Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
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22 Arbeitsbereich 2<br />
öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, der am normalen Markt<br />
tätig werden kann. Es nützt Langzeitarbeitlosen nicht, wenn<br />
sie mit sinnlosen Tätigkeiten beschäftigt werden. Die <strong>Diakonie</strong><br />
hat dafür ein Finanzierungsmodell vorgelegt – den Passiv-<br />
Aktiv-Transfer (PAT): Statt für die Alimentierung werden die<br />
passiven Mittel für Arbeitslosengeld II und Unterkunft zur<br />
Finanzierung von Arbeit eingesetzt. Und letztendlich konnten<br />
wir nachweisen, dass die Finanzierung von Arbeit durch<br />
passive Mittel nicht viel teurer sein wird, als Arbeitslose zu<br />
alimentieren. Es kann auch sofort mit einem bundesweiten<br />
öffentlich geförderten Arbeitsmarkt begonnen werden, ohne<br />
dass zusätzliche Mittel eingesetzt werden müssen.<br />
Was konnte bisher erreicht werden?<br />
Das PAT-Modell wird von immer mehr Politikern verstanden<br />
und unterstützt. Nordrhein-Westfalen und Baden-<strong>Württemberg</strong><br />
wollen eine Bundesratsinitiative zur Einführung des<br />
PAT-Modells starten. Und in Baden-<strong>Württemberg</strong> gibt es nach<br />
zehn Jahren endlich wieder ein Landesarbeitsmarktprogramm,<br />
das modellartig das PAT-Modell umsetzt.<br />
Wie kann die <strong>Diakonie</strong> für die Träger der Arbeitslosenhilfe<br />
tun und was hat sie erreicht?<br />
Wir haben vor allem erreicht, dass alle Verbände in Baden-<br />
<strong>Württemberg</strong> bei diesem Thema politisch an einem Strang<br />
ziehen und sich inhaltlich und politisch koordinieren. Das ist<br />
eine wichtige Grundlage, damit die Träger ihr profundes wirtschaftliches<br />
Know-how einsetzen können. Wir haben das<br />
neue Landesarbeitsmarktprogramm, zu dem wir wesentliche<br />
Anregungen gegeben haben, von dem auch unsere Träger<br />
profitieren werden. Und innerverbandlich arbeiten alle Ebenen<br />
zusammen, um die Zukunft der diakonischen Arbeitslosenhilfe<br />
zu ermöglichen.<br />
Wie lange kann unter diesen Bedingungen die <strong>Diakonie</strong><br />
noch Hilfen für Langzeitarbeitslose bieten?<br />
Hoffentlich noch lange. Denn ohne die diakonische Arbeitslosenhilfe<br />
würde es kaum noch Organisationen geben, die sich<br />
für die Belange der Langzeitarbeitslosen und für eine Teilhabe<br />
dieser Menschen durch einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt<br />
einsetzen. Fachlich sind unsere Träger sehr gut aufgestellt.<br />
Viele haben auch hervorragende Produkte und Projekte,<br />
haben sogar feste Finanzierungszusagen durch Öffentliche<br />
Hand und Mittel des Europäischen Sozialfonds. Aber sie<br />
bekommen Liquiditätsprobleme, da sich die Auszahlung der<br />
zugesagten Mittel oft verzögert und Banken bei der Kreditvergabe<br />
für die unumgängliche Vorfinanzierung immer vorsichtiger<br />
werden. Das ist eigentlich unverständlich.<br />
Was müsste sich ändern?<br />
Eigentlich müsste die Frage lauten: Was kann bleiben wie<br />
bisher? Und darauf kann man nur antworten: fast nichts.<br />
Durch die Vergabepraxis, die Ausschreibungen der Arbeitsmarktdienstleistungen<br />
können diakonische Träger mit ihrer<br />
Bindung an das kirchliche Arbeitsrecht kaum mehr öffentliche<br />
Aufträge akquirieren. Durch die radikalen Kürzungen der<br />
Eingliederungsmittel kann kaum mehr öffentlich geförderte,<br />
sozialversicherungspflichtige Arbeit angeboten werden. Und<br />
so weiter, und so weiter … Ändern muss sich das Bewusstsein<br />
in der Gesellschaft und in der Politik. Es muss endlich anerkannt<br />
werden, dass sich Teilhabe an der Gesellschaft vor<br />
allem durch bezahlte Beschäftigung definiert. Man kann nicht<br />
Inklusion fordern und gleichzeitig 400.000 bis 800.000<br />
Menschen von bezahlter Beschäftigung ausschließen und<br />
nur noch alimentieren wollen.<br />
Das Interview führten Peter Ruf und Markus Zeile<br />
Herausforderungen der Arbeitslosenhilfe heute