern<br />

zu stärken in ihrer Erziehungskompetenz. Das ist am besten<br />

ablesbar an dem Siegeszug der Sozialpädagogischen Familienhilfe,<br />

die ganze Familiensysteme unterstützt und direkt in<br />

der Familie arbeitet. Die Hilfe setzt immer früher an – es gibt<br />

immer mehr Beratungsangebote für Eltern, damit sie gar nicht<br />

erst Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen müssen.<br />

Wenn Familien Ressourcen haben, dann werden diese genutzt<br />

und unterstützt. Es hat sich also die Aufgabe der Jugendhilfe<br />

geändert: Es geht um Erziehungs- und Bildungspartnerschaft.<br />

Eltern, Kinder, Lehrer und Profis der Jugendhilfe haben<br />

gemeinsam die Verantwortung für die Erziehung.<br />

Wie hat sich also die Kinder- und Jugendhilfe<br />

in den letzten Jahren verändert?<br />

Kinder- und Jugendhilfe (KJH) geht dahin, wo sich Kinder<br />

und Familien aufhalten. Sie stärkt die Systeme, in denen<br />

Kinder leben, also nicht nur Eltern, sondern auch Großeltern,<br />

Tanten und andere Bezugspersonen. Stationäre Angebote<br />

haben dabei nach wie vor ihre Berechtigung. Denn sie machen<br />

Kinder und Eltern fit, damit sie wieder miteinander zurecht<br />

kommen. KJH ist also verantwortlich, damit das Aufwachsen<br />

der Kinder in unserer Gesellschaft gelingt. Deshalb gibt es<br />

einen ganzen Strauß von Hilfemöglichkeiten. Da wo wir als<br />

Profis gebraucht werden, sind wir da – auch in der Jugendarbeit.<br />

Erziehungshilfe ist ein Kernangebot, aber bei Weitem<br />

nicht mehr das einzige der KJH.<br />

Welche Rolle hat dabei die diakonische<br />

Jugendhilfe gespielt?<br />

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die diakonische<br />

Jugendhilfe in <strong>Württemberg</strong> der Motor für diese Entwicklung<br />

war und ist. Sie hat immer auf gesellschaftliche Entwicklungen


Herausforderungen der heutigen Kinder- und Jugendhilfe Arbeitsbereich 1 17<br />

reagiert und diese in Konzepte umgesetzt. Früher gab es klassischerweise<br />

vier Angebote in der KJH: Heim, Kindergarten,<br />

Jugendarbeit, Schule. Heute gibt es rund 120 verschiedenen<br />

Angebotsformen.<br />

Sind die Veränderungen nur positiv?<br />

Oder welche Probleme gibt es dabei?<br />

Sie sind in vielen Bereichen positiv – weil sich die Hilfe an dem<br />

orientiert, was Kinder und Eltern vom Gemeinwesen brauchen.<br />

Allerdings wird die Frage der Finanzierung immer schwieriger.<br />

Die Kostenträger – also Kommunen und Landkreise – sind oft<br />

nicht bereit, die anfallenden Kosten voll zu decken. Da wir in<br />

der <strong>Diakonie</strong> „Überzeugungstäter“ sind, führen diakonische<br />

Träger manche Angebote, die sinnvoll und wichtig für Kinder<br />

und/oder Eltern sind, durch, obwohl sie nicht auskömmlich<br />

finanziert sind. Die Restmittel versucht man dann, durch<br />

Spenden, Fonds, Kirche oder <strong>Diakonie</strong> zu bekommen.<br />

Was sind die Folgen für hilfesuchende Kinder und Eltern?<br />

Wegen der mangelnden Finanzierung bekommen Kinder und<br />

Eltern oft nicht die Hilfe, die sie brauchen. So orientiert sich<br />

z. B. die Einsatzzeit von sozialpädagogischer Familienhilfe<br />

weniger am Bedarf als an dem, was von den Kostenträgern<br />

finanziert wird. 10 bis 12 Monate reichen eben oft nicht aus.<br />

Oder ein anderes Beispiel ist die Heimerziehung: Oft kommen<br />

Kinder viel zu spät ins Heim oder bleiben dort nur kurze Zeit –<br />

derzeit liegt die durchschnittliche Verweildauer im Heim bei<br />

eineinhalb Jahren. Das reicht nicht aus, die Kinder für die<br />

Zeit nach dem Heim zu stärken. Die Folge ist, dass sie oft<br />

zwischen Heim und Psychiatrie hin und her pendeln. Die<br />

Folgekosten sind also langfristig höher. Und genauso problematisch<br />

ist das Hin- und Herschieben zwischen den Systemen:<br />

Oft werden Jugendliche mit 17 Jahren in das Sozialhilfesystem<br />

geschoben und können dann nicht mehr pädagogisch<br />

ausreichend gefördert werden.<br />

Was bedeutet dies für die Träger?<br />

Mit welchen Schwierigkeiten haben sie heute zu kämpfen?<br />

Sie können oft nicht ein fachlich ganzheitliches Angebot<br />

machen. Ein Beispiel ist das betreute Jugendwohnen. Es ist<br />

kostengünstiger als ein Heim und für junge Menschen oft die<br />

bessere Lebensform. Früher hat der Träger die Kosten für<br />

Wohnung, Unterhalt und Betreuung von einem Kostenträger<br />

bekommen. Heute – nach Einführung von Hartz IV – bekommt<br />

der Träger noch die Kosten für die Betreuung. Alle anderen<br />

Kosten müssen die Jugendlichen mit Unterstützung der Träger<br />

bei verschiedenen Ämtern beantragen. Es wird also nicht<br />

gefragt, was ist sinnvoll, sondern, wer muss für die Kosten<br />

aufkommen. Die Träger müssen also heute viel mehr Einsatz<br />

bringen, um kostendeckend arbeiten zu können. Und der<br />

Anteil der Drittmittelfinanzierung wie Stiftungen und Fonds<br />

hat stark zugenommen.<br />

Wie unterstützt die Landeszentrale die Träger<br />

bei der Bewältigung der Probleme?<br />

Sie berät bei der Beschaffung von Geld durch Fonds oder<br />

Soziallotterien. Sie unterstützt Träger bei der Umsetzung von<br />

guten Ideen – also von der Idee zum Projekt. Sie begleitet<br />

und unterstützt bei Leistungs- und Entgeltverhandlungen.<br />

Wir stehen mit all unseren Trägern im ständigen Kontakt und<br />

können so Entwicklungsprozesse begleiten. Und wir vertreten<br />

das Thema KJH auf allen politischen Ebenen. Es gibt kein<br />

Gremium der KJH in Baden-<strong>Württemberg</strong>, in dem die <strong>Diakonie</strong><br />

nicht vertreten ist.<br />

Was muss sich noch (sozialpolitisch) ändern?<br />

Dringend notwendig ist, dass die Kinderrechte gestärkt<br />

werden. Das bedeutet, dass über die Rechte auf allen<br />

Ebenen informiert wird und dass es in allen Einrichtungen ein<br />

Beschwerdemanagement gibt. Wir sind gerade dabei zu überlegen,<br />

ob nicht regionale Ombudsstellen eingerichtet werden<br />

können, in denen sich Kinder und Eltern informieren und<br />

beschweren können. Es braucht eigenständige, unabhängige<br />

Instanzen, die die Rechte von Kindern besser gewährleisten.<br />

Und wir müssen in der Gesellschaft erreichen, dass der<br />

Anspruch „Kinder- und Familienfreundlichkeit“ für alle gilt,<br />

auch für Eltern und Kinder, die Unterstützung brauchen.<br />

Das geht nicht ohne Geld.<br />

Das Interview führten Peter Ruf und Markus Zeile


18 Arbeitsbereich 2<br />

Arbeitsbereich 2:<br />

Arbeitslosenhilfe<br />

Reportage aus der Arbeit eines <strong>Diakonie</strong>ladens<br />

Interview zu den Herausforderungen<br />

der Arbeitslosenhilfe heute<br />

Arbeitslosenhilfe


„Das einzig Konstante bei<br />

uns ist: Alles ändert sich“<br />

Hilfe mit Rat und Tat<br />

Esin Cebe packt den letzten Teller ein und reicht ihn<br />

dem Kunden, samt dem Kassenbon. „Einen schönen<br />

Tag noch!“, wünscht sie freundlich. Schon wartet der<br />

nächste Kunde auf sie, der aber nur eine Frage zum<br />

Warensortiment hat. Aus der Frage entwickelt sich ein<br />

langes Gespräch über seine aktuellen Probleme mit<br />

dem Arbeitsamt. Esin Cebe nimmt sich die Zeit um ihm<br />

geduldig zuzuhören und zu helfen. Eine Eigenschaft,<br />

die unverzichtbar für die Mitarbeiterinnen und Mitar-<br />

beiter des <strong>Diakonie</strong>ladens Nürtingen ist, wie die Leiterin<br />

Monika Moll bestätigt: „Unsere Kunden wollen oft<br />

auch einfach nur mit den Mitarbeitern über ihre<br />

Probleme sprechen.“<br />

In bester Lage unweit des Nürtinger Bahnhofs befindet<br />

sich der <strong>Diakonie</strong>laden. Für Menschen mit schmalem<br />

Geldbeutel sind auf einer großen und hellen Verkaufsfläche<br />

preiswerte, gebrauchte und gut erhaltene Waren<br />

ausgestellt. Sofas stehen neben Betten, Schränke, die<br />

wie neu aussehen und eine Vielzahl an Kleidungsstükken<br />

warten auf einen neuen Besitzer. Das Geschäft in<br />

der Plochinger Straße ist einer von sechs <strong>Diakonie</strong>läden<br />

im Landkreis Esslingen. Etwa 40 Personen arbeiten dort.<br />

„Wir haben neben den festen Mitarbeitern elf Menschen,<br />

die bei uns im Rahmen einer vom Arbeitsamt vermittelten<br />

Arbeitsgelegenheit tätig sind. Daneben gibt es noch<br />

15 Ehrenamtliche, eine FSJ-Stelle, eine Azubistelle und<br />

viele Schülerpraktikanten“, erklärt die Leiterin Monika<br />

Moll. Deshalb sei die Fluktuation beim Personal recht<br />

hoch. „Das einzig Konstante bei uns ist: Alles ändert<br />

sich“, lacht sie. Der ständige Wechsel sei sehr an-<br />

strengend für die Mitarbeitenden, die deshalb oft neue<br />

Arbeitskräfte einarbeiten müssen. Im Rahmen der vom<br />

Arbeitsamt vermittelten Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-<br />

Jobs) können Arbeitslose sechs Monate im Laden arbeiten.<br />

In manchen Fällen ist eine Verlängerung auf neun<br />

Monate möglich. „Durch die Arbeitsgelegenheit sollen<br />

die Arbeitslosen wieder für den Arbeitsmarkt befähigt<br />

werden“, erklärt sie. „So bekommen sie wieder eine<br />

Struktur in ihren Alltag.“ Außerdem sei ein Job dieser<br />

Art sehr wichtig für das eigene Selbstwertgefühl. Neben<br />

dem Einlernen im Verkauf und in der Aussortierung und<br />

Abholung von gespendeten Waren erhalten die Arbeitslosen<br />

eine intensive Beratung in der Diakonischen<br />

Bezirksstelle Nürtingen. „Beim Bewerbungstraining<br />

werden Bewerbungen geübt und gemeinsam mit<br />

den Ehrenamtlichen im Jobcafé nach Jobs gesucht“,<br />

meint Monika Moll.<br />

Die 42-Jährige Esin Cebe war früher selbst im Rahmen<br />

einer Arbeitsgelegenheit im <strong>Diakonie</strong>laden tätig. Angefangen<br />

hatte dort alles mit einem 14-tägigen Praktikum<br />

im Juli 2010. Dabei zeigte sich, dass ihr die Arbeit im<br />

Verkauf liegt. „Ich arbeite sehr gern mit Menschen<br />

zusammen und für Menschen“, sagt Esin Cebe. Sie ist<br />

Mutter von vier Kindern, von denen das jüngste erst<br />

sechs Jahre, das älteste bereits 22 Jahre alt ist. Die<br />

gebürtige Türkin kam mit drei Jahren nach Deutschland.<br />

Als Alleinerziehende fühlte sie sich oft im Ämterdschungel<br />

der deutschen Bürokratie verloren. Während ihrer<br />

Arbeitsgelegenheit im <strong>Diakonie</strong>laden fand sie Hilfe in der<br />

Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen. Am Anfang hätte<br />

es noch Überwindung gekostet, sich und die eigenen<br />

Probleme vorzustellen. „Wenn es mir nicht geholfen<br />

hätte, wäre ich nicht wiedergekommen“, meint sie.<br />

„Das Wichtigste ist, dass wir eine Beziehung zu den


20 Arbeitsbereich 2<br />

Menschen aufbauen“, sagt Elke Woicke, Sozialpädagogin von<br />

der Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen. „Auf der einen Seite<br />

geht es um die finanzielle Hilfe, denn hier ist oft die Budgetplanung<br />

das Problem. Wir fragen nach, wofür das Geld monatlich<br />

ausgegeben wird und beraten.“ Esin Cebe hat die Beratung<br />

sehr geholfen: „Die Gespräche mit der Beraterin sind mir<br />

richtig ans Herz gewachsen. Alleine ist es sehr schwierig mit<br />

Ämtern wegen dem Wohnungs- und Kindergeld klar zu<br />

kommen, weil es dort immer kompliziert zugeht.“ Ziel der<br />

Diakonischen Bezirksstelle sei aber, nicht zu weit ins Leben<br />

der Betroffenen eingreifen. „Unser Ansatz ist immer die Hilfe<br />

zur Selbsthilfe“, betont Elke Woicke. „Wir übernehmen zum<br />

Beispiel aber oft Telefonanrufe beim Arbeitsamt für die Betroffenen.<br />

Wenn eine unserer Beraterinnen dort anruft und sich<br />

erkundigt, klärt sich manches und die Betroffene erhält schnell<br />

Hilfe.“ Parallel dazu arbeiten arbeitssuchende Mitarbeiter im<br />

<strong>Diakonie</strong>laden. Esin Cebe hat es dort so gut gefallen, dass sie<br />

seit dem Ablauf ihrer Arbeitsgelegenheit dort als Ehrenamtliche<br />

arbeitet. „Wenn ich hierher komme, kann ich abschalten<br />

und meine Probleme vergessen“, meint sie. „Sobald ich hier<br />

aber rausgehe, habe ich bei jedem Gang zum Briefkasten<br />

Angst, ob nicht schon wieder etwas von den Behörden drin<br />

sein könnte.“<br />

Viele Kunden kämen in erster Linie in den Laden, um Gespräche<br />

zu führen. „Die Kunden haben das Bedürfnis über ihre<br />

Probleme zu reden und trauen sich mit mir offen zu sprechen,<br />

weil ich in einer ähnlichen Lage war“, sagt Esin Cebe. „Ich<br />

kann ihnen meistens auch schnell weiterhelfen und zum<br />

Beispiel ein Gespräch mit Elke Woicke von der Beratungsstelle<br />

empfehlen, weil mir das selbst schon sehr geholfen hat. Es<br />

freut mich, dass ich hier für andere Menschen etwas Gutes tun<br />

kann.“ Der Job als Verkäuferin im Laden trägt zur Steigerung<br />

des Selbstwertgefühls bei. „Das Lob der Kunden tut mir<br />

unglaublich gut“, bestätigt Esin Cebe.<br />

Auch die Verkäuferin Renate Matus findet die Arbeit im Laden<br />

bereichernd. Vor sechs Jahren ging die 56-Jährige das erste<br />

Mal zur Beratung der Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen.<br />

Seit 1 ½ Jahren ist sie ehrenamtlich im <strong>Diakonie</strong>laden tätig. Esin Cebe<br />

Reportage aus der Arbeit eines <strong>Diakonie</strong>ladens<br />

„Momentan bin ich immer noch arbeitssuchend, aber bevor<br />

ich daheim rumsitze, arbeite ich lieber hier etwas Sinnvolles“,<br />

meint die alleinerziehende Mutter von sechs Kindern im Alter<br />

zwischen 15 und 35 Jahren. „Es ist einfach hilfreich, wenn man<br />

durch die Arbeit eine Konstante im Tagesablauf hat.“ An der<br />

Arbeit findet sie vor allem der Umgang mit den Kollegen toll.<br />

„Ich brauche einfach Menschen um mich rum.“ Persönlichen<br />

Kontakt gebe es allerdings auch häufig mit den Kunden. „Viele<br />

unserer Kunden kommen regelmäßig her, weil sie Ansprache<br />

brauchen“, meint sie. „Schon als ich selbst zum ersten Mal<br />

hier war, hat mir die freundliche Atmosphäre im Laden von<br />

Anfang an gefallen. Da entstehen schnell Gespräche.“ Im<br />

Rahmen ihrer Tätigkeit im Laden sortiert sie zum Beispiel neu<br />

angekommene Waren aus, legt den Verkaufspreis fest und<br />

zeichnet sie aus. Die Kunden könnten im Laden vergessen,<br />

dass sie nur wenig Geld haben. „Es ist wichtig, dass man<br />

hier ganz normal einkaufen kann“, meint Renate Matus.<br />

„Deshalb ist es gut, dass man die Sachen zwar zu einem<br />

günstigen Preis bekommt, sie aber trotzdem nicht kostenlos<br />

sind. Man merkt wie arm man dran ist, wenn man Waren<br />

umsonst bekommt.“<br />

Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle


Herausforderungen der Arbeitslosenhilfe heute Arbeitsbereich 2 21<br />

„Sie werden von der<br />

Gesellschaft ausgeschlossen“<br />

Interview mit Martin Maier, Leiter der Abteilung<br />

Integration und Existenzsicherung, und<br />

Klaus Kittler, Referent für Arbeitslosenhilfe<br />

In der Reportage sind Langzeitarbeitslose ehrenamtlich<br />

tätig – ist das üblich?<br />

Es ist nicht üblich, aber es wird immer häufiger. Denn Arbeitslose<br />

wollen unbedingt tätig sein – selbst wenn sie dafür keinen<br />

Lohn bekommen.<br />

Was sind die Gründe, dass sich immer mehr<br />

ehrenamtlich engagieren?<br />

Es gibt immer weniger Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose.<br />

Sie werden im Jobcenter als „Bezahlkunden“ angesehen –<br />

das heißt: Für diese Personen muss nur der Unterhalt bezahlt<br />

werden, es gibt aber keine aktiven Hilfen und keine Perspektive<br />

für diese Personen.<br />

Was bedeutet dies für Langzeitarbeitslose?<br />

Sie werden von der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Gesellschaft<br />

