Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
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<strong>Jahresbericht</strong><br />
<strong>2011</strong> / <strong>2012</strong><br />
Seine Sorgen<br />
möchten Sie<br />
nicht haben.<br />
www.diakonie-<br />
wuerttemberg.de<br />
Menschlichkeit<br />
braucht Ihre<br />
Unterstützung
<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2011</strong> / <strong>2012</strong><br />
Diakonisches Werk <strong>Württemberg</strong><br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Vorgelegt zur Mitgliederversammlung<br />
am 14. November <strong>2012</strong><br />
Seine Sorgen<br />
möchten Sie<br />
nicht haben.<br />
Menschlichkeit braucht<br />
Ihre Unterstützung
4<br />
6<br />
12<br />
13<br />
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Vorwort des Vorstandes<br />
„Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe<br />
zu ermöglichen“<br />
Interview mit dem Vorstand über sozial- und<br />
verbandspolitische Herausforderungen<br />
<strong>Diakonie</strong> konkret: Zuerst der Mensch<br />
Beispiele diakonischen Handelns aus verschiedenen<br />
Arbeitsbereichen<br />
Arbeitsbereich 1: Kinder- und Jugendhilfe<br />
Bericht einer Mutter über den Neuanfang<br />
ihres Sohnes<br />
Interview zu den Herausforderungen<br />
der heutigen Kinder- und Jugendhilfe<br />
Arbeitsbereich 2: Arbeitslosenhilfe<br />
Reportage aus der Arbeit eines <strong>Diakonie</strong>ladens<br />
Interview zu den Herausforderungen<br />
der Arbeitslosenhilfe heute<br />
Arbeitsbereich 3: Gesundheit, Alter<br />
und Pflege<br />
Bericht über eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter<br />
noch ein Privatleben hat<br />
Interview zu den Herausforderungen<br />
der Altenhilfe heute<br />
Arbeitsbereich 4: Internationale <strong>Diakonie</strong><br />
Wie abgeschobene Roma in Serbien<br />
wieder Perspektiven finden<br />
Interview über Herausforderungen<br />
der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute<br />
Beispielhaft: Zentrale Themen<br />
des Verbands und der Landesgeschäftsstelle<br />
Vom Zivi zum Bufdi<br />
35.000 Freiwillige bei der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> aktiv<br />
Personalentwicklung hilft Fach- und Führungskräfte<br />
zu finden<br />
Wirtschaftliche Situation diakonischer Träger<br />
Kurz und knapp<br />
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong><br />
„Sozialpolitische Probleme lassen sich nicht<br />
durch Tarifpolitik lösen“<br />
Interview mit der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen<br />
über die arbeitsrechtlichen Herausforderungen<br />
und die Zukunft des Dritten Weges<br />
Zahlen – Daten – Fakten<br />
zur <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong><br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Impressum<br />
Organisationsplan
4 Vorwort<br />
<strong>Diakonie</strong>: Seine<br />
Sorgen möchten<br />
Sie nicht haben.<br />
Menschlichkeit braucht<br />
Ihre Unterstützung.<br />
Rainer Middel, Heike Baehrens, Dieter Kaufmann<br />
Seine Sorgen möchten Sie nicht haben<br />
Liebe Mitglieder im Diakonischen Werk<br />
<strong>Württemberg</strong>, liebe Freundinnen und Freunde<br />
der württembergischen <strong>Diakonie</strong>,<br />
der Kopf gesenkt, die Augen niedergeschlagen. Der Blick<br />
geht ins „Leere“ oder besser: Es ist unklar, wo der Blick<br />
hingeht. Der junge Mann wirkt in sich gekehrt. Dieses Portrait<br />
eines Jugendlichen war das Plakatmotiv zur diesjährigen<br />
Woche der <strong>Diakonie</strong>. „Seine Sorgen möchten Sie nicht haben“<br />
war das Motto der Aktionswoche. Im Mittelpunkt standen zwar<br />
die Sorgen und Nöte junger Menschen. Aber insgesamt<br />
werden damit die Sorgen und Nöte der Menschen angesprochen,<br />
die am Rand der Gesellschaft stehen, die auf die<br />
Unterstützung der <strong>Diakonie</strong> angewiesen sind, sei es auf<br />
konkrete Hilfe oder aber auf das anwaltschaftliche Eintreten<br />
in unserer Gesellschaft.<br />
Deshalb haben wir dieses Motto auch als Grundlage für<br />
unseren diesjährigen <strong>Jahresbericht</strong> gewählt, um die vielfältigen<br />
sozial- und verbandspolitischen Herausforderungen im<br />
Berichtszeitraum vorzustellen. Vor zehn Jahren wurden die<br />
Hartz-Gesetze auf den Weg gebracht. Die Stuttgarter Zeitung<br />
hat den Bericht dazu überschrieben: „Hochgelobter Sozialabbau“.<br />
Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Die<br />
Instrumentenreform führt dazu, dass Langzeitarbeitslose von<br />
der Gesellschaft in Stich gelassen werden und kaum mehr<br />
Chancen auf sinnvolle Beschäftigung bekommen. Die Pflegereform<br />
hat wieder mal die Bedürfnisse von Demenzkranken<br />
kaum berücksichtigt. In der Kinder- und Jugendhilfe wird die<br />
Finanzierung der immer mehr ausdifferenzierten Angebote in<br />
Frage gestellt Und während es immer schwieriger wird, die<br />
Refinanzierung diakonischer Arbeit zu gewährleisten, ist die<br />
<strong>Diakonie</strong> herausgefordert, internationaler und europäischer<br />
zu denken und zu handeln.<br />
Einige dieser zentralen Themen werden im <strong>Jahresbericht</strong><br />
aufgegriffen. Im Interview mit dem Vorstand wird die breite<br />
Palette sozial- und verbandpolitischer Themen angesprochen.<br />
Die Arbeit bewegt sich zwischen dem Anspruch der „Inklusion“<br />
und den Erfahrungen von „Exklusion“. Das Gespräch<br />
spiegelt die problematische Finanzierungsstruktur sozialer<br />
Arbeit wider.<br />
Unter dem Motto „<strong>Diakonie</strong> konkret“ werden vier Arbeitsbereiche<br />
vorgestellt. In einer Reportage wird jeweils die konkrete<br />
Hilfe der <strong>Diakonie</strong> dargestellt. Dies wird dann von Seiten der<br />
Mitarbeitenden der Landesgeschäftsstelle in einen größeren<br />
sozialpolitischen Rahmen gestellt. Unter „Beispielhaft“ werden
Seine Sorgen möchten Sie nicht haben Vorwort 5<br />
vier Themen vorgestellt, die die Landesgeschäftsstelle im<br />
Berichtszeitraum besonders bewegt haben. „Kurz und knapp“<br />
berichten dann einige Mitarbeitende der Landesgeschäftsstelle<br />
von den Sorgen und der Sorgenbewältigung aus<br />
ihrem Arbeitsbereich.<br />
Zu guter Letzt berichtet die Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen<br />
im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV)<br />
in einem Interview über ihre Herausforderungen und Strategien<br />
im Umgang mit dem Arbeitsrecht und dem Dritten Weg.<br />
Daneben finden sie aktuelle Daten, Zahlen, Fakten und das<br />
Organigramm der Landesgeschäftsstelle sowie ein Faltblatt<br />
mit den zentralen Strategischen Zielen der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong><br />
für die Jahre <strong>2012</strong> bis 2017.<br />
Eine zentrale Botschaft des <strong>Jahresbericht</strong>es lautet: Die<br />
<strong>Diakonie</strong> lässt sich nicht von den Sorgen erdrücken. Sie sucht<br />
nach kreativen Möglichkeiten, mit diesen Sorgen umzugehen.<br />
Dazu passt das Bildmotiv, das sich durch den ganzen Bericht<br />
zieht: Ein „Sorgensack“, den man werfen kann, an dem man<br />
zerren kann, auf den man sich stellen kann etc. Denn „Alle<br />
eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1. Petr. 5,7).<br />
Der erste Petrusbrief - wie überhaupt die ganze Bibel - geht<br />
davon aus, dass es Wege aus dem Bann unserer Ängste und<br />
Sorgen gibt. Darum nimmt. <strong>Diakonie</strong> Sorgen ernst, sie<br />
verharmlost nicht die Nöte der Menschen, aber sie hilft,<br />
Sorgen zu bewältigen oder mit Beeinträchtigungen leben<br />
zu können.<br />
In der Bibel heißt es: „Einer trage des anderen Last“ (Galater<br />
6,2). Gott hat uns also beauftragt, die Sorgen der anderen<br />
ernst zu nehmen und sich ihrer anzunehmen. Deshalb auch<br />
der zweite Teil des Mottos der diesjährigen Woche der<br />
<strong>Diakonie</strong>: „Menschlichkeit braucht Ihre Unterstützung“. Wir<br />
sind überzeugt: Es ist die gemeinsame Aufgabe von Gesellschaft,<br />
Kirche und <strong>Diakonie</strong>, von Haupt- und Ehrenamtlichen,<br />
von organisierter <strong>Diakonie</strong> und Menschen, die im Alltag<br />
selbstverständlich Nächstenliebe praktizieren, die Sorgen der<br />
Menschen am Rand der Gesellschaft ernst zu nehmen, sie zu<br />
verstehen und gemeinsam Perspektiven sowie Wege zu Teilhabe<br />
und Inklusion zu finden. Gemeinsam sind wir ein Netzwerk<br />
von Menschen für Menschen. Martin Luther hat einmal<br />
gesagt: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über<br />
deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie<br />
Nester in deinem Haar bauen, das kannst du ändern.“ Dazu<br />
wollen gemeinsam unseren Beitrag leisten.<br />
Vielen Dank den Mitarbeitenden der Landesgeschäftsstelle<br />
für ihren Einsatz und ihr Engagement. Dank an die haupt- und<br />
ehrenamtlich Mitarbeitenden in den vielfältigen Einrichtungen<br />
und Diensten sowie in den Verbandsgremien der württembergischen<br />
<strong>Diakonie</strong> für ihren engagierten Einsatz und ihr überzeugendes<br />
Wirken im Lichte des Evangeliums. Vielen Dank an<br />
alle Partnerinnen und Partner der <strong>Diakonie</strong> für die Begleitung<br />
und Unterstützung sowie das gemeinsame Wirken im Rahmen<br />
des Sozialstaates und unserer Bürgergesellschaft. Wir<br />
wünschen Ihnen allen eine anregende Lektüre des <strong>Jahresbericht</strong>s<br />
<strong>2011</strong>/<strong>2012</strong>. Wir freuen uns, wenn Sie uns Kritik und<br />
Lob zurückmelden.<br />
Oberkirchenrat<br />
Dieter Kaufmann<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Finanzvorstand<br />
Rainer Middel<br />
Kirchenrätin<br />
Heike Baehrens<br />
Ausblick<br />
Ein wichtiges Ereignis wurde im Berichtszeitraum<br />
(1. Juli <strong>2011</strong> bis 30. Juni <strong>2012</strong>) vorbereitet, wird aber erst<br />
im nächsten Berichtsjahr wirksam: Rainer Middel wird<br />
Ende dieses Jahres als Finanzvorstand seinen Dienst<br />
beenden und in die passive Phase der Altersteilzeit<br />
gehen. Robert Bachert, bisher Finanzvorstand der<br />
badischen <strong>Diakonie</strong>, ist seit 1. September Mitglied des<br />
Vorstands und wird ab 1. Januar 2013 die Aufgabe als<br />
neuer Finanzvorstand übernehmen. Mehr dazu im<br />
nächsten <strong>Jahresbericht</strong>.
6 Interview<br />
„Es ist falsch,<br />
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen<br />
Menschen keine Teilhabe<br />
zu ermöglichen“<br />
Interview mit dem Vorstand Oberkirchenrat Dieter Kaufmann,<br />
Vorstandsvorsitzender, Kirchenrätin Heike Baehrens, Stellvertretende<br />
Vorstandsvorsitzende, und Rainer Middel, Finanzvorstand,<br />
zum Jahresmotto sowie zu den sozial- und verbandspolitischen<br />
Herausforderungen der württembergischen <strong>Diakonie</strong>
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 7<br />
Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – welche<br />
Personengruppen fallen Ihnen da vor allem ein?<br />
Kaufmann: Von einem eindrücklichen Beispiel habe ich im<br />
Rahmen der Woche der <strong>Diakonie</strong> erfahren. Ein elfjähriges<br />
Mädchen mit alleinerziehender Mutter wünscht sich eine<br />
intakte Familie. Sie bekommt wechselnde Stiefväter, wird<br />
verschlossener und lässt in den schulischen Leistungen stark<br />
nach. Viele Kinder und Jugendliche haben einen schweren<br />
Start ins Leben, sie haben schon früh vielerlei Sorgen.<br />
Baehrens: Da fallen mir vor allem diejenigen ein, die durch alle<br />
Netze gefallen sind. Die für sich keine Chance mehr sehen,<br />
einen Weg ins Arbeitsleben zu finden oder sich ihre Wohnung<br />
nicht mehr leisten können. Viele Menschen rennen unseren<br />
Arbeitshilfeträgern quasi die Büros ein. Nicht einmal die Ein-<br />
Euro-Jobs, die vielen Menschen sinnvolles Tun, ein soziales<br />
Umfeld und Tagesstruktur gegeben haben, stehen noch<br />
zur Verfügung.<br />
Middel: Viele Langzeitarbeitslose wollen unbedingt Arbeit<br />
haben – sie bekommen aber keine Chance und unsere<br />
Arbeitshilfeträger können ihnen aufgrund der Kürzungen der<br />
Eingliederungsmaßnahmen durch die Politik nicht helfen.<br />
Diese Menschen brauchen dringend unsere Unterstützung.<br />
Was hat die Landesgeschäftsstelle im Berichtszeitraum<br />
unternommen, um diesen Personen besonders zu helfen?<br />
Baehrens: Unsere Einrichtungen und Dienste sind nah an den<br />
Menschen dran und helfen vor Ort. Unsere Aufgabe ist es, sie<br />
dabei zu unterstützen und sozialpolitische Lobbyarbeit zu<br />
betreiben. Wir setzen uns beispielsweise dafür ein, dass<br />
benachteiligte junge Menschen Zugang zum Bildungssystem<br />
bekommen. Bei unserem Modellprojekt FSJplus haben viele<br />
junge Menschen durch die Arbeit in einer diakonischen<br />
Einrichtung plus Schulbesuch, der zum Realschulabschluss<br />
führt, eine neue Chance bekommen und sie auch genutzt. Bei<br />
denen, die im Sommer abgeschlossen haben, wählten elf von<br />
18 eine Ausbildung im sozialen Bereich, vier gehen auf weiterführende<br />
Schulen. Dies ist ein großer Erfolg diakonischer Arbeit.<br />
Kaufmann: In unserer Kampagne zur Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit<br />
haben wir zu jedem Ersten des Monats,<br />
wenn die Arbeitslosenzahlen veröffentlicht werden, darauf<br />
hingewiesen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen trotz<br />
Wirtschaftswachstums nicht sinkt. Hier wird eine große<br />
Gruppe von Personen von der Gesellschaft ausgeschlossen<br />
und Teilhabe verweigert. Wir haben deshalb Kontakt mit dem<br />
Baden-<strong>Württemberg</strong>ischen Handwerkstag aufgenommen, um<br />
Modelle im Sinn des Passiv-Aktiv-Transfers auf den Weg zu<br />
bringen. Wir wollen, dass statt Arbeitslosigkeit Arbeit finanziert<br />
wird und dass dies im Rahmen eines öffentlich geförderten<br />
Arbeitsmarktes geschieht.<br />
Seine Sorgen möchten Sie nicht haben – gibt es<br />
Branchen innerhalb der <strong>Diakonie</strong>, deren Probleme<br />
besonders groß sind?<br />
Middel: Für alle Branchen werden die wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen schlechter. Sie stehen in Konkurrenz<br />
mit Trägern, die oft nicht tarifgebunden arbeiten müssen.<br />
Aber besonders hart trifft es die Arbeitslosenhilfe. Bei den<br />
Ausschreibungen für Leistungen können diakonische Träger<br />
aufgrund schlechter Refinanzierung und der Tarifbindung bei<br />
der Bezahlung der Mitarbeitenden kaum mehr mithalten.<br />
Wie hat hier die Landesgeschäftsstelle unterstützt?<br />
Middel: Wir haben einen Strategie-Ausschuss für die Arbeitslosenhilfe<br />
ins Leben gerufen und die Wirtschaftsberatung bei<br />
der Refinanzierung unterstützt. Auch wirken wir mit bei der<br />
Tarifsetzung und versuchen dabei, die Interessen der Träger<br />
und Mitarbeitenden ins Lot zu bekommen.<br />
Sozialpolitische Herausforderungen<br />
Welche (sozial-)politischen Themen standen im<br />
Berichtszeitraum im Mittelpunkt der diakonischen<br />
Arbeit der Landesgeschäftsstelle?<br />
Baehrens: Der Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe<br />
hin zu mehr Inklusion hat uns besonders intensiv beschäftigt.<br />
Dabei geht es vor allem um mehr Selbstbestimmung und Teilhabe<br />
von Menschen mit Behinderungen. Wir begleiten die<br />
Umbauprozesse der Träger der Behindertenhilfe und betreiben<br />
Lobbyarbeit in Politik und Gesellschaft. Denn Inklusion kann<br />
nur real werden, wenn die Gesellschaft bereit ist, sich diesem<br />
Thema zu stellen und zu öffnen. Wir wollen das Thema ins<br />
Gespräch bringen und deutlich machen, welche Konsequenzen<br />
Inklusion für die Gesellschaft hat. Dazu wollen wir auch<br />
die Kirchengemeinden gewinnen. Der Konversionsprozess von<br />
großen Einrichtungen hin zu wohnortnahen Wohn- und Freizeitangeboten<br />
braucht einen langen Atem. Es ist ein langer<br />
Weg, die unterschiedlichen Gruppen miteinander ins Gespräch<br />
zu bringen und mehr Miteinander in der Gesellschaft zu<br />
ermöglichen.<br />
Kaufmann: Die Instrumentenreform hat Möglichkeiten, Langzeitarbeitslose<br />
in die Arbeitswelt einzugliedern, hat Bewährtes
8 Interview<br />
Dieter Kaufmann<br />
reduziert und beinahe abgeschafft. Wir haben auf landes- und<br />
bundespolitischer Ebene nicht nur klar widersprochen. Wir<br />
haben aus unseren Arbeitsfeldern aufgezeigt, wie nachweislich<br />
durch diakonische Hilfe Menschen eine Perspektive gefunden<br />
haben. Diese Menschen werden gebraucht. Es ist falsch,<br />
ihnen keine Teilhabe zu ermöglichen und sie aus dem Hilfesystem<br />
auszuschließen. Es ist dringend erforderlich, sie zu qualifizieren<br />
und vor allem ihnen geförderte Arbeitsplätze zu<br />
ermöglichen. Unsere Diakonischen Bezirksstellen stellen einen<br />
immer höheren Beratungsbedarf fest. Alleinerziehende und<br />
Familien, die von geringsten Löhnen leben müssen, kommen<br />
nicht zurecht. Wo Maßnahmen für Langzeitarbeitslose abgeschafft<br />
werden, fehlt den Betroffenen ein strukturierter Tagesablauf.<br />
Sie werden nicht erwartet, haben keine Aufgabe, oft<br />
sind sie orientierungslos. Dazu kommt die Überschuldung so<br />
vieler Haushalte. Wir haben zwei Mal die Situation auf eigene<br />
Kosten genau untersucht und festgestellt, dass die Überschuldung<br />
in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Derzeit gibt<br />
es nur für rund fünf Prozent der absolut Überschuldeten Beratungsangebote.<br />
Deshalb fordern wir nach wie vor, dass in<br />
einem Armuts- und Reichtumsbericht auch die Überschuldungssituation<br />
laufend erforscht und dass die Zahl der Beratungsstellen<br />
erhöht wird. Ein weiteres Thema ist das interkulturelle<br />
Engagement. Wir haben Fachstellen in vier Regionen,<br />
die unsere Einrichtungen und Dienste bei ihrer interkulturellen<br />
Orientierung begleiten. Auch das Projekt FairCare und der<br />
Integrationspreis mit einer sehr guten Beteiligung sind hier zu<br />
nennen. Wir haben einen guten Austausch mit Partnern in<br />
Osteuropa. Das gute Miteinander von Kulturen und Religionen<br />
ist Ausdruck des diakonischen Auftrags.<br />
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen<br />
Was hat der Verband bei diesen Themen erreicht?<br />
Kaufmann: Bei der Instrumentenreform wurde uns auf<br />
Bundesebene bestätigt, dass wir durch unsere Aktivitäten<br />
zumindest kleine Veränderungen erreichen konnten. Hier<br />
wurden wir als <strong>Diakonie</strong> als die wahrgenommen, die für die<br />
langzeitarbeitslosen Menschen eintreten, Ideen entwickeln<br />
und aus guten Erfahrungen auf die dadurch entstandenen<br />
Lebensperspektiven verweisen können. Zum Thema Inklusion<br />
gibt es viele Aktivitäten von uns als <strong>Diakonie</strong>. Viele machen<br />
sich auf den Weg. In Verbindung mit dem Evangelischen<br />
Schulwerk sind wir mit einem Modellprojekt „Inklusive Schulentwicklung“<br />
unterwegs, um zu überlegen, wie Inklusion in<br />
Regelschulen gestaltet werden kann. Das ist eine wichtige<br />
Herausforderung – dazu wollen wir unsere Schulen stärker<br />
gewinnen. Als weiteres Thema nenne ich unsere Beteiligung<br />
am Heimkinder-Entschädigungsfonds. Wir beraten und begleiten<br />
die Aufarbeitung in den Einrichtungen und unterstützen<br />
ehemalige Heimkinder bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte.<br />
Baehrens: Im Vorfeld der Landtagswahl haben wir uns mit<br />
unseren sozialpolitischen Vorstellungen eingebracht. Es freut<br />
uns, dass vieles davon in den Koalitionsvereinbarungen seinen<br />
Niederschlag gefunden hat. Bei vielen Themen werden wir in<br />
der Politik und der öffentlichen Verwaltung als Gesprächspartner<br />
wieder ernst genommen. Den Umstieg vom Zivildienst auf<br />
den Bundesfreiwilligendienst haben wir gut bewältigt. Wir sind<br />
inzwischen der Träger mit den meisten Bufdi-Stellen bundesweit.<br />
Natürlich können wir den Zivildienst nicht ersetzen, aber<br />
wir haben den neuen Dienst gut etabliert. Auch Menschen<br />
über 27 Jahre finden dort Entfaltungsmöglichkeiten – 70 von<br />
den rund 420 Bufdis sind über 27 Jahre alt. Und, wie gesagt,<br />
beim Thema Inklusion haben wir erste Hürden genommen.<br />
In welchen Politikfeldern konnten keine Erfolge<br />
erzielt werden?<br />
Baehrens: Womit wir nicht zufrieden sein können, ist die<br />
Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Wir hatten uns<br />
dafür stark gemacht, dass die Pflegebedürftigkeit nicht nur<br />
anhand der körperlichen Bedürftigkeit beurteilt wird. Vor allem<br />
die Bedürfnisse demenziell Erkrankter werden kaum berücksichtigt.<br />
Mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz ist nicht der<br />
notwendige große Wurf gelungen. Die stationäre Pflege wird<br />
weiter geschwächt, nachdem die Qualitätsanforderungen<br />
immer größer werden und die Vergütung nicht Schritt halten<br />
kann. So stimmt der geforderte Personalschlüssel – den wir<br />
unbedingt halten wollen – nicht mit der Refinanzierung überein.<br />
