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Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg

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Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 7<br />

Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – welche<br />

Personengruppen fallen Ihnen da vor allem ein?<br />

Kaufmann: Von einem eindrücklichen Beispiel habe ich im<br />

Rahmen der Woche der <strong>Diakonie</strong> erfahren. Ein elfjähriges<br />

Mädchen mit alleinerziehender Mutter wünscht sich eine<br />

intakte Familie. Sie bekommt wechselnde Stiefväter, wird<br />

verschlossener und lässt in den schulischen Leistungen stark<br />

nach. Viele Kinder und Jugendliche haben einen schweren<br />

Start ins Leben, sie haben schon früh vielerlei Sorgen.<br />

Baehrens: Da fallen mir vor allem diejenigen ein, die durch alle<br />

Netze gefallen sind. Die für sich keine Chance mehr sehen,<br />

einen Weg ins Arbeitsleben zu finden oder sich ihre Wohnung<br />

nicht mehr leisten können. Viele Menschen rennen unseren<br />

Arbeitshilfeträgern quasi die Büros ein. Nicht einmal die Ein-<br />

Euro-Jobs, die vielen Menschen sinnvolles Tun, ein soziales<br />

Umfeld und Tagesstruktur gegeben haben, stehen noch<br />

zur Verfügung.<br />

Middel: Viele Langzeitarbeitslose wollen unbedingt Arbeit<br />

haben – sie bekommen aber keine Chance und unsere<br />

Arbeitshilfeträger können ihnen aufgrund der Kürzungen der<br />

Eingliederungsmaßnahmen durch die Politik nicht helfen.<br />

Diese Menschen brauchen dringend unsere Unterstützung.<br />

Was hat die Landesgeschäftsstelle im Berichtszeitraum<br />

unternommen, um diesen Personen besonders zu helfen?<br />

Baehrens: Unsere Einrichtungen und Dienste sind nah an den<br />

Menschen dran und helfen vor Ort. Unsere Aufgabe ist es, sie<br />

dabei zu unterstützen und sozialpolitische Lobbyarbeit zu<br />

betreiben. Wir setzen uns beispielsweise dafür ein, dass<br />

benachteiligte junge Menschen Zugang zum Bildungssystem<br />

bekommen. Bei unserem Modellprojekt FSJplus haben viele<br />

junge Menschen durch die Arbeit in einer diakonischen<br />

Einrichtung plus Schulbesuch, der zum Realschulabschluss<br />

führt, eine neue Chance bekommen und sie auch genutzt. Bei<br />

denen, die im Sommer abgeschlossen haben, wählten elf von<br />

18 eine Ausbildung im sozialen Bereich, vier gehen auf weiterführende<br />

Schulen. Dies ist ein großer Erfolg diakonischer Arbeit.<br />

Kaufmann: In unserer Kampagne zur Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit<br />

haben wir zu jedem Ersten des Monats,<br />

wenn die Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, darauf<br />

hingewiesen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen trotz<br />

Wirtschaftswachstums nicht sinkt. Hier wird eine große<br />

Gruppe von Personen von der Gesellschaft ausgeschlossen<br />

und Teilhabe verweigert. Wir haben deshalb Kontakt mit dem<br />

Baden-<strong>Württemberg</strong>ischen Handwerkstag aufgenommen, um<br />

Modelle im Sinn des Passiv-Aktiv-Transfers auf den Weg zu<br />

bringen. Wir wollen, dass statt Arbeitslosigkeit Arbeit finanziert<br />

wird und dass dies im Rahmen eines öffentlich geförderten<br />

Arbeitsmarktes geschieht.<br />

Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – gibt es<br />

Branchen innerhalb der <strong>Diakonie</strong>, deren Probleme<br />

besonders groß sind?<br />

Middel: Für alle Branchen werden die wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen schlechter. Sie stehen in Konkurrenz<br />

mit Trägern, die oft nicht tarifgebunden arbeiten müssen.<br />

Aber besonders hart trifft es die Arbeitslosenhilfe. Bei den<br />

Ausschreibungen für Leistungen können diakonische Träger<br />

aufgrund schlechter Refinanzierung und der Tarifbindung bei<br />

der Bezahlung der Mitarbeitenden kaum mehr mithalten.<br />

Wie hat hier die Landesgeschäftsstelle unterstützt?<br />

Middel: Wir haben einen Strategie-Ausschuss für die Arbeitslosenhilfe<br />

ins Leben gerufen und die Wirtschaftsberatung bei<br />

der Refinanzierung unterstützt. Auch wirken wir mit bei der<br />

Tarifsetzung und versuchen dabei, die Interessen der Träger<br />

und Mitarbeitenden ins Lot zu bekommen.<br />

Sozialpolitische Herausforderungen<br />

Welche (sozial-)politischen Themen standen im<br />

Berichtszeitraum im Mittelpunkt der diakonischen<br />

Arbeit der Landesgeschäftsstelle?<br />

Baehrens: Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe<br />

hin zu mehr Inklusion hat uns besonders intensiv beschäftigt.<br />

Dabei geht es vor allem um mehr Selbstbestimmung und Teilhabe<br />

von Menschen mit Behinderungen. Wir begleiten die<br />

Umbauprozesse der Träger der Behindertenhilfe und betreiben<br />

Lobbyarbeit in Politik und Gesellschaft. Denn Inklusion kann<br />

nur real werden, wenn die Gesellschaft bereit ist, sich diesem<br />

Thema zu stellen und zu öffnen. Wir wollen das Thema ins<br />

Gespräch bringen und deutlich machen, welche Konsequenzen<br />

Inklusion für die Gesellschaft hat. Dazu wollen wir auch<br />

die Kirchengemeinden gewinnen. Der Konversionsprozess von<br />

großen Einrichtungen hin zu wohnortnahen Wohn- und Freizeitangeboten<br />

braucht einen langen Atem. Es ist ein langer<br />

Weg, die unterschiedlichen Gruppen miteinander ins Gespräch<br />

zu bringen und mehr Miteinander in der Gesellschaft zu<br />

ermöglichen.<br />

Kaufmann: Die Instrumentenreform hat Möglichkeiten, Langzeitarbeitslose<br />

in die Arbeitswelt einzugliedern, hat Bewährtes

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