– in diesem Fall repräsentiert von der Bundesagentur<br />

für Arbeit – hat diese Menschen abgeschrieben. Man gibt<br />

ihnen keine Chance mehr, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren,<br />

für sie wird kein Aufwand mehr betrieben. Es wird weder<br />

versucht, sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen, noch wird<br />

ihnen durch Sondermaßnahmen wie z. B. einen öffentlich<br />

geförderten Arbeitsmarkt Teilhabe ermöglicht.<br />

Stimmt also das Vorurteil nicht, dass Langzeitarbeitslose<br />

nicht arbeiten wollen?<br />

Dieses Vorurteil hat noch nie gestimmt. Das Beispiel mit dem<br />

Ehrenamt zeigt ja: Sie wollen unbedingt arbeiten, sie wollen<br />

und brauchen eine Beschäftigungsstruktur. Natürlich gibt es<br />

auch einige wenige Personen, die sich dem Arbeitsmarkt<br />

entziehen wollen, aber meistens sind das Menschen, die sich<br />

aufgegeben haben, weil sie keine Chancen mehr sehen. Abgesehen<br />

davon gibt es schwarze Schafe in allen sozialen Bereichen,<br />

man denke nur an Steuerhinterziehung.<br />

Was können angesichts dieser Tatsache diakonische<br />

Arbeitslosenhilfeträger noch leisten?<br />

Sie versuchen alles, um noch wenigstens einige Angebote für<br />

Langzeitarbeitlose zu ermöglichen. Denn das Markenzeichen<br />

diakonischer Arbeitslosenhilfe war und ist Beschäftigung mit<br />

gleichzeitiger psychosozialer Begleitung – wie ja auch die<br />

Reportage zeigt. Aber das wird immer schwieriger. Die Eingliederungsmittel<br />

für Langzeitarbeitslose wurden in den letzten<br />

beiden Jahren um 40 Prozent gekürzt – weitere Kürzungen<br />

sind 2013 geplant. Letztendlich sollen nur noch kurzfristige<br />

Aktivierungs-Maßnahmen für leicht am ersten Arbeitsmarkt<br />

wieder vermittelbare Personen angeboten werden. Das hilft<br />

Langzeitarbeitslosen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen<br />

nicht weiter. Der Bereich der langfristigen Beschäftigung<br />

auf dem zweiten Arbeitsmarkt wird zunehmend eingestellt.<br />

Die Bundespolitik wünscht keine öffentlich geförderte<br />

Beschäftigung. Und die kurzfristigen Aktivierungsmaßnahmen<br />

werden öffentlich ausgeschrieben – da können unsere Mitglieder<br />

mit ihren tarifgebunden Löhnen nicht mehr mithalten.<br />

Haben sich eventuell die Beschäftigungsunternehmen<br />

erübrigt, weil es immer weniger Arbeitslose gibt?<br />

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen nimmt nur wenig ab –<br />

jeder dritte Arbeitslose ist langzeitarbeitslos. Und ungefähr<br />

60 Prozent der Arbeitslosen leben von Hartz IV, weil sie immer<br />

nur kurzfristige Beschäftigungen oder Minijobs finden. In<br />

Deutschland leben rund 400.000 bis 800.000 Personen, die<br />

auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind und eine<br />

öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen. Für die fühlt<br />

sich offensichtlich die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr<br />

zuständig. Diakonische Träger bieten für diese Menschen aber<br />

dennoch, wenn es finanzierbar ist, sinnstiftende Tätigkeiten an.<br />

Wenn die Förderung so zurückgeht – welche Folgen hat<br />

das für die Beschäftigungsunternehmen?<br />

Ihre wirtschaftliche Situation wird immer schwieriger. Haben<br />

diese früher ihre Angebote zu 70 bis 80 Prozent aus öffentlichen<br />

Zuschüssen finanziert und 20 bis 30 Prozent selbst auf<br />

dem Markt erwirtschaftet, so hat sich das heute ins genaue<br />

Gegenteil verkehrt: Nun müssen sie 70 bis 80 Prozent erwirtschaften.<br />

Sie richten deshalb immer häufiger Integrationsbetriebe<br />

für Menschen mit Behinderungen ein. Oder sie gründen<br />

Tochterunternehmen, die privatwirtschaftlich aktiv werden wie<br />

Zeitarbeitsfirmen etc. Mit den Einnahmen dieser nichtdiakonischen<br />

Töchter subventionieren sie dann die diakonische Arbeit<br />

für Langzeitarbeitslose. Die Konsequenz ist, dass die Betriebe<br />

ihren Schwerpunkt verlagern und nicht mehr als reines<br />

Beschäftigungsunternehmen fungieren.<br />

Wie setzt sich die <strong>Diakonie</strong> für Langzeitarbeitslose ein?<br />

Die <strong>Diakonie</strong> als fachlich gut aufgestellter Wohlfahrtsverband<br />

versucht konstruktiv Einfluss auf die Politik zu nehmen. Dazu<br />

bringen wir konkrete Vorschläge ein. Wir brauchen einen


22 Arbeitsbereich 2<br />

öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, der am normalen Markt<br />

tätig werden kann. Es nützt Langzeitarbeitlosen nicht, wenn<br />

sie mit sinnlosen Tätigkeiten beschäftigt werden. Die <strong>Diakonie</strong><br />

hat dafür ein Finanzierungsmodell vorgelegt – den Passiv-<br />

Aktiv-Transfer (PAT): Statt für die Alimentierung werden die<br />

passiven Mittel für Arbeitslosengeld II und Unterkunft zur<br />

Finanzierung von Arbeit eingesetzt. Und letztendlich konnten<br />

wir nachweisen, dass die Finanzierung von Arbeit durch<br />

passive Mittel nicht viel teurer sein wird, als Arbeitslose zu<br />

alimentieren. Es kann auch sofort mit einem bundesweiten<br />

öffentlich geförderten Arbeitsmarkt begonnen werden, ohne<br />

dass zusätzliche Mittel eingesetzt werden müssen.<br />

Was konnte bisher erreicht werden?<br />

Das PAT-Modell wird von immer mehr Politikern verstanden<br />

und unterstützt. Nordrhein-Westfalen und Baden-<strong>Württemberg</strong><br />

wollen eine Bundesratsinitiative zur Einführung des<br />

PAT-Modells starten. Und in Baden-<strong>Württemberg</strong> gibt es nach<br />

zehn Jahren endlich wieder ein Landesarbeitsmarktprogramm,<br />

das modellartig das PAT-Modell umsetzt.<br />

Wie kann die <strong>Diakonie</strong> für die Träger der Arbeitslosenhilfe<br />

tun und was hat sie erreicht?<br />

Wir haben vor allem erreicht, dass alle Verbände in Baden-<br />

<strong>Württemberg</strong> bei diesem Thema politisch an einem Strang<br />

ziehen und sich inhaltlich und politisch koordinieren. Das ist<br />

eine wichtige Grundlage, damit die Träger ihr profundes wirtschaftliches<br />

Know-how einsetzen können. Wir haben das<br />

neue Landesarbeitsmarktprogramm, zu dem wir wesentliche<br />

Anregungen gegeben haben, von dem auch unsere Träger<br />

profitieren werden. Und innerverbandlich arbeiten alle Ebenen<br />

zusammen, um die Zukunft der diakonischen Arbeitslosenhilfe<br />

zu ermöglichen.<br />

Wie lange kann unter diesen Bedingungen die <strong>Diakonie</strong><br />

noch Hilfen für Langzeitarbeitslose bieten?<br />

Hoffentlich noch lange. Denn ohne die diakonische Arbeitslosenhilfe<br />

würde es kaum noch Organisationen geben, die sich<br />

für die Belange der Langzeitarbeitslosen und für eine Teilhabe<br />

dieser Menschen durch einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt<br />

einsetzen. Fachlich sind unsere Träger sehr gut aufgestellt.<br />

Viele haben auch hervorragende Produkte und Projekte,<br />

haben sogar feste Finanzierungszusagen durch Öffentliche<br />

Hand und Mittel des Europäischen Sozialfonds. Aber sie<br />

bekommen Liquiditätsprobleme, da sich die Auszahlung der<br />

zugesagten Mittel oft verzögert und Banken bei der Kreditvergabe<br />

für die unumgängliche Vorfinanzierung immer vorsichtiger<br />

werden. Das ist eigentlich unverständlich.<br />

Was müsste sich ändern?<br />

Eigentlich müsste die Frage lauten: Was kann bleiben wie<br />

bisher? Und darauf kann man nur antworten: fast nichts.<br />

Durch die Vergabepraxis, die Ausschreibungen der Arbeitsmarktdienstleistungen<br />

können diakonische Träger mit ihrer<br />

Bindung an das kirchliche Arbeitsrecht kaum mehr öffentliche<br />

Aufträge akquirieren. Durch die radikalen Kürzungen der<br />

Eingliederungsmittel kann kaum mehr öffentlich geförderte,<br />

sozialversicherungspflichtige Arbeit angeboten werden. Und<br />

so weiter, und so weiter … Ändern muss sich das Bewusstsein<br />

in der Gesellschaft und in der Politik. Es muss endlich anerkannt<br />

werden, dass sich Teilhabe an der Gesellschaft vor<br />

allem durch bezahlte Beschäftigung definiert. Man kann nicht<br />

Inklusion fordern und gleichzeitig 400.000 bis 800.000<br />

Menschen von bezahlter Beschäftigung ausschließen und<br />

nur noch alimentieren wollen.<br />

Das Interview führten Peter Ruf und Markus Zeile<br />

Herausforderungen der Arbeitslosenhilfe heute


Gesundheit, Alter und Pflege Arbeitsbereich 3 23<br />

Arbeitsbereich 3:<br />

Gesundheit, Alter und Pflege<br />

Bericht über eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter<br />

noch ein Privatleben hat<br />

Interview zu den Herausforderungen<br />

der Altenhilfe heute


„Meine Mutter winkt nur<br />

den Personen, die sie mag“<br />

Pflege in den eigenen vier Wänden – auch<br />

im Alter ein Teil der Familie<br />

Die alte Dame im Rollstuhl sitzt schon seit zwei Stunden<br />

am Fenster. Sie beobachtet interessiert die Straße vor<br />

dem Haus und die fahrenden Autos. Hin und wieder<br />

winkt sie hinaus. Doch nicht bei jeder vorbeilaufenden<br />

Person hebt sie die Hand, sagt Katharina Reichert. Die<br />

81-Jährige Erna Grab sitzt nach einem Sturz und einer<br />

gebrochenen Hüfte im Rollstuhl. Doch dies ist noch<br />

nicht ihre komplette Krankheitsgeschichte. „Sie hat<br />

bereits acht Schlaganfälle erlitten, von denen drei<br />

schwer waren“, erklärt ihre Tochter Katharina Reichert.<br />

Seither ist Erna Grab halbseitig gelähmt, kann nur<br />

noch einen Arm bewegen und kaum sprechen.<br />

Die hinzugekommene Demenzkrankheit erschwerte<br />

die Situation noch.<br />

Seit eineinhalb Jahren wohnt Familie Reichert in Großaspach.<br />

„Wir haben im Oktober 2010 bei der <strong>Diakonie</strong>station<br />

angefragt und um Hilfe bei der Pflege gebeten“,<br />

meint die 36-Jährige Katharina Reichert. Als ihre Mutter<br />

im Januar <strong>2011</strong> aus der Kurzzeitpflege kommt, beginnt<br />

der Pflegeeinsatz. „Jeden Montag bekomme ich ein Fax<br />

von Frau Reichert, in dem die Woche ungefähr geplant<br />

ist“, erklärt Rosemarie Frank, Einsatzleiterin der <strong>Diakonie</strong>station<br />

Mittleres Murrtal. „Dienstags telefonieren wir<br />

dann noch einmal kurz miteinander, um zu klären,<br />

ob es irgendwelche Änderungen gibt.“ Seitdem schaut<br />

der Pflegedienst je nach Bedarf zwei- bis dreimal am<br />

Tag bei Familie Reichert vorbei. „Morgens helfen wir<br />

Frau Grab bei der Körperpflege und beim Frühstücken.“<br />

Nachdem Katharina Reichert das Frühstück vorbereitet<br />

hat, kommt der Pflegedienst. Erna Grabs Frühstücksbrot<br />

wird in handliche kleine Stücke geschnitten. Eins mit<br />

Marmelade, eins mit Wurst und eins mit Käse. Die<br />

Seniorin kann mit einer Hand ganz gut alleine essen, nur<br />

ab und zu ist Unterstützung nötig. „Manchmal vergisst<br />

sie, dass sie gerade beim Essen ist und dann muss sie<br />

an die verbliebenen Brotstücke erinnert werden“, meint<br />

Rosemarie Frank.<br />

„Auch wenn sie kaum mehr sprechen<br />

kann, so ist trotzdem noch eine Kommunikation<br />

möglich.“<br />

Wenn es die Zeit ermöglicht, steht für Erna Grab nach<br />

dem Frühstück noch Gymnastik auf dem Programm.<br />

Da sie sich nur wenig bewegt, sollen ihre motorischen<br />

Fähigkeiten so gut es geht erhalten werden. Langsam<br />

öffnet sie ihre Hände und schließt sie wieder. Konzentriert<br />

hebt und senkt sie, von Rosemarie Frank unterstützt,<br />

den Arm. Danach sind die Füße an der Reihe.<br />

Rosemarie Frank stützt ab, während Erna Grab die Füße<br />

langsam kreist. Zum Abschluss dreht sie ihren Kopf hin<br />

und her. Auch wenn sie kaum mehr sprechen kann, so<br />

ist trotzdem noch eine Kommunikation möglich. „Sie<br />

kann sehr gut ausdrücken, wenn es ihr nicht gut geht“,<br />

sagt Katharina Reichert. „Ihre Mimik ist dann total<br />

anders. Wir haben einfach ein sehr inniges Verhältnis,<br />

deshalb nehme ich das wahr.“<br />

Zusätzlich zur Pflege zuhause muss Katharina Reichert<br />

jeden Tag einen weiten Anreiseweg zu ihrer Arbeitsstelle<br />

auf sich nehmen. Die 36-Jährige arbeitet als medizinisch-technische<br />

Assistentin in einer Augenklinik in<br />

Stuttgart-Feuerbach. Jeder Tag ist bei den Reicherts<br />

deshalb gut durchgeplant. „Um kurz nach 16 Uhr kommt


Eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter noch ein Privatleben hat Arbeitsbereich 3 25<br />

mein Mann nach Hause“, erklärt Katharina Reichert. „Ich<br />

komme erst gegen halb sieben oder sieben nach Hause und<br />

richte meiner Mutter dann ein Vesper hin.“ Danach bekommt<br />

Erna Grab von ihrer Tochter die Zeitung vorgelesen. Interessiert<br />

lauscht sie den Neuigkeiten des Tages. Anschließend<br />

steht gemeinsames Fernsehen auf dem Programm. Trotz ihres<br />

Alters hat sie dabei ungewöhnliche Vorlieben. „Bei Rosamunde<br />

Pilcher schläft sie immer ein“, lacht ihre Tochter. „Aber wenn<br />

ich einen Krimi oder einen Horrorfilm schaue, dann ist sie ganz<br />

angespannt bis zum Ende mit dabei.“<br />

Mit der Arbeit der <strong>Diakonie</strong>station ist Katharina Reichert sehr<br />

zufrieden: „Frau Frank hat mir noch nie gesagt, dass irgendetwas<br />

nicht geht.“ Nach Meinung von Rosemarie Frank sind<br />

hierfür aber auch die sehr guten Absprachen zwischen Familie<br />

und <strong>Diakonie</strong>station verantwortlich. „Die Pflege ist eine Sache,<br />

aber wichtig ist auch immer das Zwischenmenschliche“,<br />

ergänzt sie. Die Mitarbeiterinnen der <strong>Diakonie</strong>station gehen<br />

sehr herzlich mit Frau Grab um. Sie wird in den Arm genommen<br />

und oft gestreichelt, denn dafür muss Zeit sein. Selbst<br />

wenn niemand mehr in der Wohnung ist, ist Erna Grab nicht<br />

alleine. „Mein Neffe und meine Schwägerin wohnen über uns<br />

im Haus und schauen täglich vorbei, ob alles in Ordnung ist“,<br />

sagt Katharina Reichert.<br />

Meine Mutter hat mich selbst mit ganz viel<br />

Liebe großgezogen.<br />

Die Pflege ihrer Mutter ist für sie kein Opfer. „Für mich gehört<br />

das dazu. Meine Mutter hat mich selbst mit ganz viel Liebe<br />

großgezogen. Deshalb kam es für mich nie in Frage, dass<br />

meine Mutter anderswo leben sollte.“ Trotzdem verurteilt sie<br />

keine Familien, die ihre Eltern lieber ins Heim geben. „Diese<br />

Entscheidung muss jeder mit sich selbst ausmachen.“<br />

Rosemarie Frank nickt nachdenklich. „Ich denke, hier ist vor<br />

allem die Einstellung von Frau Reichert entscheidend“, über-<br />

Frau Reichert und Frau Grab<br />

legt sie. „Viele können oder wollen sich nicht die nötige Zeit<br />

nehmen, um ihre Angehörigen selbst zu pflegen. Hinzu kommt,<br />

dass Frau Grab eine sehr beherrschte Art hat, die diese Form<br />

der Pflege möglich macht. Sie bleibt zum Beispiel immer ruhig<br />

und fällt nicht aus dem Rollstuhl.“<br />

Die Unterstützung der <strong>Diakonie</strong>station ermöglicht Katharina<br />

Reichert trotz der Pflege ihrer Mutter noch genügend Freiraum.<br />

„Man hat trotz allem noch ein Privatleben“, meint sie.<br />

Rosemarie Frank kennt auch andere Beispiele: „Es gibt pflegende<br />

Angehörige, die sich komplett aufopfern. Frau Reichert<br />

hat zum Glück die nötige Haltung. Sie weiß, dass ihre Mutter<br />

gut versorgt ist und kann deshalb trotzdem ein eigenes Leben<br />

führen.“ Als Rosemarie Frank das Haus verlässt, wirft sie am<br />

Gartentor noch einen letzten Blick zurück. An ihrem Lieblingsplatz<br />

am Fenster sitzt Erna Grab – und winkt.<br />

Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle


26 Arbeitsbereich 3<br />

„Die Isolation ist für viele<br />

pflegende Angehörige das<br />

Schlimmste“<br />

Interview mit Johannes Kessler, Leiter der<br />

Abteilung Gesundheit, Alter und Pflege, und<br />

Christina Köster, Referentin für Pflegefragen<br />

Wie ist das Zahlenverhältnis zwischen zuhause und<br />

im Heim gepflegten alten Menschen?<br />

Statistisch erfasst werden nur diejenigen, die Leistungen<br />

von der Pflegeversicherung bekommen. Von diesen rund<br />

250.000 Menschen in Baden-<strong>Württemberg</strong> werden 70 Prozent<br />

zuhause gepflegt und 30 Prozent im Pflegeheim. Insgesamt<br />

kann man wohl sogar von einem Verhältnis von 80 zu 20<br />

ausgehen. Ein sehr großer Teil der Menschen wird sogar nur<br />

von Angehörigen, also ohne die Unterstützung durch einen<br />

Pflegedienst, zuhause gepflegt. Aber auch bei ihnen kommt<br />

halb- oder vierteljährlich die <strong>Diakonie</strong>- oder Sozialstation<br />

vorbei. Die Pflegekraft gibt zum Beispiel Tipps fürs Heben aus<br />

dem Bett oder informiert über Sturzprophylaxe, Betreuungsangebote<br />

für demenziell erkrankte Menschen, über Entlastungsangebote<br />

für pflegende Angehörige oder übers<br />

gesunde Essen und Trinken.<br />

„Ein sehr großer Teil der Menschen wird<br />

sogar nur von Angehörigen, also ohne die<br />

Unterstützung durch einen Pflegedienst,<br />

zuhause gepflegt.“<br />

Unter welchen Voraussetzungen ist die Pflege<br />

daheim möglich?<br />

Zunächst muss man sehen, ob das Krankheitsbild überhaupt<br />

eine Pflege zuhause zulässt. Entscheidend ist auch, ob die<br />

Unterstützung so organisiert werden kann, dass gegebenenfalls<br />

Pflege und Beruf miteinander vereinbart werden können.<br />

Auch räumliche Voraussetzungen spielen eine Rolle Es kann<br />

sein, dass man vom Pflegebedarf überrascht wird, zum<br />

Beispiel bei einem Schlaganfall, oder der Hilfebedarf stetig<br />

ansteigt. Ganz wichtig ist in jedem Fall, dass in der Familie<br />

die Zuständigkeiten verabredet sind.<br />

Herausforderungen der Altenhilfe heute<br />

Welche Sorgen haben pflegende Angehörige?<br />

Es ist vor allem die psychosoziale Belastung. Sie müssen<br />

24 Stunden parat stehen, können kaum weggehen und nicht in<br />

den Urlaub fahren. Die Isolation ist für viele pflegende Angehörige<br />

das Schlimmste. Wenn die Pflege über längere Zeit geht,<br />

kann auch Armut dazu kommen. Oftmals sind pflegende<br />

Angehörige selber alt und schieben eigene notwendige Klinikaufenthalte<br />

aus Sorge um den anderen vor sich her .<br />

Wie kann man ihnen Mut machen?<br />

Man muss ihnen vermitteln, dass man sich Hilfe holen darf,<br />

ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Vor allem auf dem<br />

Land, wo die soziale Kontrolle stärker ist, tun sich Familien oft<br />

schwer damit, das Auto der <strong>Diakonie</strong>station vor dem Haus<br />

stehen zu haben. Dann wissen ja die Nachbarn Bescheid.<br />

Bisher haben wir doch auch alles allein hingekriegt, heißt es in<br />

den Familien. Doch wenn die Belastung, auch die körperliche,<br />

zu hoch ist, ist es wichtig, sich Unterstützung zu holen. Das ist<br />

kein Grund, sich zu schämen. Pflegeschulungen zuhause<br />

stellen den pflegenden Angehörigen mit seinen Fragen in den<br />

Mittelpunkt, die Pflegekraft der <strong>Diakonie</strong>station gibt gesundheitsförderliche<br />