Außerordentlich schwierig sind auch die Vergütungsverhandlungen<br />
in der ambulanten Pflege. Da tun sich besonders die
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 9<br />
Krankenkassen schwer, dem politischen Ziel „ambulant vor<br />
stationär“ auch Taten folgen zu lassen. Gute Qualität in der<br />
Pflege muss bezahlt werden und unser Anspruch ist, dass wir<br />
die Pflegekräfte nach Tarif entlohnen. Hier muss sich politisch,<br />
aber auch gesellschaftlich noch viel tun. Bei der Frage von<br />
FSJ und Bundesfreiwilligendienst haben wir es immer noch<br />
nicht geschafft, dass für beide Freiwilligendienste gleiche<br />
Bedingungen gelten. Da muss sich der Bundesgesetzgeber<br />
noch bewegen.<br />
Kaufmann: Bei der Politik ist die besondere Situation von<br />
Langzeitarbeitslosen noch nicht genügend angekommen.<br />
Es gibt immer noch die Ideologie: Wenn die Wirtschaft wächst,<br />
kommen alle Menschen auch in Arbeit. Aber viele Betroffene<br />
schaffen diesen Weg nicht oder nur sehr mühsam. Die Zahlen<br />
der Langzeitarbeitslosen gehen nicht so zurück wie die der<br />
anderen Arbeitslosen. Und die Bundesagentur für Arbeit hat<br />
viele Millionen Euro an das zuständige Bundesministerium<br />
zurück überwiesen anstatt die Eingliederungshilfe, die dringend<br />
notwendig ist, wieder auszubauen. Das ist ein Skandal,<br />
der auch so genannt werden muss. Wir sind froh, dass zumindest<br />
das Land an einem neuen Landesarbeitsprogramm für<br />
Langzeitarbeitslose arbeitet, an dem wir uns intensiv be-<br />
teiligen. Auf Bundesebene stoßen wir da leider auf wenig<br />
Verständnis.<br />
Verbandsinterne Herausforderungen<br />
Welche verbandsinternen Themen haben Sie im<br />
Berichtzeitraum beschäftigt?<br />
Middel: Bei uns im Vorstandsbereich war es das neue Risikomanagement.<br />
Wir brauchen dies als Frühwarnsystem, damit<br />
wir bei einer wirtschaftlichen Schieflage einer Einrichtung<br />
rechtzeitig helfen können. Unser Ziel ist, dass sich endlich alle<br />
Träger daran beteiligen. Und damit wir dann auch Mittel<br />
haben, um im Krisenfall helfen zu können, brauchen wir dringend<br />
den Einrichtungssicherungsfonds. Damit können im<br />
Krisenfall Einrichtungen und damit Arbeitsplätze für Mitarbeitende<br />
und Hilfen für Betroffene erhalten werden. Wir sind froh,<br />
dass wir von allen Seiten Unterstützung erfahren – von den<br />
Mitarbeitenden, über die Träger bis hin zur Landeskirche. Nun<br />
hoffen wir, dass wir die steuerlichen Hürden noch überwinden<br />
können.<br />
Wie schätzen Sie denn die derzeitige wirtschaftliche<br />
Lage unserer Träger ein?<br />
Middel: Die Situation hat sich verschlechtert. Es gibt immer<br />
mehr Indikatoren, die deutlich machen, dass es für unsere<br />
Träger schwieriger wird. Bei einem Drittel unserer Träger<br />
haben wir deutliche Anzeichen dafür. Darauf müssen wir<br />
reagieren.<br />
Welches verbandsinterne Thema war für Sie,<br />
Herr Kaufmann, besonders wichtig?<br />
Kaufmann: Wie gehen wir aufgrund der demografischen<br />
Entwicklung mit den Herausforderungen um? Zum einen<br />
haben wir älter werdende Menschen zu begleiten und zu<br />
pflegen. Die Zahlen steigen. Zum anderen werden wir in Zeiten<br />
des Fachkräftemangels unsere Mitarbeitenden gut führen und<br />
fortbilden müssen, damit sie auf Dauer den Anforderungen<br />
gewachsen sind. lm Projekt Chronos haben wir dies zusammen<br />
mit vielen unserer Mitglieder bearbeitet. Das hat uns eine<br />
hohe Anerkennung auch von außen gebracht, zum Beispiel<br />
von den Krankenkassen. Die Fortbildung und das Gesundheitsmanagement<br />
einer älter werdenden Mitarbeiterschaft sind<br />
sehr wichtig. Dies wird nach Abschluss des Projektes in den<br />
Einrichtungen weiterentwickelt werden. Wir sehen, dass auch<br />
an uns hohe Erwartungen im Hinblick auf die Personalentwicklungsberatung<br />
gestellt werden. In dem Projekt Chronos haben<br />
wir wichtige und qualifizierte Antworten entwickeln können.<br />
Ein überwältigendes Signal haben wir im Hinblick auf die<br />
Erwartungen an das geistliche Leben, die diakonische Kultur<br />
als Ausdruck des Glaubens, bekommen. Unser Gebetsbüchlein<br />
für Pflegende und Menschen, die mit älteren und kranken<br />
Menschen zu tun haben, ist über 60.000-mal angefordert<br />
worden. Das ist ein tolles Signal nach innen und nach außen.<br />
Heike Baehrens
10 Interview<br />
Rainer Middel<br />
Ein Thema ist ja nach wie vor die Diskussion um den sog.<br />
„Dritten Weg“ – was sind da die nächsten Schritte?<br />
Kaufmann: Es gelingt uns mehr und mehr, deutlich zu machen,<br />
was damit gemeint ist. Wir tun alles, um unseren Weg besser<br />
verständlich zu machen. Es wird immer deutlicher, dass Ver.di<br />
eine offensive Kampagne gegen den Dritten Weg vor allem<br />
bei der <strong>Diakonie</strong> fährt. Das trifft uns sehr, weil man sich nur<br />
schwer dagegen wehren kann. Da werden zum Beispiel<br />
Behauptungen über Niedriglöhne aufgestellt, wo wir<br />
94 Prozent unserer Mitarbeitenden nach kirchlichem Tarif<br />
bezahlen, den Rest nach Tarifen, die mit einer DGB-Gewerkschaft<br />
ausgehandelt wurden. Und der Vorwurf der Leiharbeit<br />
ist beinahe lächerlich – in einer Situation, in der wir händeringend<br />
nach Mitarbeitenden suchen, ist Leiharbeit für uns<br />
fast kein Thema mehr. Es ist schade, dass hier Ver.di uns<br />
als „Gegner“ ausgesucht hat, um zusätzliche Mitglieder zu<br />
bekommen, statt sich mit uns zusammen für bessere soziale<br />
Verhältnisse in Deutschland einzusetzen.<br />
Middel: Und unsere Gehälter müssen sich wirklich nicht<br />
verstecken, sie sind im Vergleich mit anderen sozialen Dienstgebern<br />
überdurchschnittlich. Die Mitarbeitenden können sich<br />
bei uns auch stark einbringen. Dienstgeber und Dienstnehmer<br />
müssen so lange verhandeln, bis sie zu einvernehmlichen<br />
Lösungen gefunden haben. Wir haben also sehr gute Mitbestimmungsrechte.<br />
Der Dritte Weg ist im Interesse auch und<br />
gerade der Mitarbeitenden.<br />
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen<br />
Wie wirken sich die vereinbarten Tariferhöhungen für<br />
unsere Träger aus?<br />
Baehrens: Wir merken, dass die Tariferhöhungen nur schwer<br />
refinanziert werden können. In der ambulanten Pflege gelingt<br />
das gar nicht. Die Dienste haben große Schwierigkeiten, die<br />
Qualität in gewohnter Weise zu erbringen. Seit 15 Jahren hören<br />
wir, dass die Arbeit effizienter gestaltet werden soll. Jetzt sind<br />
die Spielräume ausgeschöpft. Unsere Dienste stehen unter<br />
enormem Druck. Wir müssen prinzipiell darüber reden, wie die<br />
ambulanten Dienste langfristig finanziert werden sollen. Offiziell<br />
gilt ambulant vor stationär. Doch kein anderer Hilfebereich<br />
hat so komplizierte Finanzierungsstrukturen wie gerade diese<br />
kleinsten Pflegedienste. Und zudem sind die Nachweis-<br />
und Dokumentationspflichten in diesem Bereich außerordentlich<br />
aufwendig.<br />
War die „dynamische Verweisung“ in der AVR der<br />
falsche Weg?<br />
Middel: Das kann man nicht pauschal sagen. Bei Verhandlungen<br />
über Leistungsentgelte ist jetzt jedenfalls immer klar, dass<br />
die Tariferhöhungen im TVöD in der Plausibilität der Kalkulation<br />
anerkannt werden. Leider haben wir aber immer noch keine<br />
verbandliche Notfallregelung. Das war die Gegenleistung, die<br />
von der Mitarbeiterseite für den Fall des Falles zugesagt<br />
wurde.<br />
Was sind die nächsten tarifpolitischen Herausforderungen?<br />
Middel: Zuerst ist es wichtig, dass wir den Einrichtungssicherungsfonds<br />
in trockene Tücher bekommen. Dann muss endlich<br />
beschlossen werden, wie der Sozial- und Erziehungstarif (SuE)<br />
in der <strong>Diakonie</strong> umgesetzt werden kann. Und wir hoffen, dass<br />
wir nächstes Jahr einen Weg für eine diakoniespezifische<br />
Verwendung des Leistungslohnes finden. Wir denken, dass<br />
der Einsatz für gesundheitsfördernde Maßnahmen dafür am<br />
besten geeignet ist. Wir hoffen, dass sich da Dienstgeber und<br />
Dienstnehmer einig werden.<br />
Was ist im Berichtszeitraum verbandsintern offen<br />
geblieben, muss aber bald gelöst werden?<br />
Middel: Die größte Herausforderung ist, dass wir im Wettbewerb<br />
bestehen können. Da müssen alle zusammenarbeiten,<br />
damit dies gelingt.<br />
Kaufmann: Wir brauchen gute Wege, wie wir mit Kooperation<br />
und Konkurrenz in der <strong>Diakonie</strong> umgehen. Das zeigt sich<br />
gerade an den Diskussionen, wie sich unsere Komplexeinrichtungen<br />
weiterentwickeln können. Die Konversion bedeutet<br />
immer auch Dezentralisierung. Aber oft sind regionale Träger
Es ist falsch, Menschen keine Teilhabe zu ermöglichen Interview 11<br />
schon jahrelang vor Ort. Wir kommen hier zu guten Kooperationen.<br />
Grundvoraussetzung ist das gegenseitige Verständnis<br />
für die Notwendigkeiten des anderen. Da wird die Landkreisebene<br />
eine wichtige Rolle spielen. Denn gerade dort müssen<br />
wir besser zusammenarbeiten – da ist noch viel zu leisten. Die<br />
<strong>Diakonie</strong> im Landkreis könnte sich auch zum Forum für Fragen<br />
der Nachwuchsgewinnung entwickeln. Auch muss die<br />
Aufsichtsverantwortung in der <strong>Diakonie</strong> mehr unterstützt<br />
werden. Wir haben gerade zwei Fortbildungsreihen dafür<br />
durchgeführt – mit großem Erfolg. Daran müssen wir an-<br />
knüpfen. Wichtig ist, dass wir neben der Kompetenz in organi-<br />
satorischen und betriebswirtschaftlichen Fragen die wichtige<br />
Rolle der Aufsichtsgremien für eine diakonische Kultur<br />
stärken können.<br />
Baehrens: Ich bedaure sehr, dass das Aufeinanderzugehen<br />
der Diakonischen Werke in Baden und <strong>Württemberg</strong> stockt.<br />
Uns ist es ein großes Anliegen, dass da mehr Vertrauen<br />
entstehen kann. Träger der Behindertenhilfe und Psychiatrie<br />
stoßen diesen Prozess des gemeinsamen Tuns in Baden und<br />
<strong>Württemberg</strong> derzeit erneut an. Dort kommt von den Trägern<br />
aus beiden Landesteilen der Wunsch, die Zusammenarbeit zu<br />
stärken. Das wollen wir gern unterstützen.<br />
Blick in die nächsten Jahre<br />
Was sind die zentralen Herausforderungen<br />
für das Jahr <strong>2012</strong>/2013?<br />
Kaufmann: In unserem Land wird sich die Frage nach dem,<br />
was sozialpolitisch zur Verfügung gestellt wird, intensivieren.<br />
Wir als <strong>Diakonie</strong> müssen dafür eintreten, dass gute Pflege<br />
sowie Beratung und Begleitung von Menschen mit materiellen<br />
und seelischen Sorgen für die Gesellschaft noch wichtiger<br />
werden. Wenn wir ein gutes soziales Klima haben, dann ist<br />
das auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland von größter<br />
Wichtigkeit. Dies immer wieder zu betonen, ist eine wichtige<br />
Aufgabe für die nächste Zeit.<br />
Baehrens: Mich freut es, dass wir mit dem Inklusionsprojekt<br />
starten und davon etwas in die Gesellschaft ausstrahlen<br />
können. Wir werden auch weiterhin den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit<br />
und Qualität aushalten müssen. Es wäre gut,<br />
wenn es gelingen könnte, dass gesellschaftlich anerkannt<br />
wird, was wir leisten, und dass die Gesellschaft bereit ist,<br />
dafür zu bezahlen.<br />
„Wir als <strong>Diakonie</strong> müssen dafür eintreten,<br />
dass gute Pflege sowie Beratung und<br />
Begleitung von Menschen mit materiellen<br />
und seelischen Sorgen für die Gesellschaft<br />
noch wichtiger werden.“<br />
Middel: Mir macht die Kampagne gegen die <strong>Diakonie</strong> Sorge –<br />
das hat sie nicht verdient. Wir müssen noch mehr Überzeugungsarbeit<br />
leisten, dass der Dritte Weg den Mitarbeitenden<br />
nützt und dem Selbstverständnis der <strong>Diakonie</strong> angemessen ist.<br />
Ihre Vision: Wie sieht die württembergische <strong>Diakonie</strong><br />
2020 aus?<br />
Kaufmann: Kirchengemeinden, Kirchenbezirke, Kommunen<br />
und diakonische Dienste und Einrichtungen sind so weiterentwickelt,<br />
dass Inklusion und Teilhabe gelebt werden und dass<br />
trotz aller Gegensätzlichkeit Menschen unterschiedlicher<br />
Prägung, Herkunft und Begabung selbstverständlich miteinander<br />
leben können. Das ist es, was Gemeinde eigentlich meint.<br />
Es wäre schön, wenn das bis 2020 immer mehr Realität<br />
werden kann.<br />
Baehrens: Dem schließe ich mich an. Ich habe die Hoffnung,<br />
dass dennoch spezielle Angebote für bestimmte Zielgruppen<br />
erhalten bleiben und die stationäre Pflege die notwendige<br />
Aufmerksamkeit der Gemeinde gewinnt, die sie braucht. Und<br />
ich vertraue darauf, dass es uns gelungen ist, gute Lösungen<br />
für die Mitarbeitendengewinnung für die Pflege gefunden zu<br />
haben, ohne dass ganze Landstriche in anderen Ländern<br />
verwaist sind.<br />
Middel: Dienstnehmer und Dienstgeber gestalten gemeinsam<br />
<strong>Diakonie</strong> und somit kann die <strong>Diakonie</strong> einen wichtigen Beitrag<br />
für eine soziale Gesellschaft leisten. Denn das Engagement<br />
unserer Mitarbeitenden und unserer Träger ist für unsere<br />
Gesellschaft unverzichtbar.<br />
Das Gespräch führten Claudia Mann und Peter Ruf
12<br />
<strong>Diakonie</strong> konkret:<br />
Zuerst der Mensch<br />
Beispiele diakonischen<br />
Handelns aus verschiedenen<br />
Arbeitsbereichen<br />
<strong>Diakonie</strong> konkret: Zuerst der Mensch<br />
„Zuerst der Mensch“ – so ist das Verbandsleitbild der württembergischen<br />
<strong>Diakonie</strong> überschrieben. Einer der Leitbildsätze lautet:<br />
„Aufgabe der <strong>Diakonie</strong> ist die Mitgestaltung einer gerechten<br />
und solidarischen Gesellschaft.“ Wie die <strong>Diakonie</strong> dies im Berichtszeitraum<br />
umgesetzt hat, wie sie dabei auf die Sorgen und Nöte<br />
der betroffenen Menschen eingegangen ist und sozialpolitische<br />
Lösungen gesucht hat, das soll anhand von vier Arbeitsbereichen<br />
dargestellt werden. Dabei wird jeweils ein Beispiel konkreter<br />
diakonischer Arbeit vorgestellt, das dann von Mitarbeitenden<br />
der Landesgeschäftsstelle im Rahmen eines Interviews kommentiert<br />
und in den aktuellen sozialpolitischen Rahmen eingeordnet wird.
Kinder und Jugendhilfe Arbeitsbereich 1 13<br />
Arbeitsbereich 1:<br />
Kinder- und Jugendhilfe<br />
Bericht einer Mutter über den Neuanfang ihres Sohnes<br />
Interview zu den Herausforderungen<br />
der heutigen Kinder- und Jugendhilfe
„Mama, du wirst wieder den<br />
anderen Max kennenlernen“<br />
Eine Privatschule der besonderen Art<br />
„Wenn er fortgerannt ist, saß er immer auf dem Baum“,<br />
beginnt Frau V. und schluckt. „Wenn es Schwierigkeiten<br />
gab, ist er oft abgehauen und dann haben wir ihn jedes<br />
Mal auf demselben Baum sitzend wiedergefunden.“<br />
Max ist eigentlich ein ganz normaler elfjähriger Junge,<br />
der Hunde über alles liebt und gerne draußen herumtobt.<br />
Und doch hat er schon seit seinen ersten Lebensjahren<br />
mit Problemen zu kämpfen, die andere nur vom<br />
Hörensagen kennen.<br />
Max offenbart schon früh Schwierigkeiten im Sozialverhalten.<br />
„Er hatte schon seit seiner Geburt massivste<br />
Ängste und war später für eine Regelschule nicht mehr<br />
tragbar“, erklärt seine Mutter Frau V., die ihren vollen<br />
Namen nicht an dieser Stelle nennen will. „Zuerst hatte<br />
er nur Angst vor Ärzten, später dann auch vor Gleichaltrigen.<br />
In der Schule wollte er nie eigene Schwächen<br />
zugeben.“ Kam es deshalb zu einer Krise, sei Max<br />
immer aggressiv geworden. „Oft ist er dann auch auf<br />
seine Umgebung losgegangen; da war immer nur die<br />
Frage, wer oder was gerade in seiner Nähe war. Er<br />
wurde auf jeden Fall immer laut, häufig ist auch mal eine<br />
Tür geflogen. Durch sein Verhalten wollten Gleichaltrige<br />
nicht mehr mit ihm spielen.“<br />
Nach immer mehr Problemen in der Grundschule sehen<br />
die Eltern keinen Ausweg mehr. „Wir haben uns beim<br />
Jugendamt erkundigt und den Antrag auf eine Erziehungshilfeschule<br />
eingereicht.“ Das Jugendamt empfiehlt<br />
die Schule für Erziehungshilfe der Diakonischen Jugend-<br />
hilfe Heilbronn in Kleingartach. Sind die Eltern einverstanden,<br />
wird in so einem Fall gemeinsam mit dem<br />
zuständigen Sozialarbeiter des Jugendamtes und Mitarbeitern<br />
der Diakonischen Jugendhilfe Heilbronn e. V. ein<br />
Hilfeplan erarbeitet. Dieser enthält alle Erziehungsbereiche,<br />
in denen gehandelt werden muss, die Verteilung<br />
der Leistungen und Aufgaben und die Ziele. Die finanzielle<br />
Absicherung der Hilfe regelt das Jugendamt.<br />
Anschließend wird im Erziehungsplan geregelt, in<br />
welchem Zeitraum das Kind vorerst betreut werden soll.<br />
Dieser Plan ist gleichzeitig eine Art Entwicklungsbericht,<br />
denn er belegt, inwiefern die geleistete Hilfe und die<br />
eingesetzten Mittel zum Erreichen der Ziele beigetragen<br />
haben. Dadurch ist das Jugendamt über die Fortschritte<br />
immer informiert. „Etwa jedes halbe Jahr haben wir uns<br />
mit allen zusammengesetzt, um die Besserung seines<br />
Sozialverhaltens zu analysieren“, erklärt Frau V.<br />
Max wagt einen Neuanfang an der Schule für Erziehungshilfe<br />
in Kleingartach. Neben dem normalen Unterricht<br />
erhält er in der Nachmittagsbetreuung sechs<br />
Stunden in der Woche heilpädagogische Förderung.<br />
„Er sollte dort mehr Selbstvertrauen bekommen und<br />
insgesamt einfach offener werden“, meint seine Mutter.<br />
„Etwas Besseres als diese Schule für Erziehungshilfe<br />
findet man nicht.“ Bei kleinen Klassen mit zehn Schülern<br />
gibt es eine sehr intensive Betreuung durch Fachkräfte.<br />
Neben der Betreuung sei auch das Feedback der Lehrer<br />
an die Eltern hervorragend gewesen. Max habe jeden<br />
Tag ein Tagebuch mit Hausaufgaben ausfüllen müssen.<br />
Lehrer und Eltern konnten neben das Hausaufgabenfeld<br />
Bemerkungen eintragen. „So war ein viel engeres<br />
Verhältnis zwischen Lehrkräften und Eltern möglich.“<br />
Max selbst habe die Umstellung gefallen. „Er hat Leuten<br />
von früher immer gesagt, dass er jetzt auf eine Privatschule<br />
geht“, schmunzelt Frau V. Negative Seiten hatte
Bericht einer Mutter Arbeitsbereich 1 15<br />
der Schulwechsel aber auch: „Da hier nur verhaltensauffällige<br />
Schüler im Unterricht sind, ist die Lautstärke unglaublich hoch.<br />
Als Max die erste Woche in einer normalen Schule war, kam er<br />
nach dem Unterricht heim und meinte: „Mama, du glaubst gar<br />
nicht, dass die 120 Schüler in Kleingartach lauter waren, als<br />
die 800 Schüler hier.“<br />
Nach einiger Zeit in der Schule für Erziehungshilfe soll Max für<br />
eine genauere Untersuchung acht Wochen in die Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie. „Der Aufenthalt dort hat ihn weitergebracht.<br />
Ihm wurde dort ein Medikament verschrieben, das<br />
ihm sehr dabei hilft seine Aggressionen zu zügeln und Ängste<br />
abzubauen.“ Allerdings hätten die Eltern lange mit sich gerungen,<br />
ob sie ihm das Medikament geben sollten. „Zudeckeln<br />
und das Kind damit ruhig stellen kam für mich nie in Frage“,<br />
meint seine Mutter. Letztlich sei es aber das Beste für ihn<br />
gewesen. „Natürlich gab es auch Nebenwirkungen, er klagte<br />
anfangs über Appetitlosigkeit und hatte Schlafstörungen, aber<br />
zum Glück hat sich das nach einiger Zeit gebessert.“ Max sei<br />
zu ihr gekommen und habe gemeint: „Mama, du wirst wieder<br />
den anderen Max kennenlernen.“ Durch die medikamentöse<br />
Behandlung habe er sich jetzt besser unter Kontrolle:<br />
„Er hat gelernt, mit Schwierigkeiten besser umzugehen.<br />
In Situationen, in denen er früher weggelaufen wäre, bleibt<br />
er jetzt ruhiger.“<br />
„Er hat sich sehr gefreut, wieder auf eine<br />
normale Schule gehen zu können.“<br />
Schritt für Schritt habe sich sein Verhalten danach gebessert.<br />
Seinen eigenen Fortschritt konnte Max am schuleigenen<br />
Punktesystem mit drei Stufen Rot, Gelb und Grün verfolgen.<br />
„Damit wird festgehalten, wie weit sich der Schüler in seinem<br />
Sozialverhalten entwickelt hat“, meint Frau V. Langsam habe<br />
er sich nach vorn gearbeitet, bis er dann endlich im grünen<br />
Bereich gewesen sei. „Danach durfte er in einer normalen<br />
Realschule hospitieren, was eine tolle Belohnung für seine<br />
Mühen war. Er hat sich sehr gefreut, wieder auf eine normale<br />
Schule gehen zu können.“ Schweren Herzens habe man sich<br />
von der guten Betreuung der Schule für Erziehungshilfe verabschiedet.<br />
Für die Zukunft von Max sei eine normale Schule<br />
einfach besser gewesen. „Der Leistungsdruck in unserer<br />
Gesellschaft ist immer da und Erziehungshilfeschulen sind<br />
nicht anerkannt“, bedauert seine Mutter.<br />
Seit dem zweiten Halbjahr des Schuljahres <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong> geht<br />
Max nun auf eine normale Realschule. „Mittlerweile hat er<br />
