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DIPLOMARBEIT - Institut für Germanistik

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2. 1. 2. 7 Pragmatische Aspekte<br />

Die Produktion und Interpretation von WNB steht auch in Zusammenhang mit<br />

pragmatischen Faktoren. Motsch nennt folgende Prinzipien, die bei der Verwendung von<br />

WNB wirksam werden (vgl. ²2004: 26–27):<br />

Prinzip des sinnvollen Wortes: WNB müssen nicht nur semantischen und formativstrukturellen<br />

Bedingungen entsprechen, sondern auch begriffliche Relevanz aufweisen und<br />

kommunikativ sinnvolle Konzepte bezeichnen. Die Verbindung von Synonymen oder von<br />

Konstituenten, die einander ausschließen (*Kreisquadrat), sowie redundante Bildungen wie<br />

*kopfig oder *Sohlenschuh, bei denen kommunikativ überflüssige Informationen herausgestellt<br />

wird, sind pragmatisch inakzeptabel. Bestimmte Situationen und Textzusammenhänge<br />

können diesen Bildungen jedoch Sinn geben und sie dadurch akzeptabel machen. Downings<br />

Experimente zeigten das sehr deutlich. So gaben Probanden, denen Komposita kontextlos<br />

vorgelegt wurden, z. B. bei book novel nicht pragmatisch irrelevante, sondern speziellere<br />

Interpretationen wie a novel about the writing of a book. Auf der anderen Seite wurden<br />

solche scheinbar redundanten Komposita in den entsprechenden Kontexten von den<br />

Probanden selbst produziert: Zu einem Bild, auf dem ein Zimmer zu sehen war, das<br />

verschiedene Türen <strong>für</strong> bestimmte Tiere und eine Tür <strong>für</strong> Menschen hatte, wurden, dem<br />

Kontext entsprechend, die Komposita human door, people door und person door gebildet.<br />

(Vgl. Downing 1977: 832–833)<br />

Prinzip der Interpretierbarkeit: Neue Bildungen sollten semantisch klar und<br />

verstehbar sein. Das gilt auch <strong>für</strong> Kontextkomposita mit individuellen Bedeutungen, die auf<br />

kein Muster zurückgeführt werden können.<br />

Prinzip der Knappheit: Wortbildungen können morphologisch nicht beliebig umfangreich<br />

sein, was die Komplexität und Menge von Mehrfachkomposita und Ableitungsstufen<br />

eingeschränkt. Auch das Bilden von Abkürzungen oder die Reduzierung auf Basiswörter ist<br />

auf dieses Prinzip zurückzuführen, das nur so weit verwirklicht werden kann, solange es die<br />

Interpretierbarkeit nicht beeinträchtigt.<br />

Wortbildung ist lexikongebunden, weshalb WNB <strong>für</strong> Sachverhalte oder Dinge, <strong>für</strong> die<br />

es bereits ein lexikalisierte Synonym gibt, im Normalfall blockiert sind, z. B. *Großheit<br />

durch Größe (vgl. Motsch ²2004: 19). Es ist aber auch ausreichend, wenn die Neubildung<br />

eine andere konnotative oder stilistische Qualität als das existierende Lexem aufweist.<br />

Auch bei der Interpretation werden pragmatische Deutungsfaktoren wirksam. Bereits<br />

Okkasionalismen können meist nicht alleine aufgrund der Bedeutung der Konstituenten und<br />

des semantischen Verknüpfungsmusters erschlossen werden, da dieses nur das zentrale<br />

semantische Kernkonzept erfasst. So müssen z. B. beim Muster ‚Vergleich‘ die typischen<br />

Eigenschaften, auf die sich der Vergleich bezieht, passend ergänzt werden, siehe damenhaftes<br />

Verhalten vs. damenhafte Kleidung. (Vgl. Motsch 1995: 525) In lexikalisierten<br />

Bildungen sind sie bereits Teil der semantischen Beschreibung, siehe riesenhaft (vgl. ebd.<br />

526). Dazu kommt, dass sich viele Wortbildungen meist nach mehreren Mustern analysieren<br />

lassen und idiosynkratische Merkmale aufweisen. Das Inferieren zusätzlicher Informationen<br />

und die Auflösung semantischer Mehrdeutigkeiten (z. B. durch Blockierung gewisser<br />

Muster) sowie Uminterpretationen (z. B. bei metaphorischer oder ironischer Lesart)<br />

sind pragmatische Prozesse und benötigen die Einbeziehung von Kontext- und Weltwissen<br />

(vgl. ebd. 527–530, ausführlich zur Semantisierung von WNB vgl. Abschnitt 2.2.5).<br />

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