Tipps und gezielte Pflegeberatung.<br />

Wie hilft die <strong>Diakonie</strong>?<br />

Wir haben in <strong>Württemberg</strong> ein dichtes Netz von 220 diakonischen<br />

Heimen und 190 <strong>Diakonie</strong>stationen, die fachlich<br />

kompetent und mit menschlicher Zuwendung pflegebedürftige<br />

Menschen versorgen und begleiten. Es gibt auch Seminare<br />

für pflegende Angehörige, Pflegeberatung und individuelle<br />

Unterstützung am Pflegebett.<br />

Was zeichnet die <strong>Diakonie</strong> besonders aus?<br />

Das spezifisch Diakonische sind die Verknüpfungen der <strong>Diakonie</strong>stationen<br />

und Pflegeheime in die Kirchengemeinden hinein.<br />

Diese bieten eine Vielzahl weiterer Angebote: Mittagstische<br />

oder Betreuungsgruppen für demenziell Erkrankte und<br />

Besuchsgruppen im Heim. Außerdem haben wir unsere Krankenpflegefördervereine<br />

und „<strong>Diakonie</strong> plus“, die durch Spendengelder<br />

Zuwendung über die von der Pflegekasse erstattete<br />

Zeit hinaus ermöglichen. Dadurch ist es möglich, gemeinsam<br />

ein Gebet zu sprechen oder auch, einem belasteten Angehörigen<br />

zuzuhören.


Herausforderungen der Altenhilfe heute Arbeitsbereich 3 27<br />

Welche Sorgen gibt es als neuere Entwicklung<br />

in der Pflege?<br />

Wir stellen fest, dass schwerkranke Patienten sehr früh aus<br />

dem Krankenhaus ins Pflegeheim oder nach Hause entlassen<br />

werden. Besonders im Heim ist eine zügige medizinische<br />

Weiterversorgung schwierig, dort ist die ärztliche Versorgung<br />

generell immer schwieriger, weil die Ärzte nicht gerne in die<br />

Heime gehen. Auch Angehörige stellt das vor eine ganz<br />

schwierige Situation. Sorge macht den Heimen und Stationen<br />

auch, dass es schwieriger wird, qualifiziertes Personal<br />

zu finden.<br />

„Es ist doch schön, Menschen zu begleiten,<br />

damit sie auch in den letzten Jahren<br />

in Frieden leben und sterben können.“<br />

Sind es die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen,<br />

die nicht locken?<br />

Eher nicht. Im Rathaus verdienen Sie bei einer gleichwertigen<br />

Ausbildung auch nicht mehr. Und die Arbeitsbedingungen<br />

eines Kochs sind ebenfalls nicht besser.<br />

Woran liegt es dann?<br />

Altsein und Pflegebedürftigkeit werden in unserer Gesellschaft<br />

oft verdrängt. Es gibt Stimmen, die Pflegeheime für verzichtbar<br />

halten. Aber die stationäre Pflege wird es immer geben müssen.<br />

Krankenhäuser will ja auch niemand abschaffen. Das Erfüllende<br />

am Pflegeberuf müssen wir deutlicher kommunizieren.<br />

Es ist doch schön, Menschen zu begleiten, damit sie auch in<br />

den letzten Jahren in Frieden leben und sterben können. Wir<br />

können zwar kein poliertes Auto vorzeigen, aber mit guten<br />

Beziehungen Lebensqualität steigern. Das ist doch toll! Auch<br />

ist es die Kunst der Pflege, wenn man bettlägerige Menschen<br />

vor einem Dekubitus bewahren kann.<br />

Was würden Sie verändern, wenn Sie es könnten?<br />

Die Leistungen von Krankenkasse und Pflegekasse besser<br />

aufeinander abstimmen, zum Beispiel. Es herrscht in der<br />

Versorgung ein Spartendenken und es fehlt an Geld für<br />

medizinische Leistungen. Pflegekräfte müssen oft ganz<br />

schön kämpfen, um ein offenes Bein rechtzeitig verhindern<br />

zu können. Auch erschweren die modularisierten Pflegeleistungen<br />

die persönliche Zuwendung und Mobilisierung.<br />

Bei einer Pflege im Minutentakt ist Aktivierung kaum möglich.<br />

Das Interview führte Claudia Mann


28 Arbeitsbereich 4<br />

Arbeitsbereich 4:<br />

Internationale <strong>Diakonie</strong><br />

Wie abgeschobene Roma in Serbien wieder Perspektiven finden<br />

Internationale <strong>Diakonie</strong><br />

Interview über Herausforderungen der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute


„Jetzt haben wir genug<br />

zum Überleben“<br />

Die Aktion Hoffnung für Osteuropa hilft<br />

Roma-Familien in Serbien<br />

Mihajlo Markov greift nach drei leeren Plastikflaschen,<br />

schneidet flink einen langen Schlitz hinein, damit die Luft<br />

entweichen kann und wirft sie in den Metallschlund.<br />

Dann drückt er den Knopf der Maschine und mit einem<br />

lauten Krachen drückt die hydraulische Presse das<br />

Plastik zusammen. „Hier sortieren wir die Flaschen, die<br />

wir in den Straßen sammeln, nach Farben und pressen<br />

sie zu 35-Kilo-Paketen“, sagt der 26-Jährige Kosovare<br />

und zeigt auf die zahllosen Plastikflaschen, die sich am<br />

Zaun des kleinen Hofes stapeln.<br />

Als Mihajlo Markov ein kleiner Junge war, ist er mit<br />

seinen Eltern und seinen drei Brüdern aus dem Kosovo<br />

nach Deutschland geflohen. Acht Jahre lebte er in Berlin,<br />

ging zur Schule und fand Freunde. „Es war schön in<br />

Deutschland“, erzählt er mit einem traurigen Lächeln.<br />

„Als wir nach Serbien kamen, war das hart. Ohne<br />

Zuhause, ohne Arbeit, ohne Perspektive.“ Mihajlo und<br />

seine Brüder sprechen fehlerfrei Deutsch. Erst kam die<br />

Familie Markov in ein kleines Dorf in der Vojvodina. Da<br />

sie dort keine Arbeit fanden, gingen sie nach Novi Sad<br />

und begannen, Plastikflaschen zu sammeln.<br />

Mihajlos Vater, der 48-Jährige Milan Markov, der das<br />

Recyclingmaterial zu Paketen schnürt, nickt zustimmend.<br />

„Wir hatten kein Einkommen und das Geld aus<br />

dem Verkauf der Flaschen reichte vorne und hinten<br />

nicht.“ Er erzählt, wie er von der Ecumenical Humanitarian<br />

Organisation, kurz EHO, erfuhr. Die serbische Hilfsor-<br />

ganisation wird von der württembergischen diakonischen<br />

Aktion Hoffnung für Osteuropa gefördert und<br />

unterstützt Menschen wie Mihajlo und seine Familie, die<br />

als ehemalige Flüchtlinge nach Serbien zurückkehren.<br />

EHO hilft ihnen bei den zahllosen Behördengängen, um<br />

offizielle Papiere und einen Anspruch auf Sozialhilfe und<br />

Kindergeld zu bekommen. Sie beschäftigt Mentoren an<br />

Schulen, die den Migrantenkindern Serbisch beibringen<br />

und fördert die Eltern, eine Einkommensmöglichkeit<br />

zu finden.<br />

Die Markovs zählen mit den Familien der drei Brüder<br />

mittlerweile 13 Personen. Sie bekommen 150 Euro<br />

Sozialhilfe im Monat. „Das reicht nicht einmal, um die<br />

Windeln der Kinder zu bezahlen“, sagt Großvater Milan<br />

Markov. Eine Anstellung zu finden, ist praktisch unmöglich,<br />

vor allem wenn man Roma ist wie die Markovs.<br />

Schätzungsweise 80 Prozent der Roma in Novi Sad<br />

sind arbeitslos, unter den zurückgekehrten Flüchtlingen<br />

sind es 99 Prozent.<br />

Letztes Jahr erstellte Großvater Mihajlo zusammen mit<br />

den Mitarbeitern von EHO einen Businessplan. Sein Plan<br />

überzeugte und er bekam eine hydraulische Presse.<br />

Wenn er die sperrigen Plastikflaschen mit der Presse<br />

komprimiert, zahlt die Recyclingfirma aus Nis ihm einen<br />

besseren Preis. Wenn sie eine Tonne zusammen haben,<br />

holt ein LKW der Firma das Recyclingmaterial direkt an<br />

ihrer Hofeinfahrt ab. Früher ließ der LKW aus der<br />

500 Kilometer entfernten Stadt ihn oft stehen, weil<br />

sich die Abholung der sperrigen Säcke, in dem sie die<br />

Flaschen früher sammelten, nicht lohnte.<br />

Die Familie Markov arbeitet konzentriert, obwohl es<br />

heute 30 Grad warm ist in Novi Sad. „Wenn wir alle mit<br />

anpacken, können wir rund 90 Kilo Flaschen sammeln


30 Arbeitsbereich 4<br />

und pressen. Wir sind bei jedem Wetter draußen, auch bei<br />

Minus 20 Grad im Winter“, erklärt der junge Markov. Da kommt<br />

ein kleiner Junge auf einem gelben Spielzeugauto um die Ecke<br />

gefahren. Mihajlo nimmt die Hand von der Presse und hebt ihn<br />

hoch: „Das ist mein Sohn. Er ist zwei und kann anpacken wie<br />

ein Großer“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Pro Kilogramm<br />

bekommen die Markovs 35 Dinar. So verdienen sie knapp<br />

30 Euro am Tag. Das reicht, um die Grundbedürfnisse der<br />

13-köpfigen Familie zu decken.<br />

Großvater Markov wickelt die Paketschnur auf, mit der er die<br />

Bündel schnürt. Dann ruft er seinen kleinen Enkel und gibt ihm<br />

das Knäuel zum Spielen. Er setzt sich auf einen Plastikstuhl im<br />

Schatten und beobachtet seine Söhne an der Presse. „Wenn<br />

wir genug Geld zusammen haben, kaufen wir eine zweite<br />

Maschine und vergrößern“, sagt er. „Flaschen zu sammeln ist<br />

das Einzige, was wir machen konnten, als wir zurückkamen.<br />

Jetzt haben wir genug zum Überleben, aber es ist eine<br />

schwere Arbeit. Unsere Enkel sollen zur Schule gehen und<br />

lernen, damit sie einmal ein besseres Leben haben.“<br />

Mareike Erhardt, Referentin für Internationale <strong>Diakonie</strong><br />

Mihajlo Markov<br />

Herausforderungen der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute<br />

Hilfe zur Selbsthilfe<br />

als Grundsatz der Arbeit<br />

Interview mit Peter Ruf, Leiter der Abteilung<br />

Presse, Kommunikation und Internationale<br />

<strong>Diakonie</strong>, Mareike Erhardt, Referentin,<br />

und Johannes Flothow, Referent für Internationale<br />

<strong>Diakonie</strong><br />

Ist das in der Reportage dargestellte Beispiel<br />

typisch für Menschen, die durch Hoffnung für Osteuropa<br />

unterstützt werden?<br />

Ja, es ist ein gutes Beispiel. Es zeigt, dass Hoffnung für Osteuropa<br />

Projekte fördert, die Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen.<br />

In der Reportage wird sichtbar, dass ein Mensch durch Unterstützung<br />

eine Perspektive für die Zukunft entwickeln und auf<br />

eigenen Beinen stehen kann. Es ist auch deshalb beispielhaft,<br />

weil besonders benachteiligte Menschen, die Ärmsten der<br />

Armen, unterstützt werden – solche, die nicht aus eigener<br />

Kraft aus ihrer Situation herauskommen. Dazu gehören auf<br />

jeden Fall viele Roma.<br />

Sind es immer Einzelpersonen oder Familien,<br />

die unterstützt werden?<br />

Nein, jedes Projekt hat einen eigenen Zuschnitt. Es geht immer<br />

darum, Ressourcen zu stärken. Das können die einer Familie<br />

sein oder auch die eines Gemeinwesens. Eines der Projekte<br />

begleitet Sozialwaisen auf dem Weg zu einem würdevollen<br />

Leben in der Gesellschaft. Aber auch soziale Einrichtungen<br />

werden mitfinanziert.<br />

Welche Sorgen haben Menschen in Osteuropa?<br />

Die Menschen in Osteuropa haben erlebt, dass durch die<br />

Wende sozialstaatliche Strukturen weggefallen sind. Wer kein<br />

Einkommen hat, fällt unerbittlich aus notwendiger Unterstützung<br />

und damit aus dem gesellschaftlichen Leben heraus:<br />

alte und behinderte Menschen, Kinder und auch Randgruppen<br />

wie die Roma.<br />

Welche Grundsätze sind bei der Unterstützung wichtig?<br />

Die Hilfe zur Selbsthilfe ist ein solcher Grundsatz. In der<br />

Reportage ist es die Presse für Recyclingmaterial, die einer<br />

Familie zu Einnahmen verhilft. Schon kleine Dinge können viel<br />

bewirken, wenn zum Beispiel ein Zimmermann eine Säge<br />

bekommt oder Frauen eine Rührmaschine für die Kuchenproduktion<br />

erhalten. Unterstützung könnte aber auch sein, dass<br />

man Menschen hilft, einen Kredit zu bekommen, um sich


Herausforderungen der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute Arbeitsbereich 4 31<br />

etwas aufzubauen. Soziale Einrichtungen brauchen staatliche<br />

Mitfinanzierung, denn sie können ja nichts erwirtschaften.<br />

Deshalb finanzieren wir manche Projekte mit dem Ziel, dass<br />

staatliche Stellen langfristig in die Mitfinanzierung einsteigen,<br />

also ihre soziale Verantwortung übernehmen. Uns ist auch<br />

wichtig, nicht nur Geld, sondern auch Themen einzubringen.<br />

So sind wir gerade mit der slowakischen <strong>Diakonie</strong> im<br />

Gespräch, um das Thema Ökologie zu stärken.<br />

Wie kommen Hilfeprojekte zustande?<br />

Zu den Projekten kommen wir über das Gespräch mit Partnern<br />

vor Ort. Wir sind gut vernetzt mit den hiesigen Akteuren in<br />

Kirche und <strong>Diakonie</strong>, also dem Gustav-Adolf-Werk, der<br />

Landessynode, den Evangelischen Frauen oder dem Evangelischen<br />

Jugendwerk in <strong>Württemberg</strong>. Es bestehen sehr viele<br />

Partnerschaften, auch von Kirchenbezirken, die von Hoffnung<br />

für Osteuropa projektbezogen unterstützt werden. Durch<br />

Reisen erfahren wir auch immer wieder von Bedürfnissen und<br />

entwickeln im Gespräch die Struktur der Unterstützung.<br />

Wie kam es zur Unterstützung von Zokan Markov<br />

in Serbien?<br />

Projektpartner ist hier ja die Ecumenical Humanitarian Organisation,<br />

kurz EHO. Der Kontakt kam 2002 zustande, als Roma-<br />

Flüchtlinge aus dem Kosovo von <strong>Württemberg</strong> aus in die<br />

Vojvodina in Serbien abgeschoben wurden. Damit hatten wir<br />

ein gemeinsames Thema.<br />

Wie wird die Verwendung der Gelder überprüft?<br />

Natürlich bekommen wir Verwendungsnachweise. Aber<br />

genauso wichtig ist ein gewachsenes Vetrauensverhältnis.<br />

Partnerschaften wollen gepflegt sein. Im Regelfall haben wir<br />

kirchliche Partner, bei denen immer auch seriöse, kirchliche<br />

Strukturen und verlässliche Aufsichtsgremien vorhanden sind.<br />

Gibt es auch eine politische Dimension?<br />

Hoffnung für Osteuropa unterstützt Partner auch darin, sich<br />

politisch für Schwächere und für sozialstaatliche Strukturen<br />

einzusetzen. Durch gute Arbeit gelingt es auch, staatliche<br />

Stellen zu überzeugen. In der Slowakei und auch in Tschechien<br />

und Polen leistet der Staat nun einen finanziellen Beitrag zur<br />

Altenhilfe, weil er von der Wichtigkeit und Qualität der Arbeit<br />

überzeugt ist. Die Projektpartner vor Ort sind durch ihr jahrelanges<br />

Engagement in sozialen Arbeitsfeldern und durch ihren<br />

Austausch mit westlichen Organisationen dem Staat im sozialen<br />

Know-how voraus. Wenn die sozialen Organisationen vor<br />

Ort zu Partnern der Politik werden, entstehen sozialstaatliche<br />

Strukturen. Es greift viel zu kurz, von Europa nur als einer Wirt-<br />

schaftsunion zu sprechen. Wir brauchen vor allem auch eine<br />

Union auf sozialstaatlicher Ebene. Das ist uns als <strong>Diakonie</strong> ein<br />

wichtiges Anliegen.<br />

Was hat die <strong>Diakonie</strong> als Verband von der Aktion<br />

Hoffnung für Osteuropa?<br />

Die <strong>Diakonie</strong> hat die Aufgabe, den nahen und den fernen<br />

Nächsten zu sehen. Und: In diesen Projekten wird Europa<br />

gelebt! Wir pflegen den Austausch und haben gemeinsame<br />

Projekte. Auch arbeiten und lernen immer wieder Mitarbeitende<br />

und Freiwillige im jeweils anderen Land. Durch unsere<br />

Projekte FairCare und Europäischer Arbeitsmarkt lernen wir<br />

alle etwas über Fairness im Haus Europa.<br />

Das Interview führte Claudia Mann, Stellvertretende Pressesprecherin<br />

Kurzinfo: Seit das Diakonische Werk Deutschland die<br />

Geschäftsführung der Aktion Hoffnung für Osteuropa im<br />

vergangenen Jahr abgegeben hat, liegt die Federführung<br />

beim Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong>. Weitere 13 diakonische<br />

Landesverbände und Kirchen beteiligen sich an<br />

dieser Aktion. Sie unterstützt vor allem Menschen in der<br />

Slowakei, in Serbien, Kosovo und Rumänien.