Freunde an der Schule gefunden und kommt auch mit dem<br />
Lernstoff ganz gut klar. Er hat nur noch Probleme in Englisch.“<br />
Seine Medikamente nehme er weiterhin, denn die Umstellung<br />
von der Schule in Kleingartach auf die Realschule sei nicht<br />
einfach gewesen. „Er hat jetzt sehr viel mehr Lernstress, der<br />
Lernstoff ist ganz anders aufgebaut. Außerdem ist die Umstellung<br />
von einer kleinen Klasse mit nur zehn Schülern auf eine<br />
große Klasse mit 30 Schülern sehr schwierig gewesen. Eigentlich<br />
wäre er in die sechste Klasse gekommen, aber wir fanden<br />
es für seine Eingewöhnung besser, wenn er das zweite Halbjahr<br />
in der fünften Klasse noch einmal macht.“ Trotz aller<br />
Widrigkeiten habe Max die Umstellung super gemeistert. Auch<br />
für seinen späteren Berufswunsch habe er schon erste Ideen.<br />
„Max will schon seit langem Architekt werden. Er weiß auch,<br />
dass er dafür Abitur machen muss und glaubt, dass er das<br />
schaffen kann.“ Komplett ist bei Familie V. aber noch keine<br />
Normalität eingekehrt. „Max hat für sich festgestellt, dass er<br />
anders ist als die anderen. Unser größter Wunsch ist, dass er<br />
das nicht mehr denken muss. Wir wollen ihm den Schritt<br />
zurück in ein normales Leben ermöglichen. Wenn er älter ist,<br />
soll er zurückblicken und das Ganze als einen Lebensabschnitt<br />
ansehen, der zum Glück vorbei ist.“<br />
Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle
16 Arbeitsbereich 1<br />
Systeme stärken,<br />
in denen die Kinder leben<br />
Interview mit Ulrich Fellmeth,<br />
Leiter der Abteilung Kinder, Jugend<br />
und Familie, und Ingrid Scholz,<br />
Referentin für Kinder- und Jugendhilfe<br />
Ist das dargestellte Beispiel typisch für viele Personen?<br />
Also haben viele Personen ähnliche Sorgen und Nöte?<br />
Ja – es gibt zunehmend mehr Kinder und Jugendliche, die<br />
Unterstützung und Hilfe brauchen. Viele bleiben unter ihren<br />
Bildungsmöglichkeiten, weil ihre sozialen Probleme nicht<br />
gelöst sind. Ziel der Hilfe ist, dass Kinder ihre Potenziale<br />
entwickeln können.<br />
Warum nimmt die Zahl zu?<br />
Die Zahl von Kindern Alleinerziehender, aus Scheidungs- und<br />
Patchworkfamilien nimmt zu. Kinder sind oft die Symptomträger<br />
der Probleme in den Familien. Gleichzeitig nimmt der<br />
Leistungs- und Anforderungsdruck durch die Gesellschaft auf<br />
die Familien zu. Vor allem im Übergangsbereich zwischen den<br />
verschiedenen Schularten – also im Alter von 8 bis 13 Jahren –<br />
lastet ein großer Druck auf den Familien.<br />
„Die <strong>Diakonie</strong> will zuerst den Eltern<br />
Sorgen abnehmen – will sie also bei der<br />
Erziehung unterstützen. Und wir wollen<br />
die Kinder stärken, damit sie ihre<br />
Ressourcen entdecken und in gesellschaftlich<br />
anerkannter Art leben können.“<br />
Wie hilft die <strong>Diakonie</strong>, damit diese Sorgen<br />
weniger werden können?<br />
Die <strong>Diakonie</strong> will zuerst den Eltern Sorgen abnehmen – will sie<br />
also bei der Erziehung unterstützen. Und wir wollen die Kinder<br />
stärken, damit sie ihre Ressourcen entdecken und in gesellschaftlich<br />
anerkannter Art leben können. Um das leisten zu<br />
können, wurden die Angebote der diakonischen Jugendhilfe<br />
immer mehr ausdifferenziert.<br />
Welche Aufgabe hat heute die Schule<br />
für Erziehungshilfen?<br />
Die Rolle hat sich grundlegend geändert. Um die Schulen ist<br />
ein Netz von ambulanten Angeboten für Kinder entstanden.<br />
Herausforderungen der heutigen Kinder- und Jugendhilfe<br />
Es gibt immer mehr Kooperationen mit Regelschulen – z. B.<br />
Außenklassen in Regelschulen oder Lehrer aus der Schule<br />
für Erziehungshilfen sind als Berater in Regelschulen tätig.<br />
Teilweise haben die E-Schulen 15 unterschiedliche Standorte.<br />
Nur ein kleiner Teil der Schüler geht direkt in die E-Schule.<br />
Heute sollen die Kinder nicht isoliert werden, sondern solange<br />
wie möglich in den Regelschulen bleiben und sobald als<br />
möglich wieder dorthin zurückkehren. Einmal E-Schule, immer<br />
E-Schule gilt heute nicht mehr. Diese Schulen sind nur noch<br />
für Schüler da, die im Moment ganz besonderen Förder-<br />
bedarf haben.<br />
Jugendhilfe – Partner für Eltern,<br />
ist das die heutige Aufgabe von Kinder- und Jugendhilfe?<br />
Und was bedeutet dies?<br />
Heute geht es in der Kinder- und Jugendhilfe darum, Eltern<br />
zu stärken in ihrer Erziehungskompetenz. Das ist am besten<br />
ablesbar an dem Siegeszug der Sozialpädagogischen Familienhilfe,<br />
die ganze Familiensysteme unterstützt und direkt in<br />
der Familie arbeitet. Die Hilfe setzt immer früher an – es gibt<br />
immer mehr Beratungsangebote für Eltern, damit sie gar nicht<br />
erst Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen müssen.<br />
Wenn Familien Ressourcen haben, dann werden diese genutzt<br />
und unterstützt. Es hat sich also die Aufgabe der Jugendhilfe<br />
geändert: Es geht um Erziehungs- und Bildungspartnerschaft.<br />
Eltern, Kinder, Lehrer und Profis der Jugendhilfe haben<br />
gemeinsam die Verantwortung für die Erziehung.<br />
Wie hat sich also die Kinder- und Jugendhilfe<br />
in den letzten Jahren verändert?<br />
Kinder- und Jugendhilfe (KJH) geht dahin, wo sich Kinder<br />
und Familien aufhalten. Sie stärkt die Systeme, in denen<br />
Kinder leben, also nicht nur Eltern, sondern auch Großeltern,<br />
Tanten und andere Bezugspersonen. Stationäre Angebote<br />
haben dabei nach wie vor ihre Berechtigung. Denn sie machen<br />
Kinder und Eltern fit, damit sie wieder miteinander zurecht<br />
kommen. KJH ist also verantwortlich, damit das Aufwachsen<br />
der Kinder in unserer Gesellschaft gelingt. Deshalb gibt es<br />
einen ganzen Strauß von Hilfemöglichkeiten. Da wo wir als<br />
Profis gebraucht werden, sind wir da – auch in der Jugendarbeit.<br />
Erziehungshilfe ist ein Kernangebot, aber bei Weitem<br />
nicht mehr das einzige der KJH.<br />
Welche Rolle hat dabei die diakonische<br />
Jugendhilfe gespielt?<br />
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die diakonische<br />
Jugendhilfe in <strong>Württemberg</strong> der Motor für diese Entwicklung<br />
war und ist. Sie hat immer auf gesellschaftliche Entwicklungen
Herausforderungen der heutigen Kinder- und Jugendhilfe Arbeitsbereich 1 17<br />
reagiert und diese in Konzepte umgesetzt. Früher gab es klassischerweise<br />
vier Angebote in der KJH: Heim, Kindergarten,<br />
Jugendarbeit, Schule. Heute gibt es rund 120 verschiedenen<br />
Angebotsformen.<br />
Sind die Veränderungen nur positiv?<br />
Oder welche Probleme gibt es dabei?<br />
Sie sind in vielen Bereichen positiv – weil sich die Hilfe an dem<br />
orientiert, was Kinder und Eltern vom Gemeinwesen brauchen.<br />
Allerdings wird die Frage der Finanzierung immer schwieriger.<br />
Die Kostenträger – also Kommunen und Landkreise – sind oft<br />
nicht bereit, die anfallenden Kosten voll zu decken. Da wir in<br />
der <strong>Diakonie</strong> „Überzeugungstäter“ sind, führen diakonische<br />
Träger manche Angebote, die sinnvoll und wichtig für Kinder<br />
und/oder Eltern sind, durch, obwohl sie nicht auskömmlich<br />
finanziert sind. Die Restmittel versucht man dann, durch<br />
Spenden, Fonds, Kirche oder <strong>Diakonie</strong> zu bekommen.<br />
Was sind die Folgen für hilfesuchende Kinder und Eltern?<br />
Wegen der mangelnden Finanzierung bekommen Kinder und<br />
Eltern oft nicht die Hilfe, die sie brauchen. So orientiert sich<br />
z. B. die Einsatzzeit von sozialpädagogischer Familienhilfe<br />
weniger am Bedarf als an dem, was von den Kostenträgern<br />
finanziert wird. 10 bis 12 Monate reichen eben oft nicht aus.<br />
Oder ein anderes Beispiel ist die Heimerziehung: Oft kommen<br />
Kinder viel zu spät ins Heim oder bleiben dort nur kurze Zeit –<br />
derzeit liegt die durchschnittliche Verweildauer im Heim bei<br />
eineinhalb Jahren. Das reicht nicht aus, die Kinder für die<br />
Zeit nach dem Heim zu stärken. Die Folge ist, dass sie oft<br />
zwischen Heim und Psychiatrie hin und her pendeln. Die<br />
Folgekosten sind also langfristig höher. Und genauso problematisch<br />
ist das Hin- und Herschieben zwischen den Systemen:<br />
Oft werden Jugendliche mit 17 Jahren in das Sozialhilfesystem<br />
geschoben und können dann nicht mehr pädagogisch<br />
ausreichend gefördert werden.<br />
Was bedeutet dies für die Träger?<br />
Mit welchen Schwierigkeiten haben sie heute zu kämpfen?<br />
Sie können oft nicht ein fachlich ganzheitliches Angebot<br />
machen. Ein Beispiel ist das betreute Jugendwohnen. Es ist<br />
kostengünstiger als ein Heim und für junge Menschen oft die<br />
bessere Lebensform. Früher hat der Träger die Kosten für<br />
Wohnung, Unterhalt und Betreuung von einem Kostenträger<br />
bekommen. Heute – nach Einführung von Hartz IV – bekommt<br />
der Träger noch die Kosten für die Betreuung. Alle anderen<br />
Kosten müssen die Jugendlichen mit Unterstützung der Träger<br />
bei verschiedenen Ämtern beantragen. Es wird also nicht<br />
gefragt, was ist sinnvoll, sondern, wer muss für die Kosten<br />
aufkommen. Die Träger müssen also heute viel mehr Einsatz<br />
bringen, um kostendeckend arbeiten zu können. Und der<br />
Anteil der Drittmittelfinanzierung wie Stiftungen und Fonds<br />
hat stark zugenommen.<br />
Wie unterstützt die Landeszentrale die Träger<br />
bei der Bewältigung der Probleme?<br />
Sie berät bei der Beschaffung von Geld durch Fonds oder<br />
Soziallotterien. Sie unterstützt Träger bei der Umsetzung von<br />
guten Ideen – also von der Idee zum Projekt. Sie begleitet<br />
und unterstützt bei Leistungs- und Entgeltverhandlungen.<br />
Wir stehen mit all unseren Trägern im ständigen Kontakt und<br />
können so Entwicklungsprozesse begleiten. Und wir vertreten<br />
das Thema KJH auf allen politischen Ebenen. Es gibt kein<br />
Gremium der KJH in Baden-<strong>Württemberg</strong>, in dem die <strong>Diakonie</strong><br />
nicht vertreten ist.<br />
Was muss sich noch (sozialpolitisch) ändern?<br />
Dringend notwendig ist, dass die Kinderrechte gestärkt<br />
werden. Das bedeutet, dass über die Rechte auf allen<br />
Ebenen informiert wird und dass es in allen Einrichtungen ein<br />
Beschwerdemanagement gibt. Wir sind gerade dabei zu überlegen,<br />
ob nicht regionale Ombudsstellen eingerichtet werden<br />
können, in denen sich Kinder und Eltern informieren und<br />
beschweren können. Es braucht eigenständige, unabhängige<br />
Instanzen, die die Rechte von Kindern besser gewährleisten.<br />
Und wir müssen in der Gesellschaft erreichen, dass der<br />
Anspruch „Kinder- und Familienfreundlichkeit“ für alle gilt,<br />
auch für Eltern und Kinder, die Unterstützung brauchen.<br />
Das geht nicht ohne Geld.<br />
Das Interview führten Peter Ruf und Markus Zeile
18 Arbeitsbereich 2<br />
Arbeitsbereich 2:<br />
Arbeitslosenhilfe<br />
Reportage aus der Arbeit eines <strong>Diakonie</strong>ladens<br />
Interview zu den Herausforderungen<br />
der Arbeitslosenhilfe heute<br />
Arbeitslosenhilfe
„Das einzig Konstante bei<br />
uns ist: Alles ändert sich“<br />
Hilfe mit Rat und Tat<br />
Esin Cebe packt den letzten Teller ein und reicht ihn<br />
dem Kunden, samt dem Kassenbon. „Einen schönen<br />
Tag noch!“, wünscht sie freundlich. Schon wartet der<br />
nächste Kunde auf sie, der aber nur eine Frage zum<br />
Warensortiment hat. Aus der Frage entwickelt sich ein<br />
langes Gespräch über seine aktuellen Probleme mit<br />
dem Arbeitsamt. Esin Cebe nimmt sich die Zeit um ihm<br />
geduldig zuzuhören und zu helfen. Eine Eigenschaft,<br />
die unverzichtbar für die Mitarbeiterinnen und Mitar-<br />
beiter des <strong>Diakonie</strong>ladens Nürtingen ist, wie die Leiterin<br />
Monika Moll bestätigt: „Unsere Kunden wollen oft<br />
auch einfach nur mit den Mitarbeitern über ihre<br />
Probleme sprechen.“<br />
In bester Lage unweit des Nürtinger Bahnhofs befindet<br />
sich der <strong>Diakonie</strong>laden. Für Menschen mit schmalem<br />
Geldbeutel sind auf einer großen und hellen Verkaufsfläche<br />
preiswerte, gebrauchte und gut erhaltene Waren<br />
ausgestellt. Sofas stehen neben Betten, Schränke, die<br />
wie neu aussehen und eine Vielzahl an Kleidungsstükken<br />
warten auf einen neuen Besitzer. Das Geschäft in<br />
der Plochinger Straße ist einer von sechs <strong>Diakonie</strong>läden<br />
im Landkreis Esslingen. Etwa 40 Personen arbeiten dort.<br />
„Wir haben neben den festen Mitarbeitern elf Menschen,<br />
die bei uns im Rahmen einer vom Arbeitsamt vermittelten<br />
Arbeitsgelegenheit tätig sind. Daneben gibt es noch<br />
15 Ehrenamtliche, eine FSJ-Stelle, eine Azubistelle und<br />
viele Schülerpraktikanten“, erklärt die Leiterin Monika<br />
Moll. Deshalb sei die Fluktuation beim Personal recht<br />
hoch. „Das einzig Konstante bei uns ist: Alles ändert<br />
sich“, lacht sie. Der ständige Wechsel sei sehr an-<br />
strengend für die Mitarbeitenden, die deshalb oft neue<br />
Arbeitskräfte einarbeiten müssen. Im Rahmen der vom<br />
Arbeitsamt vermittelten Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-<br />
Jobs) können Arbeitslose sechs Monate im Laden arbeiten.<br />
In manchen Fällen ist eine Verlängerung auf neun<br />
Monate möglich. „Durch die Arbeitsgelegenheit sollen<br />
die Arbeitslosen wieder für den Arbeitsmarkt befähigt<br />
werden“, erklärt sie. „So bekommen sie wieder eine<br />
Struktur in ihren Alltag.“ Außerdem sei ein Job dieser<br />
Art sehr wichtig für das eigene Selbstwertgefühl. Neben<br />
dem Einlernen im Verkauf und in der Aussortierung und<br />
Abholung von gespendeten Waren erhalten die Arbeitslosen<br />
eine intensive Beratung in der Diakonischen<br />
Bezirksstelle Nürtingen. „Beim Bewerbungstraining<br />
werden Bewerbungen geübt und gemeinsam mit<br />
den Ehrenamtlichen im Jobcafé nach Jobs gesucht“,<br />
meint Monika Moll.<br />
Die 42-Jährige Esin Cebe war früher selbst im Rahmen<br />
einer Arbeitsgelegenheit im <strong>Diakonie</strong>laden tätig. Angefangen<br />
hatte dort alles mit einem 14-tägigen Praktikum<br />
im Juli 2010. Dabei zeigte sich, dass ihr die Arbeit im<br />
Verkauf liegt. „Ich arbeite sehr gern mit Menschen<br />
zusammen und für Menschen“, sagt Esin Cebe. Sie ist<br />
Mutter von vier Kindern, von denen das jüngste erst<br />
sechs Jahre, das älteste bereits 22 Jahre alt ist. Die<br />
gebürtige Türkin kam mit drei Jahren nach Deutschland.<br />
Als Alleinerziehende fühlte sie sich oft im Ämterdschungel<br />
der deutschen Bürokratie verloren. Während ihrer<br />
Arbeitsgelegenheit im <strong>Diakonie</strong>laden fand sie Hilfe in der<br />
Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen. Am Anfang hätte<br />
es noch Überwindung gekostet, sich und die eigenen<br />
Probleme vorzustellen. „Wenn es mir nicht geholfen<br />
hätte, wäre ich nicht wiedergekommen“, meint sie.<br />
„Das Wichtigste ist, dass wir eine Beziehung zu den
20 Arbeitsbereich 2<br />
Menschen aufbauen“, sagt Elke Woicke, Sozialpädagogin von<br />
der Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen. „Auf der einen Seite<br />
geht es um die finanzielle Hilfe, denn hier ist oft die Budgetplanung<br />
das Problem. Wir fragen nach, wofür das Geld monatlich<br />
ausgegeben wird und beraten.“ Esin Cebe hat die Beratung<br />
sehr geholfen: „Die Gespräche mit der Beraterin sind mir<br />
richtig ans Herz gewachsen. Alleine ist es sehr schwierig mit<br />
Ämtern wegen dem Wohnungs- und Kindergeld klar zu<br />
kommen, weil es dort immer kompliziert zugeht.“ Ziel der<br />
Diakonischen Bezirksstelle sei aber, nicht zu weit ins Leben<br />
der Betroffenen eingreifen. „Unser Ansatz ist immer die Hilfe<br />
zur Selbsthilfe“, betont Elke Woicke. „Wir übernehmen zum<br />
Beispiel aber oft Telefonanrufe beim Arbeitsamt für die Betroffenen.<br />
Wenn eine unserer Beraterinnen dort anruft und sich<br />
erkundigt, klärt sich manches und die Betroffene erhält schnell<br />
Hilfe.“ Parallel dazu arbeiten arbeitssuchende Mitarbeiter im<br />
<strong>Diakonie</strong>laden. Esin Cebe hat es dort so gut gefallen, dass sie<br />
seit dem Ablauf ihrer Arbeitsgelegenheit dort als Ehrenamtliche<br />
arbeitet. „Wenn ich hierher komme, kann ich abschalten<br />
und meine Probleme vergessen“, meint sie. „Sobald ich hier<br />
aber rausgehe, habe ich bei jedem Gang zum Briefkasten<br />
Angst, ob nicht schon wieder etwas von den Behörden drin<br />
sein könnte.“<br />
Viele Kunden kämen in erster Linie in den Laden, um Gespräche<br />
zu führen. „Die Kunden haben das Bedürfnis über ihre<br />
Probleme zu reden und trauen sich mit mir offen zu sprechen,<br />
weil ich in einer ähnlichen Lage war“, sagt Esin Cebe. „Ich<br />
kann ihnen meistens auch schnell weiterhelfen und zum<br />
Beispiel ein Gespräch mit Elke Woicke von der Beratungsstelle<br />
empfehlen, weil mir das selbst schon sehr geholfen hat. Es<br />
freut mich, dass ich hier für andere Menschen etwas Gutes tun<br />
kann.“ Der Job als Verkäuferin im Laden trägt zur Steigerung<br />
des Selbstwertgefühls bei. „Das Lob der Kunden tut mir<br />
unglaublich gut“, bestätigt Esin Cebe.<br />
Auch die Verkäuferin Renate Matus findet die Arbeit im Laden<br />
bereichernd. Vor sechs Jahren ging die 56-Jährige das erste<br />
Mal zur Beratung der Diakonischen Bezirksstelle Nürtingen.<br />
Seit 1 ½ Jahren ist sie ehrenamtlich im <strong>Diakonie</strong>laden tätig. Esin Cebe<br />
Reportage aus der Arbeit eines <strong>Diakonie</strong>ladens<br />
„Momentan bin ich immer noch arbeitssuchend, aber bevor<br />
ich daheim rumsitze, arbeite ich lieber hier etwas Sinnvolles“,<br />
meint die alleinerziehende Mutter von sechs Kindern im Alter<br />
zwischen 15 und 35 Jahren. „Es ist einfach hilfreich, wenn man<br />
durch die Arbeit eine Konstante im Tagesablauf hat.“ An der<br />
Arbeit findet sie vor allem der Umgang mit den Kollegen toll.<br />
„Ich brauche einfach Menschen um mich rum.“ Persönlichen<br />
Kontakt gebe es allerdings auch häufig mit den Kunden. „Viele<br />
unserer Kunden kommen regelmäßig her, weil sie Ansprache<br />
brauchen“, meint sie. „Schon als ich selbst zum ersten Mal<br />
hier war, hat mir die freundliche Atmosphäre im Laden von<br />
Anfang an gefallen. Da entstehen schnell Gespräche.“ Im<br />
Rahmen ihrer Tätigkeit im Laden sortiert sie zum Beispiel neu<br />
angekommene Waren aus, legt den Verkaufspreis fest und<br />
zeichnet sie aus. Die Kunden könnten im Laden vergessen,<br />
dass sie nur wenig Geld haben. „Es ist wichtig, dass man<br />
hier ganz normal einkaufen kann“, meint Renate Matus.<br />
„Deshalb ist es gut, dass man die Sachen zwar zu einem<br />
günstigen Preis bekommt, sie aber trotzdem nicht kostenlos<br />
sind. Man merkt wie arm man dran ist, wenn man Waren<br />
umsonst bekommt.“<br />
Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle
Herausforderungen der Arbeitslosenhilfe heute Arbeitsbereich 2 21<br />
„Sie werden von der<br />
Gesellschaft ausgeschlossen“<br />
Interview mit Martin Maier, Leiter der Abteilung<br />
Integration und Existenzsicherung, und<br />
Klaus Kittler, Referent für Arbeitslosenhilfe<br />
In der Reportage sind Langzeitarbeitslose ehrenamtlich<br />
tätig – ist das üblich?<br />
Es ist nicht üblich, aber es wird immer häufiger. Denn Arbeitslose<br />
wollen unbedingt tätig sein – selbst wenn sie dafür keinen<br />
Lohn bekommen.<br />
Was sind die Gründe, dass sich immer mehr<br />
ehrenamtlich engagieren?<br />
Es gibt immer weniger Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose.<br />
Sie werden im Jobcenter als „Bezahlkunden“ angesehen –<br />
das heißt: Für diese Personen muss nur der Unterhalt bezahlt<br />
werden, es gibt aber keine aktiven Hilfen und keine Perspektive<br />
für diese Personen.<br />
Was bedeutet dies für Langzeitarbeitslose?<br />
Sie werden von der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Gesellschaft<br />
– in diesem Fall repräsentiert von der Bundesagentur<br />
für Arbeit – hat diese Menschen abgeschrieben. Man gibt<br />
ihnen keine Chance mehr, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren,<br />
für sie wird kein Aufwand mehr betrieben. Es wird weder<br />
versucht, sie an den Arbeitsmarkt heranzuführen, noch wird<br />
ihnen durch Sondermaßnahmen wie z. B. einen öffentlich<br />
geförderten Arbeitsmarkt Teilhabe ermöglicht.<br />
Stimmt also das Vorurteil nicht, dass Langzeitarbeitslose<br />
nicht arbeiten wollen?<br />
Dieses Vorurteil hat noch nie gestimmt. Das Beispiel mit dem<br />
Ehrenamt zeigt ja: Sie wollen unbedingt arbeiten, sie wollen<br />
und brauchen eine Beschäftigungsstruktur. Natürlich gibt es<br />
auch einige wenige Personen, die sich dem Arbeitsmarkt<br />
entziehen wollen, aber meistens sind das Menschen, die sich<br />
aufgegeben haben, weil sie keine Chancen mehr sehen. Abgesehen<br />
davon gibt es schwarze Schafe in allen sozialen Bereichen,<br />
man denke nur an Steuerhinterziehung.<br />
Was können angesichts dieser Tatsache diakonische<br />
