Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
Jahresbericht 2011/2012 - Diakonie Württemberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Bericht einer Mutter Arbeitsbereich 1 15<br />
der Schulwechsel aber auch: „Da hier nur verhaltensauffällige<br />
Schüler im Unterricht sind, ist die Lautstärke unglaublich hoch.<br />
Als Max die erste Woche in einer normalen Schule war, kam er<br />
nach dem Unterricht heim und meinte: „Mama, du glaubst gar<br />
nicht, dass die 120 Schüler in Kleingartach lauter waren, als<br />
die 800 Schüler hier.“<br />
Nach einiger Zeit in der Schule für Erziehungshilfe soll Max für<br />
eine genauere Untersuchung acht Wochen in die Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie. „Der Aufenthalt dort hat ihn weitergebracht.<br />
Ihm wurde dort ein Medikament verschrieben, das<br />
ihm sehr dabei hilft seine Aggressionen zu zügeln und Ängste<br />
abzubauen.“ Allerdings hätten die Eltern lange mit sich gerungen,<br />
ob sie ihm das Medikament geben sollten. „Zudeckeln<br />
und das Kind damit ruhig stellen kam für mich nie in Frage“,<br />
meint seine Mutter. Letztlich sei es aber das Beste für ihn<br />
gewesen. „Natürlich gab es auch Nebenwirkungen, er klagte<br />
anfangs über Appetitlosigkeit und hatte Schlafstörungen, aber<br />
zum Glück hat sich das nach einiger Zeit gebessert.“ Max sei<br />
zu ihr gekommen und habe gemeint: „Mama, du wirst wieder<br />
den anderen Max kennenlernen.“ Durch die medikamentöse<br />
Behandlung habe er sich jetzt besser unter Kontrolle:<br />
„Er hat gelernt, mit Schwierigkeiten besser umzugehen.<br />
In Situationen, in denen er früher weggelaufen wäre, bleibt<br />
er jetzt ruhiger.“<br />
„Er hat sich sehr gefreut, wieder auf eine<br />
normale Schule gehen zu können.“<br />
Schritt für Schritt habe sich sein Verhalten danach gebessert.<br />
Seinen eigenen Fortschritt konnte Max am schuleigenen<br />
Punktesystem mit drei Stufen Rot, Gelb und Grün verfolgen.<br />
„Damit wird festgehalten, wie weit sich der Schüler in seinem<br />
Sozialverhalten entwickelt hat“, meint Frau V. Langsam habe<br />
er sich nach vorn gearbeitet, bis er dann endlich im grünen<br />
Bereich gewesen sei. „Danach durfte er in einer normalen<br />
Realschule hospitieren, was eine tolle Belohnung für seine<br />
Mühen war. Er hat sich sehr gefreut, wieder auf eine normale<br />
Schule gehen zu können.“ Schweren Herzens habe man sich<br />
von der guten Betreuung der Schule für Erziehungshilfe verabschiedet.<br />
Für die Zukunft von Max sei eine normale Schule<br />
einfach besser gewesen. „Der Leistungsdruck in unserer<br />
Gesellschaft ist immer da und Erziehungshilfeschulen sind<br />
nicht anerkannt“, bedauert seine Mutter.<br />
Seit dem zweiten Halbjahr des Schuljahres <strong>2011</strong>/<strong>2012</strong> geht<br />
Max nun auf eine normale Realschule. „Mittlerweile hat er<br />
Freunde an der Schule gefunden und kommt auch mit dem<br />
Lernstoff ganz gut klar. Er hat nur noch Probleme in Englisch.“<br />
Seine Medikamente nehme er weiterhin, denn die Umstellung<br />
von der Schule in Kleingartach auf die Realschule sei nicht<br />
einfach gewesen. „Er hat jetzt sehr viel mehr Lernstress, der<br />
Lernstoff ist ganz anders aufgebaut. Außerdem ist die Umstellung<br />
von einer kleinen Klasse mit nur zehn Schülern auf eine<br />
große Klasse mit 30 Schülern sehr schwierig gewesen. Eigentlich<br />
wäre er in die sechste Klasse gekommen, aber wir fanden<br />
es für seine Eingewöhnung besser, wenn er das zweite Halbjahr<br />
in der fünften Klasse noch einmal macht.“ Trotz aller<br />
Widrigkeiten habe Max die Umstellung super gemeistert. Auch<br />
für seinen späteren Berufswunsch habe er schon erste Ideen.<br />
„Max will schon seit langem Architekt werden. Er weiß auch,<br />
dass er dafür Abitur machen muss und glaubt, dass er das<br />
schaffen kann.“ Komplett ist bei Familie V. aber noch keine<br />
Normalität eingekehrt. „Max hat für sich festgestellt, dass er<br />
anders ist als die anderen. Unser größter Wunsch ist, dass er<br />
das nicht mehr denken muss. Wir wollen ihm den Schritt<br />
zurück in ein normales Leben ermöglichen. Wenn er älter ist,<br />
soll er zurückblicken und das Ganze als einen Lebensabschnitt<br />
ansehen, der zum Glück vorbei ist.“<br />
Michael Hellstern, freier Mitarbeiter der Pressestelle