6 Interview „Es ist falsch, Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen“ Interview mit dem Vorstand Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender, Kirchenrätin Heike Baehrens, Stellvertretende Vorstandsvorsitzende, und Rainer Middel, Finanzvorstand, zum Jahresmotto sowie zu den sozial- und verbandspolitischen Herausforderungen der württembergischen <strong>Diakonie</strong>
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 7 Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – welche Personengruppen fallen Ihnen da vor allem ein? Kaufmann: Von einem eindrücklichen Beispiel habe ich im Rahmen der Woche der <strong>Diakonie</strong> erfahren. Ein elfjähriges Mädchen mit alleinerziehender Mutter wünscht sich eine intakte Familie. Sie bekommt wechselnde Stiefväter, wird verschlossener und lässt in den schulischen Leistungen stark nach. Viele Kinder und Jugendliche haben einen schweren Start ins Leben, sie haben schon früh vielerlei Sorgen. Baehrens: Da fallen mir vor allem diejenigen ein, die durch alle Netze gefallen sind. Die für sich keine Chance mehr sehen, einen Weg ins Arbeitsleben zu finden oder sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Viele Menschen rennen unseren Arbeitshilfeträgern quasi die Büros ein. Nicht einmal die Ein- Euro-Jobs, die vielen Menschen sinnvolles Tun, ein soziales Umfeld und Tagesstruktur gegeben haben, stehen noch zur Verfügung. Middel: Viele Langzeitarbeitslose wollen unbedingt Arbeit haben – sie bekommen aber keine Chance und unsere Arbeitshilfeträger können ihnen aufgrund der Kürzungen der Eingliederungsmaßnahmen durch die Politik nicht helfen. Diese Menschen brauchen dringend unsere Unterstützung. Was hat die Landesgeschäftsstelle im Berichtszeitraum unternommen, um diesen Personen besonders zu helfen? Baehrens: Unsere Einrichtungen und Dienste sind nah an den Menschen dran und helfen vor Ort. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei zu unterstützen und sozialpolitische Lobbyarbeit zu betreiben. Wir setzen uns beispielsweise dafür ein, dass benachteiligte junge Menschen Zugang zum Bildungssystem bekommen. Bei unserem Modellprojekt FSJplus haben viele junge Menschen durch die Arbeit in einer diakonischen Einrichtung plus Schulbesuch, der zum Realschulabschluss führt, eine neue Chance bekommen und sie auch genutzt. Bei denen, die im Sommer abgeschlossen haben, wählten elf von 18 eine Ausbildung im sozialen Bereich, vier gehen auf weiterführende Schulen. Dies ist ein großer Erfolg diakonischer Arbeit. Kaufmann: In unserer Kampagne zur Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit haben wir zu jedem Ersten des Monats, wenn die Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, darauf hingewiesen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen trotz Wirtschaftswachstums nicht sinkt. Hier wird eine große Gruppe von Personen von der Gesellschaft ausgeschlossen und Teilhabe verweigert. Wir haben deshalb Kontakt mit dem Baden-<strong>Württemberg</strong>ischen Handwerkstag aufgenommen, um Modelle im Sinn des Passiv-Aktiv-Transfers auf den Weg zu bringen. Wir wollen, dass statt Arbeitslosigkeit Arbeit finanziert wird und dass dies im Rahmen eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes geschieht. Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – gibt es Branchen innerhalb der <strong>Diakonie</strong>, deren Probleme besonders groß sind? Middel: Für alle Branchen werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlechter. Sie stehen in Konkurrenz mit Trägern, die oft nicht tarifgebunden arbeiten müssen. Aber besonders hart trifft es die Arbeitslosenhilfe. Bei den Ausschreibungen für Leistungen können diakonische Träger aufgrund schlechter Refinanzierung und der Tarifbindung bei der Bezahlung der Mitarbeitenden kaum mehr mithalten. Wie hat hier die Landesgeschäftsstelle unterstützt? Middel: Wir haben einen Strategie-Ausschuss für die Arbeitslosenhilfe ins Leben gerufen und die Wirtschaftsberatung bei der Refinanzierung unterstützt. Auch wirken wir mit bei der Tarifsetzung und versuchen dabei, die Interessen der Träger und Mitarbeitenden ins Lot zu bekommen. Sozialpolitische Herausforderungen Welche (sozial-)politischen Themen standen im Berichtszeitraum im Mittelpunkt der diakonischen Arbeit der Landesgeschäftsstelle? Baehrens: Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe hin zu mehr Inklusion hat uns besonders intensiv beschäftigt. Dabei geht es vor allem um mehr Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Wir begleiten die Umbauprozesse der Träger der Behindertenhilfe und betreiben Lobbyarbeit in Politik und Gesellschaft. Denn Inklusion kann nur real werden, wenn die Gesellschaft bereit ist, sich diesem Thema zu stellen und zu öffnen. Wir wollen das Thema ins Gespräch bringen und deutlich machen, welche Konsequenzen Inklusion für die Gesellschaft hat. Dazu wollen wir auch die Kirchengemeinden gewinnen. Der Konversionsprozess von großen Einrichtungen hin zu wohnortnahen Wohn- und Freizeitangeboten braucht einen langen Atem. Es ist ein langer Weg, die unterschiedlichen Gruppen miteinander ins Gespräch zu bringen und mehr Miteinander in der Gesellschaft zu ermöglichen. Kaufmann: Die Instrumentenreform hat Möglichkeiten, Langzeitarbeitslose in die Arbeitswelt einzugliedern, hat Bewährtes