Arbeitslosenhilfeträger noch leisten?<br />
Sie versuchen alles, um noch wenigstens einige Angebote für<br />
Langzeitarbeitlose zu ermöglichen. Denn das Markenzeichen<br />
diakonischer Arbeitslosenhilfe war und ist Beschäftigung mit<br />
gleichzeitiger psychosozialer Begleitung – wie ja auch die<br />
Reportage zeigt. Aber das wird immer schwieriger. Die Eingliederungsmittel<br />
für Langzeitarbeitslose wurden in den letzten<br />
beiden Jahren um 40 Prozent gekürzt – weitere Kürzungen<br />
sind 2013 geplant. Letztendlich sollen nur noch kurzfristige<br />
Aktivierungs-Maßnahmen für leicht am ersten Arbeitsmarkt<br />
wieder vermittelbare Personen angeboten werden. Das hilft<br />
Langzeitarbeitslosen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen<br />
nicht weiter. Der Bereich der langfristigen Beschäftigung<br />
auf dem zweiten Arbeitsmarkt wird zunehmend eingestellt.<br />
Die Bundespolitik wünscht keine öffentlich geförderte<br />
Beschäftigung. Und die kurzfristigen Aktivierungsmaßnahmen<br />
werden öffentlich ausgeschrieben – da können unsere Mitglieder<br />
mit ihren tarifgebunden Löhnen nicht mehr mithalten.<br />
Haben sich eventuell die Beschäftigungsunternehmen<br />
erübrigt, weil es immer weniger Arbeitslose gibt?<br />
Die Zahl der Langzeitarbeitslosen nimmt nur wenig ab –<br />
jeder dritte Arbeitslose ist langzeitarbeitslos. Und ungefähr<br />
60 Prozent der Arbeitslosen leben von Hartz IV, weil sie immer<br />
nur kurzfristige Beschäftigungen oder Minijobs finden. In<br />
Deutschland leben rund 400.000 bis 800.000 Personen, die<br />
auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind und eine<br />
öffentlich geförderte Beschäftigung brauchen. Für die fühlt<br />
sich offensichtlich die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr<br />
zuständig. Diakonische Träger bieten für diese Menschen aber<br />
dennoch, wenn es finanzierbar ist, sinnstiftende Tätigkeiten an.<br />
Wenn die Förderung so zurückgeht – welche Folgen hat<br />
das für die Beschäftigungsunternehmen?<br />
Ihre wirtschaftliche Situation wird immer schwieriger. Haben<br />
diese früher ihre Angebote zu 70 bis 80 Prozent aus öffentlichen<br />
Zuschüssen finanziert und 20 bis 30 Prozent selbst auf<br />
dem Markt erwirtschaftet, so hat sich das heute ins genaue<br />
Gegenteil verkehrt: Nun müssen sie 70 bis 80 Prozent erwirtschaften.<br />
Sie richten deshalb immer häufiger Integrationsbetriebe<br />
für Menschen mit Behinderungen ein. Oder sie gründen<br />
Tochterunternehmen, die privatwirtschaftlich aktiv werden wie<br />
Zeitarbeitsfirmen etc. Mit den Einnahmen dieser nichtdiakonischen<br />
Töchter subventionieren sie dann die diakonische Arbeit<br />
für Langzeitarbeitslose. Die Konsequenz ist, dass die Betriebe<br />
ihren Schwerpunkt verlagern und nicht mehr als reines<br />
Beschäftigungsunternehmen fungieren.<br />
Wie setzt sich die <strong>Diakonie</strong> für Langzeitarbeitslose ein?<br />
Die <strong>Diakonie</strong> als fachlich gut aufgestellter Wohlfahrtsverband<br />
versucht konstruktiv Einfluss auf die Politik zu nehmen. Dazu<br />
bringen wir konkrete Vorschläge ein. Wir brauchen einen
22 Arbeitsbereich 2<br />
öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, der am normalen Markt<br />
tätig werden kann. Es nützt Langzeitarbeitlosen nicht, wenn<br />
sie mit sinnlosen Tätigkeiten beschäftigt werden. Die <strong>Diakonie</strong><br />
hat dafür ein Finanzierungsmodell vorgelegt – den Passiv-<br />
Aktiv-Transfer (PAT): Statt für die Alimentierung werden die<br />
passiven Mittel für Arbeitslosengeld II und Unterkunft zur<br />
Finanzierung von Arbeit eingesetzt. Und letztendlich konnten<br />
wir nachweisen, dass die Finanzierung von Arbeit durch<br />
passive Mittel nicht viel teurer sein wird, als Arbeitslose zu<br />
alimentieren. Es kann auch sofort mit einem bundesweiten<br />
öffentlich geförderten Arbeitsmarkt begonnen werden, ohne<br />
dass zusätzliche Mittel eingesetzt werden müssen.<br />
Was konnte bisher erreicht werden?<br />
Das PAT-Modell wird von immer mehr Politikern verstanden<br />
und unterstützt. Nordrhein-Westfalen und Baden-<strong>Württemberg</strong><br />
wollen eine Bundesratsinitiative zur Einführung des<br />
PAT-Modells starten. Und in Baden-<strong>Württemberg</strong> gibt es nach<br />
zehn Jahren endlich wieder ein Landesarbeitsmarktprogramm,<br />
das modellartig das PAT-Modell umsetzt.<br />
Wie kann die <strong>Diakonie</strong> für die Träger der Arbeitslosenhilfe<br />
tun und was hat sie erreicht?<br />
Wir haben vor allem erreicht, dass alle Verbände in Baden-<br />
<strong>Württemberg</strong> bei diesem Thema politisch an einem Strang<br />
ziehen und sich inhaltlich und politisch koordinieren. Das ist<br />
eine wichtige Grundlage, damit die Träger ihr profundes wirtschaftliches<br />
Know-how einsetzen können. Wir haben das<br />
neue Landesarbeitsmarktprogramm, zu dem wir wesentliche<br />
Anregungen gegeben haben, von dem auch unsere Träger<br />
profitieren werden. Und innerverbandlich arbeiten alle Ebenen<br />
zusammen, um die Zukunft der diakonischen Arbeitslosenhilfe<br />
zu ermöglichen.<br />
Wie lange kann unter diesen Bedingungen die <strong>Diakonie</strong><br />
noch Hilfen für Langzeitarbeitslose bieten?<br />
Hoffentlich noch lange. Denn ohne die diakonische Arbeitslosenhilfe<br />
würde es kaum noch Organisationen geben, die sich<br />
für die Belange der Langzeitarbeitslosen und für eine Teilhabe<br />
dieser Menschen durch einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt<br />
einsetzen. Fachlich sind unsere Träger sehr gut aufgestellt.<br />
Viele haben auch hervorragende Produkte und Projekte,<br />
haben sogar feste Finanzierungszusagen durch Öffentliche<br />
Hand und Mittel des Europäischen Sozialfonds. Aber sie<br />
bekommen Liquiditätsprobleme, da sich die Auszahlung der<br />
zugesagten Mittel oft verzögert und Banken bei der Kreditvergabe<br />
für die unumgängliche Vorfinanzierung immer vorsichtiger<br />
werden. Das ist eigentlich unverständlich.<br />
Was müsste sich ändern?<br />
Eigentlich müsste die Frage lauten: Was kann bleiben wie<br />
bisher? Und darauf kann man nur antworten: fast nichts.<br />
Durch die Vergabepraxis, die Ausschreibungen der Arbeitsmarktdienstleistungen<br />
können diakonische Träger mit ihrer<br />
Bindung an das kirchliche Arbeitsrecht kaum mehr öffentliche<br />
Aufträge akquirieren. Durch die radikalen Kürzungen der<br />
Eingliederungsmittel kann kaum mehr öffentlich geförderte,<br />
sozialversicherungspflichtige Arbeit angeboten werden. Und<br />
so weiter, und so weiter … Ändern muss sich das Bewusstsein<br />
in der Gesellschaft und in der Politik. Es muss endlich anerkannt<br />
werden, dass sich Teilhabe an der Gesellschaft vor<br />
allem durch bezahlte Beschäftigung definiert. Man kann nicht<br />
Inklusion fordern und gleichzeitig 400.000 bis 800.000<br />
Menschen von bezahlter Beschäftigung ausschließen und<br />
nur noch alimentieren wollen.<br />
Das Interview führten Peter Ruf und Markus Zeile<br />
Herausforderungen der Arbeitslosenhilfe heute
Gesundheit, Alter und Pflege Arbeitsbereich 3 23<br />
Arbeitsbereich 3:<br />
Gesundheit, Alter und Pflege<br />
Bericht über eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter<br />
noch ein Privatleben hat<br />
Interview zu den Herausforderungen<br />
der Altenhilfe heute
„Meine Mutter winkt nur<br />
den Personen, die sie mag“<br />
Pflege in den eigenen vier Wänden – auch<br />
im Alter ein Teil der Familie<br />
Die alte Dame im Rollstuhl sitzt schon seit zwei Stunden<br />
am Fenster. Sie beobachtet interessiert die Straße vor<br />
dem Haus und die fahrenden Autos. Hin und wieder<br />
winkt sie hinaus. Doch nicht bei jeder vorbeilaufenden<br />
Person hebt sie die Hand, sagt Katharina Reichert. Die<br />
81-Jährige Erna Grab sitzt nach einem Sturz und einer<br />
gebrochenen Hüfte im Rollstuhl. Doch dies ist noch<br />
nicht ihre komplette Krankheitsgeschichte. „Sie hat<br />
bereits acht Schlaganfälle erlitten, von denen drei<br />
schwer waren“, erklärt ihre Tochter Katharina Reichert.<br />
Seither ist Erna Grab halbseitig gelähmt, kann nur<br />
noch einen Arm bewegen und kaum sprechen.<br />
Die hinzugekommene Demenzkrankheit erschwerte<br />
die Situation noch.<br />
Seit eineinhalb Jahren wohnt Familie Reichert in Großaspach.<br />
„Wir haben im Oktober 2010 bei der <strong>Diakonie</strong>station<br />
angefragt und um Hilfe bei der Pflege gebeten“,<br />
meint die 36-Jährige Katharina Reichert. Als ihre Mutter<br />
im Januar <strong>2011</strong> aus der Kurzzeitpflege kommt, beginnt<br />
der Pflegeeinsatz. „Jeden Montag bekomme ich ein Fax<br />
von Frau Reichert, in dem die Woche ungefähr geplant<br />
ist“, erklärt Rosemarie Frank, Einsatzleiterin der <strong>Diakonie</strong>station<br />
Mittleres Murrtal. „Dienstags telefonieren wir<br />
dann noch einmal kurz miteinander, um zu klären,<br />
ob es irgendwelche Änderungen gibt.“ Seitdem schaut<br />
der Pflegedienst je nach Bedarf zwei- bis dreimal am<br />
Tag bei Familie Reichert vorbei. „Morgens helfen wir<br />
Frau Grab bei der Körperpflege und beim Frühstücken.“<br />
Nachdem Katharina Reichert das Frühstück vorbereitet<br />
hat, kommt der Pflegedienst. Erna Grabs Frühstücksbrot<br />
wird in handliche kleine Stücke geschnitten. Eins mit<br />
Marmelade, eins mit Wurst und eins mit Käse. Die<br />
Seniorin kann mit einer Hand ganz gut alleine essen, nur<br />
ab und zu ist Unterstützung nötig. „Manchmal vergisst<br />
sie, dass sie gerade beim Essen ist und dann muss sie<br />
an die verbliebenen Brotstücke erinnert werden“, meint<br />
Rosemarie Frank.<br />
„Auch wenn sie kaum mehr sprechen<br />
kann, so ist trotzdem noch eine Kommunikation<br />
möglich.“<br />
Wenn es die Zeit ermöglicht, steht für Erna Grab nach<br />
dem Frühstück noch Gymnastik auf dem Programm.<br />
Da sie sich nur wenig bewegt, sollen ihre motorischen<br />
Fähigkeiten so gut es geht erhalten werden. Langsam<br />
öffnet sie ihre Hände und schließt sie wieder. Konzentriert<br />
hebt und senkt sie, von Rosemarie Frank unterstützt,<br />
den Arm. Danach sind die Füße an der Reihe.<br />
Rosemarie Frank stützt ab, während Erna Grab die Füße<br />
langsam kreist. Zum Abschluss dreht sie ihren Kopf hin<br />
und her. Auch wenn sie kaum mehr sprechen kann, so<br />
ist trotzdem noch eine Kommunikation möglich. „Sie<br />
kann sehr gut ausdrücken, wenn es ihr nicht gut geht“,<br />
sagt Katharina Reichert. „Ihre Mimik ist dann total<br />
anders. Wir haben einfach ein sehr inniges Verhältnis,<br />
deshalb nehme ich das wahr.“<br />
Zusätzlich zur Pflege zuhause muss Katharina Reichert<br />
jeden Tag einen weiten Anreiseweg zu ihrer Arbeitsstelle<br />
auf sich nehmen. Die 36-Jährige arbeitet als medizinisch-technische<br />
Assistentin in einer Augenklinik in<br />
Stuttgart-Feuerbach. Jeder Tag ist bei den Reicherts<br />
deshalb gut durchgeplant. „Um kurz nach 16 Uhr kommt
Eine Familie, die trotz Pflege ihrer Mutter noch ein Privatleben hat Arbeitsbereich 3 25<br />
mein Mann nach Hause“, erklärt Katharina Reichert. „Ich<br />
komme erst gegen halb sieben oder sieben nach Hause und<br />
richte meiner Mutter dann ein Vesper hin.“ Danach bekommt<br />
Erna Grab von ihrer Tochter die Zeitung vorgelesen. Interessiert<br />
lauscht sie den Neuigkeiten des Tages. Anschließend<br />
steht gemeinsames Fernsehen auf dem Programm. Trotz ihres<br />
Alters hat sie dabei ungewöhnliche Vorlieben. „Bei Rosamunde<br />
Pilcher schläft sie immer ein“, lacht ihre Tochter. „Aber wenn<br />
ich einen Krimi oder einen Horrorfilm schaue, dann ist sie ganz<br />
angespannt bis zum Ende mit dabei.“<br />
Mit der Arbeit der <strong>Diakonie</strong>station ist Katharina Reichert sehr<br />
zufrieden: „Frau Frank hat mir noch nie gesagt, dass irgendetwas<br />
nicht geht.“ Nach Meinung von Rosemarie Frank sind<br />
hierfür aber auch die sehr guten Absprachen zwischen Familie<br />
und <strong>Diakonie</strong>station verantwortlich. „Die Pflege ist eine Sache,<br />
aber wichtig ist auch immer das Zwischenmenschliche“,<br />
ergänzt sie. Die Mitarbeiterinnen der <strong>Diakonie</strong>station gehen<br />
sehr herzlich mit Frau Grab um. Sie wird in den Arm genommen<br />
und oft gestreichelt, denn dafür muss Zeit sein. Selbst<br />
wenn niemand mehr in der Wohnung ist, ist Erna Grab nicht<br />
alleine. „Mein Neffe und meine Schwägerin wohnen über uns<br />
im Haus und schauen täglich vorbei, ob alles in Ordnung ist“,<br />
sagt Katharina Reichert.<br />
Meine Mutter hat mich selbst mit ganz viel<br />
Liebe großgezogen.<br />
Die Pflege ihrer Mutter ist für sie kein Opfer. „Für mich gehört<br />
das dazu. Meine Mutter hat mich selbst mit ganz viel Liebe<br />
großgezogen. Deshalb kam es für mich nie in Frage, dass<br />
meine Mutter anderswo leben sollte.“ Trotzdem verurteilt sie<br />
keine Familien, die ihre Eltern lieber ins Heim geben. „Diese<br />
Entscheidung muss jeder mit sich selbst ausmachen.“<br />
Rosemarie Frank nickt nachdenklich. „Ich denke, hier ist vor<br />
allem die Einstellung von Frau Reichert entscheidend“, über-<br />
Frau Reichert und Frau Grab<br />
legt sie. „Viele können oder wollen sich nicht die nötige Zeit<br />
nehmen, um ihre Angehörigen selbst zu pflegen. Hinzu kommt,<br />
dass Frau Grab eine sehr beherrschte Art hat, die diese Form<br />
der Pflege möglich macht. Sie bleibt zum Beispiel immer ruhig<br />
und fällt nicht aus dem Rollstuhl.“<br />
Die Unterstützung der <strong>Diakonie</strong>station ermöglicht Katharina<br />
Reichert trotz der Pflege ihrer Mutter noch genügend Freiraum.<br />
„Man hat trotz allem noch ein Privatleben“, meint sie.<br />
Rosemarie Frank kennt auch andere Beispiele: „Es gibt pflegende<br />
Angehörige, die sich komplett aufopfern. Frau Reichert<br />
hat zum Glück die nötige Haltung. Sie weiß, dass ihre Mutter<br />
gut versorgt ist und kann deshalb trotzdem ein eigenes Leben<br />
führen.“ Als Rosemarie Frank das Haus verlässt, wirft sie am<br />
Gartentor noch einen letzten Blick zurück. An ihrem Lieblingsplatz<br />
am Fenster sitzt Erna Grab – und winkt.<br />
Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle
26 Arbeitsbereich 3<br />
„Die Isolation ist für viele<br />
pflegende Angehörige das<br />
Schlimmste“<br />
Interview mit Johannes Kessler, Leiter der<br />
Abteilung Gesundheit, Alter und Pflege, und<br />
Christina Köster, Referentin für Pflegefragen<br />
Wie ist das Zahlenverhältnis zwischen zuhause und<br />
im Heim gepflegten alten Menschen?<br />
Statistisch erfasst werden nur diejenigen, die Leistungen<br />
von der Pflegeversicherung bekommen. Von diesen rund<br />
250.000 Menschen in Baden-<strong>Württemberg</strong> werden 70 Prozent<br />
zuhause gepflegt und 30 Prozent im Pflegeheim. Insgesamt<br />
kann man wohl sogar von einem Verhältnis von 80 zu 20<br />
ausgehen. Ein sehr großer Teil der Menschen wird sogar nur<br />
von Angehörigen, also ohne die Unterstützung durch einen<br />
Pflegedienst, zuhause gepflegt. Aber auch bei ihnen kommt<br />
halb- oder vierteljährlich die <strong>Diakonie</strong>- oder Sozialstation<br />
vorbei. Die Pflegekraft gibt zum Beispiel Tipps fürs Heben aus<br />
dem Bett oder informiert über Sturzprophylaxe, Betreuungsangebote<br />
für demenziell erkrankte Menschen, über Entlastungsangebote<br />
für pflegende Angehörige oder übers<br />
gesunde Essen und Trinken.<br />
„Ein sehr großer Teil der Menschen wird<br />
sogar nur von Angehörigen, also ohne die<br />
Unterstützung durch einen Pflegedienst,<br />
zuhause gepflegt.“<br />
Unter welchen Voraussetzungen ist die Pflege<br />
daheim möglich?<br />
Zunächst muss man sehen, ob das Krankheitsbild überhaupt<br />
eine Pflege zuhause zulässt. Entscheidend ist auch, ob die<br />
Unterstützung so organisiert werden kann, dass gegebenenfalls<br />
Pflege und Beruf miteinander vereinbart werden können.<br />
Auch räumliche Voraussetzungen spielen eine Rolle Es kann<br />
sein, dass man vom Pflegebedarf überrascht wird, zum<br />
Beispiel bei einem Schlaganfall, oder der Hilfebedarf stetig<br />
ansteigt. Ganz wichtig ist in jedem Fall, dass in der Familie<br />
die Zuständigkeiten verabredet sind.<br />
Herausforderungen der Altenhilfe heute<br />
Welche Sorgen haben pflegende Angehörige?<br />
Es ist vor allem die psychosoziale Belastung. Sie müssen<br />
24 Stunden parat stehen, können kaum weggehen und nicht in<br />
den Urlaub fahren. Die Isolation ist für viele pflegende Angehörige<br />
das Schlimmste. Wenn die Pflege über längere Zeit geht,<br />
kann auch Armut dazu kommen. Oftmals sind pflegende<br />
Angehörige selber alt und schieben eigene notwendige Klinikaufenthalte<br />
aus Sorge um den anderen vor sich her .<br />
Wie kann man ihnen Mut machen?<br />
Man muss ihnen vermitteln, dass man sich Hilfe holen darf,<br />
ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Vor allem auf dem<br />
Land, wo die soziale Kontrolle stärker ist, tun sich Familien oft<br />
schwer damit, das Auto der <strong>Diakonie</strong>station vor dem Haus<br />
stehen zu haben. Dann wissen ja die Nachbarn Bescheid.<br />
Bisher haben wir doch auch alles allein hingekriegt, heißt es in<br />
den Familien. Doch wenn die Belastung, auch die körperliche,<br />
zu hoch ist, ist es wichtig, sich Unterstützung zu holen. Das ist<br />
kein Grund, sich zu schämen. Pflegeschulungen zuhause<br />
stellen den pflegenden Angehörigen mit seinen Fragen in den<br />
Mittelpunkt, die Pflegekraft der <strong>Diakonie</strong>station gibt gesundheitsförderliche<br />
Tipps und gezielte Pflegeberatung.<br />
Wie hilft die <strong>Diakonie</strong>?<br />
Wir haben in <strong>Württemberg</strong> ein dichtes Netz von 220 diakonischen<br />
Heimen und 190 <strong>Diakonie</strong>stationen, die fachlich<br />
kompetent und mit menschlicher Zuwendung pflegebedürftige<br />
Menschen versorgen und begleiten. Es gibt auch Seminare<br />
für pflegende Angehörige, Pflegeberatung und individuelle<br />
Unterstützung am Pflegebett.<br />
Was zeichnet die <strong>Diakonie</strong> besonders aus?<br />
Das spezifisch Diakonische sind die Verknüpfungen der <strong>Diakonie</strong>stationen<br />
und Pflegeheime in die Kirchengemeinden hinein.<br />
Diese bieten eine Vielzahl weiterer Angebote: Mittagstische<br />
oder Betreuungsgruppen für demenziell Erkrankte und<br />
Besuchsgruppen im Heim. Außerdem haben wir unsere Krankenpflegefördervereine<br />
und „<strong>Diakonie</strong> plus“, die durch Spendengelder<br />
Zuwendung über die von der Pflegekasse erstattete<br />
Zeit hinaus ermöglichen. Dadurch ist es möglich, gemeinsam<br />
ein Gebet zu sprechen oder auch, einem belasteten Angehörigen<br />
zuzuhören.
Herausforderungen der Altenhilfe heute Arbeitsbereich 3 27<br />
Welche Sorgen gibt es als neuere Entwicklung<br />
in der Pflege?<br />
Wir stellen fest, dass schwerkranke Patienten sehr früh aus<br />
dem Krankenhaus ins Pflegeheim oder nach Hause entlassen<br />
werden. Besonders im Heim ist eine zügige medizinische<br />
Weiterversorgung schwierig, dort ist die ärztliche Versorgung<br />
generell immer schwieriger, weil die Ärzte nicht gerne in die<br />
Heime gehen. Auch Angehörige stellt das vor eine ganz<br />
schwierige Situation. Sorge macht den Heimen und Stationen<br />
auch, dass es schwieriger wird, qualifiziertes Personal<br />
zu finden.<br />
„Es ist doch schön, Menschen zu begleiten,<br />
damit sie auch in den letzten Jahren<br />
in Frieden leben und sterben können.“<br />
Sind es die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen,<br />
die nicht locken?<br />
Eher nicht. Im Rathaus verdienen Sie bei einer gleichwertigen<br />
Ausbildung auch nicht mehr. Und die Arbeitsbedingungen<br />
eines Kochs sind ebenfalls nicht besser.<br />
Woran liegt es dann?<br />
Altsein und Pflegebedürftigkeit werden in unserer Gesellschaft<br />
oft verdrängt. Es gibt Stimmen, die Pflegeheime für verzichtbar<br />
halten. Aber die stationäre Pflege wird es immer geben müssen.<br />
Krankenhäuser will ja auch niemand abschaffen. Das Erfüllende<br />
am Pflegeberuf müssen wir deutlicher kommunizieren.<br />
Es ist doch schön, Menschen zu begleiten, damit sie auch in<br />
den letzten Jahren in Frieden leben und sterben können. Wir<br />
können zwar kein poliertes Auto vorzeigen, aber mit guten<br />
Beziehungen Lebensqualität steigern. Das ist doch toll! Auch<br />
ist es die Kunst der Pflege, wenn man bettlägerige Menschen<br />
vor einem Dekubitus bewahren kann.<br />
Was würden Sie verändern, wenn Sie es könnten?<br />
Die Leistungen von Krankenkasse und Pflegekasse besser<br />
aufeinander abstimmen, zum Beispiel. Es herrscht in der<br />
Versorgung ein Spartendenken und es fehlt an Geld für<br />
medizinische Leistungen. Pflegekräfte müssen oft ganz<br />
schön kämpfen, um ein offenes Bein rechtzeitig verhindern<br />
zu können. Auch erschweren die modularisierten Pflegeleistungen<br />
die persönliche Zuwendung und Mobilisierung.<br />