Beispielhaft:<br />

Zentrale Themen des<br />

Verbands und der<br />

Landesgeschäftsstelle


Zentrale Themen des Verbands und der Landesgeschäftsstelle Beispielhaft 33<br />

Vom Zivi<br />

zum Bufdi<br />

Ein Jahr Bundes-<br />

freiwilligendienst<br />

Michael Rabo (links)<br />

Am 1. Juli <strong>2011</strong> um 0 Uhr begann der erste junge Mann,<br />

Michael Rabo, bei der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> seinen Bundesfreiwilligendienst.<br />

Michael: „Ich möchte pädagogische Erfahrung<br />

sammeln, das ist mir sehr wichtig.“ Später wollte Rabo<br />

an der Pädagogischen Hochschule Lehramt studieren – inzwischen<br />

hat er sein Studium begonnen. Rabo freute sich vor<br />

dem Start des Freiwilligenjahres: „Ich bin sehr gespannt<br />

darauf, die Kinder und ihre unterschiedlichen Charaktere<br />

kennenzulernen. Es werden sicher einige Überraschungen<br />

auf mich zukommen.“<br />

Nach zuerst schleppendem Beginn ist der Bundesfreiwilligendienst<br />

ein echtes Erfolgsmodell geworden. 420 weitere Bufdis<br />

sollten Michael folgen. Die <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> unterstützte<br />

das Programm des Bundesfreiwilligendienstes von Anfang an<br />

und hat die Einrichtungen gut darauf vorbereitet und sogar<br />

den Begriff „Bufdi“ eingeführt. Sie hatte von Anfang an Kritik<br />

an einigen Durchführungsbestimmungen, die immer noch<br />

nicht bereinigt sind. Jetzt müssen ihrer Meinung nach die<br />

nächsten Schritte getan und die Webfehler korrigiert werden.<br />

Da gibt es viel zu tun. Die Bürokratie muss reduziert werden,<br />

das Bildungsprogramm optimiert und allem voran soll kein<br />

Bewerber zurückgewiesen werden. Deshalb muss der Bund<br />

die finanziellen Mittel erhöhen.<br />

Von den 420 Bufdis, die in der württembergischen <strong>Diakonie</strong><br />

Ende Juni <strong>2012</strong> tätig waren, sind 70 über 27 Jahre. Rund 70<br />

Prozent der Freiwilligen sind männlichen Geschlechts, rund<br />

30 Prozent weiblich - umgekehrt wie im FSJ. Rund zwei Drittel<br />

der Einsatzstellen waren im unmittelbaren Dienst am Menschen<br />

angesiedelt; rund ein Drittel im technischen Bereich, in<br />

der Verwaltung oder bei einem Fahrdienst. Der Bundesfreiwilligendienst<br />

hat den Zivildienst nicht eins zu eins ersetzt, denn<br />

dort gab es viel mehr Fahrer und Hausmeister.<br />

Albert Ebinger, Vorstand des Behindertenzentrums Stuttgart,<br />

beobachtet in seiner Einrichtung: „Unsere Bufdis sind älter als<br />

die bisherigen Zivildienstleistenden. Mit Ende 20 wollen sich<br />

manche beruflich neu orientieren.“ Sie bringen ein anderes<br />

Profil mit als die Zivildienstleistenden, die meist gleich nach<br />

der Schule kamen. Für ihn sind nach wie vor die jungen<br />

Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr eine wichtige und<br />

verlässliche Größe in der Mitarbeiterschaft. Das bestätigt<br />

Dorothee Schad, bei der Bruderhaus<strong>Diakonie</strong> in Reutlingen<br />

unter anderem für die Personalentwicklung zuständig. Nach<br />

anfänglichen Schwierigkeiten, etwa der unklaren Kindergeld-<br />

Frage, sei die Nachfrage gestiegen. Weil es dann eine Kontingentierung<br />

der Plätze gab, konnte die Einrichtung nicht alle<br />

Interessenten für den Bundesfreiwilligendienst einstellen.<br />

Die Zivildienstleistenden seien eine berechenbarere Größe<br />

gewesen. „Sie kamen in planbarer Zahl, mussten nicht geworben<br />

werden und haben seltener abgebrochen.“ Sie plädiert für<br />

eine Angleichung der Bedingungen von Bundesfreiwilligendienst<br />

und Freiwilligem Sozialem Jahr. Für die Freiwilligen sei<br />

dies gerechter und für die Einrichtungen mit weniger bürokratischem<br />

Aufwand verbunden.<br />

Kevin Schuon, Bufdi in der Pressestelle<br />

35.000<br />

Freiwillige bei<br />

der <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Württemberg</strong><br />

aktiv<br />

Neue Ehrenamtsuntersuchung<br />

Fast 35.000 Ehrenamtliche sind in diakonischen Einrichtungen<br />

in <strong>Württemberg</strong> aktiv – fast genauso viele wie Hauptamtliche<br />

(40.000). Das sind 5.000 mehr als vor zehn Jahren. Der Anteil<br />

der Männer ist seit zehn Jahren um fünf auf 30 Prozent gestiegen.<br />

Frauen engagieren sich aber noch immer am intensivsten<br />

freiwillig und sind mit 70 Prozent der Ehrenamtlichen eine<br />

verlässliche Säule sozialer Arbeit. Für 80 Prozent der Einrichtungen<br />

sind Ehrenamtliche unverzichtbar. Dies ergab eine<br />

Umfrage, die das „Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung“<br />

der Evangelischen Hochschule Freiburg im Auftrag der<br />

württembergischen <strong>Diakonie</strong> durchgeführt hat.<br />

Vor allem in der Freizeitgestaltung (63 Prozent) und in Besuchs-<br />

diensten (47 Prozent) sind Ehrenamtliche aktiv, also in Bereichen,<br />

die für Hilfebedürftige ein Plus an Lebensqualität bedeuten.<br />

Sie setzen sich vorwiegend für ältere und behinderte


34 Beispielhaft<br />

Menschen ein. Ein Freiwilliger hilft im Jahr durchschnittlich<br />

mehr als 72 Stunden. Hochgerechnet auf 35.000 sind das fast<br />

2,5 Millionen Stunden ehrenamtlichen Engagements pro Jahr.<br />

39 Prozent engagieren sich mindestens einmal in der Woche.<br />

Im Regelfall gibt es dafür kein Geld, aber die Mehrheit be-<br />

kommt ihre Auslagen erstattet. Wertschätzung in Form von Lob<br />

oder Anerkennung ist selbstverständlich (96 Prozent). In vielen<br />

Fällen gibt es zusätzlich kleine Geschenke oder Ehrungen.<br />

Diakonische Einrichtungen sehen die Ehrenamtlichen als eine<br />

wichtige Stütze an. 83 Prozent der Einrichtungen sind überzeugt,<br />

dass Freiwillige der Arbeit neue Impulse geben. Nur fünf<br />

Prozent haben den Eindruck, dass Ehrenamtliche die Arbeitsabläufe<br />

durcheinanderbringen. Die meisten Einrichtungen<br />

sehen Freiwillige als eine Bereicherung für den Alltag der<br />

Klienten (84 Prozent). 91 Prozent erleben, dass Ehrenamtliche<br />

gegenüber Betreuten eine andere Rolle einnehmen können<br />

als Festangestellte.<br />

Falls Fragen anfallen, steht den Freiwilligen in 94 Prozent<br />

der Fälle mindestens eine Ansprechperson zur Seite. Rund<br />

30 Prozent der Einrichtungen schult gezielt Hauptamtliche zur<br />

Koordination und Anleitung der Freiwilligen. 63 Prozent aller<br />

Freiwilligen werden systematisch in die Arbeit eingewiesen,<br />

54 Prozent nehmen an Qualifizierungsmaßnahmen teil. Die<br />

Freiwilligen bekommen Unterstützung bei ihrem Engagement<br />

und erfahren Wertschätzung. Die Einrichtungen nehmen dies<br />

sehr ernst und setzen Ehrenamtliche nicht als billige Arbeitskräfte<br />

ein. Die württembergische <strong>Diakonie</strong> bildet seit zehn<br />

Jahren Ehrenamtskoordinatoren aus, die für die Anleitung<br />

Ehrenamtlicher qualifiziert werden.<br />

Kevin Schuon, Bufdi in der Pressestelle<br />

Zentrale Themen des Verbands und der Landesgeschäftsstelle<br />

Personalentwicklung<br />

hilft<br />

Fach- und<br />

Führungskräfte<br />

zu finden<br />

Projekte im Kontext<br />

des demografischen<br />

Wandels<br />

Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden, ist im Zeichen<br />

einer alternden Gesellschaft eine Herausforderung für Unternehmen.<br />

Es erfordert Überlegungen und konkrete Schritte der<br />

Veränderung. Im Projekt „Chronos – den demografischen<br />

Wandel gestalten“ (2009-<strong>2012</strong>) hat die Abteilung Theologie<br />

und Bildung gemeinsam mit diakonischen Einrichtungen<br />

Konzepte entwickelt und erprobt.<br />

Entsprechend wurden Führungskräfte aus diakonischen<br />

Einrichtungen darin geschult, die Kompetenzen der Mitarbeitenden<br />

zu entwickeln, ihre Gesundheit zu fördern und auf eine<br />

gute Arbeitskultur zu achten. Neben strategischen Ausrichtungen<br />

kamen auch konkrete Handlungsweisen zur Diskussion.<br />

So kann es beispielsweise für ein bestimmtes Aufgabenfeld<br />

sinnvoll sein, primär lebenserfahrene Wiedereinsteigerinnen<br />

als Fachkräfte zu suchen.<br />

Auch der Erhalt der Gesundheit von Mitarbeitenden ist ein<br />

wesentliches Element der Personalentwicklung in Zeiten des<br />

demografischen Wandels. Die Förderung der Gesundheit im<br />

Unternehmen wird deshalb verstärkt von den Einrichtungen<br />

nachgefragt. Bei dem neu entwickelten Konzept „BELEV –<br />

gesundes Arbeiten gestalten“ geht es nicht vorrangig um die<br />

klassische Rückenschule, sondern um eine gute Kommunikationskultur,<br />

um das Verhältnis zu den Vorgesetzten und das<br />

Miteinander im Team. Grund für diese Breite des Konzepts ist,<br />

dass viele psychische Belastungen durch problematische<br />

Interaktions- und Kooperationsformen bedingt sind. Eine<br />

Matrix mit den Kriterien Sinnhaftigkeit, Handhabbarkeit und<br />

Verstehbarkeit hilft bei der Erhebung des Ist-Zustandes und<br />

der Entwicklung neuer Konzepte.<br />

Wie positiv sich das Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz<br />

auswirkt, hat eine <strong>Diakonie</strong>station erlebt. Auf eine Stellenanzeige<br />

mit dem Vermerk „Gesundes Arbeiten“ meldeten sich viele<br />

Interessenten. Inzwischen sprechen sich Maßnahmen wie<br />

Springerpool, Reduzierung von Überstunden oder Wellness-<br />

Angebote herum und sorgen für genügend Fachkräfte.


Zentrale Themen des Verbands und der Landesgeschäftsstelle Beispielhaft 35<br />

Im neuen Projekt „Debora – Fach- und Führungskräftevielfalt<br />

sichern“ (<strong>2012</strong>-2014) geht es darum, Frauen in der <strong>Diakonie</strong><br />

zu stärken. Zusammen mit Einrichtungen wird eine familienfreundliche<br />

Perspektive entwickelt. Führungskräfte sollen auf<br />

die Übernahme von Stellen der Vorstandsebene vorbereitet<br />

werden. Gremien wie Aufsichtsräte oder Fachverbände<br />

sollen darin unterstützt werden, dass sie auch für Frauen<br />

interessant werden.<br />

Zu den Angeboten der Personalentwicklung der Abteilung<br />

Theologie und Bildung gehört auch die Langzeitfortbildung für<br />

Theologinnen und Theologen der Evangelischen Landeskirche<br />

in <strong>Württemberg</strong>.<br />

Claudia Mann, Stellvertretende Pressesprecherin<br />

Wirtschaftliche<br />

Situation<br />

diakonischer<br />

Träger<br />

Frühwarnsystem<br />

in der württembergischen<br />

<strong>Diakonie</strong><br />

Eigentlich könnte man entspannt sein in der württembergischen<br />

<strong>Diakonie</strong>. Denn nach der Auswertung des diakonieinternen<br />

Ratings zusammen mit der Bank für Sozialwirtschaft (BfS)<br />

aus dem Jahr 2010 sind 70 Prozent aller Träger in der Bonitätsstufe<br />

eins von drei möglichen Stufen. Die restlichen 30 Prozent<br />

sind in der zweiten Gruppe – niemand in der dritten. Und trotzdem<br />

ist Adelheid Frank-Winter, Leiterin der Abteilung Wirtschaftsberatung<br />

im Diakonischen Werk, etwas beunruhigt:<br />

„Die Situation ist branchenspezifisch sehr unterschiedlich.<br />

Die meisten Arbeitslosenhilfeträger sind in der zweiten Stufe.<br />

Die ersten Ergebnisse aus dem Jahr <strong>2011</strong> lassen vermuten,<br />

dass sich hier die Situation noch verschärfen wird.“ Der langfristige<br />

Trend zeigt außerdem, dass auch die Altenhilfe den<br />

Wettbewerb immer stärker zu spüren bekommt.<br />

Rechtzeitig auf wirtschaftliche Entwicklungen diakonischer<br />

Träger reagieren zu können – dazu sollte das Rating-System<br />

dienen. Das bisherige System war dafür nur bedingt geeignet.<br />

Man hatte außerdem keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der<br />

Abfrage und die Auswertung stand immer sehr spät zur Verfügung.<br />

Das soll sich durch EKK-Care ändern, das neue „Risiko-<br />

indikationsinstrument“, mit dem erstmals die Daten für <strong>2011</strong><br />

ausgewertet werden. „Schon die ersten Auswertungen zeigen,<br />

dass die Aussagekraft noch besser ist. Es ist wirklich ein Frühwarnsystem“,<br />

so Walburga Duong, Referentin fürs Verbandliche<br />

Risikomanagement. Im Juli <strong>2012</strong> lagen bereits die ersten<br />

Auswertungen für das Jahr <strong>2011</strong> vor.<br />

EKK-Care wurde von der württembergischen <strong>Diakonie</strong><br />

gemeinsam mit der Evangelischen Kreditgenossenschaft<br />

(EKK) und der <strong>Diakonie</strong> Baden entwickelt und eingeführt. Und<br />

die <strong>Diakonie</strong> konnte eigene Kennzahlen aufnehmen, wie z. B.<br />

die Personalquote – also der Anteil der Personalkosten an den<br />

Gesamtkosten – gerade für die <strong>Diakonie</strong> eine wichtige Information.<br />

In die Analyse durch EKK-Care sollen künftig auch die<br />

<strong>Diakonie</strong>stationen einbezogen werden. Denn den ambulanten<br />

Pflegediensten geht es oft wirtschaftlich schlechter als stationären<br />

Einrichtungen. Gründe dafür sind zum einen die hohen<br />

Personalkosten (85 Prozent statt 70 Prozent), zum anderen der<br />

Konkurrenzdruck. Nicht zuletzt aufgrund der Tarifbindung sind<br />

die Angebote der württembergischen <strong>Diakonie</strong> teurer als die<br />

der Dienste ohne Tarifbindung.<br />

Ein großes Problem ist, dass im ambulanten Bereich – auch<br />

weil die Verhandlungen noch auf Landesebene und für Pflegedienste<br />

verschiedener Verbände gemeinsam geführt werden –<br />

die Tarifsteigerungen in der Regel nicht eins zu eins durch<br />

Erhöhung der Entgelte aufgefangen werden können. So steigen<br />

die Löhne der Mitarbeitenden tarifbedingt bis 2014 um rund<br />

sieben Prozent. Bei den Verhandlungen für den ambulanten<br />

Pflegebereich konnte aber nur eine Steigerung der Entgelte<br />

um 5,2 Prozent durchgesetzt werden. „Da es im Regelfall<br />

keinen anderen Ausgleich gibt, wächst der Druck auf die<br />

Mitarbeitenden. Das ist natürlich in Hinblick auf Personalgewinnung<br />

und -bindung schwierig“, so Adelheid Frank-Winter.<br />

Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr<br />

2009 werden tarifliche Vergütungen zwar als „wirtschaftlich“<br />

anerkannt und müssten deshalb voll ersetzt werden. Trotzdem<br />

versuchen die Kostenträger alles, dies immer wieder zu unterlaufen<br />

– und dies ist bei allgemeinen Erhöhungen und Verhandlungen<br />

auf Landesebene einfacher. Wohin der wirtschaftliche<br />

Trend diakonischer Einrichtungen geht – dazu wagen die<br />

Fachfrauen keine Einschätzung. Aber sie hoffen, dass sie<br />

durch das neue Risikoindikationssystem rechtzeitiger auf<br />

Entwicklungen reagieren können.<br />

Peter Ruf, Leiter der Abteilung Presse,<br />

Kommunikation und Internationale <strong>Diakonie</strong>


Kurz und knapp:<br />

Von Sorgen und<br />

Sorgenbewältigung<br />

der <strong>Diakonie</strong>


Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong> Kurz und knapp 37<br />

Theologie und Bildung<br />

Wohnungslosenhilfe<br />

„In den vergangenen zwei Jahren fanden heftige Auseinandersetzungen um die<br />

Wohnungslosenhilfe statt. Hintergrund ist die Verlagerung der Zuständigkeit von<br />

der Landesebene auf die Kommunen im Zuge der Verwaltungsreform 2005.<br />

Die Folge davon ist eine uneinheitliche Entwicklung bis hin zu einem Wildwuchs<br />

unterschiedlicher Regelungen. Die Verschuldung der öffentlichen<br />

Hand und die fehlende Lobby der Wohnungslosen vor Ort<br />

beschleunigen diesen Prozess. Der Städtetag fordert eine Umstrukturierung<br />

der Wohnungslosenhilfe, welche einem Rückbau gleichkommen<br />

würde. Dem setzen wir als <strong>Diakonie</strong>, gemeinsam mit der<br />

Liga der freien Wohlfahrtspflege ein Konzept entgegen, in dem die<br />

Wohnungslosenhilfe als eigenständige Hilfe mit anderen Angeboten<br />

wie der Suchthilfe, der Jugendhilfe und der sozialpsychiatrischen<br />

Hilfen vernetzt wird. In Zukunft muss die Wohnungslosenhilfe<br />

entweder durch ein übergeordnetes Steuerungsgremium<br />

geregelt werden oder die Zuständigkeit zurück ans<br />

Land gehen.“<br />

Frieder Claus | Referent für Wohnungslosenhilfe<br />

„Die Qualifikation von Mitarbeitenden diakonischer Einrichtungen beinhaltet<br />

zweierlei. Zum einen die fachliche Kompetenz. Diese muss aktiv<br />

erhalten und entsprechend der Anforderungen kontinuierlich<br />

weiterentwickelt werden. Als Zweites müssen<br />

unsere Mitarbeitenden aber auch mit den Grundlagen<br />

diakonischer Arbeit vertraut sein, wie sie z. B. in unserem Leitbild formuliert<br />

sind. Um diese diakonischen Grundanliegen zu vermitteln, haben wir unseren seit<br />

