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Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg

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Eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter noch ein Privatleben hat Arbeitsbereich 3 25<br />

mein Mann nach Hause“, erklärt Katharina Reichert. „Ich<br />

komme erst gegen halb sieben oder sieben nach Hause und<br />

richte meiner Mutter dann ein Vesper hin.“ Danach bekommt<br />

Erna Grab von ihrer Tochter die Zeitung vorgelesen. Interessiert<br />

lauscht sie den Neuigkeiten des Tages. Anschließend<br />

steht gemeinsames Fernsehen auf dem Programm. Trotz ihres<br />

Alters hat sie dabei ungewöhnliche Vorlieben. „Bei Rosamunde<br />

Pilcher schläft sie immer ein“, lacht ihre Tochter. „Aber wenn<br />

ich einen Krimi oder einen Horrorfilm schaue, dann ist sie ganz<br />

angespannt bis zum Ende mit dabei.“<br />

Mit der Arbeit der <strong>Diakonie</strong>station ist Katharina Reichert sehr<br />

zufrieden: „Frau Frank hat mir noch nie gesagt, dass irgendetwas<br />

nicht geht.“ Nach Meinung von Rosemarie Frank sind<br />

hierfür aber auch die sehr guten Absprachen zwischen Familie<br />

und <strong>Diakonie</strong>station verantwortlich. „Die Pflege ist eine Sache,<br />

aber wichtig ist auch immer das Zwischenmenschliche“,<br />

ergänzt sie. Die Mitarbeiterinnen der <strong>Diakonie</strong>station gehen<br />

sehr herzlich mit Frau Grab um. Sie wird in den Arm genommen<br />

und oft gestreichelt, denn dafür muss Zeit sein. Selbst<br />

wenn niemand mehr in der Wohnung ist, ist Erna Grab nicht<br />

alleine. „Mein Neffe und meine Schwägerin wohnen über uns<br />

im Haus und schauen täglich vorbei, ob alles in Ordnung ist“,<br />

sagt Katharina Reichert.<br />

Meine Mutter hat mich selbst mit ganz viel<br />

Liebe großgezogen.<br />

Die Pflege ihrer Mutter ist für sie kein Opfer. „Für mich gehört<br />

das dazu. Meine Mutter hat mich selbst mit ganz viel Liebe<br />

großgezogen. Deshalb kam es für mich nie in Frage, dass<br />

meine Mutter anderswo leben sollte.“ Trotzdem verurteilt sie<br />

keine Familien, die ihre Eltern lieber ins Heim geben. „Diese<br />

Entscheidung muss jeder mit sich selbst ausmachen.“<br />

Rosemarie Frank nickt nachdenklich. „Ich denke, hier ist vor<br />

allem die Einstellung von Frau Reichert entscheidend“, über-<br />

Frau Reichert und Frau Grab<br />

legt sie. „Viele können oder wollen sich nicht die nötige Zeit<br />

nehmen, um ihre Angehörigen selbst zu pflegen. Hinzu kommt,<br />

dass Frau Grab eine sehr beherrschte Art hat, die diese Form<br />

der Pflege möglich macht. Sie bleibt zum Beispiel immer ruhig<br />

und fällt nicht aus dem Rollstuhl.“<br />

Die Unterstützung der <strong>Diakonie</strong>station ermöglicht Katharina<br />

Reichert trotz der Pflege ihrer Mutter noch genügend Freiraum.<br />

„Man hat trotz allem noch ein Privatleben“, meint sie.<br />

Rosemarie Frank kennt auch andere Beispiele: „Es gibt pflegende<br />

Angehörige, die sich komplett aufopfern. Frau Reichert<br />

hat zum Glück die nötige Haltung. Sie weiß, dass ihre Mutter<br />

gut versorgt ist und kann deshalb trotzdem ein eigenes Leben<br />

führen.“ Als Rosemarie Frank das Haus verlässt, wirft sie am<br />

Gartentor noch einen letzten Blick zurück. An ihrem Lieblingsplatz<br />

am Fenster sitzt Erna Grab – und winkt.<br />

Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle

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