Bei einer Pflege im Minutentakt ist Aktivierung kaum möglich.<br />
Das Interview führte Claudia Mann
28 Arbeitsbereich 4<br />
Arbeitsbereich 4:<br />
Internationale <strong>Diakonie</strong><br />
Wie abgeschobene Roma in Serbien wieder Perspektiven finden<br />
Internationale <strong>Diakonie</strong><br />
Interview über Herausforderungen der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute
„Jetzt haben wir genug<br />
zum Überleben“<br />
Die Aktion Hoffnung für Osteuropa hilft<br />
Roma-Familien in Serbien<br />
Mihajlo Markov greift nach drei leeren Plastikflaschen,<br />
schneidet flink einen langen Schlitz hinein, damit die Luft<br />
entweichen kann und wirft sie in den Metallschlund.<br />
Dann drückt er den Knopf der Maschine und mit einem<br />
lauten Krachen drückt die hydraulische Presse das<br />
Plastik zusammen. „Hier sortieren wir die Flaschen, die<br />
wir in den Straßen sammeln, nach Farben und pressen<br />
sie zu 35-Kilo-Paketen“, sagt der 26-Jährige Kosovare<br />
und zeigt auf die zahllosen Plastikflaschen, die sich am<br />
Zaun des kleinen Hofes stapeln.<br />
Als Mihajlo Markov ein kleiner Junge war, ist er mit<br />
seinen Eltern und seinen drei Brüdern aus dem Kosovo<br />
nach Deutschland geflohen. Acht Jahre lebte er in Berlin,<br />
ging zur Schule und fand Freunde. „Es war schön in<br />
Deutschland“, erzählt er mit einem traurigen Lächeln.<br />
„Als wir nach Serbien kamen, war das hart. Ohne<br />
Zuhause, ohne Arbeit, ohne Perspektive.“ Mihajlo und<br />
seine Brüder sprechen fehlerfrei Deutsch. Erst kam die<br />
Familie Markov in ein kleines Dorf in der Vojvodina. Da<br />
sie dort keine Arbeit fanden, gingen sie nach Novi Sad<br />
und begannen, Plastikflaschen zu sammeln.<br />
Mihajlos Vater, der 48-Jährige Milan Markov, der das<br />
Recyclingmaterial zu Paketen schnürt, nickt zustimmend.<br />
„Wir hatten kein Einkommen und das Geld aus<br />
dem Verkauf der Flaschen reichte vorne und hinten<br />
nicht.“ Er erzählt, wie er von der Ecumenical Humanitarian<br />
Organisation, kurz EHO, erfuhr. Die serbische Hilfsor-<br />
ganisation wird von der württembergischen diakonischen<br />
Aktion Hoffnung für Osteuropa gefördert und<br />
unterstützt Menschen wie Mihajlo und seine Familie, die<br />
als ehemalige Flüchtlinge nach Serbien zurückkehren.<br />
EHO hilft ihnen bei den zahllosen Behördengängen, um<br />
offizielle Papiere und einen Anspruch auf Sozialhilfe und<br />
Kindergeld zu bekommen. Sie beschäftigt Mentoren an<br />
Schulen, die den Migrantenkindern Serbisch beibringen<br />
und fördert die Eltern, eine Einkommensmöglichkeit<br />
zu finden.<br />
Die Markovs zählen mit den Familien der drei Brüder<br />
mittlerweile 13 Personen. Sie bekommen 150 Euro<br />
Sozialhilfe im Monat. „Das reicht nicht einmal, um die<br />
Windeln der Kinder zu bezahlen“, sagt Großvater Milan<br />
Markov. Eine Anstellung zu finden, ist praktisch unmöglich,<br />
vor allem wenn man Roma ist wie die Markovs.<br />
Schätzungsweise 80 Prozent der Roma in Novi Sad<br />
sind arbeitslos, unter den zurückgekehrten Flüchtlingen<br />
sind es 99 Prozent.<br />
Letztes Jahr erstellte Großvater Mihajlo zusammen mit<br />
den Mitarbeitern von EHO einen Businessplan. Sein Plan<br />
überzeugte und er bekam eine hydraulische Presse.<br />
Wenn er die sperrigen Plastikflaschen mit der Presse<br />
komprimiert, zahlt die Recyclingfirma aus Nis ihm einen<br />
besseren Preis. Wenn sie eine Tonne zusammen haben,<br />
holt ein LKW der Firma das Recyclingmaterial direkt an<br />
ihrer Hofeinfahrt ab. Früher ließ der LKW aus der<br />
500 Kilometer entfernten Stadt ihn oft stehen, weil<br />
sich die Abholung der sperrigen Säcke, in dem sie die<br />
Flaschen früher sammelten, nicht lohnte.<br />
Die Familie Markov arbeitet konzentriert, obwohl es<br />
heute 30 Grad warm ist in Novi Sad. „Wenn wir alle mit<br />
anpacken, können wir rund 90 Kilo Flaschen sammeln
30 Arbeitsbereich 4<br />
und pressen. Wir sind bei jedem Wetter draußen, auch bei<br />
Minus 20 Grad im Winter“, erklärt der junge Markov. Da kommt<br />
ein kleiner Junge auf einem gelben Spielzeugauto um die Ecke<br />
gefahren. Mihajlo nimmt die Hand von der Presse und hebt ihn<br />
hoch: „Das ist mein Sohn. Er ist zwei und kann anpacken wie<br />
ein Großer“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Pro Kilogramm<br />
bekommen die Markovs 35 Dinar. So verdienen sie knapp<br />
30 Euro am Tag. Das reicht, um die Grundbedürfnisse der<br />
13-köpfigen Familie zu decken.<br />
Großvater Markov wickelt die Paketschnur auf, mit der er die<br />
Bündel schnürt. Dann ruft er seinen kleinen Enkel und gibt ihm<br />
das Knäuel zum Spielen. Er setzt sich auf einen Plastikstuhl im<br />
Schatten und beobachtet seine Söhne an der Presse. „Wenn<br />
wir genug Geld zusammen haben, kaufen wir eine zweite<br />
Maschine und vergrößern“, sagt er. „Flaschen zu sammeln ist<br />
das Einzige, was wir machen konnten, als wir zurückkamen.<br />
Jetzt haben wir genug zum Überleben, aber es ist eine<br />
schwere Arbeit. Unsere Enkel sollen zur Schule gehen und<br />
lernen, damit sie einmal ein besseres Leben haben.“<br />
Mareike Erhardt, Referentin für Internationale <strong>Diakonie</strong><br />
Mihajlo Markov<br />
Herausforderungen der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute<br />
Hilfe zur Selbsthilfe<br />
als Grundsatz der Arbeit<br />
Interview mit Peter Ruf, Leiter der Abteilung<br />
Presse, Kommunikation und Internationale<br />
<strong>Diakonie</strong>, Mareike Erhardt, Referentin,<br />
und Johannes Flothow, Referent für Internationale<br />
<strong>Diakonie</strong><br />
Ist das in der Reportage dargestellte Beispiel<br />
typisch für Menschen, die durch Hoffnung für Osteuropa<br />
unterstützt werden?<br />
Ja, es ist ein gutes Beispiel. Es zeigt, dass Hoffnung für Osteuropa<br />
Projekte fördert, die Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen.<br />
In der Reportage wird sichtbar, dass ein Mensch durch Unterstützung<br />
eine Perspektive für die Zukunft entwickeln und auf<br />
eigenen Beinen stehen kann. Es ist auch deshalb beispielhaft,<br />
weil besonders benachteiligte Menschen, die Ärmsten der<br />
Armen, unterstützt werden – solche, die nicht aus eigener<br />
Kraft aus ihrer Situation herauskommen. Dazu gehören auf<br />
jeden Fall viele Roma.<br />
Sind es immer Einzelpersonen oder Familien,<br />
die unterstützt werden?<br />
Nein, jedes Projekt hat einen eigenen Zuschnitt. Es geht immer<br />
darum, Ressourcen zu stärken. Das können die einer Familie<br />
sein oder auch die eines Gemeinwesens. Eines der Projekte<br />
begleitet Sozialwaisen auf dem Weg zu einem würdevollen<br />
Leben in der Gesellschaft. Aber auch soziale Einrichtungen<br />
werden mitfinanziert.<br />
Welche Sorgen haben Menschen in Osteuropa?<br />
Die Menschen in Osteuropa haben erlebt, dass durch die<br />
Wende sozialstaatliche Strukturen weggefallen sind. Wer kein<br />
Einkommen hat, fällt unerbittlich aus notwendiger Unterstützung<br />
und damit aus dem gesellschaftlichen Leben heraus:<br />
alte und behinderte Menschen, Kinder und auch Randgruppen<br />
wie die Roma.<br />
Welche Grundsätze sind bei der Unterstützung wichtig?<br />
Die Hilfe zur Selbsthilfe ist ein solcher Grundsatz. In der<br />
Reportage ist es die Presse für Recyclingmaterial, die einer<br />
Familie zu Einnahmen verhilft. Schon kleine Dinge können viel<br />
bewirken, wenn zum Beispiel ein Zimmermann eine Säge<br />
bekommt oder Frauen eine Rührmaschine für die Kuchenproduktion<br />
erhalten. Unterstützung könnte aber auch sein, dass<br />
man Menschen hilft, einen Kredit zu bekommen, um sich
Herausforderungen der Internationalen <strong>Diakonie</strong> heute Arbeitsbereich 4 31<br />
etwas aufzubauen. Soziale Einrichtungen brauchen staatliche<br />
Mitfinanzierung, denn sie können ja nichts erwirtschaften.<br />
Deshalb finanzieren wir manche Projekte mit dem Ziel, dass<br />
staatliche Stellen langfristig in die Mitfinanzierung einsteigen,<br />
also ihre soziale Verantwortung übernehmen. Uns ist auch<br />
wichtig, nicht nur Geld, sondern auch Themen einzubringen.<br />
So sind wir gerade mit der slowakischen <strong>Diakonie</strong> im<br />
Gespräch, um das Thema Ökologie zu stärken.<br />
Wie kommen Hilfeprojekte zustande?<br />
Zu den Projekten kommen wir über das Gespräch mit Partnern<br />
vor Ort. Wir sind gut vernetzt mit den hiesigen Akteuren in<br />
Kirche und <strong>Diakonie</strong>, also dem Gustav-Adolf-Werk, der<br />
Landessynode, den Evangelischen Frauen oder dem Evangelischen<br />
Jugendwerk in <strong>Württemberg</strong>. Es bestehen sehr viele<br />
Partnerschaften, auch von Kirchenbezirken, die von Hoffnung<br />
für Osteuropa projektbezogen unterstützt werden. Durch<br />
Reisen erfahren wir auch immer wieder von Bedürfnissen und<br />
entwickeln im Gespräch die Struktur der Unterstützung.<br />
Wie kam es zur Unterstützung von Zokan Markov<br />
in Serbien?<br />
Projektpartner ist hier ja die Ecumenical Humanitarian Organisation,<br />
kurz EHO. Der Kontakt kam 2002 zustande, als Roma-<br />
Flüchtlinge aus dem Kosovo von <strong>Württemberg</strong> aus in die<br />
Vojvodina in Serbien abgeschoben wurden. Damit hatten wir<br />
ein gemeinsames Thema.<br />
Wie wird die Verwendung der Gelder überprüft?<br />
Natürlich bekommen wir Verwendungsnachweise. Aber<br />
genauso wichtig ist ein gewachsenes Vetrauensverhältnis.<br />
Partnerschaften wollen gepflegt sein. Im Regelfall haben wir<br />
kirchliche Partner, bei denen immer auch seriöse, kirchliche<br />
Strukturen und verlässliche Aufsichtsgremien vorhanden sind.<br />
Gibt es auch eine politische Dimension?<br />
Hoffnung für Osteuropa unterstützt Partner auch darin, sich<br />
politisch für Schwächere und für sozialstaatliche Strukturen<br />
einzusetzen. Durch gute Arbeit gelingt es auch, staatliche<br />
Stellen zu überzeugen. In der Slowakei und auch in Tschechien<br />
und Polen leistet der Staat nun einen finanziellen Beitrag zur<br />
Altenhilfe, weil er von der Wichtigkeit und Qualität der Arbeit<br />
überzeugt ist. Die Projektpartner vor Ort sind durch ihr jahrelanges<br />
Engagement in sozialen Arbeitsfeldern und durch ihren<br />
Austausch mit westlichen Organisationen dem Staat im sozialen<br />
Know-how voraus. Wenn die sozialen Organisationen vor<br />
Ort zu Partnern der Politik werden, entstehen sozialstaatliche<br />
Strukturen. Es greift viel zu kurz, von Europa nur als einer Wirt-<br />
schaftsunion zu sprechen. Wir brauchen vor allem auch eine<br />
Union auf sozialstaatlicher Ebene. Das ist uns als <strong>Diakonie</strong> ein<br />
wichtiges Anliegen.<br />
Was hat die <strong>Diakonie</strong> als Verband von der Aktion<br />
Hoffnung für Osteuropa?<br />
Die <strong>Diakonie</strong> hat die Aufgabe, den nahen und den fernen<br />
Nächsten zu sehen. Und: In diesen Projekten wird Europa<br />
gelebt! Wir pflegen den Austausch und haben gemeinsame<br />
Projekte. Auch arbeiten und lernen immer wieder Mitarbeitende<br />
und Freiwillige im jeweils anderen Land. Durch unsere<br />
Projekte FairCare und Europäischer Arbeitsmarkt lernen wir<br />
alle etwas über Fairness im Haus Europa.<br />
Das Interview führte Claudia Mann, Stellvertretende Pressesprecherin<br />
Kurzinfo: Seit das Diakonische Werk Deutschland die<br />
Geschäftsführung der Aktion Hoffnung für Osteuropa im<br />
vergangenen Jahr abgegeben hat, liegt die Federführung<br />
beim Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong>. Weitere 13 diakonische<br />
Landesverbände und Kirchen beteiligen sich an<br />
dieser Aktion. Sie unterstützt vor allem Menschen in der<br />
Slowakei, in Serbien, Kosovo und Rumänien.
Beispielhaft:<br />
Zentrale Themen des<br />
Verbands und der<br />
Landesgeschäftsstelle
Zentrale Themen des Verbands und der Landesgeschäftsstelle Beispielhaft 33<br />
Vom Zivi<br />
zum Bufdi<br />
Ein Jahr Bundes-<br />
freiwilligendienst<br />
Michael Rabo (links)<br />
Am 1. Juli <strong>2011</strong> um 0 Uhr begann der erste junge Mann,<br />
Michael Rabo, bei der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> seinen Bundesfreiwilligendienst.<br />
Michael: „Ich möchte pädagogische Erfahrung<br />
sammeln, das ist mir sehr wichtig.“ Später wollte Rabo<br />
an der Pädagogischen Hochschule Lehramt studieren – inzwischen<br />
hat er sein Studium begonnen. Rabo freute sich vor<br />
dem Start des Freiwilligenjahres: „Ich bin sehr gespannt<br />
darauf, die Kinder und ihre unterschiedlichen Charaktere<br />
kennenzulernen. Es werden sicher einige Überraschungen<br />
auf mich zukommen.“<br />
Nach zuerst schleppendem Beginn ist der Bundesfreiwilligendienst<br />
ein echtes Erfolgsmodell geworden. 420 weitere Bufdis<br />
sollten Michael folgen. Die <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> unterstützte<br />
das Programm des Bundesfreiwilligendienstes von Anfang an<br />
und hat die Einrichtungen gut darauf vorbereitet und sogar<br />
den Begriff „Bufdi“ eingeführt. Sie hatte von Anfang an Kritik<br />
an einigen Durchführungsbestimmungen, die immer noch<br />
nicht bereinigt sind. Jetzt müssen ihrer Meinung nach die<br />
nächsten Schritte getan und die Webfehler korrigiert werden.<br />
Da gibt es viel zu tun. Die Bürokratie muss reduziert werden,<br />
das Bildungsprogramm optimiert und allem voran soll kein<br />
Bewerber zurückgewiesen werden. Deshalb muss der Bund<br />
die finanziellen Mittel erhöhen.<br />
Von den 420 Bufdis, die in der württembergischen <strong>Diakonie</strong><br />
Ende Juni <strong>2012</strong> tätig waren, sind 70 über 27 Jahre. Rund 70<br />
Prozent der Freiwilligen sind männlichen Geschlechts, rund<br />
30 Prozent weiblich - umgekehrt wie im FSJ. Rund zwei Drittel<br />
der Einsatzstellen waren im unmittelbaren Dienst am Menschen<br />
angesiedelt; rund ein Drittel im technischen Bereich, in<br />
der Verwaltung oder bei einem Fahrdienst. Der Bundesfreiwilligendienst<br />
hat den Zivildienst nicht eins zu eins ersetzt, denn<br />
dort gab es viel mehr Fahrer und Hausmeister.<br />
Albert Ebinger, Vorstand des Behindertenzentrums Stuttgart,<br />
beobachtet in seiner Einrichtung: „Unsere Bufdis sind älter als<br />
die bisherigen Zivildienstleistenden. Mit Ende 20 wollen sich<br />
manche beruflich neu orientieren.“ Sie bringen ein anderes<br />
Profil mit als die Zivildienstleistenden, die meist gleich nach<br />
der Schule kamen. Für ihn sind nach wie vor die jungen<br />
Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr eine wichtige und<br />
verlässliche Größe in der Mitarbeiterschaft. Das bestätigt<br />
Dorothee Schad, bei der Bruderhaus<strong>Diakonie</strong> in Reutlingen<br />
unter anderem für die Personalentwicklung zuständig. Nach<br />
anfänglichen Schwierigkeiten, etwa der unklaren Kindergeld-<br />
Frage, sei die Nachfrage gestiegen. Weil es dann eine Kontingentierung<br />
der Plätze gab, konnte die Einrichtung nicht alle<br />
Interessenten für den Bundesfreiwilligendienst einstellen.<br />
Die Zivildienstleistenden seien eine berechenbarere Größe<br />
gewesen. „Sie kamen in planbarer Zahl, mussten nicht geworben<br />
werden und haben seltener abgebrochen.“ Sie plädiert für<br />
eine Angleichung der Bedingungen von Bundesfreiwilligendienst<br />
und Freiwilligem Sozialem Jahr. Für die Freiwilligen sei<br />
dies gerechter und für die Einrichtungen mit weniger bürokratischem<br />
Aufwand verbunden.<br />
Kevin Schuon, Bufdi in der Pressestelle<br />
35.000<br />
Freiwillige bei<br />
der <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Württemberg</strong><br />
aktiv<br />
Neue Ehrenamtsuntersuchung<br />
Fast 35.000 Ehrenamtliche sind in diakonischen Einrichtungen<br />
in <strong>Württemberg</strong> aktiv – fast genauso viele wie Hauptamtliche<br />
(40.000). Das sind 5.000 mehr als vor zehn Jahren. Der Anteil<br />
der Männer ist seit zehn Jahren um fünf auf 30 Prozent gestiegen.<br />
Frauen engagieren sich aber noch immer am intensivsten<br />
freiwillig und sind mit 70 Prozent der Ehrenamtlichen eine<br />
verlässliche Säule sozialer Arbeit. Für 80 Prozent der Einrichtungen<br />
sind Ehrenamtliche unverzichtbar. Dies ergab eine<br />
Umfrage, die das „Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung“<br />
der Evangelischen Hochschule Freiburg im Auftrag der<br />
württembergischen <strong>Diakonie</strong> durchgeführt hat.<br />
Vor allem in der Freizeitgestaltung (63 Prozent) und in Besuchs-<br />
diensten (47 Prozent) sind Ehrenamtliche aktiv, also in Bereichen,<br />
die für Hilfebedürftige ein Plus an Lebensqualität bedeuten.<br />
Sie setzen sich vorwiegend für ältere und behinderte
34 Beispielhaft<br />
Menschen ein. Ein Freiwilliger hilft im Jahr durchschnittlich<br />
mehr als 72 Stunden. Hochgerechnet auf 35.000 sind das fast<br />
2,5 Millionen Stunden ehrenamtlichen Engagements pro Jahr.<br />
39 Prozent engagieren sich mindestens einmal in der Woche.<br />
Im Regelfall gibt es dafür kein Geld, aber die Mehrheit be-<br />
kommt ihre Auslagen erstattet. Wertschätzung in Form von Lob<br />
oder Anerkennung ist selbstverständlich (96 Prozent). In vielen<br />
Fällen gibt es zusätzlich kleine Geschenke oder Ehrungen.<br />
Diakonische Einrichtungen sehen die Ehrenamtlichen als eine<br />
wichtige Stütze an. 83 Prozent der Einrichtungen sind überzeugt,<br />
dass Freiwillige der Arbeit neue Impulse geben. Nur fünf<br />
Prozent haben den Eindruck, dass Ehrenamtliche die Arbeitsabläufe<br />
durcheinanderbringen. Die meisten Einrichtungen<br />
sehen Freiwillige als eine Bereicherung für den Alltag der<br />
Klienten (84 Prozent). 91 Prozent erleben, dass Ehrenamtliche<br />
gegenüber Betreuten eine andere Rolle einnehmen können<br />
als Festangestellte.<br />
Falls Fragen anfallen, steht den Freiwilligen in 94 Prozent<br />
der Fälle mindestens eine Ansprechperson zur Seite. Rund<br />
30 Prozent der Einrichtungen schult gezielt Hauptamtliche zur<br />
Koordination und Anleitung der Freiwilligen. 63 Prozent aller<br />
Freiwilligen werden systematisch in die Arbeit eingewiesen,<br />
54 Prozent nehmen an Qualifizierungsmaßnahmen teil. Die<br />
Freiwilligen bekommen Unterstützung bei ihrem Engagement<br />
und erfahren Wertschätzung. Die Einrichtungen nehmen dies<br />
sehr ernst und setzen Ehrenamtliche nicht als billige Arbeitskräfte<br />
ein. Die württembergische <strong>Diakonie</strong> bildet seit zehn<br />
Jahren Ehrenamtskoordinatoren aus, die für die Anleitung<br />
Ehrenamtlicher qualifiziert werden.<br />
Kevin Schuon, Bufdi in der Pressestelle<br />
Zentrale Themen des Verbands und der Landesgeschäftsstelle<br />
Personalentwicklung<br />
hilft<br />
Fach- und<br />
Führungskräfte<br />
zu finden<br />
Projekte im Kontext<br />
des demografischen<br />
Wandels<br />
Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden, ist im Zeichen<br />
einer alternden Gesellschaft eine Herausforderung für Unternehmen.<br />
Es erfordert Überlegungen und konkrete Schritte der<br />
Veränderung. Im Projekt „Chronos – den demografischen<br />
Wandel gestalten“ (2009-<strong>2012</strong>) hat die Abteilung Theologie<br />
und Bildung gemeinsam mit diakonischen Einrichtungen<br />
Konzepte entwickelt und erprobt.<br />
Entsprechend wurden Führungskräfte aus diakonischen<br />
Einrichtungen darin geschult, die Kompetenzen der Mitarbeitenden<br />
zu entwickeln, ihre Gesundheit zu fördern und auf eine<br />
gute Arbeitskultur zu achten. Neben strategischen Ausrichtungen<br />
kamen auch konkrete Handlungsweisen zur Diskussion.<br />
So kann es beispielsweise für ein bestimmtes Aufgabenfeld<br />
sinnvoll sein, primär lebenserfahrene Wiedereinsteigerinnen<br />
als Fachkräfte zu suchen.<br />
Auch der Erhalt der Gesundheit von Mitarbeitenden ist ein<br />
wesentliches Element der Personalentwicklung in Zeiten des<br />
demografischen Wandels. Die Förderung der Gesundheit im<br />
Unternehmen wird deshalb verstärkt von den Einrichtungen<br />
nachgefragt. Bei dem neu entwickelten Konzept „BELEV –<br />
gesundes Arbeiten gestalten“ geht es nicht vorrangig um die<br />
klassische Rückenschule, sondern um eine gute Kommunikationskultur,<br />
um das Verhältnis zu den Vorgesetzten und das<br />
Miteinander im Team. Grund für diese Breite des Konzepts ist,<br />
dass viele psychische Belastungen durch problematische<br />
Interaktions- und Kooperationsformen bedingt sind. Eine<br />
Matrix mit den Kriterien Sinnhaftigkeit, Handhabbarkeit und<br />
Verstehbarkeit hilft bei der Erhebung des Ist-Zustandes und<br />
der Entwicklung neuer Konzepte.<br />
Wie positiv sich das Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz<br />
auswirkt, hat eine <strong>Diakonie</strong>station erlebt. Auf eine Stellenanzeige<br />
mit dem Vermerk „Gesundes Arbeiten“ meldeten sich viele<br />
Interessenten. Inzwischen sprechen sich Maßnahmen wie<br />
Springerpool, Reduzierung von Überstunden oder Wellness-<br />
Angebote herum und sorgen für genügend Fachkräfte.