Jahren bewährten Kurs weiterentwickelt. Die Herausforderung bestand darin, die<br />

Rahmenbedingungen dieser Kurse so attraktiv zu gestalten, dass trotz angespannter<br />

Personalsituation die Einrichtungen ihren Mitarbeitenden die Teilnahme ermöglichen<br />

und empfehlen. Entsprechend wurden die Kurse von zweieinhalb auf zwei Tage<br />

gekürzt. Außerdem bieten wir unseren Trägern an, dass wir Bausteine des Kurses in<br />

den Einrichtungen durchführen oder diese bei der Planung und Organisation eigener<br />

Angebote unterstützen. Grundsätzlich stehen wir in der <strong>Diakonie</strong> vor der Frage,<br />

wie wichtig uns die „weichen“ Themen sind, also z. B. die Frage nach<br />

der Orientierung unseres Handelns. Ich bin überzeugt, dass wir heute<br />

mehr denn je Mitarbeitende und Führungskräfte brauchen, die fachlich und<br />

diakonisch überzeugen.“<br />

Dr. Joachim Rückle | Leiter der Abteilung Theologie und Bildung


38 Kurz und knapp<br />

Finanz- und Rechnungswesen<br />

„Die Finanzkrise hat vielfältige Auswirkungen auf die Arbeit der <strong>Diakonie</strong>. Die Staatsgelder, die in<br />

die Rettung der Banken fließen, fehlen zur Unterstützung der bedürftigsten Menschen. Dadurch<br />

steigt die Zahl der Personen, die die Hilfe der <strong>Diakonie</strong> benötigen. Andererseits hat die Krise auch<br />

Auswirkungen auf die Finanzierung der Landesgeschäftsstelle der <strong>Diakonie</strong>. Ungefähr fünf<br />

Prozent unserer Einnahmen sind Zinserträge aus Geldanlage. Der niedrige Leitzins, der die Wirtschaft<br />

ankurbeln soll, führt mittelfristig zu einem Einbruch der Zinseinnahmen<br />

der <strong>Diakonie</strong> um zwei Drittel. Konkret heiß das: Konnten unsere liquiden Mittel<br />

bisher mit ca. fünf Prozent angelegt werden, sind es heute nur noch um die<br />

zwei Prozent. Wir müssen daher mehr als bisher unterschiedliche Anlage-<br />

Angebote von Banken vergleichen, um noch möglichst hohe Zinseinnahmen<br />

zu generieren. Die <strong>Diakonie</strong> wird also durch die Krise zusätzlich vor<br />

Herausforderungen bei der Finanzierung gestellt, obwohl mehr<br />

Menschen Hilfe brauchen. Diese Menschen dürfen von Staat und<br />

Gesellschaft trotz wichtiger und notwendiger Krisenbekämpfung nicht<br />

vergessen werden.“<br />

Zentrale Gehaltsabrechnungsstelle<br />

Manuela Wuttke | Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen<br />

„Das Sozialversicherungs-, Steuer- und Zusatzversorgungskassenrecht ist genau wie die<br />

Tariflandschaft ständigen Änderungen unterworfen. Diese bei der Gehaltsabrechnung zu<br />

berücksichtigen und in technische Lösungen umzusetzen stellt uns vor immer neue Herausforderungen.<br />

Besonders problematisch sind Regelungen, die nach einiger Zeit rückgängig<br />

gemacht werden und damit für uns einen riesigen und unnötigen Aufwand darstellen.<br />

Dennoch ist es uns bisher gelungen, auch durch unsere fast perfekte Vernetzung in<br />

Gremien und Fachgruppen, für jedes Problem eine Lösung zu finden. Unser Anspruch ist<br />

es, dafür eine flexible Technologie zur Verfügung zu haben und diese möglichst benutzerfreundlich<br />

einzusetzen. Als weiteren Schritt zur Digitalisierung sind wir beispielsweise dabei,<br />

Online-Technologien zu entwickeln, die direkt von den Mitarbeitenden bedient werden<br />

können und dadurch die Personalabteilungen stark entlasten.“<br />

Sascha Busch, | Leiter der Zentralen Gehaltsabrechnungsstelle<br />

Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong>


Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong> Kurz und knapp 39<br />

Arbeitsrecht<br />

„Bei der Gestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts gehen <strong>Diakonie</strong> und Kirche einen eigenen,<br />

den sogenannten Dritten Weg. Dabei ist es bei uns in <strong>Württemberg</strong> so, dass auf Grundlage<br />

des Tarifs des öffentlichen Dienstes (TVÖD) durch Übernahme und Anpassung<br />

ein Konsens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefunden wird. Können<br />

sich beide Seiten nicht einigen, entscheidet eine unabhängige Schlichtungsstelle.<br />

Streiks und Aussperrungen haben in diesem System keinen Platz.<br />

Die Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen<br />

Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV) will den Dritten Weg verlassen und strebt<br />

den Abschluss eines sog. Sozialtarifvertrages mit Verdi an. Vor diesem Hintergrund<br />

schlossen sich beim letzten Streik des öffentlichen Dienstes erstmals auch<br />

Mitarbeiter diakonischer Einrichtungen punktuell den dortigen Warnstreiks an, allerdings<br />

ohne ausreichende rechtliche Grundlage. Die Herausforderung bestand für die betroffenen<br />

Einrichtungen und die zentrale Rechtsberatung darin, möglichst angemessen mit dieser neuen<br />

Situation umzugehen. Für die Zukunft brauchen wir unbedingt mehr Klarheit. Wichtig ist es mit<br />

der AGMAV im politischen Diskurs zu einer gemeinsamen Bejahung des Dritten Weges zu gelangen.<br />

Andererseits muss bei möglichen zukünftigen Streikaktionen auch eine juristische Klärung<br />

gesucht werden; das Arbeitsgericht Mannheim hat hier erst kürzlich entschieden, dass Streiks im<br />

diakonischen Dienst unzulässig sind.“<br />

Uwe Rzadkowski | Justiziar und Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht<br />

Suchthilfe<br />

„Die Behandlung von Drogenabhängigen mit Ersatzmitteln (Substitution) macht uns Sorge. Sie ist<br />

nur durch Ärzte möglich. Gemeinsam mit den Suchtberatungsstellen konnten landesweit flächendeckende<br />

Angebote bereitgestellt werden, die eine integrierte Versorgung – medizinisch und<br />

psychosozial – gewährleisteten. Dieses Netz der Substitutionsversorgung beginnt vor allem im<br />

ländlichen Raum zu bröckeln, da immer mehr teilnehmende Ärzte in den Ruhestand gehen. Der<br />

Fachverband Suchthilfen des Diakonischen Werks <strong>Württemberg</strong> wirkt daran mit, Politik und<br />

Ärzteschaft auf diese Problematik aufmerksam zu machen und Lösungsvorschläge zu entwikkeln.<br />

Je nach regionalen Gegebenheiten könnten entweder spezialisierte Substitutionspraxen<br />

eingerichtet oder wie bisher die Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe<br />

und Ärzten gefördert werden. Jetzt gilt es, die vorgeschlagenen<br />

Konzepte seitens der Politik und Ärzteschaft zeitnah umzusetzen<br />

und eine qualitative<br />

Verbesserung der Substitutionsbehandlung<br />

zu erreichen.“<br />

Birgit Wieland | Referat Suchthilfen


40 Kurz und knapp<br />

Schuldnerberatung<br />

„Unsere Schuldnerberatungsstellen in Baden-<strong>Württemberg</strong> haben fast<br />

alle sehr lange Wartelisten. Diese Situation ist sowohl für die Klienten<br />

als auch für die Berater äußerst bedrückend. Die Finanzierung weiterer<br />

Stellen ist daher eine wichtige Aufgabe für die Politik. Mittelfristig<br />

benötigen wir eine Verdopplung der Kapazität. In den letzten beiden<br />

Jahren konnten wir mit einer Studie zur „Überschuldung in Baden-<br />

<strong>Württemberg</strong>“ diesen Bedarf jeweils deutlich belegen. Angesichts<br />

von 300.000 überschuldeten Haushalten sind 100 Schuldnerberatungsstellen<br />

in Baden-<strong>Württemberg</strong> ein Tropfen auf den heißen Stein.<br />

Im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung wurde der Ausbau<br />

der Schuldnerberatungsstellen festgeschrieben. Diesen Vorstoß begrüßen<br />

wir sehr. Wir werden die Regierung bei der Umsetzung des Ausbaus<br />

konstruktiv begleiten. Uns ist dabei besonders wichtig, dass die guten Qualitätsstandards<br />

bei der Schuldnerberatung bei einem Ausbau beibehalten werden. Es muss gewährleistet<br />

sein, dass flächendeckend eine gute, qualifizierte und abgesicherte Beratung angeboten<br />

wird.“<br />

Klaus Kittler | Referat für Schuldnerberatung<br />

Migration<br />

„Teilhabe am Arbeitsmarkt ist immer auch soziale Teilhabe und eine eigenständige Existenzsicherung<br />

ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb ist das neue Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz,<br />

das die Bewertung von im Ausland erworbenen Qualifikationen regelt, für die<br />

Integration von Menschen mit Migrationshintergrund von enormer Bedeutung. Mit dem Bundesgesetz<br />

ist ein wichtiger Schritt gemacht, allerdings bleiben dabei noch viele Fragen offen, vor<br />

allem die Ausgestaltung und Finanzierung von Anpassungsqualifizierungen. Für die Umsetzung<br />

in Baden-<strong>Württemberg</strong> ist nun die Landesgesetzgebung entscheidend. Wir als <strong>Diakonie</strong><br />

werden die Politik dabei weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten. Mit unseren Migrationsfachdiensten<br />

sind wir wichtiger Teil der Beratungsstrukturen im Land. Mit<br />

der Beratung und Begleitung, die unsere Dienste übernehmen, werden für<br />

den Prozess der Anerkennung wichtige Weichen gestellt. Entsprechend<br />

intensiv haben wir unsere Dienste vorbereitet. Allerdings brauchen wir<br />

neben guter Beratung und adäquaten Kriterien in erster Linie eine<br />

entsprechende interkulturelle Orientierung auf allen Ebenen – die<br />

Umsetzung muss zuallererst auch gewollt sein, damit das Gesetz<br />

seinen Anspruch auf Chancengerechtigkeit auch erfüllen kann.“<br />

Birgit Susanne Dinzinger | Fachleitung Migration<br />

Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong>


Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong> Kurz und knapp 41<br />

Personalwesen<br />

Hauswirtschaft<br />

„Die Diskussion über den Stellenwert der Hauswirtschaft in sozialen Einrichtungen<br />

ist im letzten Jahr heftig geführt worden. Die zentrale Frage dabei war: Gibt es Arbeitsbereiche<br />

in der <strong>Diakonie</strong>, die nicht dazu gezählt werden müssen? Mitarbeitende der Hauswirtschaft<br />

identifizieren sich mit der <strong>Diakonie</strong>. Für sie und ihre Motivation ist es wichtig, dass sie<br />

zur Stammbelegschaft gehören. Wenn Hauswirtschaft nur als Versorgung und Dienstleistung<br />

angesehen wird, kommen ihre vielen Potentiale nicht zur Geltung. Durch gemeinsames sinnvolles<br />

Tun kann Hauswirtschaft zur Selbstbestimmung und Teilhabe beitragen. Bewohner/innen<br />

machen – unterstützt durch hauswirtschaftliche Betreuung – oft noch viel selbst. Sie tun dies<br />

gerne, weil sie sich hier noch kompetent fühlen, auch wenn andere Fähigkeiten nicht mehr so gut<br />

ausgeprägt sind. Hauswirtschaft als Teil des Kerngeschäfts ist mehr als eine reine Tariffrage.<br />

Diese ist auch wichtig, wenn es um die Frage der Kirchlichkeit diakonischer Einrichtungen geht.<br />

Es ist uns gelungen, dieses Thema mit den Beteiligten, also Dienstgebern und Mitarbeitervertretungen,<br />

AK Hauswirtschaft und Landesgeschäftsstelle offen zu diskutieren. Diese Gespräche<br />

müssen weitergehen. Dabei sollten wir uns klar machen, dass alle innerhalb der <strong>Diakonie</strong>, ob<br />

Pflege, Verwaltung, Pädagogik oder Hauswirtschaft an einem Strang ziehen und es keine wichtigen<br />

und weniger wichtigen Aufgaben gibt.“<br />

Ursula Schukraft | Referat Hauswirtschaft<br />

„Die Wiedereingliederung von Mitarbeitenden, die länger krank waren, ist für uns<br />

als <strong>Diakonie</strong> ein wichtiges Anliegen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement<br />

(BEM) ist eine gesetzliche Vorschrift für den Arbeitgeber aus dem<br />

Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX). Wenn ein Mitarbeitender innerhalb von<br />

12 Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war, ist der Arbeitgeber<br />

verpflichtet, ihn bei der Wiedereingliederung zu unterstützen. Seit einem Jahr<br />

bieten wir in der Landesgeschäftsstelle Gespräche für betroffene Personen<br />

an. Wir haben neben dem Integrationsteam im Rahmen einer Dienstvereinbarung<br />

ein BEM-Team eingerichtet, das aus einem Vertreter der Mitarbeitervertretung,<br />

dem Leiter des Personalwesens und gegebenenfalls aus der<br />

Vertrauensperson der Schwerbehinderten besteht. Es zeigt sich, dass<br />

das BEM durchaus sinnvoll ist. Der Arbeitgeber weiß, wie er den Mitarbeitenden<br />

unterstützen kann, sei es durch spezielle Büromöbel, flexiblere<br />

Arbeitszeiten oder eine andere Hilfestellung, zum Beispiel bei der<br />

Finanzierung über die Rentenversicherung oder das Integrationsamt.<br />

Ebenfalls kann dem Mitarbeitenden transparent vermittelt<br />

werden, was der Arbeitgeber leisten kann und inwieweit<br />

die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigt werden<br />

können. Leider nimmt von den angeschriebenen Mitarbeitenden<br />

nur ein kleiner Teil die Möglichkeit eines BEM-<br />

Gespräches war, obwohl das Ergebnis im Grundsatz nur<br />

positiv für den Beteiligten sein kann.“<br />

Günther Jung | Leiter Personalwesen


42 Kurz und knapp<br />

Behindertenhilfe<br />

Landkreis- und<br />

Kirchenbezirksdiakonie<br />

Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong><br />

„Seit der Einführung von Arbeitslosengeld II (ALG II) müssen Diakonische<br />

Bezirksstellen immer häufiger Mittel und Wege finden, um Löcher im Sozialhilfesystem<br />

zu stopfen. Viele Menschen haben seit Einführung von ALG II dauerhaft zu wenig<br />

Geld. In finanziellen Notsituationen, etwa bei Ersatzbeschaffungen, haben sie keinerlei Ressourcen<br />

mehr. Bei Anträgen oder fehlerhaften Bescheiden von JobCentern oder Kassen müssen sie<br />

immer häufiger in ihren Rechtsansprüchen unterstützt werden. Diese Entwicklungen sind für die<br />

Beraterinnen und Berater vor Ort inzwischen sehr belastend. Als zuständige Abteilung haben wir<br />

den Austausch von Erfahrungen organisiert und auch Gespräche vor Ort geführt. Wichtig<br />

erscheint ein kollegialer Austausch über Gesetzes- und Versorgungslücken, um gezielt Änderungen<br />

im Gespräch mit Ämtern und Kassen bewirken zu können. Das politische Bewusstsein vor<br />

Ort kann durch Informationsveranstaltungen, Mitwirkung bei der Erstellung von Lebenslagenberichten<br />

und Aktionen auf Liga-Ebene geschärft werden. Auch auf Landes- und Bundesebene<br />

muss es Aufgabe der <strong>Diakonie</strong> sein, diese Entwicklungen zu thematisieren, für nachhaltige<br />

Verbesserungen der Situation einzutreten und Modelle einer armutsfesten Grundsicherung<br />

zu entwickeln.“<br />

Dr. Günter Banzhaf | Leiter der Abteilung Landkreis- und Kirchenbezirksdiakonie, Migration<br />

„Wohnen wo, wie und mit wem ich will! – dieses in Artikel 19 der Behindertenrechtskonvention<br />

verankerte Recht der Menschen mit Behinderung unterstützt die <strong>Diakonie</strong>. Wir stehen jedoch<br />

vor der Herausforderung, dieses auf der Basis überholter und unzureichender Rahmenbedingungen<br />

zu verwirklichen. So bieten weder der allgemeine noch der soziale<br />

Wohnungsmarkt genügend Angebote bezahlbaren barrierefreien Wohnraums für<br />

Menschen mit Behinderung. Zwar gilt offiziell der Grundsatz ‚ambulant vor<br />

stationär‘. Die Regularien der Leistungserbringung privilegieren aber eindeutig<br />

stationäre Angebote. Deshalb ist es für die Träger schwer, Wohn- und<br />

Unterstützungsangebote außerhalb von Behinderteneinrichtungen bereitzustellen.<br />

Durch Initiativen des Verbands und der Träger haben wir erreicht, dass<br />

Landes- und Kommunalpolitik diese Problematik erkannt und aufgegriffen hat.<br />

Wir brauchen neue rechtliche und finanzielle Bedingungen für die Weiterentwicklung<br />

der Strukturen und Angebote genauso wie neue Verfahren der Bedarfsplanung<br />

auf struktureller und individueller Ebene. Außerdem müssen wir uns überlegen,<br />

was mit der alten, zum Teil nicht mehr zeitgemäßen oder benötigten Infrastruktur<br />

geschehen soll. Es gibt viel zu tun, viel zu stemmen!“<br />

Irene Kolb-Specht | Leiterin der Abteilung Behindertenhilfe und Psychiatrie


Sozialpolitische<br />

Probleme lassen<br />

sich nicht durch<br />

Tarifpolitik lösen<br />

Gespräch mit Ulrich Maier und Wolfgang Lindenmaier vom Vorstand<br />

sowie Andrea Unterweger-Rösiger, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk<br />

<strong>Württemberg</strong> (AGMAV) über die arbeitsrechtlichen Herausforderungen<br />

und die Zukunft des Dritten Weges


44 Gespräch<br />

Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in Magdeburg | Fotografin: Danny Wörn<br />

Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in Magdeburg | Fotografin: Danny Wörn<br />

Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV)<br />

Eine Premiere: Das erste Mal wird Ihr Berichtsteil<br />

im <strong>Jahresbericht</strong> als Interview erscheinen.<br />

Wie finden Sie die Idee?<br />

AGMAV: Entscheidend ist nicht, wie genau, sondern dass<br />

der Bericht der AGMAV in den <strong>Jahresbericht</strong> des Diakonischen<br />

