Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
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„Jetzt haben wir genug<br />
zum Überleben“<br />
Die Aktion Hoffnung für Osteuropa hilft<br />
Roma-Familien in Serbien<br />
Mihajlo Markov greift nach drei leeren Plastikflaschen,<br />
schneidet flink einen langen Schlitz hinein, damit die Luft<br />
entweichen kann und wirft sie in den Metallschlund.<br />
Dann drückt er den Knopf der Maschine und mit einem<br />
lauten Krachen drückt die hydraulische Presse das<br />
Plastik zusammen. „Hier sortieren wir die Flaschen, die<br />
wir in den Straßen sammeln, nach Farben und pressen<br />
sie zu 35-Kilo-Paketen“, sagt der 26-Jährige Kosovare<br />
und zeigt auf die zahllosen Plastikflaschen, die sich am<br />
Zaun des kleinen Hofes stapeln.<br />
Als Mihajlo Markov ein kleiner Junge war, ist er mit<br />
seinen Eltern und seinen drei Brüdern aus dem Kosovo<br />
nach Deutschland geflohen. Acht Jahre lebte er in Berlin,<br />
ging zur Schule und fand Freunde. „Es war schön in<br />
Deutschland“, erzählt er mit einem traurigen Lächeln.<br />
„Als wir nach Serbien kamen, war das hart. Ohne<br />
Zuhause, ohne Arbeit, ohne Perspektive.“ Mihajlo und<br />
seine Brüder sprechen fehlerfrei Deutsch. Erst kam die<br />
Familie Markov in ein kleines Dorf in der Vojvodina. Da<br />
sie dort keine Arbeit fanden, gingen sie nach Novi Sad<br />
und begannen, Plastikflaschen zu sammeln.<br />
Mihajlos Vater, der 48-Jährige Milan Markov, der das<br />
Recyclingmaterial zu Paketen schnürt, nickt zustimmend.<br />
„Wir hatten kein Einkommen und das Geld aus<br />
dem Verkauf der Flaschen reichte vorne und hinten<br />
nicht.“ Er erzählt, wie er von der Ecumenical Humanitarian<br />
Organisation, kurz EHO, erfuhr. Die serbische Hilfsor-<br />
ganisation wird von der württembergischen diakonischen<br />
Aktion Hoffnung für Osteuropa gefördert und<br />
unterstützt Menschen wie Mihajlo und seine Familie, die<br />
als ehemalige Flüchtlinge nach Serbien zurückkehren.<br />
EHO hilft ihnen bei den zahllosen Behördengängen, um<br />
offizielle Papiere und einen Anspruch auf Sozialhilfe und<br />
Kindergeld zu bekommen. Sie beschäftigt Mentoren an<br />
Schulen, die den Migrantenkindern Serbisch beibringen<br />
und fördert die Eltern, eine Einkommensmöglichkeit<br />
zu finden.<br />
Die Markovs zählen mit den Familien der drei Brüder<br />
mittlerweile 13 Personen. Sie bekommen 150 Euro<br />
Sozialhilfe im Monat. „Das reicht nicht einmal, um die<br />
Windeln der Kinder zu bezahlen“, sagt Großvater Milan<br />
Markov. Eine Anstellung zu finden, ist praktisch unmöglich,<br />
vor allem wenn man Roma ist wie die Markovs.<br />
Schätzungsweise 80 Prozent der Roma in Novi Sad<br />
sind arbeitslos, unter den zurückgekehrten Flüchtlingen<br />
sind es 99 Prozent.<br />
Letztes Jahr erstellte Großvater Mihajlo zusammen mit<br />
den Mitarbeitern von EHO einen Businessplan. Sein Plan<br />
überzeugte und er bekam eine hydraulische Presse.<br />
Wenn er die sperrigen Plastikflaschen mit der Presse<br />
komprimiert, zahlt die Recyclingfirma aus Nis ihm einen<br />
besseren Preis. Wenn sie eine Tonne zusammen haben,<br />
holt ein LKW der Firma das Recyclingmaterial direkt an<br />
ihrer Hofeinfahrt ab. Früher ließ der LKW aus der<br />
500 Kilometer entfernten Stadt ihn oft stehen, weil<br />
sich die Abholung der sperrigen Säcke, in dem sie die<br />
Flaschen früher sammelten, nicht lohnte.<br />
Die Familie Markov arbeitet konzentriert, obwohl es<br />
heute 30 Grad warm ist in Novi Sad. „Wenn wir alle mit<br />
anpacken, können wir rund 90 Kilo Flaschen sammeln