Zentrale Themen des Verbands und der Landesgeschäftsstelle Beispielhaft 35<br />
Im neuen Projekt „Debora – Fach- und Führungskräftevielfalt<br />
sichern“ (<strong>2012</strong>-2014) geht es darum, Frauen in der <strong>Diakonie</strong><br />
zu stärken. Zusammen mit Einrichtungen wird eine familienfreundliche<br />
Perspektive entwickelt. Führungskräfte sollen auf<br />
die Übernahme von Stellen der Vorstandsebene vorbereitet<br />
werden. Gremien wie Aufsichtsräte oder Fachverbände<br />
sollen darin unterstützt werden, dass sie auch für Frauen<br />
interessant werden.<br />
Zu den Angeboten der Personalentwicklung der Abteilung<br />
Theologie und Bildung gehört auch die Langzeitfortbildung für<br />
Theologinnen und Theologen der Evangelischen Landeskirche<br />
in <strong>Württemberg</strong>.<br />
Claudia Mann, Stellvertretende Pressesprecherin<br />
Wirtschaftliche<br />
Situation<br />
diakonischer<br />
Träger<br />
Frühwarnsystem<br />
in der württembergischen<br />
<strong>Diakonie</strong><br />
Eigentlich könnte man entspannt sein in der württembergischen<br />
<strong>Diakonie</strong>. Denn nach der Auswertung des diakonieinternen<br />
Ratings zusammen mit der Bank für Sozialwirtschaft (BfS)<br />
aus dem Jahr 2010 sind 70 Prozent aller Träger in der Bonitätsstufe<br />
eins von drei möglichen Stufen. Die restlichen 30 Prozent<br />
sind in der zweiten Gruppe – niemand in der dritten. Und trotzdem<br />
ist Adelheid Frank-Winter, Leiterin der Abteilung Wirtschaftsberatung<br />
im Diakonischen Werk, etwas beunruhigt:<br />
„Die Situation ist branchenspezifisch sehr unterschiedlich.<br />
Die meisten Arbeitslosenhilfeträger sind in der zweiten Stufe.<br />
Die ersten Ergebnisse aus dem Jahr <strong>2011</strong> lassen vermuten,<br />
dass sich hier die Situation noch verschärfen wird.“ Der langfristige<br />
Trend zeigt außerdem, dass auch die Altenhilfe den<br />
Wettbewerb immer stärker zu spüren bekommt.<br />
Rechtzeitig auf wirtschaftliche Entwicklungen diakonischer<br />
Träger reagieren zu können – dazu sollte das Rating-System<br />
dienen. Das bisherige System war dafür nur bedingt geeignet.<br />
Man hatte außerdem keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der<br />
Abfrage und die Auswertung stand immer sehr spät zur Verfügung.<br />
Das soll sich durch EKK-Care ändern, das neue „Risiko-<br />
indikationsinstrument“, mit dem erstmals die Daten für <strong>2011</strong><br />
ausgewertet werden. „Schon die ersten Auswertungen zeigen,<br />
dass die Aussagekraft noch besser ist. Es ist wirklich ein Frühwarnsystem“,<br />
so Walburga Duong, Referentin fürs Verbandliche<br />
Risikomanagement. Im Juli <strong>2012</strong> lagen bereits die ersten<br />
Auswertungen für das Jahr <strong>2011</strong> vor.<br />
EKK-Care wurde von der württembergischen <strong>Diakonie</strong><br />
gemeinsam mit der Evangelischen Kreditgenossenschaft<br />
(EKK) und der <strong>Diakonie</strong> Baden entwickelt und eingeführt. Und<br />
die <strong>Diakonie</strong> konnte eigene Kennzahlen aufnehmen, wie z. B.<br />
die Personalquote – also der Anteil der Personalkosten an den<br />
Gesamtkosten – gerade für die <strong>Diakonie</strong> eine wichtige Information.<br />
In die Analyse durch EKK-Care sollen künftig auch die<br />
<strong>Diakonie</strong>stationen einbezogen werden. Denn den ambulanten<br />
Pflegediensten geht es oft wirtschaftlich schlechter als stationären<br />
Einrichtungen. Gründe dafür sind zum einen die hohen<br />
Personalkosten (85 Prozent statt 70 Prozent), zum anderen der<br />
Konkurrenzdruck. Nicht zuletzt aufgrund der Tarifbindung sind<br />
die Angebote der württembergischen <strong>Diakonie</strong> teurer als die<br />
der Dienste ohne Tarifbindung.<br />
Ein großes Problem ist, dass im ambulanten Bereich – auch<br />
weil die Verhandlungen noch auf Landesebene und für Pflegedienste<br />
verschiedener Verbände gemeinsam geführt werden –<br />
die Tarifsteigerungen in der Regel nicht eins zu eins durch<br />
Erhöhung der Entgelte aufgefangen werden können. So steigen<br />
die Löhne der Mitarbeitenden tarifbedingt bis 2014 um rund<br />
sieben Prozent. Bei den Verhandlungen für den ambulanten<br />
Pflegebereich konnte aber nur eine Steigerung der Entgelte<br />
um 5,2 Prozent durchgesetzt werden. „Da es im Regelfall<br />
keinen anderen Ausgleich gibt, wächst der Druck auf die<br />
Mitarbeitenden. Das ist natürlich in Hinblick auf Personalgewinnung<br />
und -bindung schwierig“, so Adelheid Frank-Winter.<br />
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr<br />
2009 werden tarifliche Vergütungen zwar als „wirtschaftlich“<br />
anerkannt und müssten deshalb voll ersetzt werden. Trotzdem<br />
versuchen die Kostenträger alles, dies immer wieder zu unterlaufen<br />
– und dies ist bei allgemeinen Erhöhungen und Verhandlungen<br />
auf Landesebene einfacher. Wohin der wirtschaftliche<br />
Trend diakonischer Einrichtungen geht – dazu wagen die<br />
Fachfrauen keine Einschätzung. Aber sie hoffen, dass sie<br />
durch das neue Risikoindikationssystem rechtzeitiger auf<br />
Entwicklungen reagieren können.<br />
Peter Ruf, Leiter der Abteilung Presse,<br />
Kommunikation und Internationale <strong>Diakonie</strong>
Kurz und knapp:<br />
Von Sorgen und<br />
Sorgenbewältigung<br />
der <strong>Diakonie</strong>
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong> Kurz und knapp 37<br />
Theologie und Bildung<br />
Wohnungslosenhilfe<br />
„In den vergangenen zwei Jahren fanden heftige Auseinandersetzungen um die<br />
Wohnungslosenhilfe statt. Hintergrund ist die Verlagerung der Zuständigkeit von<br />
der Landesebene auf die Kommunen im Zuge der Verwaltungsreform 2005.<br />
Die Folge davon ist eine uneinheitliche Entwicklung bis hin zu einem Wildwuchs<br />
unterschiedlicher Regelungen. Die Verschuldung der öffentlichen<br />
Hand und die fehlende Lobby der Wohnungslosen vor Ort<br />
beschleunigen diesen Prozess. Der Städtetag fordert eine Umstrukturierung<br />
der Wohnungslosenhilfe, welche einem Rückbau gleichkommen<br />
würde. Dem setzen wir als <strong>Diakonie</strong>, gemeinsam mit der<br />
Liga der freien Wohlfahrtspflege ein Konzept entgegen, in dem die<br />
Wohnungslosenhilfe als eigenständige Hilfe mit anderen Angeboten<br />
wie der Suchthilfe, der Jugendhilfe und der sozialpsychiatrischen<br />
Hilfen vernetzt wird. In Zukunft muss die Wohnungslosenhilfe<br />
entweder durch ein übergeordnetes Steuerungsgremium<br />
geregelt werden oder die Zuständigkeit zurück ans<br />
Land gehen.“<br />
Frieder Claus | Referent für Wohnungslosenhilfe<br />
„Die Qualifikation von Mitarbeitenden diakonischer Einrichtungen beinhaltet<br />
zweierlei. Zum einen die fachliche Kompetenz. Diese muss aktiv<br />
erhalten und entsprechend der Anforderungen kontinuierlich<br />
weiterentwickelt werden. Als Zweites müssen<br />
unsere Mitarbeitenden aber auch mit den Grundlagen<br />
diakonischer Arbeit vertraut sein, wie sie z. B. in unserem Leitbild formuliert<br />
sind. Um diese diakonischen Grundanliegen zu vermitteln, haben wir unseren seit<br />
Jahren bewährten Kurs weiterentwickelt. Die Herausforderung bestand darin, die<br />
Rahmenbedingungen dieser Kurse so attraktiv zu gestalten, dass trotz angespannter<br />
Personalsituation die Einrichtungen ihren Mitarbeitenden die Teilnahme ermöglichen<br />
und empfehlen. Entsprechend wurden die Kurse von zweieinhalb auf zwei Tage<br />
gekürzt. Außerdem bieten wir unseren Trägern an, dass wir Bausteine des Kurses in<br />
den Einrichtungen durchführen oder diese bei der Planung und Organisation eigener<br />
Angebote unterstützen. Grundsätzlich stehen wir in der <strong>Diakonie</strong> vor der Frage,<br />
wie wichtig uns die „weichen“ Themen sind, also z. B. die Frage nach<br />
der Orientierung unseres Handelns. Ich bin überzeugt, dass wir heute<br />
mehr denn je Mitarbeitende und Führungskräfte brauchen, die fachlich und<br />
diakonisch überzeugen.“<br />
Dr. Joachim Rückle | Leiter der Abteilung Theologie und Bildung
38 Kurz und knapp<br />
Finanz- und Rechnungswesen<br />
„Die Finanzkrise hat vielfältige Auswirkungen auf die Arbeit der <strong>Diakonie</strong>. Die Staatsgelder, die in<br />
die Rettung der Banken fließen, fehlen zur Unterstützung der bedürftigsten Menschen. Dadurch<br />
steigt die Zahl der Personen, die die Hilfe der <strong>Diakonie</strong> benötigen. Andererseits hat die Krise auch<br />
Auswirkungen auf die Finanzierung der Landesgeschäftsstelle der <strong>Diakonie</strong>. Ungefähr fünf<br />
Prozent unserer Einnahmen sind Zinserträge aus Geldanlage. Der niedrige Leitzins, der die Wirtschaft<br />
ankurbeln soll, führt mittelfristig zu einem Einbruch der Zinseinnahmen<br />
der <strong>Diakonie</strong> um zwei Drittel. Konkret heiß das: Konnten unsere liquiden Mittel<br />
bisher mit ca. fünf Prozent angelegt werden, sind es heute nur noch um die<br />
zwei Prozent. Wir müssen daher mehr als bisher unterschiedliche Anlage-<br />
Angebote von Banken vergleichen, um noch möglichst hohe Zinseinnahmen<br />
zu generieren. Die <strong>Diakonie</strong> wird also durch die Krise zusätzlich vor<br />
Herausforderungen bei der Finanzierung gestellt, obwohl mehr<br />
Menschen Hilfe brauchen. Diese Menschen dürfen von Staat und<br />
Gesellschaft trotz wichtiger und notwendiger Krisenbekämpfung nicht<br />
vergessen werden.“<br />
Zentrale Gehaltsabrechnungsstelle<br />
Manuela Wuttke | Leiterin der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen<br />
„Das Sozialversicherungs-, Steuer- und Zusatzversorgungskassenrecht ist genau wie die<br />
Tariflandschaft ständigen Änderungen unterworfen. Diese bei der Gehaltsabrechnung zu<br />
berücksichtigen und in technische Lösungen umzusetzen stellt uns vor immer neue Herausforderungen.<br />
Besonders problematisch sind Regelungen, die nach einiger Zeit rückgängig<br />
gemacht werden und damit für uns einen riesigen und unnötigen Aufwand darstellen.<br />
Dennoch ist es uns bisher gelungen, auch durch unsere fast perfekte Vernetzung in<br />
Gremien und Fachgruppen, für jedes Problem eine Lösung zu finden. Unser Anspruch ist<br />
es, dafür eine flexible Technologie zur Verfügung zu haben und diese möglichst benutzerfreundlich<br />
einzusetzen. Als weiteren Schritt zur Digitalisierung sind wir beispielsweise dabei,<br />
Online-Technologien zu entwickeln, die direkt von den Mitarbeitenden bedient werden<br />
können und dadurch die Personalabteilungen stark entlasten.“<br />
Sascha Busch, | Leiter der Zentralen Gehaltsabrechnungsstelle<br />
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong>
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong> Kurz und knapp 39<br />
Arbeitsrecht<br />
„Bei der Gestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts gehen <strong>Diakonie</strong> und Kirche einen eigenen,<br />
den sogenannten Dritten Weg. Dabei ist es bei uns in <strong>Württemberg</strong> so, dass auf Grundlage<br />
des Tarifs des öffentlichen Dienstes (TVÖD) durch Übernahme und Anpassung<br />
ein Konsens zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefunden wird. Können<br />
sich beide Seiten nicht einigen, entscheidet eine unabhängige Schlichtungsstelle.<br />
Streiks und Aussperrungen haben in diesem System keinen Platz.<br />
Die Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen<br />
Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV) will den Dritten Weg verlassen und strebt<br />
den Abschluss eines sog. Sozialtarifvertrages mit Verdi an. Vor diesem Hintergrund<br />
schlossen sich beim letzten Streik des öffentlichen Dienstes erstmals auch<br />
Mitarbeiter diakonischer Einrichtungen punktuell den dortigen Warnstreiks an, allerdings<br />
ohne ausreichende rechtliche Grundlage. Die Herausforderung bestand für die betroffenen<br />
Einrichtungen und die zentrale Rechtsberatung darin, möglichst angemessen mit dieser neuen<br />
Situation umzugehen. Für die Zukunft brauchen wir unbedingt mehr Klarheit. Wichtig ist es mit<br />
der AGMAV im politischen Diskurs zu einer gemeinsamen Bejahung des Dritten Weges zu gelangen.<br />
Andererseits muss bei möglichen zukünftigen Streikaktionen auch eine juristische Klärung<br />
gesucht werden; das Arbeitsgericht Mannheim hat hier erst kürzlich entschieden, dass Streiks im<br />
diakonischen Dienst unzulässig sind.“<br />
Uwe Rzadkowski | Justiziar und Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht<br />
Suchthilfe<br />
„Die Behandlung von Drogenabhängigen mit Ersatzmitteln (Substitution) macht uns Sorge. Sie ist<br />
nur durch Ärzte möglich. Gemeinsam mit den Suchtberatungsstellen konnten landesweit flächendeckende<br />
Angebote bereitgestellt werden, die eine integrierte Versorgung – medizinisch und<br />
psychosozial – gewährleisteten. Dieses Netz der Substitutionsversorgung beginnt vor allem im<br />
ländlichen Raum zu bröckeln, da immer mehr teilnehmende Ärzte in den Ruhestand gehen. Der<br />
Fachverband Suchthilfen des Diakonischen Werks <strong>Württemberg</strong> wirkt daran mit, Politik und<br />
Ärzteschaft auf diese Problematik aufmerksam zu machen und Lösungsvorschläge zu entwikkeln.<br />
Je nach regionalen Gegebenheiten könnten entweder spezialisierte Substitutionspraxen<br />
eingerichtet oder wie bisher die Zusammenarbeit zwischen Suchthilfe<br />
und Ärzten gefördert werden. Jetzt gilt es, die vorgeschlagenen<br />
Konzepte seitens der Politik und Ärzteschaft zeitnah umzusetzen<br />
und eine qualitative<br />
Verbesserung der Substitutionsbehandlung<br />
zu erreichen.“<br />
Birgit Wieland | Referat Suchthilfen
40 Kurz und knapp<br />
Schuldnerberatung<br />
„Unsere Schuldnerberatungsstellen in Baden-<strong>Württemberg</strong> haben fast<br />
alle sehr lange Wartelisten. Diese Situation ist sowohl für die Klienten<br />
als auch für die Berater äußerst bedrückend. Die Finanzierung weiterer<br />
Stellen ist daher eine wichtige Aufgabe für die Politik. Mittelfristig<br />
benötigen wir eine Verdopplung der Kapazität. In den letzten beiden<br />
Jahren konnten wir mit einer Studie zur „Überschuldung in Baden-<br />
<strong>Württemberg</strong>“ diesen Bedarf jeweils deutlich belegen. Angesichts<br />
von 300.000 überschuldeten Haushalten sind 100 Schuldnerberatungsstellen<br />
in Baden-<strong>Württemberg</strong> ein Tropfen auf den heißen Stein.<br />
Im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung wurde der Ausbau<br />
der Schuldnerberatungsstellen festgeschrieben. Diesen Vorstoß begrüßen<br />
wir sehr. Wir werden die Regierung bei der Umsetzung des Ausbaus<br />
konstruktiv begleiten. Uns ist dabei besonders wichtig, dass die guten Qualitätsstandards<br />
bei der Schuldnerberatung bei einem Ausbau beibehalten werden. Es muss gewährleistet<br />
sein, dass flächendeckend eine gute, qualifizierte und abgesicherte Beratung angeboten<br />
wird.“<br />
Klaus Kittler | Referat für Schuldnerberatung<br />
Migration<br />
„Teilhabe am Arbeitsmarkt ist immer auch soziale Teilhabe und eine eigenständige Existenzsicherung<br />
ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb ist das neue Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz,<br />
das die Bewertung von im Ausland erworbenen Qualifikationen regelt, für die<br />
Integration von Menschen mit Migrationshintergrund von enormer Bedeutung. Mit dem Bundesgesetz<br />
ist ein wichtiger Schritt gemacht, allerdings bleiben dabei noch viele Fragen offen, vor<br />
allem die Ausgestaltung und Finanzierung von Anpassungsqualifizierungen. Für die Umsetzung<br />
in Baden-<strong>Württemberg</strong> ist nun die Landesgesetzgebung entscheidend. Wir als <strong>Diakonie</strong><br />
werden die Politik dabei weiterhin konstruktiv-kritisch begleiten. Mit unseren Migrationsfachdiensten<br />
sind wir wichtiger Teil der Beratungsstrukturen im Land. Mit<br />
der Beratung und Begleitung, die unsere Dienste übernehmen, werden für<br />
den Prozess der Anerkennung wichtige Weichen gestellt. Entsprechend<br />
intensiv haben wir unsere Dienste vorbereitet. Allerdings brauchen wir<br />
neben guter Beratung und adäquaten Kriterien in erster Linie eine<br />
entsprechende interkulturelle Orientierung auf allen Ebenen – die<br />
Umsetzung muss zuallererst auch gewollt sein, damit das Gesetz<br />
seinen Anspruch auf Chancengerechtigkeit auch erfüllen kann.“<br />
Birgit Susanne Dinzinger | Fachleitung Migration<br />
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong>
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong> Kurz und knapp 41<br />
Personalwesen<br />
Hauswirtschaft<br />
„Die Diskussion über den Stellenwert der Hauswirtschaft in sozialen Einrichtungen<br />
ist im letzten Jahr heftig geführt worden. Die zentrale Frage dabei war: Gibt es Arbeitsbereiche<br />
in der <strong>Diakonie</strong>, die nicht dazu gezählt werden müssen? Mitarbeitende der Hauswirtschaft<br />
identifizieren sich mit der <strong>Diakonie</strong>. Für sie und ihre Motivation ist es wichtig, dass sie<br />
zur Stammbelegschaft gehören. Wenn Hauswirtschaft nur als Versorgung und Dienstleistung<br />
angesehen wird, kommen ihre vielen Potentiale nicht zur Geltung. Durch gemeinsames sinnvolles<br />
Tun kann Hauswirtschaft zur Selbstbestimmung und Teilhabe beitragen. Bewohner/innen<br />
machen – unterstützt durch hauswirtschaftliche Betreuung – oft noch viel selbst. Sie tun dies<br />
gerne, weil sie sich hier noch kompetent fühlen, auch wenn andere Fähigkeiten nicht mehr so gut<br />
ausgeprägt sind. Hauswirtschaft als Teil des Kerngeschäfts ist mehr als eine reine Tariffrage.<br />
Diese ist auch wichtig, wenn es um die Frage der Kirchlichkeit diakonischer Einrichtungen geht.<br />
Es ist uns gelungen, dieses Thema mit den Beteiligten, also Dienstgebern und Mitarbeitervertretungen,<br />
AK Hauswirtschaft und Landesgeschäftsstelle offen zu diskutieren. Diese Gespräche<br />
müssen weitergehen. Dabei sollten wir uns klar machen, dass alle innerhalb der <strong>Diakonie</strong>, ob<br />
Pflege, Verwaltung, Pädagogik oder Hauswirtschaft an einem Strang ziehen und es keine wichtigen<br />
und weniger wichtigen Aufgaben gibt.“<br />
Ursula Schukraft | Referat Hauswirtschaft<br />
„Die Wiedereingliederung von Mitarbeitenden, die länger krank waren, ist für uns<br />
als <strong>Diakonie</strong> ein wichtiges Anliegen. Das betriebliche Eingliederungsmanagement<br />
(BEM) ist eine gesetzliche Vorschrift für den Arbeitgeber aus dem<br />
Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX). Wenn ein Mitarbeitender innerhalb von<br />
12 Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war, ist der Arbeitgeber<br />
verpflichtet, ihn bei der Wiedereingliederung zu unterstützen. Seit einem Jahr<br />
bieten wir in der Landesgeschäftsstelle Gespräche für betroffene Personen<br />
an. Wir haben neben dem Integrationsteam im Rahmen einer Dienstvereinbarung<br />
ein BEM-Team eingerichtet, das aus einem Vertreter der Mitarbeitervertretung,<br />
dem Leiter des Personalwesens und gegebenenfalls aus der<br />
Vertrauensperson der Schwerbehinderten besteht. Es zeigt sich, dass<br />
das BEM durchaus sinnvoll ist. Der Arbeitgeber weiß, wie er den Mitarbeitenden<br />
unterstützen kann, sei es durch spezielle Büromöbel, flexiblere<br />
Arbeitszeiten oder eine andere Hilfestellung, zum Beispiel bei der<br />
Finanzierung über die Rentenversicherung oder das Integrationsamt.<br />
Ebenfalls kann dem Mitarbeitenden transparent vermittelt<br />
werden, was der Arbeitgeber leisten kann und inwieweit<br />
die Wünsche des Arbeitnehmers berücksichtigt werden<br />
können. Leider nimmt von den angeschriebenen Mitarbeitenden<br />
nur ein kleiner Teil die Möglichkeit eines BEM-<br />
Gespräches war, obwohl das Ergebnis im Grundsatz nur<br />
positiv für den Beteiligten sein kann.“<br />
Günther Jung | Leiter Personalwesen
42 Kurz und knapp<br />
Behindertenhilfe<br />
Landkreis- und<br />
Kirchenbezirksdiakonie<br />
Von Sorgen und Sorgenbewältigung der <strong>Diakonie</strong><br />
„Seit der Einführung von Arbeitslosengeld II (ALG II) müssen Diakonische<br />
Bezirksstellen immer häufiger Mittel und Wege finden, um Löcher im Sozialhilfesystem<br />
zu stopfen. Viele Menschen haben seit Einführung von ALG II dauerhaft zu wenig<br />
Geld. In finanziellen Notsituationen, etwa bei Ersatzbeschaffungen, haben sie keinerlei Ressourcen<br />
mehr. Bei Anträgen oder fehlerhaften Bescheiden von JobCentern oder Kassen müssen sie<br />
immer häufiger in ihren Rechtsansprüchen unterstützt werden. Diese Entwicklungen sind für die<br />
Beraterinnen und Berater vor Ort inzwischen sehr belastend. Als zuständige Abteilung haben wir<br />
den Austausch von Erfahrungen organisiert und auch Gespräche vor Ort geführt. Wichtig<br />
erscheint ein kollegialer Austausch über Gesetzes- und Versorgungslücken, um gezielt Änderungen<br />
im Gespräch mit Ämtern und Kassen bewirken zu können. Das politische Bewusstsein vor<br />
Ort kann durch Informationsveranstaltungen, Mitwirkung bei der Erstellung von Lebenslagenberichten<br />
und Aktionen auf Liga-Ebene geschärft werden. Auch auf Landes- und Bundesebene<br />
muss es Aufgabe der <strong>Diakonie</strong> sein, diese Entwicklungen zu thematisieren, für nachhaltige<br />
Verbesserungen der Situation einzutreten und Modelle einer armutsfesten Grundsicherung<br />
zu entwickeln.“<br />
Dr. Günter Banzhaf | Leiter der Abteilung Landkreis- und Kirchenbezirksdiakonie, Migration<br />
„Wohnen wo, wie und mit wem ich will! – dieses in Artikel 19 der Behindertenrechtskonvention<br />
verankerte Recht der Menschen mit Behinderung unterstützt die <strong>Diakonie</strong>. Wir stehen jedoch<br />
vor der Herausforderung, dieses auf der Basis überholter und unzureichender Rahmenbedingungen<br />
zu verwirklichen. So bieten weder der allgemeine noch der soziale<br />
Wohnungsmarkt genügend Angebote bezahlbaren barrierefreien Wohnraums für<br />
Menschen mit Behinderung. Zwar gilt offiziell der Grundsatz ‚ambulant vor<br />
stationär‘. Die Regularien der Leistungserbringung privilegieren aber eindeutig<br />
stationäre Angebote. Deshalb ist es für die Träger schwer, Wohn- und<br />
Unterstützungsangebote außerhalb von Behinderteneinrichtungen bereitzustellen.<br />
Durch Initiativen des Verbands und der Träger haben wir erreicht, dass<br />
Landes- und Kommunalpolitik diese Problematik erkannt und aufgegriffen hat.<br />
Wir brauchen neue rechtliche und finanzielle Bedingungen für die Weiterentwicklung<br />
der Strukturen und Angebote genauso wie neue Verfahren der Bedarfsplanung<br />
auf struktureller und individueller Ebene. Außerdem müssen wir uns überlegen,<br />
was mit der alten, zum Teil nicht mehr zeitgemäßen oder benötigten Infrastruktur<br />
geschehen soll. Es gibt viel zu tun, viel zu stemmen!“<br />
Irene Kolb-Specht | Leiterin der Abteilung Behindertenhilfe und Psychiatrie
Sozialpolitische<br />
Probleme lassen<br />
sich nicht durch<br />
Tarifpolitik lösen<br />
Gespräch mit Ulrich Maier und Wolfgang Lindenmaier vom Vorstand<br />
sowie Andrea Unterweger-Rösiger, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk<br />
<strong>Württemberg</strong> (AGMAV) über die arbeitsrechtlichen Herausforderungen<br />
und die Zukunft des Dritten Weges
44 Gespräch<br />
Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in Magdeburg | Fotografin: Danny Wörn<br />
Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in Magdeburg | Fotografin: Danny Wörn<br />
Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV)<br />
Eine Premiere: Das erste Mal wird Ihr Berichtsteil<br />
im <strong>Jahresbericht</strong> als Interview erscheinen.<br />
Wie finden Sie die Idee?<br />
AGMAV: Entscheidend ist nicht, wie genau, sondern dass<br />
der Bericht der AGMAV in den <strong>Jahresbericht</strong> des Diakonischen<br />
Werks <strong>Württemberg</strong> integriert ist. Denn wir sind Teil der <strong>Diakonie</strong><br />
und wir sind gespannt, wie Sie es schaffen, unsere Ideen<br />
rüber zu bringen. Denn ansonsten berichten Sie eher über die<br />
Sichtweise der Arbeitgeber.<br />
„Wir sind <strong>Diakonie</strong>“ – so heißt ja der Titel<br />
Ihrer Informationsschrift für Mitarbeitende.<br />
Wen schließt das „Wir“ alles ein?<br />
AGMAV: Das sind alle, die den diakonischen Auftrag umsetzen,<br />
die Altenpflegerin, der Heilerziehungspfleger, die Reinigungskraft<br />
– alle, die in der diakonischen Arbeit tätig sind.<br />
Die nächste Frage ist, wen wir nicht mit einschließen – das<br />
sind die Arbeitgeber. Nicht, weil sie den diakonischen Auftrag<br />
nicht erfüllen würden, sondern weil wir in der Tarifsetzung<br />
unterschiedliche Interessen haben. Eine Pflegedienstleiterin,<br />
die pflegebedürftige Menschen betreut, gehört dazu. Wenn sie<br />
dann aber bei Verhandlungen die Dienstgeberinteressen<br />
vertritt, dann gehört sie in dieser Funktion nicht dazu. Weitere<br />
Gruppen schließen wir nicht aus.<br />
„Seine Sorgen möchten Sie nicht haben“, das war das<br />
Motto der diesjährigen „Woche der <strong>Diakonie</strong>“ und das ist<br />
das Leitmotiv dieses <strong>Jahresbericht</strong>s – welche Gruppen<br />
fallen Ihnen dabei besonders ein?<br />
AGMAV: Natürlich fallen uns die vielen unterschiedlichen<br />
Gruppen ein, die wir in der täglichen diakonischen Arbeit<br />
betreuen – also den Jugendlichen oder die Eltern, die wir in<br />
der Jugendhilfe betreuen. Aber wir vertreten die Mitarbeiterschaft.<br />
Deshalb fallen uns die Mitarbeitenden der <strong>Diakonie</strong> ein,<br />
die aus wirtschaftlichen Gründen in eine weltliche Firma<br />
ausgegründet werden, dort dann Sorge um ihren Arbeitsplatz<br />
haben. Oder die, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis sind<br />
und nicht wissen, wie es danach weitergeht. Wir möchten aber<br />
auch nicht die Sorge der Evangelischen Landeskirche haben,<br />
die die Kirchlichkeit ihrer diakonischen Einrichtungen gewährleistet<br />
wissen will und kaum Einfluss hat, dies auch umzusetzen.<br />
Ihre Aufgabe ist – wie Sie schon gesagt haben – die Mitarbeitenden<br />
in der <strong>Diakonie</strong> zu vertreten. Was sind denn da<br />
die hauptsächlichen Sorgen, die die Mitarbeitenden<br />
umtreibt, die Sie im Berichtszeitraum beschäftigt haben?<br />
AGMAV: Die Hauptsorge sind die alltäglichen Arbeitsbedingungen<br />
der Mitarbeitenden, die mit der ständig schwieriger
Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV) Gespräch 45<br />
werdenden Refinanzierung sozialer Arbeit immer mehr unter<br />
Druck kommen. Immer mehr Arbeitsbereiche werden ausgelagert.<br />
Dann haben die Mitarbeitenden Angst, ihre Stelle zu<br />
verlieren oder sie müssen bei weltlichen Töchterfirmen arbeiten,<br />
von denen sie weniger Lohn bekommen. Durch die Ab-<br />
senkung der Arbeitsentgelte wird versucht, die mangelnde<br />
Finanzierung der sozialen Arbeit abzufangen. Das ist ein<br />
falscher Weg. Oder die ständige Verfügbarkeit. Gerade in der<br />
Altenhilfe ist der Arbeitsdruck so hoch, dass Mitarbeitende<br />
jederzeit damit rechnen müssen, dass sie an ihrem freien<br />
Wochenende angerufen und zur Arbeit gebeten werden.<br />
Das mindert die Lebensqualität.<br />
Viele Mitarbeitende haben nur einen Teilzeitvertrag, obwohl sie<br />
gerne Vollzeit arbeiten würden. Mit einem Teilzeitjob können<br />
Sie keine Familie ernähren. Deshalb haben viele einen Nebenjob,<br />
um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Viele<br />
Mitarbeitende sind wegen dem ständigen Druck ausgebrannt.<br />
Vor allem Männer wandern dann in ganz andere Arbeitsbereiche<br />
ab und sind für die soziale Arbeit verloren. Die Mitarbeitervertretungen<br />
in den Einrichtungen sehen die Not und machen<br />
auch auf unrechtmäßige Dienstpläne mit zu langen Arbeitszeiten<br />
aufmerksam, haben aber oft keine Möglichkeiten, sich<br />
dagegen zu wehren. Eine Folge ist, dass immer weniger bereit<br />
sind, sich in den MAVen zu engagieren. Die Hauptsorge ist,<br />
dass die diakonische Dienstgemeinschaft nicht mehr Realität<br />
ist, sondern immer mehr in verschiedenen Gesellschaften<br />
zersplittert wird – mit all den negativen Folgen für die Mitarbeitenden.<br />
Was konnten Sie denn erreichen?<br />
AGMAV: In diesem Jahr hat zum ersten Mal die Tarifautomatik<br />
gegriffen. Die Mitarbeitenden in der <strong>Diakonie</strong> haben also die<br />
Tariferhöhung, die im TVöD vereinbart wurde, zeitgleich<br />
erreicht. Wir haben auch bei vielen Bestandsicherungsverfahren<br />
verhindert, dass diakonische Einrichtungen insolvent<br />
wurden und konnten so viele Arbeitsplätze von Mitarbeitenden<br />
retten. Wir haben mitgewirkt, dass es nun hoffentlich bald<br />
einen Einrichtungssicherungsfonds gibt, der auch langfristig<br />
Arbeitsplätze zu sichern hilft. Durch unsere alltägliche Beratung<br />
und Qualifizierung haben wir Mitglieder von Mitarbeitervertretungen<br />
in ihrer Arbeit unterstützt und sie befähigt, die<br />
Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen zu vertreten. Und<br />
durch die Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in<br />
Magdeburg, die hauptsächlich von der AGMAV <strong>Württemberg</strong><br />
initiiert wurde, haben wir erreicht, dass die Tariffrage in einer<br />
breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wird und dass die<br />
Diskussion qualifizierter geführt wird.<br />
Demo bei der EKD-Synode im letzten Jahr in Magdeburg | Fotografin: Danny Wörn<br />
Was ist offen geblieben? Woran liegt es, dass es nicht<br />
gelöst werden konnte?<br />
AGMAV: Wir haben keine Wege gefunden, wie die Mitarbeitende<br />
besser mit der alltäglichen Drucksituation umgehen<br />
können. Wir haben Leiharbeit und Ausgründungen in weltliche<br />
Tochterunternehmen nicht verhindern können. Wir kennen<br />
Mitarbeitende, die in der dritten Firma arbeiten, aber immer<br />
noch am gleichen Krankenbett stehen. Wir sehen die große<br />
Gefahr, dass die Einheit aller diakonischen Einrichtungen<br />
endgültig verloren geht. Das können und konnten wir nicht<br />
verhindern.<br />
Wenn man Ihre Verlautbarungen und die Antworten<br />
anschaut, dann hat man den Eindruck, dass die <strong>Diakonie</strong><br />
einer der schlimmsten Arbeitgeber sei. Liegt es an<br />
der Schärfe der Formulierung oder sind Sie davon<br />
wirklich überzeugt?<br />
AGMAV: Die Erwartungen an Kirche und <strong>Diakonie</strong> sind andere<br />
als die an Betriebe in der Industrie. Die Glaubwürdigkeit der<br />
<strong>Diakonie</strong> ist wichtig. Deshalb äußern wir uns manchmal auch<br />
so scharf und deutlich. Wir haben ja in diesem Jahr ein Thema<br />
gehabt, von dem wir besonders enttäuscht sind: Die Trennung<br />
zwischen Kerngeschäft und Nicht-Kerngeschäft. Hier wird<br />
deutlich, dass die diakonische Dienstgemeinschaft in Frage<br />
gestellt wird.