Werks <strong>Württemberg</strong> integriert ist. Denn wir sind Teil der <strong>Diakonie</strong><br />

und wir sind gespannt, wie Sie es schaffen, unsere Ideen<br />

rüber zu bringen. Denn ansonsten berichten Sie eher über die<br />

Sichtweise der Arbeitgeber.<br />

„Wir sind <strong>Diakonie</strong>“ – so heißt ja der Titel<br />

Ihrer Informationsschrift für Mitarbeitende.<br />

Wen schließt das „Wir“ alles ein?<br />

AGMAV: Das sind alle, die den diakonischen Auftrag umsetzen,<br />

die Altenpflegerin, der Heilerziehungspfleger, die Reinigungskraft<br />

– alle, die in der diakonischen Arbeit tätig sind.<br />

Die nächste Frage ist, wen wir nicht mit einschließen – das<br />

sind die Arbeitgeber. Nicht, weil sie den diakonischen Auftrag<br />

nicht erfüllen würden, sondern weil wir in der Tarifsetzung<br />

unterschiedliche Interessen haben. Eine Pflegedienstleiterin,<br />

die pflegebedürftige Menschen betreut, gehört dazu. Wenn sie<br />

dann aber bei Verhandlungen die Dienstgeberinteressen<br />

vertritt, dann gehört sie in dieser Funktion nicht dazu. Weitere<br />

Gruppen schließen wir nicht aus.<br />

„Seine Sorgen möchten Sie nicht haben“, das war das<br />

Motto der diesjährigen „Woche der <strong>Diakonie</strong>“ und das ist<br />

das Leitmotiv dieses <strong>Jahresbericht</strong>s – welche Gruppen<br />

fallen Ihnen dabei besonders ein?<br />

AGMAV: Natürlich fallen uns die vielen unterschiedlichen<br />

Gruppen ein, die wir in der täglichen diakonischen Arbeit<br />

betreuen – also den Jugendlichen oder die Eltern, die wir in<br />

der Jugendhilfe betreuen. Aber wir vertreten die Mitarbeiterschaft.<br />

Deshalb fallen uns die Mitarbeitenden der <strong>Diakonie</strong> ein,<br />

die aus wirtschaftlichen Gründen in eine weltliche Firma<br />

ausgegründet werden, dort dann Sorge um ihren Arbeitsplatz<br />

haben. Oder die, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis sind<br />

und nicht wissen, wie es danach weitergeht. Wir möchten aber<br />

auch nicht die Sorge der Evangelischen Landeskirche haben,<br />

die die Kirchlichkeit ihrer diakonischen Einrichtungen gewährleistet<br />

wissen will und kaum Einfluss hat, dies auch umzusetzen.<br />

Ihre Aufgabe ist – wie Sie schon gesagt haben – die Mitarbeitenden<br />

in der <strong>Diakonie</strong> zu vertreten. Was sind denn da<br />

die hauptsächlichen Sorgen, die die Mitarbeitenden<br />

umtreibt, die Sie im Berichtszeitraum beschäftigt haben?<br />

AGMAV: Die Hauptsorge sind die alltäglichen Arbeitsbedingungen<br />

der Mitarbeitenden, die mit der ständig schwieriger


Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV) Gespräch 45<br />

werdenden Refinanzierung sozialer Arbeit immer mehr unter<br />

Druck kommen. Immer mehr Arbeitsbereiche werden ausgelagert.<br />

Dann haben die Mitarbeitenden Angst, ihre Stelle zu<br />

verlieren oder sie müssen bei weltlichen Töchterfirmen arbeiten,<br />

von denen sie weniger Lohn bekommen. Durch die Ab-<br />

senkung der Arbeitsentgelte wird versucht, die mangelnde<br />

Finanzierung der sozialen Arbeit abzufangen. Das ist ein<br />

falscher Weg. Oder die ständige Verfügbarkeit. Gerade in der<br />

Altenhilfe ist der Arbeitsdruck so hoch, dass Mitarbeitende<br />

jederzeit damit rechnen müssen, dass sie an ihrem freien<br />

Wochenende angerufen und zur Arbeit gebeten werden.<br />

Das mindert die Lebensqualität.<br />

Viele Mitarbeitende haben nur einen Teilzeitvertrag, obwohl sie<br />

gerne Vollzeit arbeiten würden. Mit einem Teilzeitjob können<br />

Sie keine Familie ernähren. Deshalb haben viele einen Nebenjob,<br />

um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Viele<br />

Mitarbeitende sind wegen dem ständigen Druck ausgebrannt.<br />

Vor allem Männer wandern dann in ganz andere Arbeitsbereiche<br />

ab und sind für die soziale Arbeit verloren. Die Mitarbeitervertretungen<br />

in den Einrichtungen sehen die Not und machen<br />

auch auf unrechtmäßige Dienstpläne mit zu langen Arbeitszeiten<br />

aufmerksam, haben aber oft keine Möglichkeiten, sich<br />

dagegen zu wehren. Eine Folge ist, dass immer weniger bereit<br />

sind, sich in den MAVen zu engagieren. Die Hauptsorge ist,<br />

dass die diakonische Dienstgemeinschaft nicht mehr Realität<br />

ist, sondern immer mehr in verschiedenen Gesellschaften<br />

zersplittert wird – mit all den negativen Folgen für die Mitarbeitenden.<br />

Was konnten Sie denn erreichen?<br />

AGMAV: In diesem Jahr hat zum ersten Mal die Tarifautomatik<br />

gegriffen. Die Mitarbeitenden in der <strong>Diakonie</strong> haben also die<br />

Tariferhöhung, die im TVöD vereinbart wurde, zeitgleich<br />

erreicht. Wir haben auch bei vielen Bestandsicherungsverfahren<br />

verhindert, dass diakonische Einrichtungen insolvent<br />

wurden und konnten so viele Arbeitsplätze von Mitarbeitenden<br />

retten. Wir haben mitgewirkt, dass es nun hoffentlich bald<br />

einen Einrichtungssicherungsfonds gibt, der auch langfristig<br />

Arbeitsplätze zu sichern hilft. Durch unsere alltägliche Beratung<br />

und Qualifizierung haben wir Mitglieder von Mitarbeitervertretungen<br />

in ihrer Arbeit unterstützt und sie befähigt, die<br />

Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen zu vertreten. Und<br />

durch die Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in<br />

Magdeburg, die hauptsächlich von der AGMAV <strong>Württemberg</strong><br />

initiiert wurde, haben wir erreicht, dass die Tariffrage in einer<br />

breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wird und dass die<br />

Diskussion qualifizierter geführt wird.<br />

Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in Magdeburg | Fotografin: Danny Wörn<br />

Was ist offen geblieben? Woran liegt es, dass es nicht<br />

gelöst werden konnte?<br />

AGMAV: Wir haben keine Wege gefunden, wie die Mitarbeitende<br />

besser mit der alltäglichen Drucksituation umgehen<br />

können. Wir haben Leiharbeit und Ausgründungen in weltliche<br />

Tochterunternehmen nicht verhindern können. Wir kennen<br />

Mitarbeitende, die in der dritten Firma arbeiten, aber immer<br />

noch am gleichen Krankenbett stehen. Wir sehen die große<br />

Gefahr, dass die Einheit aller diakonischen Einrichtungen<br />

endgültig verloren geht. Das können und konnten wir nicht<br />

verhindern.<br />

Wenn man Ihre Verlautbarungen und die Antworten<br />

anschaut, dann hat man den Eindruck, dass die <strong>Diakonie</strong><br />

einer der schlimmsten Arbeitgeber sei. Liegt es an<br />

der Schärfe der Formulierung oder sind Sie davon<br />

wirklich überzeugt?<br />

AGMAV: Die Erwartungen an Kirche und <strong>Diakonie</strong> sind andere<br />

als die an Betriebe in der Industrie. Die Glaubwürdigkeit der<br />

<strong>Diakonie</strong> ist wichtig. Deshalb äußern wir uns manchmal auch<br />

so scharf und deutlich. Wir haben ja in diesem Jahr ein Thema<br />

gehabt, von dem wir besonders enttäuscht sind: Die Trennung<br />

zwischen Kerngeschäft und Nicht-Kerngeschäft. Hier wird<br />

deutlich, dass die diakonische Dienstgemeinschaft in Frage<br />

gestellt wird.


46 Gespräch<br />

Was sind denn die Vorwürfe, die Sie gegenüber den<br />

diakonischen Dienstgebern in <strong>Württemberg</strong> hauptsächlich<br />

haben?<br />

AGMAV: Wir erleben immer wieder, dass Effizienz und Einsparung<br />

über alles gestellt wird. Wenn das so ist, dann halten sich<br />

diakonischen Dienstgeber nicht an die vorgegebenen diakonischen<br />

Regelungen und Rechte und scheren aus der Solidargemeinschaft<br />

aus. Das hat einen doppelten Effekt: Wenn es<br />

darum geht, immer billiger soziale Dienstleistungen anzubieten,<br />

dann geraten die Mitarbeitenden dieser Einrichtung unter<br />

Druck. Gleichzeitig ziehen andere Einrichtungen nach, weil<br />

sie sehen, dass man damit Geld sparen und konkurrenzfähig<br />

bleiben kann. Das hat einen Dominoeffekt: Wer damit anfängt,<br />

andere zu unterbieten, bringt andere diakonischen Einrichtungen<br />

unter Druck, nachzuziehen. Wir müssen uns endlich klar<br />

machen, dass wir den Kostendruck nicht auf dem Rücken<br />

der Mitarbeitenden austragen können, vielmehr müssen wir<br />

gemeinsam für eine bessere Refinanzierung sozialer Dienstleistungen<br />

einstehen.<br />

Ihr Vorwurf ist also, dass Dienstgeber immer mehr das<br />

kirchliche Arbeitsrecht umgehen würden. Gleichzeitig<br />

zeigen Umfragen, dass 94 Prozent aller diakonischen<br />

Mitarbeitenden in <strong>Württemberg</strong> nach kirchlichen Tarif<br />

gezahlt werden. Sind das für Sie keine überzeugenden<br />

Zahlen? Wenn nein – warum nicht?<br />

AGMAV: Diese Zahlen sind unserer Meinung nach einfach<br />

falsch. Die 94 Prozent beinhalten auch die Mitarbeitenden,<br />

die in Einrichtungen arbeiten, in denen das Tarifwerk des<br />

DW EKD angewandt wird. Viele dieser Einrichtungen wenden<br />

diesen aber illegal an, weil sie sich nicht an den vereinbarten<br />

Weg der Einführung gehalten haben. Deshalb ist die Zahl<br />

der Mitarbeitenden, die außerhalb des gültigen diakonischen<br />

Arbeitsrechts arbeiten, weit höher als hier angegeben wird.<br />

Dazu kommt, dass unserer Berechnungen nach der Tarifvertrag<br />

des DW EKD für Fachleute teilweise vergleichbar ist, nicht<br />

aber für Hilfsdienste. In der Altenhilfe erhalten Hilfskräfte bis<br />

zu 15 Prozent weniger Lohn. Durch die Anwendung dieses<br />

Tarifes wird also auch der Lohnabsenkung Vorschub geleistet.<br />

Nun wird immer wieder als Gründe von Ausgründungen<br />

genannt, dass manche Dienste sonst nicht refinanziert<br />

werden können. Wie schätzen Sie das ein?<br />

AGMAV: Im Prinzip kämpfen wir alle manchmal an der falschen<br />

Stelle. Es geht eindeutig darum, sich gemeinsam für eine<br />

bessere Refinanzierung der sozialen Arbeit einzusetzen. Träger<br />

sozialer Arbeit machen sich gegenseitig Konkurrenz anstatt<br />

sich gemeinsam für eine gerechtere Refinanzierung einzuset-<br />

Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV)<br />

zen und zu sagen, dass es keine Dumping-Jugendhilfe oder<br />

Dumping-Altenhilfe gibt. Der Wettbewerb darf nur in der Qualität<br />

stattfinden und sich nicht auf Preise beziehen. Die Preisdrückerei<br />

durch die öffentliche Hand oder die Arbeitsagentur<br />

kann man nur politisch begegnen und nicht durch Tarifpolitik.<br />

Deshalb ist der einzige Weg ein einheitlicher Sozialtarif für alle<br />

Anbieter sozialer Arbeit.<br />

Es ist offensichtlich, dass diakonische Träger unter<br />

finanziellen Druck stehen – ich denke für an die Träger<br />

der Arbeitslosenhilfe. Was könnte denn Dienstgeber<br />

und Dienstnehmer gemeinsam tun, um hier Lösungen<br />

zu finden?<br />

AGMAV: Der einzige Weg ist, dass dies öffentlich skandalisiert<br />

wird. Es kann nicht sein, dass örtliche Arbeitsagenturen Gelder<br />

an die Zentrale zurückgeben, weil sie in der Region einsparen<br />

und die Arbeit der Beschäftigungsinitiativen für Langzeitarbeitslose<br />

nicht bezahlen. Das kann man durch Tarifabsenkung<br />

nicht korrigieren. Diakonische und kirchliche Aufgabe ist es,<br />

deutlich zu sagen: Der Staat lässt hier Menschen im Stich!<br />

Oft hat man den Eindruck, dass die Gespräche über<br />

das kirchliche Arbeitsrecht besonders zäh sind und man<br />

lange braucht, bis man Ergebnisse erzielt. Warum ist das<br />

Ihrer Meinung nach so?<br />

AGMAV: Das stimmt eigentlich nicht. Bei Entgeltverhandlungen<br />

dauert es vielleicht manchmal länger – aber das ist<br />

vergleichbar mit Tarifverhandlungen in anderen Branchen.<br />

Manteltarife sind oft schwierig – so haben wir beinahe zehn<br />

Jahre gebracht, bis wir zu einer guten Lösung zur Anstellung<br />

und Bezahlung von Praktikanten gekommen sind. Sehr langwierig<br />

sind zurzeit die Verhandlungen über die Einführung des<br />

Sozial- und Erziehungstarifs (SuE). Hier sind die Interessen<br />

einfach so gegensätzlich, dass wir nur schwer zu einer Lösung<br />

kommen werden.<br />

Die AGMAV ist Partner bei der Ausgestaltung des Dritten<br />

Wegs. Wie schätzen Sie Chancen, Möglichkeiten aber<br />

auch Grenzen des Dritten Wegs ein?<br />

AGMAV: Der Dritte Weg ist faktisch beendet. Wir haben<br />

ihn noch in Restbeständen. In <strong>Württemberg</strong> funktioniert er<br />

noch einigermaßen durch die breite Anwendung des TVöD.<br />

Auf Bundesebene und in anderen Bundesländern ist er<br />

faktisch beendet.


Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV) Gespräch 47<br />

Stehen Sie noch zum Dritten Weg? Oder ist Ihr Ziel,<br />

ihn langfristig abzuschaffen?<br />

AGMAV: Wir stehen nicht mehr dazu. Er ist faktisch tot.<br />

Wir führen ihn weiter, weil es derzeit keine Alternative gibt.<br />

Im Dritten Weg haben Mitarbeitende nicht die Möglichkeit,<br />

die Dienstgeber zu „nerven“, zum Beispiel durch Streiks.<br />

Deshalb können wir letztendlich im Rahmen des Dritten<br />

Wegs Arbeitnehmerrechte nicht wirksam umsetzen.<br />

Es ist offensichtlich, dass Ver.di eine Kampagne<br />

gegen den Dritten Weg fährt. Wie schätzen Sie diese<br />

Aktivitäten ein?<br />

AGMAV: Es ist nicht die Frage, ob Ver.di eine Kampagne gegen<br />

den Dritten Weg fährt. Die Frage ist, wie man zu möglichst<br />

einheitlichen Bedingungen für soziale Arbeit kommen kann.<br />

Im Moment besteht eben der Generalverdacht gegenüber den<br />

Dienstgebern, dass auch sie nicht generell hinter dem Dritten<br />

Weg stehen. Wenn es für sie günstig ist, dann wenden sie<br />

einen Tarifvertrag an – beispielsweise bei der Hauswirtschaft.<br />

Im anderen Fall kommen die Arbeitsrechtsregelungen zum<br />

Zug. Die <strong>Diakonie</strong> hätte kein Problem zu überleben, wenn sie<br />

statt mit der AGMAV mit Ver.di über Tarife verhandeln würde.<br />

Es wäre sinnvoll, wenn alle karitativen Träger sich mit Ver.di an<br />

den Tisch setzen und gemeinsam Tarifpolitik machen würden.<br />

Dem neuen AGMAV-Vorstand gehören an:<br />

Martin Auerbach Stiftung Jugendhilfe Aktiv Region Esslingen, Esslingen<br />

Klaus-Werner Bühner Die Zieglerschen, Behindertenhilfe gGmbH, Wilhelmsdorf<br />

Jochen Dürr Sonnenhof e. V., Schwäbisch Hall<br />

Gerhard Fezer Samariterstiftung, Hauptverwaltung, Nürtingen<br />

Sonja Gathmann Behindertenhilfe Leonberg e. V., Leonberg<br />

Susanne Haase eva Heidenheim gGmbH, Heidenheim<br />

Sabine Handl-Bauer Evang. Jugendhilfe Friedenshort GmbH, Öhringen<br />

Christian Lawan Bruderhaus<strong>Diakonie</strong>, Behindertenhilfe Neckar-Alb, Reutlingen<br />

Wolfgang Lindenmaier Stiftung Jugendhilfe Aktiv Region Esslingen, Esslingen<br />

Uli Maier <strong>Diakonie</strong> Stetten e. V., Kernen i.R.<br />

Frauke Reinert Nikolauspflege Stuttgart, Stuttgart<br />

Ursel Spannagel Bruderhaus<strong>Diakonie</strong>, Sozialpsychiatrische Hilfen Reutlingen-Zollernalb, Reutlingen<br />

Klaus Stampfer Evang. Gesellschaft Stuttgart e. V., Stuttgart<br />

Peter Stauch Bruderhaus<strong>Diakonie</strong>, Behindertenhilfe im Landkreis Rottweil, Fluorn-Winzeln<br />

Andrea Unterweger-Rösiger Geschäftsführerin der AGMAV im DWW<br />

Hanno Zinßer Sophienpflege e. V., Tübingen<br />

Was sind die zentralen Herausforderungen für das<br />

kommende Jahr? Also welche Themen brennen Ihnen<br />

im Moment besonders unter den Nägeln?<br />

AGMAV: Im Zentrum steht der Einsatz für einheitliche arbeitsrechtliche<br />

Bedingungen in der württembergischen <strong>Diakonie</strong><br />

und um eine ordentliche Finanzierung sozialer Arbeit. Wir<br />

wollen die Tarifunterschiede zwischen der AVR <strong>Württemberg</strong><br />

und der AVR DW EKD nivellieren. Es muss in der württembergische<br />

<strong>Diakonie</strong> der Satz gelten: Gleicher Lohn für gleiche<br />

Arbeit. Auch der Kampf gegen prekäre Beschäftigung ist<br />

uns wichtig.<br />

Und wie sieht die Tarifsituation in der württembergischen<br />

<strong>Diakonie</strong> im Jahr 2020 aus?<br />

AGMAV: Im Jahr 2020 haben wir einen einheitlichen Sozialtarif<br />

für alle. Gewerkschaften und Arbeitgeber kämpfen gemeinsam<br />

für eine hundertprozentige Refinanzierung sozialer Arbeit. Die<br />

große Frage, die aber bleibt, ist: Haben wir dann noch genügend<br />

junge Menschen, die bereit sind, im sozialen Bereich zu<br />

arbeiten. Das wird eine gemeinsame große Herausforderung<br />

sein. Denn Menschen, die soziale Arbeit brauchen, wird es<br />

genügend geben.<br />

Das Gespräch führten Claudia Mann und Peter Ruf


48 Zahlen – Daten – Fakten<br />

Zahlen<br />

Daten<br />

Fakten<br />

zur <strong>Diakonie</strong><br />

<strong>Württemberg</strong><br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>


<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 49<br />

1. MITGLIEDER<br />

Diakonische Träger <strong>Diakonie</strong>verbände der Evang. Kirchenbezirk Kirchenbezirke Gesamt<br />

<strong>2011</strong> 260 12 48 320<br />

Zahl der Einrichtungen: 1.200<br />

Täglich erreichte Personen: über 200.000<br />

2. BEHINDERTENHILFE<br />

Angebote der Behindertenhilfe –<br />

gesamt<br />

Wohnen von Erwachsenen<br />

und Kindern<br />

Einrichtungen<br />

Davon Betreutes Wohnen 10<br />

Tagesstrukturierende Angebote<br />

teils in Verbindung mit Wohnen<br />

Davon Kindergärten und<br />

Sonderschulen<br />

Davon Werkstätten für Menschen<br />

mit Behinderungen<br />

Mobile Hilfsdienste und<br />

Beratungsstellen (einschließlich<br />

Familienentlastende Dienste)<br />

Einrichtung für Bildung und Freizeit 11<br />

Menschen<br />

mit Behinderungen<br />

Mitarbeitende<br />

270 18.600 7.000<br />

90 6.600<br />

120 11.500<br />

23 1.900<br />

40 6.000<br />

30<br />

Die Zahl der Menschen mit Behinderungen in ambulanten Angeboten wird nicht erfasst. Nach unserer<br />

Einschätzung erreichen wir über 20.000 Menschen mit Behinderungen durch all unsere Angebote.


50 Zahlen – Daten – Fakten<br />

3. SOZIALPSyCHIATRIE<br />

Angebote der Sozialpsychiatrie –<br />

gesamt<br />

Einrichtungen Betreute Personen Mitarbeitende<br />

– – 1.180<br />

Sozialpsychiatrische Dienste 21 1.500<br />

Psychiatrierelevante<br />

Beratungsstellen<br />

5 137<br />

Tagesstätten 25 1.373<br />

Ambulant Betreutes Wohnen In 15 Kreisen 1.195<br />

davon in Wohngemeinschaften 489<br />

davon in Betreutem Wohnen<br />

in Familien<br />

Stationäres Wohnen<br />

(Eingliederungshilfe)<br />

davon in ausgelagerten<br />

Wohngemeinschaften<br />

davon geschlossene<br />

Wohnheimplätze<br />

36<br />

In 14 Kreisen 1.136<br />

Stationäres Wohnen (Pflege) 238<br />

Tagesstrukturierende Maßnahmen 1.027<br />

Werkstätten für behinderte<br />

Menschen<br />

Häuslich psychiatrische<br />

Pflegedienste<br />

Medizinische und Berufliche<br />

Rehabilitation<br />

396<br />

31<br />

47 1.833<br />

3 254<br />

In 5 Landkreisen 46<br />

Psychiatrische Kliniken 6 149<br />

davon stationäre Plätze 84<br />

davon tagesklinische Plätze 65<br />

Kontaktgruppen, Gesprächskreise,<br />

Clubs, Selbsthilfegruppen<br />

Persönliches Budget bekommen 80<br />

90<br />

Da Menschen mit psychischen Erkrankungen manche der oben genannten Angebote nutzen, kann die Zahl<br />

der erreichten Personen nicht genau erfasst werden. Bei den ambulanten Angeboten (SPDi, Beratungsstellen,<br />

Tagesstätten, Pflegedienste) sind monatliche Durchschnittzahlen erfasst. Nach unserer Einschätzung erreichen wir<br />

über 8.500 Menschen mit psychischer Erkrankungen durch all unsere Angebote. Darüber hinaus unterstützt die<br />

<strong>Diakonie</strong> die Selbsthilfeorganisationen der Psychiatrieerfahrenen. Außerdem sind im Landesverband für Betreuungswesen<br />

der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> neun Betreuungsvereine zusammengeschlossen.<br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>


<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 51<br />

4. ALTENHILFE<br />

Einrichtungen Bewohner/innen Mitarbeitende<br />

Angebote der Altenhilfe – gesamt 400 17.390 11.500<br />

Alten- und Pflegeheime<br />

einschließlich Kurzzeitpflege<br />

220 15.600<br />

Betreutes Wohnen 70 380<br />

Tages- und Nachtpflege 45 330<br />

5. DIAKONIE-SOZIALSTATIONEN<br />

<strong>Diakonie</strong>-Sozialstationen und ambulante Pflegedienste, Familienpflegedienste,<br />

selbstständige Nachbarschaftshilfen<br />

Vollzeitstellen in <strong>Diakonie</strong>-Sozialstationen und ambulanten Pflegediensten 3.745<br />

Davon Stellen für hauptberuflich beschäftigte Familienpflegerinnen bzw. Dorfhelferinnen ca. 120<br />

Gesamtzahl der Mitarbeitenden, einschließlich derer,<br />

die unterhalb der Sozialversicherungsgrenze bleiben („Köpfe“)<br />

Versorgte Menschen nur im Leistungsbereich der Pflegeversicherung<br />

Anmerkung: Die Zahl ist anhand verschiedener Statistiken geschätzt<br />

6. JUGENDHILFE<br />

Angebote der Jugendhilfe –<br />

gesamt<br />

Stationäre Angebote<br />

der Erziehungshilfe<br />

Sonderschulen, Berufsschulen,<br />

Ausbildungsbetriebe<br />

in Einrichtungen der Jugendhilfe<br />

Tagesgruppen und sonstiges<br />

Tageseinrichtungen für Kinder<br />

im Rahmen der Erziehungshilfe<br />

Ambulante Hilfen für Kinder,<br />

Jugendliche und Familien (Schulsozialarbeit,<br />

Jugendmigrationsdienste,<br />

Mobile Jugendarbeit, Psychologische<br />

Beratungsstellen etc.)<br />

Einrichtungen Kinder und Jugendliche Mitarbeitende<br />

350 7.100 3.500<br />

140 2.300<br />

30 2.450<br />

70 1.450<br />

80<br />

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in den ambulanten Angeboten wird nicht erfasst.<br />

Nach unserer Einschätzung erreichen wir rund 20.000 Kinder und Jugendliche durch all unsere Angebote.<br />

240<br />

ca. 9.350<br />

ca. 10.200


52 Zahlen – Daten – Fakten<br />

7. BERATUNGSSTELLEN DER DIAKONISCHEN BEZIRKSSTELLEN<br />

Beratungsstelle<br />

Sozial-, Lebens- und<br />

Gesundheitsberatung<br />

Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen<br />

Spezialisierte Schuldnerberatungsstellen<br />

(inkl. der Dienste von freien<br />

diakonischen Trägern)<br />

Diakonischen Dienste der<br />

Kirchenbezirke und der von<br />

Kirchenbezirken gebildeten<br />

Kreisdiakonieverbände<br />

8. KRANKENHäUSER UND KLINIKEN<br />

Zahl der<br />

Beratungsstellen<br />

Zahl<br />

der Vollzeitstellen<br />

Zahl der<br />

Ratsuchenden<br />

an 56 Orten 77 Vollzeitstellen 15.000<br />

an 27 Orten 34 Vollzeitstellen 6.150<br />

an 21 Orten 33 Vollzeitstellen 4.100<br />

Insgesamt<br />

750 Vollzeitstellen<br />

in verschiedenen<br />

Fachdiensten,<br />

Beratungs- und<br />

Hilfebereichen<br />

Anzahl Bettenzahl Mitarbeitende<br />

Allgemeinkrankenhäuser 5 1.606<br />

Geriatrische Kliniken, einschließlich<br />

Rehabilitationskrankenhäuser<br />

8 598<br />

Fachkliniken für Suchtrehabilitation 6 402<br />

Fachkrankenhäuser für Psychiatrie<br />

einschließlich Nachsorge sowie<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

4 146<br />

Hospize 3 21<br />

Ambulante Hospizdienste 9<br />

Gesamt 4.000<br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>


<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 53<br />

9. HILFEN FüR SUCHTKRANKE MENSCHEN<br />

9.1 BERATUNG UND SELBSTHILFEGRUPPEN<br />

Suchtberatungsstellen<br />

Selbsthilfegruppen<br />

für Suchtkranke<br />

Einrichtungen Mitarbeitende Personen<br />

25 Beratungsstellen<br />

an 45 Orten<br />

465 Gruppen<br />

9.2 BEHANDLUNG UND BETREUUNG<br />

Plätze in stationärer<br />

und tagesklinischer<br />

Suchtreha<br />

Davon 6 Suchtfachkliniken<br />

Plätze in Einrichtungen<br />

der Eingliederungshilfe/Hilfe<br />

in<br />

besonderen Lebenslagen<br />

Davon<br />

4 Einrichtungen<br />

zur beruflichen<br />

Wiedereingliederung<br />

(Adaption)<br />

3 Tagesreha-<br />

einrichtungen<br />

4 Stationäre<br />

Einrichtungen für<br />

chronisch Suchtkranke<br />

2 Ambulant betreutes<br />

Wohnen für Chronisch<br />

Suchtkranke<br />

7 Ambulant<br />

betreutes Wohnen in<br />

der Rehanachsorge<br />

122 Vollzeitstellen<br />

für Fachberaterinnen und -berater<br />

18 Vollstellen<br />

für Verwaltungsmitarbeiterinnen<br />

Honorarmitarbeitende –<br />

umgerechnet 12 Vollzeitstellen<br />

Insgesamt: 149 Vollzeitstellen<br />

3,5 Stellen Hauptamtliche<br />

700 qualifizierte Ehrenamtliche<br />

ca. 11.000<br />

Hilfesuchende<br />

ca. 5.500<br />

Teilnehmende<br />

550<br />

ca. 200<br />

Gesamt ca. 800


54 Zahlen – Daten – Fakten<br />

10. WOHNUNGSLOSENHILFE<br />

Ambulante Hilfe Anzahl Platzzahlen/Personen Mitarbeitende VK<br />

Fachberatungsstellen 20 1797 48,4<br />

Aufnahmehäuser 18 222 21,0<br />

Tagesstätten 10 544 19,8<br />

Betreutes Wohnen 30 473 33,8<br />

Sonstige ambulante Stellen 11 76 4,3<br />

Stationäre Hilfe Anzahl Platzzahlen/Personen Mitarbeitende VK<br />

Stationär/teilstationär 20 878 158,2<br />

Arbeitsbereich 27 271 44,8<br />

11. ARBEITSLOSENHILFE<br />

Träger Beschäftigte Maßnahmen Teilnehmende<br />

22 1039 4.758<br />

12. DIAKONIELäDEN UND TAFELN<br />

Es gibt 47 <strong>Diakonie</strong>läden in Trägerschaft von Kirchenbezirken oder von Kirchenbezirken und Kirchengemeinden.<br />

Daneben gibt es bei manchen diakonischen Einrichtungen Second-Hand-Shops.<br />

Im Bereich der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> gibt es 81 Tafeln insgesamt. 23 der Tafelläden sind in unmittelbarer<br />

Trägerschaft von Kirchenbezirken oder diakonischen Einrichtungen, weitere 28 mit evangelischer oder<br />

diakonischer Beteiligung.<br />

13. MITARBEITENDE IN DER WüRTTEMBERGISCHEN DIAKONIE<br />

13.1 HAUPTAMTLICHE<br />

Insgesamt 28.000 Vollzeitstellen gibt es in den Einrichtungen der württembergischen <strong>Diakonie</strong>, die von rund<br />

40.000 Voll- und Teilzeitbeschäftigten besetzt sind. 76 Prozent der Mitarbeitenden sind weiblich, 24 Prozent<br />

männlich.<br />

13.2 EHRENAMTLICHE<br />

35.000 Ehrenamtliche arbeiten in der württembergischen <strong>Diakonie</strong>. Laut einer Umfrage von <strong>2011</strong>engagierten<br />

sich die Ehrenamtlichen durchschnittlich 72 Stunden pro Jahr. 39 Prozent mindestens ein Mal pro Woche.<br />

13.3 AUSZUBILDENDE<br />

Es gibt über 5.000 Ausbildungsplätze in der württembergischen <strong>Diakonie</strong>.<br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>


<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 55<br />

14. FREIWILLIGENDIENSTE<br />

Freiwilliges Soziales Jahr – FSJ<br />

Jahrgang 2006/07 2007/08 2008/2009 2009/2010 2010/<strong>2011</strong> <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />

TN 810 863 764 850 893 893 764 100% 850 100% 1009 100%<br />

Frauen 607 671 551 595 629 629 551 72,10% 595 70% 675 66,90%<br />

Männer 203 202 213 255 264 264 213 27,90% 255 30% 334 33,10%<br />

Unter 18 (W/M) 261 290 246 262 292 292 246 32,20% 262 30,80% 342 33,89<br />

18-21 Jahre 478 511 427 510 524 524 427 55,90% 510 60,00% 588 58,27<br />

22-24 Jahre 56 57 71 66 64 64 71 9,30% 66 7,80% 64 6,35%<br />

25-26 Jahre 15 15 20 12 13 13 20 2,60% 12 1,40% 15 1,49%<br />

HS 157 165 168 92 151 151 168 22,00% 92 10,80% 252 24,97%<br />

RS mit Abschluss 311 329 273 361 396 396 273 35,70% 361 42,50% 320 31,71%<br />

Abitur/FHS-Reife 342 256 323 397 346 346 323 42,30% 397 46,70% 437 43,32%<br />

Bundesfreiwilligendienst – BFD<br />

Jahrgang <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />

TN 441 100%<br />

Frauen 175 39,68%<br />

Männer 266 60,32%<br />

Unter 18 (W/M) 57 12,93%<br />

18-21 Jahre 267 60,54%<br />

22-26 Jahre 35 7,94%<br />

Über 27 Jahre 56 12,70%<br />

Über 50 Jahre 26 5,90%<br />

Freiwilliges Ökologisches Jahr – FÖJ<br />

Jahrgang 2010/<strong>2011</strong> <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />

TN 28 100% 30 100%<br />

Frauen 11 39,29% 12 40,00%<br />

Männer 17 60,71% 18 60,00%<br />

Unter 18 (W/M) 2 7,14% 8 26,67%<br />

18-21 Jahre 25 89,29% 18 60,00%<br />

22-24 Jahre 1 3,57% 4 13,33%<br />

Beim Bundesfreiwilligendienst Ü27 beträgt der Altersdurchschnitt<br />

42 Jahre. 60 Prozent sind Männer und 40 Prozent Frauen.<br />

50 Prozent absolvieren ihren Bundesfreiwilligendienst in Teilzeit.<br />

x-change/weltwärts (Entsendung ins Ausland)<br />

Jahrgang 2010/<strong>2011</strong> <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />

TN 10 100% 11 100%<br />

Frauen 6 60,00% 11 100%<br />

Männer 4 40,00%<br />

Unter 18 (W/M)<br />

18-21 Jahre 8 80,00% 9 81,82%<br />

22-24 Jahre 2 20,00% 1 9,09%<br />

25-26 Jahre 1 9,09%<br />

HS<br />

RS mit Abschluss 1 9,09%<br />

Abitur/FHS-Reife 10 100% 10 90,91%


56 Zahlen – Daten – Fakten<br />

15. EVANGELISCHER LANDESVERBAND – TAGESEINRICHTUNGEN FüR KINDER<br />

IN WüRTTEMBERG E. V. (STAND 01.03.<strong>2011</strong>)<br />

Einrichtungen Gruppen<br />

Kinder<br />

genehmigt<br />

Kinder<br />

belegt<br />

Mitarbeitende<br />

Gesamt 2.052 4.759 107.845 90.602 12.560<br />

davon kirchlicher<br />

bzw. diakonischer<br />

Träger<br />

davon Kommunen<br />

und weitere<br />

freieTräger<br />

Betreuungsplätze<br />

Insgesamt für Kinder<br />

von 0 bis unter 3 Jahre<br />

(alle Träger)<br />

davon betreute<br />

Kinder in Krippen<br />

Schularten<br />

944 2.053 47.203 40.886 5.455<br />

1.108 2.598 60.642 49.716 7.105<br />

Anzahl Schulen<br />

<strong>Württemberg</strong> Baden<br />

8.506<br />

4.237<br />

16. SCHULEN IM EVANGELISCHEN SCHULWERK (KIRCHE UND DIAKONIE)<br />

Anzahl<br />

Schüler/innen<br />

Anzahl der<br />

Lehrkräfte/<br />

Voll- und Teilzeit)<br />

Grundschulen 11 13 2.656 172<br />

Haupt- und Werkrealschulen 4 9 1.545 139<br />

Realschulen 7 10 2.047 176<br />

Gymnasien 12 13 6.439 486<br />

Schulen für Erziehungshilfe 19 11 3.776 658<br />

Schulen für Geistig-, Körper- und<br />

Sinnesbehinderte<br />

19 6 1.832 353<br />

Sonderberufsschulen 16 – 2.342 137<br />

Fachschulen für Sozialpädagogik und<br />

Sozialwesen<br />

Fachschulen für Gesundheits- und<br />

Krankenpflege<br />

24 6 1.876 127<br />

6 5 780 71<br />

Fachschulen für Altenpflege/-hilfe 15 16 1.554 101<br />

Gesamt 133 89 24.847 2.420<br />

<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>


<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Oft verwendete Abkürzungen 57<br />

OFT VERWENDETE ABKüRZUNGEN:<br />

ABKüRZUNGEN, DIE NUR IN EINEM BEREICH AUFTAUCHEN, WERDEN IM TExT ERKLäRT.<br />

Alg II ...........................................................Arbeitslosengeld II (Hartz IV)<br />

AK ...................................................................Arbeitsrechtliche Kommission<br />

AVR ..............................................................Arbeitsvertragsrichtlinien<br />

AVR-Wü ..............................................Arbeitsvertragsrichtlinien für <strong>Württemberg</strong><br />

AVR-DW-EKD .......................Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks Deutschland<br />

BA ...................................................................Bundesagentur für Arbeit<br />

BSG ............................................................Bundessozialgericht<br />

Bufdi ..........................................................Bundesfreiwilliger<br />

DWW ........................................................Diakonisches Werk <strong>Württemberg</strong><br />

DW EKD .............................................Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland<br />

EKD .............................................................Evangelische Kirche in Deutschland<br />

FÖJ ..............................................................Freiwilliges Ökologisches Jahr<br />

FSJ ...............................................................Freiwilliges Soziales Jahr<br />

KAO ............................................................Kirchliche Anstellungsordnung<br />

LGSt ...........................................................Landesgeschäftstelle des Diakonischen Werks <strong>Württemberg</strong><br />

Liga ..............................................................Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-<strong>Württemberg</strong><br />

MAV ............................................................Mitarbeitervertretung<br />

SGB ............................................................Sozialgesetzbuch<br />

SuE ...............................................................Tarif für Sozial- und Erziehungsdienst<br />

TVöD .........................................................Tarifvertrag öffentlicher Dienst<br />