46 Gespräch<br />
Was sind denn die Vorwürfe, die Sie gegenüber den<br />
diakonischen Dienstgebern in <strong>Württemberg</strong> hauptsächlich<br />
haben?<br />
AGMAV: Wir erleben immer wieder, dass Effizienz und Einsparung<br />
über alles gestellt wird. Wenn das so ist, dann halten sich<br />
diakonischen Dienstgeber nicht an die vorgegebenen diakonischen<br />
Regelungen und Rechte und scheren aus der Solidargemeinschaft<br />
aus. Das hat einen doppelten Effekt: Wenn es<br />
darum geht, immer billiger soziale Dienstleistungen anzubieten,<br />
dann geraten die Mitarbeitenden dieser Einrichtung unter<br />
Druck. Gleichzeitig ziehen andere Einrichtungen nach, weil<br />
sie sehen, dass man damit Geld sparen und konkurrenzfähig<br />
bleiben kann. Das hat einen Dominoeffekt: Wer damit anfängt,<br />
andere zu unterbieten, bringt andere diakonischen Einrichtungen<br />
unter Druck, nachzuziehen. Wir müssen uns endlich klar<br />
machen, dass wir den Kostendruck nicht auf dem Rücken<br />
der Mitarbeitenden austragen können, vielmehr müssen wir<br />
gemeinsam für eine bessere Refinanzierung sozialer Dienstleistungen<br />
einstehen.<br />
Ihr Vorwurf ist also, dass Dienstgeber immer mehr das<br />
kirchliche Arbeitsrecht umgehen würden. Gleichzeitig<br />
zeigen Umfragen, dass 94 Prozent aller diakonischen<br />
Mitarbeitenden in <strong>Württemberg</strong> nach kirchlichen Tarif<br />
gezahlt werden. Sind das für Sie keine überzeugenden<br />
Zahlen? Wenn nein – warum nicht?<br />
AGMAV: Diese Zahlen sind unserer Meinung nach einfach<br />
falsch. Die 94 Prozent beinhalten auch die Mitarbeitenden,<br />
die in Einrichtungen arbeiten, in denen das Tarifwerk des<br />
DW EKD angewandt wird. Viele dieser Einrichtungen wenden<br />
diesen aber illegal an, weil sie sich nicht an den vereinbarten<br />
Weg der Einführung gehalten haben. Deshalb ist die Zahl<br />
der Mitarbeitenden, die außerhalb des gültigen diakonischen<br />
Arbeitsrechts arbeiten, weit höher als hier angegeben wird.<br />
Dazu kommt, dass unserer Berechnungen nach der Tarifvertrag<br />
des DW EKD für Fachleute teilweise vergleichbar ist, nicht<br />
aber für Hilfsdienste. In der Altenhilfe erhalten Hilfskräfte bis<br />
zu 15 Prozent weniger Lohn. Durch die Anwendung dieses<br />
Tarifes wird also auch der Lohnabsenkung Vorschub geleistet.<br />
Nun wird immer wieder als Gründe von Ausgründungen<br />
genannt, dass manche Dienste sonst nicht refinanziert<br />
werden können. Wie schätzen Sie das ein?<br />
AGMAV: Im Prinzip kämpfen wir alle manchmal an der falschen<br />
Stelle. Es geht eindeutig darum, sich gemeinsam für eine<br />
bessere Refinanzierung der sozialen Arbeit einzusetzen. Träger<br />
sozialer Arbeit machen sich gegenseitig Konkurrenz anstatt<br />
sich gemeinsam für eine gerechtere Refinanzierung einzuset-<br />
Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV)<br />
zen und zu sagen, dass es keine Dumping-Jugendhilfe oder<br />
Dumping-Altenhilfe gibt. Der Wettbewerb darf nur in der Qualität<br />
stattfinden und sich nicht auf Preise beziehen. Die Preisdrückerei<br />
durch die öffentliche Hand oder die Arbeitsagentur<br />
kann man nur politisch begegnen und nicht durch Tarifpolitik.<br />
Deshalb ist der einzige Weg ein einheitlicher Sozialtarif für alle<br />
Anbieter sozialer Arbeit.<br />
Es ist offensichtlich, dass diakonische Träger unter<br />
finanziellen Druck stehen – ich denke für an die Träger<br />
der Arbeitslosenhilfe. Was könnte denn Dienstgeber<br />
und Dienstnehmer gemeinsam tun, um hier Lösungen<br />
zu finden?<br />
AGMAV: Der einzige Weg ist, dass dies öffentlich skandalisiert<br />
wird. Es kann nicht sein, dass örtliche Arbeitsagenturen Gelder<br />
an die Zentrale zurückgeben, weil sie in der Region einsparen<br />
und die Arbeit der Beschäftigungsinitiativen für Langzeitarbeitslose<br />
nicht bezahlen. Das kann man durch Tarifabsenkung<br />
nicht korrigieren. Diakonische und kirchliche Aufgabe ist es,<br />
deutlich zu sagen: Der Staat lässt hier Menschen im Stich!<br />
Oft hat man den Eindruck, dass die Gespräche über<br />
das kirchliche Arbeitsrecht besonders zäh sind und man<br />
lange braucht, bis man Ergebnisse erzielt. Warum ist das<br />
Ihrer Meinung nach so?<br />
AGMAV: Das stimmt eigentlich nicht. Bei Entgeltverhandlungen<br />
dauert es vielleicht manchmal länger – aber das ist<br />
vergleichbar mit Tarifverhandlungen in anderen Branchen.<br />
Manteltarife sind oft schwierig – so haben wir beinahe zehn<br />
Jahre gebracht, bis wir zu einer guten Lösung zur Anstellung<br />
und Bezahlung von Praktikanten gekommen sind. Sehr langwierig<br />
sind zurzeit die Verhandlungen über die Einführung des<br />
Sozial- und Erziehungstarifs (SuE). Hier sind die Interessen<br />
einfach so gegensätzlich, dass wir nur schwer zu einer Lösung<br />
kommen werden.<br />
Die AGMAV ist Partner bei der Ausgestaltung des Dritten<br />
Wegs. Wie schätzen Sie Chancen, Möglichkeiten aber<br />
auch Grenzen des Dritten Wegs ein?<br />
AGMAV: Der Dritte Weg ist faktisch beendet. Wir haben<br />
ihn noch in Restbeständen. In <strong>Württemberg</strong> funktioniert er<br />
noch einigermaßen durch die breite Anwendung des TVöD.<br />
Auf Bundesebene und in anderen Bundesländern ist er<br />
faktisch beendet.
Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Diakonischen Werk <strong>Württemberg</strong> (AGMAV) Gespräch 47<br />
Stehen Sie noch zum Dritten Weg? Oder ist Ihr Ziel,<br />
ihn langfristig abzuschaffen?<br />
AGMAV: Wir stehen nicht mehr dazu. Er ist faktisch tot.<br />
Wir führen ihn weiter, weil es derzeit keine Alternative gibt.<br />
Im Dritten Weg haben Mitarbeitende nicht die Möglichkeit,<br />
die Dienstgeber zu „nerven“, zum Beispiel durch Streiks.<br />
Deshalb können wir letztendlich im Rahmen des Dritten<br />
Wegs Arbeitnehmerrechte nicht wirksam umsetzen.<br />
Es ist offensichtlich, dass Ver.di eine Kampagne<br />
gegen den Dritten Weg fährt. Wie schätzen Sie diese<br />
Aktivitäten ein?<br />
AGMAV: Es ist nicht die Frage, ob Ver.di eine Kampagne gegen<br />
den Dritten Weg fährt. Die Frage ist, wie man zu möglichst<br />
einheitlichen Bedingungen für soziale Arbeit kommen kann.<br />
Im Moment besteht eben der Generalverdacht gegenüber den<br />
Dienstgebern, dass auch sie nicht generell hinter dem Dritten<br />
Weg stehen. Wenn es für sie günstig ist, dann wenden sie<br />
einen Tarifvertrag an – beispielsweise bei der Hauswirtschaft.<br />
Im anderen Fall kommen die Arbeitsrechtsregelungen zum<br />
Zug. Die <strong>Diakonie</strong> hätte kein Problem zu überleben, wenn sie<br />
statt mit der AGMAV mit Ver.di über Tarife verhandeln würde.<br />
Es wäre sinnvoll, wenn alle karitativen Träger sich mit Ver.di an<br />
den Tisch setzen und gemeinsam Tarifpolitik machen würden.<br />
Dem neuen AGMAV-Vorstand gehören an:<br />
Martin Auerbach Stiftung Jugendhilfe Aktiv Region Esslingen, Esslingen<br />
Klaus-Werner Bühner Die Zieglerschen, Behindertenhilfe gGmbH, Wilhelmsdorf<br />
Jochen Dürr Sonnenhof e. V., Schwäbisch Hall<br />
Gerhard Fezer Samariterstiftung, Hauptverwaltung, Nürtingen<br />
Sonja Gathmann Behindertenhilfe Leonberg e. V., Leonberg<br />
Susanne Haase eva Heidenheim gGmbH, Heidenheim<br />
Sabine Handl-Bauer Evang. Jugendhilfe Friedenshort GmbH, Öhringen<br />
Christian Lawan Bruderhaus<strong>Diakonie</strong>, Behindertenhilfe Neckar-Alb, Reutlingen<br />
Wolfgang Lindenmaier Stiftung Jugendhilfe Aktiv Region Esslingen, Esslingen<br />
Uli Maier <strong>Diakonie</strong> Stetten e. V., Kernen i.R.<br />
Frauke Reinert Nikolauspflege Stuttgart, Stuttgart<br />
Ursel Spannagel Bruderhaus<strong>Diakonie</strong>, Sozialpsychiatrische Hilfen Reutlingen-Zollernalb, Reutlingen<br />
Klaus Stampfer Evang. Gesellschaft Stuttgart e. V., Stuttgart<br />
Peter Stauch Bruderhaus<strong>Diakonie</strong>, Behindertenhilfe im Landkreis Rottweil, Fluorn-Winzeln<br />
Andrea Unterweger-Rösiger Geschäftsführerin der AGMAV im DWW<br />
Hanno Zinßer Sophienpflege e. V., Tübingen<br />
Was sind die zentralen Herausforderungen für das<br />
kommende Jahr? Also welche Themen brennen Ihnen<br />
im Moment besonders unter den Nägeln?<br />
AGMAV: Im Zentrum steht der Einsatz für einheitliche arbeitsrechtliche<br />
Bedingungen in der württembergischen <strong>Diakonie</strong><br />
und um eine ordentliche Finanzierung sozialer Arbeit. Wir<br />
wollen die Tarifunterschiede zwischen der AVR <strong>Württemberg</strong><br />
und der AVR DW EKD nivellieren. Es muss in der württembergische<br />
<strong>Diakonie</strong> der Satz gelten: Gleicher Lohn für gleiche<br />
Arbeit. Auch der Kampf gegen prekäre Beschäftigung ist<br />
uns wichtig.<br />
Und wie sieht die Tarifsituation in der württembergischen<br />
<strong>Diakonie</strong> im Jahr 2020 aus?<br />
AGMAV: Im Jahr 2020 haben wir einen einheitlichen Sozialtarif<br />
für alle. Gewerkschaften und Arbeitgeber kämpfen gemeinsam<br />
für eine hundertprozentige Refinanzierung sozialer Arbeit. Die<br />
große Frage, die aber bleibt, ist: Haben wir dann noch genügend<br />
junge Menschen, die bereit sind, im sozialen Bereich zu<br />
arbeiten. Das wird eine gemeinsame große Herausforderung<br />
sein. Denn Menschen, die soziale Arbeit brauchen, wird es<br />
genügend geben.<br />
Das Gespräch führten Claudia Mann und Peter Ruf
48 Zahlen – Daten – Fakten<br />
Zahlen<br />
Daten<br />
Fakten<br />
zur <strong>Diakonie</strong><br />
<strong>Württemberg</strong><br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 49<br />
1. MITGLIEDER<br />
Diakonische Träger <strong>Diakonie</strong>verbände der Evang. Kirchenbezirk Kirchenbezirke Gesamt<br />
<strong>2011</strong> 260 12 48 320<br />
Zahl der Einrichtungen: 1.200<br />
Täglich erreichte Personen: über 200.000<br />
2. BEHINDERTENHILFE<br />
Angebote der Behindertenhilfe –<br />
gesamt<br />
Wohnen von Erwachsenen<br />
und Kindern<br />
Einrichtungen<br />
Davon Betreutes Wohnen 10<br />
Tagesstrukturierende Angebote<br />
teils in Verbindung mit Wohnen<br />
Davon Kindergärten und<br />
Sonderschulen<br />
Davon Werkstätten für Menschen<br />
mit Behinderungen<br />
Mobile Hilfsdienste und<br />
Beratungsstellen (einschließlich<br />
Familienentlastende Dienste)<br />
Einrichtung für Bildung und Freizeit 11<br />
Menschen<br />
mit Behinderungen<br />
Mitarbeitende<br />
270 18.600 7.000<br />
90 6.600<br />
120 11.500<br />
23 1.900<br />
40 6.000<br />
30<br />
Die Zahl der Menschen mit Behinderungen in ambulanten Angeboten wird nicht erfasst. Nach unserer<br />
Einschätzung erreichen wir über 20.000 Menschen mit Behinderungen durch all unsere Angebote.
50 Zahlen – Daten – Fakten<br />
3. SOZIALPSyCHIATRIE<br />
Angebote der Sozialpsychiatrie –<br />
gesamt<br />
Einrichtungen Betreute Personen Mitarbeitende<br />
– – 1.180<br />
Sozialpsychiatrische Dienste 21 1.500<br />
Psychiatrierelevante<br />
Beratungsstellen<br />
5 137<br />
Tagesstätten 25 1.373<br />
Ambulant Betreutes Wohnen In 15 Kreisen 1.195<br />
davon in Wohngemeinschaften 489<br />
davon in Betreutem Wohnen<br />
in Familien<br />
Stationäres Wohnen<br />
(Eingliederungshilfe)<br />
davon in ausgelagerten<br />
Wohngemeinschaften<br />
davon geschlossene<br />
Wohnheimplätze<br />
36<br />
In 14 Kreisen 1.136<br />
Stationäres Wohnen (Pflege) 238<br />
Tagesstrukturierende Maßnahmen 1.027<br />
Werkstätten für behinderte<br />
Menschen<br />
Häuslich psychiatrische<br />
Pflegedienste<br />
Medizinische und Berufliche<br />
Rehabilitation<br />
396<br />
31<br />
47 1.833<br />
3 254<br />
In 5 Landkreisen 46<br />
Psychiatrische Kliniken 6 149<br />
davon stationäre Plätze 84<br />
davon tagesklinische Plätze 65<br />
Kontaktgruppen, Gesprächskreise,<br />
Clubs, Selbsthilfegruppen<br />
Persönliches Budget bekommen 80<br />
90<br />
Da Menschen mit psychischen Erkrankungen manche der oben genannten Angebote nutzen, kann die Zahl<br />
der erreichten Personen nicht genau erfasst werden. Bei den ambulanten Angeboten (SPDi, Beratungsstellen,<br />
Tagesstätten, Pflegedienste) sind monatliche Durchschnittzahlen erfasst. Nach unserer Einschätzung erreichen wir<br />
über 8.500 Menschen mit psychischer Erkrankungen durch all unsere Angebote. Darüber hinaus unterstützt die<br />
<strong>Diakonie</strong> die Selbsthilfeorganisationen der Psychiatrieerfahrenen. Außerdem sind im Landesverband für Betreuungswesen<br />
der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> neun Betreuungsvereine zusammengeschlossen.<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 51<br />
4. ALTENHILFE<br />
Einrichtungen Bewohner/innen Mitarbeitende<br />
Angebote der Altenhilfe – gesamt 400 17.390 11.500<br />
Alten- und Pflegeheime<br />
einschließlich Kurzzeitpflege<br />
220 15.600<br />
Betreutes Wohnen 70 380<br />
Tages- und Nachtpflege 45 330<br />
5. DIAKONIE-SOZIALSTATIONEN<br />
<strong>Diakonie</strong>-Sozialstationen und ambulante Pflegedienste, Familienpflegedienste,<br />
selbstständige Nachbarschaftshilfen<br />
Vollzeitstellen in <strong>Diakonie</strong>-Sozialstationen und ambulanten Pflegediensten 3.745<br />
Davon Stellen für hauptberuflich beschäftigte Familienpflegerinnen bzw. Dorfhelferinnen ca. 120<br />
Gesamtzahl der Mitarbeitenden, einschließlich derer,<br />
die unterhalb der Sozialversicherungsgrenze bleiben („Köpfe“)<br />
Versorgte Menschen nur im Leistungsbereich der Pflegeversicherung<br />
Anmerkung: Die Zahl ist anhand verschiedener Statistiken geschätzt<br />
6. JUGENDHILFE<br />
Angebote der Jugendhilfe –<br />
gesamt<br />
Stationäre Angebote<br />
der Erziehungshilfe<br />
Sonderschulen, Berufsschulen,<br />
Ausbildungsbetriebe<br />
in Einrichtungen der Jugendhilfe<br />
Tagesgruppen und sonstiges<br />
Tageseinrichtungen für Kinder<br />
im Rahmen der Erziehungshilfe<br />
Ambulante Hilfen für Kinder,<br />
Jugendliche und Familien (Schulsozialarbeit,<br />
Jugendmigrationsdienste,<br />
Mobile Jugendarbeit, Psychologische<br />
Beratungsstellen etc.)<br />
Einrichtungen Kinder und Jugendliche Mitarbeitende<br />
350 7.100 3.500<br />
140 2.300<br />
30 2.450<br />
70 1.450<br />
80<br />
Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in den ambulanten Angeboten wird nicht erfasst.<br />
Nach unserer Einschätzung erreichen wir rund 20.000 Kinder und Jugendliche durch all unsere Angebote.<br />
240<br />
ca. 9.350<br />
ca. 10.200
52 Zahlen – Daten – Fakten<br />
7. BERATUNGSSTELLEN DER DIAKONISCHEN BEZIRKSSTELLEN<br />
Beratungsstelle<br />
Sozial-, Lebens- und<br />
Gesundheitsberatung<br />
Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen<br />
Spezialisierte Schuldnerberatungsstellen<br />
(inkl. der Dienste von freien<br />
diakonischen Trägern)<br />
Diakonischen Dienste der<br />
Kirchenbezirke und der von<br />
Kirchenbezirken gebildeten<br />
Kreisdiakonieverbände<br />
8. KRANKENHäUSER UND KLINIKEN<br />
Zahl der<br />
Beratungsstellen<br />
Zahl<br />
der Vollzeitstellen<br />
Zahl der<br />
Ratsuchenden<br />
an 56 Orten 77 Vollzeitstellen 15.000<br />
an 27 Orten 34 Vollzeitstellen 6.150<br />
an 21 Orten 33 Vollzeitstellen 4.100<br />
Insgesamt<br />
750 Vollzeitstellen<br />
in verschiedenen<br />
Fachdiensten,<br />
Beratungs- und<br />
Hilfebereichen<br />
Anzahl Bettenzahl Mitarbeitende<br />
Allgemeinkrankenhäuser 5 1.606<br />
Geriatrische Kliniken, einschließlich<br />
Rehabilitationskrankenhäuser<br />
8 598<br />
Fachkliniken für Suchtrehabilitation 6 402<br />
Fachkrankenhäuser für Psychiatrie<br />
einschließlich Nachsorge sowie<br />
Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
4 146<br />
Hospize 3 21<br />
Ambulante Hospizdienste 9<br />
Gesamt 4.000<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 53<br />
9. HILFEN FüR SUCHTKRANKE MENSCHEN<br />
9.1 BERATUNG UND SELBSTHILFEGRUPPEN<br />
Suchtberatungsstellen<br />
Selbsthilfegruppen<br />
für Suchtkranke<br />
Einrichtungen Mitarbeitende Personen<br />
25 Beratungsstellen<br />
an 45 Orten<br />
465 Gruppen<br />
9.2 BEHANDLUNG UND BETREUUNG<br />
Plätze in stationärer<br />
und tagesklinischer<br />
Suchtreha<br />
Davon 6 Suchtfachkliniken<br />
Plätze in Einrichtungen<br />
der Eingliederungshilfe/Hilfe<br />
in<br />
besonderen Lebenslagen<br />
Davon<br />
4 Einrichtungen<br />
zur beruflichen<br />
Wiedereingliederung<br />
(Adaption)<br />
3 Tagesreha-<br />
einrichtungen<br />
4 Stationäre<br />
Einrichtungen für<br />
chronisch Suchtkranke<br />
2 Ambulant betreutes<br />
Wohnen für Chronisch<br />
Suchtkranke<br />
7 Ambulant<br />
betreutes Wohnen in<br />
der Rehanachsorge<br />
122 Vollzeitstellen<br />
für Fachberaterinnen und -berater<br />
18 Vollstellen<br />
für Verwaltungsmitarbeiterinnen<br />
Honorarmitarbeitende –<br />
umgerechnet 12 Vollzeitstellen<br />
Insgesamt: 149 Vollzeitstellen<br />
3,5 Stellen Hauptamtliche<br />
700 qualifizierte Ehrenamtliche<br />
ca. 11.000<br />
Hilfesuchende<br />
ca. 5.500<br />
Teilnehmende<br />
550<br />
ca. 200<br />
Gesamt ca. 800
54 Zahlen – Daten – Fakten<br />
10. WOHNUNGSLOSENHILFE<br />
Ambulante Hilfe Anzahl Platzzahlen/Personen Mitarbeitende VK<br />
Fachberatungsstellen 20 1797 48,4<br />
Aufnahmehäuser 18 222 21,0<br />
Tagesstätten 10 544 19,8<br />
Betreutes Wohnen 30 473 33,8<br />
Sonstige ambulante Stellen 11 76 4,3<br />
Stationäre Hilfe Anzahl Platzzahlen/Personen Mitarbeitende VK<br />
Stationär/teilstationär 20 878 158,2<br />
Arbeitsbereich 27 271 44,8<br />
11. ARBEITSLOSENHILFE<br />
Träger Beschäftigte Maßnahmen Teilnehmende<br />
22 1039 4.758<br />
12. DIAKONIELäDEN UND TAFELN<br />
Es gibt 47 <strong>Diakonie</strong>läden in Trägerschaft von Kirchenbezirken oder von Kirchenbezirken und Kirchengemeinden.<br />
Daneben gibt es bei manchen diakonischen Einrichtungen Second-Hand-Shops.<br />
Im Bereich der <strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> gibt es 81 Tafeln insgesamt. 23 der Tafelläden sind in unmittelbarer<br />
Trägerschaft von Kirchenbezirken oder diakonischen Einrichtungen, weitere 28 mit evangelischer oder<br />
diakonischer Beteiligung.<br />
13. MITARBEITENDE IN DER WüRTTEMBERGISCHEN DIAKONIE<br />
13.1 HAUPTAMTLICHE<br />
Insgesamt 28.000 Vollzeitstellen gibt es in den Einrichtungen der württembergischen <strong>Diakonie</strong>, die von rund<br />
40.000 Voll- und Teilzeitbeschäftigten besetzt sind. 76 Prozent der Mitarbeitenden sind weiblich, 24 Prozent<br />
männlich.<br />
13.2 EHRENAMTLICHE<br />
35.000 Ehrenamtliche arbeiten in der württembergischen <strong>Diakonie</strong>. Laut einer Umfrage von <strong>2011</strong>engagierten<br />
sich die Ehrenamtlichen durchschnittlich 72 Stunden pro Jahr. 39 Prozent mindestens ein Mal pro Woche.<br />
13.3 AUSZUBILDENDE<br />
Es gibt über 5.000 Ausbildungsplätze in der württembergischen <strong>Diakonie</strong>.<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Zahlen – Daten – Fakten 55<br />
14. FREIWILLIGENDIENSTE<br />
Freiwilliges Soziales Jahr – FSJ<br />
Jahrgang 2006/07 2007/08 2008/2009 2009/2010 2010/<strong>2011</strong> <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />
TN 810 863 764 850 893 893 764 100% 850 100% 1009 100%<br />
Frauen 607 671 551 595 629 629 551 72,10% 595 70% 675 66,90%<br />
Männer 203 202 213 255 264 264 213 27,90% 255 30% 334 33,10%<br />
Unter 18 (W/M) 261 290 246 262 292 292 246 32,20% 262 30,80% 342 33,89<br />
18-21 Jahre 478 511 427 510 524 524 427 55,90% 510 60,00% 588 58,27<br />
22-24 Jahre 56 57 71 66 64 64 71 9,30% 66 7,80% 64 6,35%<br />