ZGASt.....................................................Zentrale Gehaltsabrechnungsstelle<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgegeben zur Mitgliederversammlung<br />

am 14. November <strong>2012</strong><br />

Diakonisches Werk der evangelischen Kirche<br />

in <strong>Württemberg</strong> e. V.<br />

Postfach 10 11 51<br />

70010 Stuttgart<br />

Heilbronner Straße 180<br />

70191 Stuttgart<br />

Telefon: +49 711 1656-300<br />

Telefax: +49 711 49 1656-277<br />

E-Mail: info@diakonie-wuerttemberg.de<br />

Internet: www.diakonie-wuerttemberg.de<br />

Artikel, Interviews und Kurzzitate<br />

Mareike Erhardt, Michael Hellstern, Claudia Mann,<br />

Peter Ruf, Kevin Schuon, Markus Zeile<br />

Redaktion<br />

Peter Ruf<br />

Fotos<br />

Manfred Neumann, Fotoatelier Dittmar, Markus Zeile<br />

Grafiksche Gestaltung<br />

www.logo-werbeagentur.de<br />

Druck<br />

Format Druck GmbH


58<br />

Fax-Nr. +49 711 165649-Durchwahl-Nr. Telefon<br />

E-Mail: Name.erster Buchstabe Vorname@diakonie-wue.de<br />

1.0<br />

Dieter<br />

Kaufmann<br />

269<br />

DiakonischeGrundsatzfragen<br />

1.02<br />

Dieter<br />

Kaufmann<br />

269<br />

1.1<br />

Peter<br />

Ruf<br />

118<br />

Presse<br />

Kommunikation<br />

Internationale<br />

<strong>Diakonie</strong><br />

1.2<br />

Uwe<br />

Rzadkowski<br />

260<br />

Arbeitsrecht<br />

Sozialrecht<br />

Rechtsberatung<br />

<strong>Diakonie</strong>-<br />

Sozialstationen<br />

1.3<br />

Dr. Joachim<br />

Rückle<br />

267<br />

VORSTANDSBEREICH 1<br />

VORSTANDSVORSITZENDER<br />

Sekretariat<br />

Albrecht<br />

Daiss<br />

164<br />

PRESSE, KOMMUNIKATION UND<br />

INTERNATIONALE DIAKONIE<br />

Claudia<br />

Mann<br />

334<br />

Mareike<br />

Erhardt<br />

121<br />

Monika<br />

Blankenburg<br />

268<br />

EVANGELISCHES<br />

KRANKENHAUSWESEN<br />

Annette<br />

Seifert<br />

119<br />

Johannes<br />

Flothow<br />

282<br />

Brigitte<br />

Leithold<br />

157<br />

JUSTIZIARIAT, ARBEITS- UND<br />

SOZIALRECHT<br />

Anja<br />

Günther<br />

262<br />

Andrea<br />

Kuschnereit<br />

182<br />

Jutta<br />

Hertneck<br />

286<br />

Bildungsmanagement<br />

(Hauswirtschaft und<br />

ambulante Dienste)<br />

Personal- und Organisationsentwicklung<br />

Projekt<br />

„Chronos“ und „Debora“<br />

Theologische<br />

Grund-<br />

satzfragen,<br />

Projektarbeit<br />

Martina<br />

Haberl<br />

276<br />

Martina<br />

Lechler<br />

385<br />

Wolfgang<br />

Schuker<br />

258<br />

THEOLOGIE UND BILDUNG<br />

Gudrun<br />

Bosch<br />

411<br />

Ursula<br />

Schukraft<br />

176<br />

Barbara<br />

Hipp<br />

173<br />

Salomo<br />

Strauß<br />

340<br />

Dr. Kornelius<br />

Knapp<br />

394<br />

ARBEITSGEMEINSCHAFT DER<br />

MITARBEITERVERTRETUNGEN<br />

AGMAV<br />

Andrea<br />

Unterweger-<br />

Rösiger<br />

272<br />

1.4<br />

Dr. Günter<br />

Banzhaf<br />

117<br />

Jochen<br />

Häusser-<br />

mann-<br />

Schuler<br />

171<br />

Doris<br />

Wörner<br />

160<br />

LANDKREIS- UND<br />

KIRCHENBEZIRKS-<br />

DIAKONIE, MIGRATION<br />

Koordination und<br />

Entwicklung Diakonischer<br />

Dienste, Bezirksstellen<br />

Armutsfragen<br />

und<br />

-projekte<br />

Service-<br />

Team<br />

117<br />

Schwangeren- und<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung,<br />

Frauen- und Kinderschutzhäuser<br />

Migration<br />

Flüchtlingshilfen<br />

Rechtsinformation<br />

Migration<br />

Projektberatung/Interkulturelle<br />

Bildung<br />

Birgit<br />

Susanne<br />

Dinzinger<br />

377<br />

Integration,<br />

Interkulturelle<br />

Soziale<br />

Arbeit<br />

Ottmar<br />

Schickle<br />

283<br />

Marina<br />

Walz-<br />

Hildenbrand<br />

122<br />

Josef<br />

Minarsch-<br />

Engisch<br />

170<br />

Spätaussiedler, Ausländische<br />

Studierende,<br />

Stipendien- und Bundesintegrationsprogramme<br />

Evangelisches Schulwerk<br />

Baden und <strong>Württemberg</strong><br />

Geschäftsführer<br />

Eckhard Geier<br />

239<br />

Geschäftsführerin<br />

Christa Epple-Franke<br />

429<br />

Fortbildungsreferentin<br />

Sabine Hettinger<br />

430<br />

LMDW – Landeskirchlicher<br />

Migrationsdienst<br />

Beauftragte:<br />

Birgit S. Dinzinger<br />

Werner Baumgarten<br />

EMDW – Evangelischer<br />

Migrationsdienst<br />

in <strong>Württemberg</strong> e. V.<br />

Geschäftsführer<br />

Dieter Albert<br />

+49 731 1538-509<br />

ORGANISATIONSPLAN DER LANDESGESCHäFTSSTELLE DES<br />

Hans-Dieter<br />

Haas<br />

199<br />

Marlene<br />

Barth<br />

198<br />

Ingrid<br />

Mugler<br />

292<br />

Jürgen<br />

Gfrörer<br />

109<br />

2.0<br />

Heike<br />

Baehrens<br />

211<br />

SozialpolitischeGrundsatzfragen<br />

2.1<br />

Johannes<br />

Kessler<br />

264<br />

Stationäre/<br />

teilstationäre<br />

Ein-<br />

richtungen<br />

Familienpflege<br />

und<br />

Hospiz<br />

Offene<br />

Altenarbeit<br />

<strong>Diakonie</strong>-/<br />

Sozialstationen<br />

Pflegefragen<br />

Nachbarschaftshilfe,<br />

Hauswirtschaftliche<br />

Versorgung und Mobile<br />

Soziale Dienste<br />

Konzeptionsentwicklung<br />

Geschäftsstellenleitung<br />

LV <strong>Diakonie</strong>-Sozialstationen,<br />

Beratung<br />

Krankenpflegevereine<br />

2.2<br />

Irene<br />

Kolb-<br />

Specht<br />

214<br />

Hilfe für Menschen mit<br />

geistiger und körperlicher<br />

Behinderung<br />

Sozialpsychiatrie<br />

PUA – Beratungsstelle zu<br />

Pränatalen Untersuchungen<br />

und Aufklärunag<br />

Beratung<br />

für Hörgeschädigte<br />

Landesgehörlosenpfarramt<br />

Schwerhörigenseelsorge<br />

Sekretariat<br />

Beate Härer<br />

230<br />

N.N.<br />

218<br />

Ulrike Tonn<br />

206<br />

Isabell<br />

Rössler<br />

254<br />

Struktur-<br />

und<br />

Organisationsfragen<br />

Christina<br />

Köster<br />

210<br />

in der<br />

ambulanten<br />

Altenhilfe<br />

Matthias<br />

Kneißler<br />

169<br />

Roswitha<br />

Köble<br />

195<br />

Roland<br />

Martin<br />

194<br />

Rosemarie<br />

Muth<br />

+49 7121<br />

330150<br />

Assistent<br />

Rainer<br />

Scheufele<br />

110<br />

VORSTANDSBEREICH 2<br />

VORSTAND<br />

Marlene<br />

Graf<br />

212<br />

GESUNDHEIT, ALTER,<br />

PFLEGE<br />

Judith<br />

Klett-<br />

Schmidt<br />

312<br />

Sibylle<br />

Arndt-<br />

Wurster<br />

337<br />

Johanna<br />

Ewig-Spur<br />

205<br />

Stefan<br />

Siebertz<br />

204<br />

Sibylle<br />

Arndt-<br />

Wurster<br />

337<br />

BEHINDERTENHILFE UND<br />

PSyCHIATRIE<br />

Irene<br />

Kolb-<br />

Specht<br />

214<br />

Iris Maier-<br />

Strecker<br />

163<br />

Claudia<br />

Heinkel<br />

341<br />

Claudia<br />

Steidel<br />

+49 7131<br />

9644-810<br />

Walter<br />

Großmann<br />

229<br />

VORSTAND<br />

Manfred<br />

Schall<br />

320<br />

Thomas<br />

Hoffmann<br />

177<br />

Monique<br />

Klaeger<br />

+49 7361<br />

923369<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

Dieter Kaufmann<br />

269<br />

Bernd<br />

Schatz<br />

328<br />

2.3<br />

Ulrich<br />

Fellmeth<br />

216<br />

Jugendpolitik/Einrichtungsentwicklung<br />

Gemeindenahe Jugendhilfe<br />

und Sozialraumorientierung<br />

Jugendberufshilfe<br />

und Europa<br />

Erziehungshilfe/<br />

Soziale<br />

Integration<br />

Hilfen für<br />

Familien<br />

und<br />

Qualitätsentwicklung<br />

Jugendsozialarbeit<br />

2.4<br />

Martin<br />

Maier<br />

193<br />

Arbeitslosenhilfe<br />

und Armut<br />

Suchthilfen<br />

Wohnungslosenhilfe<br />

Schuldnerberatung<br />

Stellvertreterin des<br />

Vorstandsvorsitzenden<br />

Heike Baehrens<br />

211<br />

KINDER, JUGEND<br />

UND FAMILIE<br />

Ulrich<br />

Fellmeth<br />

216<br />

Olaf<br />

Kierstein<br />

125<br />

Ingrid<br />

Scholz<br />

231<br />

Anneliese<br />

Schreyer-<br />

Schubert<br />

327<br />

Matthias<br />

Reuting<br />

383<br />

Klaus<br />

Kittler<br />

233<br />

Birgit<br />

Wieland<br />

178<br />

Frieder<br />

Claus<br />

207<br />

Bernd<br />

Krüger<br />

208<br />

mehrwert gGmbH<br />

Agentur<br />

für Soziales Lernen<br />

Firnhaber Straße 14<br />

70174 Stuttgart<br />

Geschäftsführerin<br />

Gabriele Bartsch<br />

+49 711 123757-37<br />

Siegfried<br />

Keppeler<br />

317<br />

INTEGRATION<br />

UND ExISTENZ-<br />

SICHERUNG<br />

Jürgen<br />

Gfrörer<br />

313


DIAKONISCHEN WERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN WüRTTEMBERG E. V.<br />

Finanzvorstand<br />

Rainer Middel<br />

154<br />

2.5<br />

Abteilungsleitung<br />

FSJ/BFD<br />

Einrichtungen<br />

FSJ/BFD<br />

Freiwillige<br />

FSJ/BFD<br />

Bildungsarbeit<br />

Betriebswirtschaft/<br />

Verwaltung<br />

Ehrenamt/<br />

Freiwilligenprojekte/BFDü27<br />

Internationale<br />

Pro-<br />

gramme<br />

FSJ plus<br />

Öffentlichkeitsarbeit/<br />

FSJfocus/<br />

FÖJ<br />

Wolfgang<br />

Hinz-<br />

Rommel<br />

236<br />

Heike<br />

Schmidt-<br />

Brücken (K*1)<br />

186<br />

Katrin<br />

Kühnhold<br />

362<br />

Margarete<br />

Dinkelaker<br />

(K*2)<br />

253<br />

Claudia<br />

Seigel<br />

446<br />

Michael<br />

Ott<br />

(K*3)<br />

310<br />

Anja<br />

Lobmüller<br />

417<br />

Silke<br />

Weilandt<br />

(K*4)<br />

235<br />

Albrecht<br />

Ottmar<br />

(K*5)<br />

316<br />

Karl<br />

Wagner<br />

(K*6)<br />

288<br />

Sylvia<br />

Pflüger<br />

416<br />

Thomas<br />

Steigmiller<br />

(K*7)<br />

326<br />

Karin<br />

Renz<br />

(K*8)<br />

325<br />

Barbara<br />

Unruh<br />

407<br />

Robert<br />

Bachert<br />

130<br />

FREIWILLIGES<br />

ENGAGEMENT<br />

Matthias<br />

Bund<br />

116<br />

Nina-Maria<br />

Peters<br />

444<br />

Inge<br />

Hofmann<br />

335<br />

Harry<br />

Staiger<br />

114<br />

Tobias<br />

Burgenmeister<br />

440<br />

Alicja<br />

Tomanek<br />

346<br />

Ute<br />

Fischer<br />

415<br />

Martina<br />

Haas-<br />

Pfander<br />

285<br />

Christel<br />

Schmalzried<br />

347<br />

Siegbert<br />

Denk<br />

388<br />

Nadja<br />

Akel<br />

356<br />

Karin<br />

Willrich-<br />

Flothow<br />

439<br />

* Koordinationsbereich<br />

Kathrin<br />

Frank<br />

420<br />

Annette<br />

Vacano<br />

426<br />

Elke<br />

Muffler<br />

361<br />

Saskia<br />

Wendl<br />

443<br />

Alissa<br />

Dharsono<br />

251<br />

Sabine<br />

Zeller<br />

311<br />

Thomas<br />

Hoffmann<br />

177<br />

Heide<br />

Kautt<br />

408<br />

Dorothee<br />

Stauß<br />

159<br />

Eva-Maria<br />

Garber<br />

399<br />

Janin<br />

Hartung<br />

445<br />

Peter<br />

Wolfinger<br />

447<br />

Stefan<br />

Ruff<br />

441<br />

Britta<br />

Wohlfeld<br />

418<br />

Tanja<br />

Ensinger<br />

350<br />

Klaus<br />

Pertschy<br />

426<br />

Inka<br />

Liem<br />

419<br />

Doerte<br />

Westphal<br />

315<br />

Daniel<br />

Schmidt<br />

442<br />

3.0<br />

Rainer<br />

Middel<br />

154<br />

Fondsverwaltung<br />

Risikomanagement<br />

3.1<br />

Manuela<br />

Wuttke<br />

155<br />

Günther<br />

Jung<br />

150<br />

Martin<br />

Hartkopf<br />

102<br />

Mitgliedschaften,Erbschaften,<br />

KfU,<br />

Sekretariat<br />

Bilanzen, Wirtschaftsplan,<br />

Organisation,<br />

Buchhaltung<br />

Kostenrechnung/<br />

Controlling<br />

3.2<br />

Personalwesen,<br />

Kfm.<br />

Berufsausbildung<br />

Organisation<br />

Lgst.<br />

3.3<br />

Jessica<br />

Kemmler<br />

338<br />

Martin<br />

Kaulitz<br />

209<br />

Robin<br />

Meissner<br />

336<br />

Günther<br />

Jung<br />

150<br />

Günther<br />

Jung<br />

150<br />

BETEILIGUNGEN<br />

ZSU Zentrale Buchungsstelle<br />

für soziale<br />

Unternehmen GmbH<br />

Presselstraße 29<br />

Geschäftsführer<br />

Robert Bachert<br />

+49 711 1656-130<br />

Geschäftsführer<br />

Rainer Middel<br />

+49 711 1656-154<br />

<strong>Diakonie</strong> –<br />

Struktur gGmbH<br />

Heilbronner Straße 180<br />

Geschäftsführer<br />

Rainer Middel<br />

+49 711 1656-154<br />

Geschäftsführer<br />

Uwe Rzadkowski<br />

+49 711 1656-260<br />

<strong>Diakonie</strong><br />

EDV Service GmbH<br />

Presselstraße 29<br />

Geschäftsführer<br />

Dieter Stark<br />

VORSTANDSBEREICH 3<br />

VORSTAND<br />

Edith<br />

Mertz<br />

153<br />

FINANZ- UND<br />

RECHNUNGSWESEN<br />

Manuela<br />

Wuttke<br />

155<br />

PERSONALWESEN,<br />

ORGANISATION LGST.<br />

Christine<br />

Kienle<br />

190<br />

BESCHAFFUNG,<br />

LIEGENSCHAFTEN,<br />

HAUSVERWALTUNG<br />

BETRIEBLICHER DATEN-<br />

SCHUTZBEAUFTRAGTER,<br />

INNENREVISION<br />

Walter<br />

Veygel<br />

188<br />

3.4<br />

Adelheid<br />

Frank-<br />

Winter<br />

191<br />

Wirtschaftsberatung<br />

und Ver-<br />

gütungsverhandlungen:<br />

Koordination<br />

Prüfung<br />

<strong>Diakonie</strong>-<br />

Sozialstationen<br />

Prüfung<br />

<strong>Diakonie</strong>-<br />

Sozialstationen<br />

Betriebsvergleich<br />

Rating<br />

3.5<br />

Sascha<br />

Busch<br />

396<br />

Personalmanagement<br />

(ZGAST)<br />

PC-Lösungen/Schulungen/<br />

AbwicklungVersicherungsfragen<br />

EDV<br />

WIRTSCHAFTSBERATUNG<br />

Altenhilfe<br />

<strong>Diakonie</strong>-<br />

Sozialstationen<br />

Eingliederungshilfe<br />

Jugendhilfe<br />

Wohnungs-<br />

und<br />

Arbeitslosenhilfe<br />

Jürgen<br />

Müller<br />

410<br />

Markus<br />

Betke<br />

296<br />

Jürgen<br />

Müller<br />

410<br />

Walburga<br />

Duong<br />

379<br />

Sascha<br />

Busch<br />

396<br />

Personal<br />

Office<br />

Walter<br />

Veygel<br />

188<br />

Stefan<br />

Klein<br />

275<br />

Rainer<br />

Liefeld<br />

348<br />

Rainer<br />

Liefeld<br />

348<br />

Andrea<br />

Feuchtmayr<br />

226<br />

Stefan<br />

Kunert<br />

174<br />

Nadine<br />

Sperl<br />

295<br />

Rainer<br />

Boßhard<br />

192<br />

EDV – BERATUNG UND<br />

DIENSTLEISTUNGEN<br />

Wolfgang<br />

Fischer<br />

146<br />

Ruth Kutzer<br />

107<br />

Ruth<br />

Schwegler<br />

189<br />

Thomas<br />

Stark<br />

256<br />

Andreas<br />

Rothe<br />

183<br />

Ruth<br />

Schwegler<br />

189<br />

Nadine<br />

Sperl<br />

295<br />

Arnim<br />

Friedemann<br />

187<br />

Andreas<br />

Kulow<br />

359<br />

Christoph<br />

Wesner<br />

273<br />

Bettina<br />

Kassner<br />

355<br />

Monika<br />

Rauscher<br />

134<br />

59<br />

Fax-Nr. +49 711 165649-Durchwahl-Nr. Telefon<br />

E-Mail: Name.erster Buchstabe Vorname@diakonie-wue.de<br />

Timo<br />

Wohlleber<br />

111


Diakonisches Werk<br />

<strong>Württemberg</strong><br />

Landesgeschäftsstelle<br />

Heilbronner Straße 180<br />

70191 Stuttgart<br />

www.diakonie-wuerttemberg.de

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