25-26 Jahre 15 15 20 12 13 13 20 2,60% 12 1,40% 15 1,49%<br />
HS 157 165 168 92 151 151 168 22,00% 92 10,80% 252 24,97%<br />
RS mit Abschluss 311 329 273 361 396 396 273 35,70% 361 42,50% 320 31,71%<br />
Abitur/FHS-Reife 342 256 323 397 346 346 323 42,30% 397 46,70% 437 43,32%<br />
Bundesfreiwilligendienst – BFD<br />
Jahrgang <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />
TN 441 100%<br />
Frauen 175 39,68%<br />
Männer 266 60,32%<br />
Unter 18 (W/M) 57 12,93%<br />
18-21 Jahre 267 60,54%<br />
22-26 Jahre 35 7,94%<br />
Über 27 Jahre 56 12,70%<br />
Über 50 Jahre 26 5,90%<br />
Freiwilliges Ökologisches Jahr – FÖJ<br />
Jahrgang 2010/<strong>2011</strong> <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />
TN 28 100% 30 100%<br />
Frauen 11 39,29% 12 40,00%<br />
Männer 17 60,71% 18 60,00%<br />
Unter 18 (W/M) 2 7,14% 8 26,67%<br />
18-21 Jahre 25 89,29% 18 60,00%<br />
22-24 Jahre 1 3,57% 4 13,33%<br />
Beim Bundesfreiwilligendienst Ü27 beträgt der Altersdurchschnitt<br />
42 Jahre. 60 Prozent sind Männer und 40 Prozent Frauen.<br />
50 Prozent absolvieren ihren Bundesfreiwilligendienst in Teilzeit.<br />
x-change/weltwärts (Entsendung ins Ausland)<br />
Jahrgang 2010/<strong>2011</strong> <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong><br />
TN 10 100% 11 100%<br />
Frauen 6 60,00% 11 100%<br />
Männer 4 40,00%<br />
Unter 18 (W/M)<br />
18-21 Jahre 8 80,00% 9 81,82%<br />
22-24 Jahre 2 20,00% 1 9,09%<br />
25-26 Jahre 1 9,09%<br />
HS<br />
RS mit Abschluss 1 9,09%<br />
Abitur/FHS-Reife 10 100% 10 90,91%
56 Zahlen – Daten – Fakten<br />
15. EVANGELISCHER LANDESVERBAND – TAGESEINRICHTUNGEN FüR KINDER<br />
IN WüRTTEMBERG E. V. (STAND 01.03.<strong>2011</strong>)<br />
Einrichtungen Gruppen<br />
Kinder<br />
genehmigt<br />
Kinder<br />
belegt<br />
Mitarbeitende<br />
Gesamt 2.052 4.759 107.845 90.602 12.560<br />
davon kirchlicher<br />
bzw. diakonischer<br />
Träger<br />
davon Kommunen<br />
und weitere<br />
freieTräger<br />
Betreuungsplätze<br />
Insgesamt für Kinder<br />
von 0 bis unter 3 Jahre<br />
(alle Träger)<br />
davon betreute<br />
Kinder in Krippen<br />
Schularten<br />
944 2.053 47.203 40.886 5.455<br />
1.108 2.598 60.642 49.716 7.105<br />
Anzahl Schulen<br />
<strong>Württemberg</strong> Baden<br />
8.506<br />
4.237<br />
16. SCHULEN IM EVANGELISCHEN SCHULWERK (KIRCHE UND DIAKONIE)<br />
Anzahl<br />
Schüler/innen<br />
Anzahl der<br />
Lehrkräfte/<br />
Voll- und Teilzeit)<br />
Grundschulen 11 13 2.656 172<br />
Haupt- und Werkrealschulen 4 9 1.545 139<br />
Realschulen 7 10 2.047 176<br />
Gymnasien 12 13 6.439 486<br />
Schulen für Erziehungshilfe 19 11 3.776 658<br />
Schulen für Geistig-, Körper- und<br />
Sinnesbehinderte<br />
19 6 1.832 353<br />
Sonderberufsschulen 16 – 2.342 137<br />
Fachschulen für Sozialpädagogik und<br />
Sozialwesen<br />
Fachschulen für Gesundheits- und<br />
Krankenpflege<br />
24 6 1.876 127<br />
6 5 780 71<br />
Fachschulen für Altenpflege/-hilfe 15 16 1.554 101<br />
Gesamt 133 89 24.847 2.420<br />
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong>
<strong>Diakonie</strong> <strong>Württemberg</strong> Oft verwendete Abkürzungen 57<br />
OFT VERWENDETE ABKüRZUNGEN:<br />
ABKüRZUNGEN, DIE NUR IN EINEM BEREICH AUFTAUCHEN, WERDEN IM TExT ERKLäRT.<br />
Alg II ...........................................................Arbeitslosengeld II (Hartz IV)<br />
AK ...................................................................Arbeitsrechtliche Kommission<br />
AVR ..............................................................Arbeitsvertragsrichtlinien<br />
AVR-Wü ..............................................Arbeitsvertragsrichtlinien für <strong>Württemberg</strong><br />
AVR-DW-EKD .......................Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks Deutschland<br />
BA ...................................................................Bundesagentur für Arbeit<br />
BSG ............................................................Bundessozialgericht<br />
Bufdi ..........................................................Bundesfreiwilliger<br />
DWW ........................................................Diakonisches Werk <strong>Württemberg</strong><br />
DW EKD .............................................Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland<br />
EKD .............................................................Evangelische Kirche in Deutschland<br />
FÖJ ..............................................................Freiwilliges Ökologisches Jahr<br />
FSJ ...............................................................Freiwilliges Soziales Jahr<br />
KAO ............................................................Kirchliche Anstellungsordnung<br />
LGSt ...........................................................Landesgeschäftstelle des Diakonischen Werks <strong>Württemberg</strong><br />
Liga ..............................................................Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-<strong>Württemberg</strong><br />
MAV ............................................................Mitarbeitervertretung<br />
SGB ............................................................Sozialgesetzbuch<br />
SuE ...............................................................Tarif für Sozial- und Erziehungsdienst<br />
TVöD .........................................................Tarifvertrag öffentlicher Dienst<br />
ZGASt.....................................................Zentrale Gehaltsabrechnungsstelle<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgegeben zur Mitgliederversammlung<br />
am 14. November <strong>2012</strong><br />
Diakonisches Werk der evangelischen Kirche<br />
in <strong>Württemberg</strong> e. V.<br />
Postfach 10 11 51<br />
70010 Stuttgart<br />
Heilbronner Straße 180<br />
70191 Stuttgart<br />
Telefon: +49 711 1656-300<br />
Telefax: +49 711 49 1656-277<br />
E-Mail: info@diakonie-wuerttemberg.de<br />
Internet: www.diakonie-wuerttemberg.de<br />
Artikel, Interviews und Kurzzitate<br />
Mareike Erhardt, Michael Hellstern, Claudia Mann,<br />
Peter Ruf, Kevin Schuon, Markus Zeile<br />
Redaktion<br />
Peter Ruf<br />
Fotos<br />
Manfred Neumann, Fotoatelier Dittmar, Markus Zeile<br />
Grafiksche Gestaltung<br />
www.logo-werbeagentur.de<br />
Druck<br />
Format Druck GmbH
58<br />
Fax-Nr. +49 711 165649-Durchwahl-Nr. Telefon<br />
E-Mail: Name.erster Buchstabe Vorname@diakonie-wue.de<br />
1.0<br />
Dieter<br />
Kaufmann<br />
269<br />
DiakonischeGrundsatzfragen<br />
1.02<br />
Dieter<br />
Kaufmann<br />
269<br />
1.1<br />
Peter<br />
Ruf<br />
118<br />
Presse<br />
Kommunikation<br />
Internationale<br />
<strong>Diakonie</strong><br />
1.2<br />
Uwe<br />
Rzadkowski<br />
260<br />
Arbeitsrecht<br />
Sozialrecht<br />
Rechtsberatung<br />
<strong>Diakonie</strong>-<br />
Sozialstationen<br />
1.3<br />
Dr. Joachim<br />
Rückle<br />
267<br />
VORSTANDSBEREICH 1<br />
VORSTANDSVORSITZENDER<br />
Sekretariat<br />
Albrecht<br />
Daiss<br />
164<br />
PRESSE, KOMMUNIKATION UND<br />
INTERNATIONALE DIAKONIE<br />
Claudia<br />
Mann<br />
334<br />
Mareike<br />
Erhardt<br />
121<br />
Monika<br />
Blankenburg<br />
268<br />
EVANGELISCHES<br />
KRANKENHAUSWESEN<br />
Annette<br />
Seifert<br />
119<br />
Johannes<br />
Flothow<br />
282<br />
Brigitte<br />
Leithold<br />
157<br />
JUSTIZIARIAT, ARBEITS- UND<br />
SOZIALRECHT<br />
Anja<br />
Günther<br />
262<br />
Andrea<br />
Kuschnereit<br />
182<br />
Jutta<br />
Hertneck<br />
286<br />
Bildungsmanagement<br />
(Hauswirtschaft und<br />
ambulante Dienste)<br />
Personal- und Organisationsentwicklung<br />
Projekt<br />
„Chronos“ und „Debora“<br />
Theologische<br />
Grund-<br />
satzfragen,<br />
Projektarbeit<br />
Martina<br />
Haberl<br />
276<br />
Martina<br />
Lechler<br />
385<br />
Wolfgang<br />
Schuker<br />
258<br />
THEOLOGIE UND BILDUNG<br />
Gudrun<br />
Bosch<br />
411<br />
Ursula<br />
Schukraft<br />
176<br />
Barbara<br />
Hipp<br />
173<br />
Salomo<br />
Strauß<br />
340<br />
Dr. Kornelius<br />
Knapp<br />
394<br />
ARBEITSGEMEINSCHAFT DER<br />
MITARBEITERVERTRETUNGEN<br />
AGMAV<br />
Andrea<br />
Unterweger-<br />
Rösiger<br />
272<br />
1.4<br />
Dr. Günter<br />
Banzhaf<br />
117<br />
Jochen<br />
Häusser-<br />
mann-<br />
Schuler<br />
171<br />
Doris<br />
Wörner<br />
160<br />
LANDKREIS- UND<br />
KIRCHENBEZIRKS-<br />
DIAKONIE, MIGRATION<br />
Koordination und<br />
Entwicklung Diakonischer<br />
Dienste, Bezirksstellen<br />
Armutsfragen<br />
und<br />
-projekte<br />
Service-<br />
Team<br />
117<br />
Schwangeren- und<br />
Schwangerschaftskonfliktberatung,<br />
Frauen- und Kinderschutzhäuser<br />
Migration<br />
Flüchtlingshilfen<br />
Rechtsinformation<br />
Migration<br />
Projektberatung/Interkulturelle<br />
Bildung<br />
Birgit<br />
Susanne<br />
Dinzinger<br />
377<br />
Integration,<br />
Interkulturelle<br />
Soziale<br />
Arbeit<br />
Ottmar<br />
Schickle<br />
283<br />
Marina<br />
Walz-<br />
Hildenbrand<br />
122<br />
Josef<br />
Minarsch-<br />
Engisch<br />
170<br />
Spätaussiedler, Ausländische<br />
Studierende,<br />
Stipendien- und Bundesintegrationsprogramme<br />
Evangelisches Schulwerk<br />
Baden und <strong>Württemberg</strong><br />
Geschäftsführer<br />
Eckhard Geier<br />
239<br />
Geschäftsführerin<br />
Christa Epple-Franke<br />
429<br />
Fortbildungsreferentin<br />
Sabine Hettinger<br />
430<br />
LMDW – Landeskirchlicher<br />
Migrationsdienst<br />
Beauftragte:<br />
Birgit S. Dinzinger<br />
Werner Baumgarten<br />
EMDW – Evangelischer<br />
Migrationsdienst<br />
in <strong>Württemberg</strong> e. V.<br />
Geschäftsführer<br />
Dieter Albert<br />
+49 731 1538-509<br />
ORGANISATIONSPLAN DER LANDESGESCHäFTSSTELLE DES<br />
Hans-Dieter<br />
Haas<br />
199<br />
Marlene<br />
Barth<br />
198<br />
Ingrid<br />
Mugler<br />
292<br />
Jürgen<br />
Gfrörer<br />
109<br />
2.0<br />
Heike<br />
Baehrens<br />
211<br />
SozialpolitischeGrundsatzfragen<br />
2.1<br />
Johannes<br />
Kessler<br />
264<br />
Stationäre/<br />
teilstationäre<br />
Ein-<br />
richtungen<br />
Familienpflege<br />
und<br />
Hospiz<br />
Offene<br />
Altenarbeit<br />
<strong>Diakonie</strong>-/<br />
Sozialstationen<br />
Pflegefragen<br />
Nachbarschaftshilfe,<br />
Hauswirtschaftliche<br />
Versorgung und Mobile<br />
Soziale Dienste<br />
Konzeptionsentwicklung<br />
Geschäftsstellenleitung<br />
LV <strong>Diakonie</strong>-Sozialstationen,<br />
Beratung<br />
Krankenpflegevereine<br />
2.2<br />
Irene<br />
Kolb-<br />
Specht<br />
214<br />
Hilfe für Menschen mit<br />
geistiger und körperlicher<br />
Behinderung<br />
Sozialpsychiatrie<br />
PUA – Beratungsstelle zu<br />
Pränatalen Untersuchungen<br />
und Aufklärunag<br />
Beratung<br />
für Hörgeschädigte<br />
Landesgehörlosenpfarramt<br />
Schwerhörigenseelsorge<br />
Sekretariat<br />
Beate Härer<br />
230<br />
N.N.<br />
218<br />
Ulrike Tonn<br />
206<br />
Isabell<br />
Rössler<br />
254<br />
Struktur-<br />
und<br />
Organisationsfragen<br />
Christina<br />
Köster<br />
210<br />
in der<br />
ambulanten<br />
Altenhilfe<br />
Matthias<br />
Kneißler<br />
169<br />
Roswitha<br />
Köble<br />
195<br />
Roland<br />
Martin<br />
194<br />
Rosemarie<br />
Muth<br />
+49 7121<br />
330150<br />
Assistent<br />
Rainer<br />
Scheufele<br />
110<br />
VORSTANDSBEREICH 2<br />
VORSTAND<br />
Marlene<br />
Graf<br />
212<br />
GESUNDHEIT, ALTER,<br />
PFLEGE<br />
Judith<br />
Klett-<br />
Schmidt<br />
312<br />
Sibylle<br />
Arndt-<br />
Wurster<br />
337<br />
Johanna<br />
Ewig-Spur<br />
205<br />
Stefan<br />
Siebertz<br />
204<br />
Sibylle<br />
Arndt-<br />
Wurster<br />
337<br />
BEHINDERTENHILFE UND<br />
PSyCHIATRIE<br />
Irene<br />
Kolb-<br />
Specht<br />
214<br />
Iris Maier-<br />
Strecker<br />
163<br />
Claudia<br />
Heinkel<br />
341<br />
Claudia<br />
Steidel<br />
+49 7131<br />
9644-810<br />
Walter<br />
Großmann<br />
229<br />
VORSTAND<br />
Manfred<br />
Schall<br />
320<br />
Thomas<br />
Hoffmann<br />
177<br />
Monique<br />
Klaeger<br />
+49 7361<br />
923369<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
Dieter Kaufmann<br />
269<br />
Bernd<br />
Schatz<br />
328<br />
2.3<br />
Ulrich<br />
Fellmeth<br />
216<br />
Jugendpolitik/Einrichtungsentwicklung<br />
Gemeindenahe Jugendhilfe<br />
und Sozialraumorientierung<br />
Jugendberufshilfe<br />
und Europa<br />
Erziehungshilfe/<br />
Soziale<br />
Integration<br />
Hilfen für<br />
Familien<br />
und<br />
Qualitätsentwicklung<br />
Jugendsozialarbeit<br />
2.4<br />
Martin<br />
Maier<br />
193<br />
Arbeitslosenhilfe<br />
und Armut<br />
Suchthilfen<br />
Wohnungslosenhilfe<br />
Schuldnerberatung<br />
Stellvertreterin des<br />
Vorstandsvorsitzenden<br />
Heike Baehrens<br />
211<br />
KINDER, JUGEND<br />
UND FAMILIE<br />
Ulrich<br />
Fellmeth<br />
216<br />
Olaf<br />
Kierstein<br />
125<br />
Ingrid<br />
Scholz<br />
231<br />
Anneliese<br />
Schreyer-<br />
Schubert<br />
327<br />
Matthias<br />
Reuting<br />
383<br />
Klaus<br />
Kittler<br />
233<br />
Birgit<br />
Wieland<br />
178<br />
Frieder<br />
Claus<br />
207<br />
Bernd<br />
Krüger<br />
208<br />
mehrwert gGmbH<br />
Agentur<br />
für Soziales Lernen<br />
Firnhaber Straße 14<br />
70174 Stuttgart<br />
Geschäftsführerin<br />
Gabriele Bartsch<br />
+49 711 123757-37<br />
Siegfried<br />
Keppeler<br />
317<br />
INTEGRATION<br />
UND ExISTENZ-<br />
SICHERUNG<br />
Jürgen<br />
Gfrörer<br />
313
DIAKONISCHEN WERKS DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN WüRTTEMBERG E. V.<br />
Finanzvorstand<br />
Rainer Middel<br />
154<br />
2.5<br />
Abteilungsleitung<br />
FSJ/BFD<br />
Einrichtungen<br />
FSJ/BFD<br />
Freiwillige<br />
FSJ/BFD<br />
Bildungsarbeit<br />
Betriebswirtschaft/<br />
Verwaltung<br />
Ehrenamt/<br />
Freiwilligenprojekte/BFDü27<br />
Internationale<br />
Pro-<br />
gramme<br />
FSJ plus<br />
Öffentlichkeitsarbeit/<br />
FSJfocus/<br />
FÖJ<br />
Wolfgang<br />
Hinz-<br />
Rommel<br />
236<br />
Heike<br />
Schmidt-<br />
Brücken (K*1)<br />
186<br />
Katrin<br />
Kühnhold<br />
362<br />
Margarete<br />
Dinkelaker<br />
(K*2)<br />
253<br />
Claudia<br />
Seigel<br />
446<br />
Michael<br />
Ott<br />
(K*3)<br />
310<br />
Anja<br />
Lobmüller<br />
417<br />
Silke<br />
Weilandt<br />
(K*4)<br />
235<br />
Albrecht<br />
Ottmar<br />
(K*5)<br />
316<br />
Karl<br />
Wagner<br />
(K*6)<br />
288<br />
Sylvia<br />
Pflüger<br />
416<br />
Thomas<br />
Steigmiller<br />
(K*7)<br />
326<br />
Karin<br />
Renz<br />
(K*8)<br />
325<br />
Barbara<br />
Unruh<br />
407<br />
Robert<br />
Bachert<br />
130<br />
FREIWILLIGES<br />
ENGAGEMENT<br />
Matthias<br />
Bund<br />
116<br />
Nina-Maria<br />
Peters<br />
444<br />
Inge<br />
Hofmann<br />
335<br />
Harry<br />
Staiger<br />
114<br />
Tobias<br />
Burgenmeister<br />
440<br />
Alicja<br />
Tomanek<br />
346<br />
Ute<br />
Fischer<br />
415<br />
Martina<br />
Haas-<br />
Pfander<br />
285<br />
Christel<br />
Schmalzried<br />
347<br />
Siegbert<br />
Denk<br />
388<br />
Nadja<br />
Akel<br />
356<br />
Karin<br />
Willrich-<br />
Flothow<br />
439<br />
* Koordinationsbereich<br />
Kathrin<br />
Frank<br />
420<br />
Annette<br />
Vacano<br />
426<br />
Elke<br />
Muffler<br />
361<br />
Saskia<br />
Wendl<br />
443<br />
Alissa<br />
Dharsono<br />
251<br />
Sabine<br />
Zeller<br />
311<br />
Thomas<br />
Hoffmann<br />
177<br />
Heide<br />
Kautt<br />
408<br />
Dorothee<br />
Stauß<br />
159<br />
Eva-Maria<br />
Garber<br />
399<br />
Janin<br />
Hartung<br />
445<br />
Peter<br />
Wolfinger<br />
447<br />
Stefan<br />
Ruff<br />
441<br />
Britta<br />
Wohlfeld<br />
418<br />
Tanja<br />
Ensinger<br />
350<br />
Klaus<br />
Pertschy<br />
426<br />
Inka<br />
Liem<br />
419<br />
Doerte<br />
Westphal<br />
315<br />
Daniel<br />
Schmidt<br />
442<br />
3.0<br />
Rainer<br />
Middel<br />
154<br />
Fondsverwaltung<br />
Risikomanagement<br />
3.1<br />
Manuela<br />
Wuttke<br />
155<br />
Günther<br />
Jung<br />
150<br />
Martin<br />
Hartkopf<br />
102<br />
Mitgliedschaften,Erbschaften,<br />
KfU,<br />
Sekretariat<br />
Bilanzen, Wirtschaftsplan,<br />
Organisation,<br />
Buchhaltung<br />
Kostenrechnung/<br />
Controlling<br />
3.2<br />
Personalwesen,<br />
Kfm.<br />
Berufsausbildung<br />
Organisation<br />
Lgst.<br />
3.3<br />
Jessica<br />
Kemmler<br />
338<br />
Martin<br />
Kaulitz<br />
209<br />
Robin<br />
Meissner<br />
336<br />
Günther<br />
Jung<br />
150<br />
Günther<br />
Jung<br />
150<br />
BETEILIGUNGEN<br />
ZSU Zentrale Buchungsstelle<br />
für soziale<br />
Unternehmen GmbH<br />
Presselstraße 29<br />
Geschäftsführer<br />
Robert Bachert<br />
+49 711 1656-130<br />
Geschäftsführer<br />
Rainer Middel<br />
+49 711 1656-154<br />
<strong>Diakonie</strong> –<br />
Struktur gGmbH<br />
Heilbronner Straße 180<br />
Geschäftsführer<br />
Rainer Middel<br />
+49 711 1656-154<br />
Geschäftsführer<br />
Uwe Rzadkowski<br />
+49 711 1656-260<br />
<strong>Diakonie</strong><br />
EDV Service GmbH<br />
Presselstraße 29<br />
Geschäftsführer<br />
Dieter Stark<br />
VORSTANDSBEREICH 3<br />
VORSTAND<br />
Edith<br />
Mertz<br />
153<br />
FINANZ- UND<br />
RECHNUNGSWESEN<br />
Manuela<br />
Wuttke<br />
155<br />
PERSONALWESEN,<br />
ORGANISATION LGST.<br />
Christine<br />
Kienle<br />
190<br />
BESCHAFFUNG,<br />
LIEGENSCHAFTEN,<br />
HAUSVERWALTUNG<br />
BETRIEBLICHER DATEN-<br />
SCHUTZBEAUFTRAGTER,<br />
INNENREVISION<br />
Walter<br />
Veygel<br />
188<br />
3.4<br />
Adelheid<br />
Frank-<br />
Winter<br />
191<br />
Wirtschaftsberatung<br />
und Ver-<br />
gütungsverhandlungen:<br />
Koordination<br />
Prüfung<br />
<strong>Diakonie</strong>-<br />
Sozialstationen<br />
Prüfung<br />
<strong>Diakonie</strong>-<br />
Sozialstationen<br />
Betriebsvergleich<br />
Rating<br />
3.5<br />
Sascha<br />
Busch<br />
396<br />
Personalmanagement<br />
(ZGAST)<br />
PC-Lösungen/Schulungen/<br />
AbwicklungVersicherungsfragen<br />
EDV<br />
WIRTSCHAFTSBERATUNG<br />
Altenhilfe<br />
<strong>Diakonie</strong>-<br />
Sozialstationen<br />
Eingliederungshilfe<br />
Jugendhilfe<br />
Wohnungs-<br />
und<br />
Arbeitslosenhilfe<br />
Jürgen<br />
Müller<br />
410<br />
Markus<br />
Betke<br />
296<br />
Jürgen<br />
Müller<br />
410<br />
Walburga<br />
Duong<br />
379<br />
Sascha<br />
Busch<br />
396<br />
Personal<br />
Office<br />
Walter<br />
Veygel<br />
188<br />
Stefan<br />
Klein<br />
275<br />
Rainer<br />
Liefeld<br />
348<br />
Rainer<br />
Liefeld<br />
348<br />
Andrea<br />
Feuchtmayr<br />
226<br />
Stefan<br />
Kunert<br />
174<br />
Nadine<br />
Sperl<br />
295<br />
Rainer<br />
Boßhard<br />
192<br />
EDV – BERATUNG UND<br />
DIENSTLEISTUNGEN<br />
Wolfgang<br />
Fischer<br />
146<br />
Ruth Kutzer<br />
107<br />
Ruth<br />
Schwegler<br />
189<br />
Thomas<br />
Stark<br />
256<br />
Andreas<br />
Rothe<br />
183<br />
Ruth<br />
Schwegler<br />
189<br />
Nadine<br />
Sperl<br />
295<br />
Arnim<br />
Friedemann<br />
187<br />
Andreas<br />
Kulow<br />
359<br />
Christoph<br />
Wesner<br />
273<br />
Bettina<br />
Kassner<br />
355<br />
Monika<br />
Rauscher<br />
134<br />
59<br />
Fax-Nr. +49 711 165649-Durchwahl-Nr. Telefon<br />
E-Mail: Name.erster Buchstabe Vorname@diakonie-wue.de<br />
Timo<br />
Wohlleber<br />
111
Diakonisches Werk<br />
<strong>Württemberg</strong><br />
Landesgeschäftsstelle<br />
Heilbronner Straße 180<br />
70191 Stuttgart<br />
www.diakonie-wuerttemberg.de