Ja zur neuen Linkspartei! - Die Linkspartei - Die Linke
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Ohne Abstufungen<br />
Zur Behindertenpolitik in der <strong>neuen</strong> <strong>Linke</strong>n Von Ralf Sondermeyer<br />
Eine Alltagssituation: Eine Rollstuhlfahrerin<br />
und ein Vater mit Kinderwagen<br />
wollen an einer Haltestelle in einen normalen<br />
Linienbus einsteigen. Den Vater<br />
schauen alle anderen Fahrgäste fragend<br />
an, weil ein Mann es doch alleine<br />
schafft, die zwei Stufen den Kinderwagen<br />
reinzuheben, und die Rollifahrerin<br />
muss draußen bleiben, weil man den<br />
Elektrorolli nicht anheben kann. Fazit:<br />
Beide Menschen werden in diesem Moment<br />
gleichermaßen behindert.<br />
<strong>Die</strong>ses kleine Beispiel zeigt, dass<br />
die Behinderung eines Menschen<br />
nichts mit einem körperlichen Gebrechen<br />
zu tun haben muss. Dabei wäre<br />
der Einsatz eines Niederfl urbusses<br />
mit entsprechender Anpassung an<br />
die Bordsteinkante die Lösung dieses<br />
Problems, und alle könnten selbstbestimmt<br />
und ohne Hilfe ihr Leben meistern.<br />
Ein kleines Beispiel für das Prinzip<br />
der Nutzen-für-alle-Politik der <strong>neuen</strong><br />
<strong>Linke</strong>n.<br />
Auch in der <strong>neuen</strong> <strong>Linke</strong>n müssen<br />
wir über das Selbstverständnis einer<br />
modernen Behindertenpolitik nachdenken.<br />
<strong>Die</strong>s soll nicht heißen, das Rad<br />
neu zu erfi nden. Es heißt vielmehr, dass<br />
Bewährtes erhalten und geschützt werden<br />
soll und dass dennoch auch neue<br />
Wege beschritten werden müssen.<br />
<strong>Linke</strong> Behindertenpolitik bedeutet:<br />
Wir stehen dafür, dass Menschen mit<br />
Behinderungen und chronisch kranke<br />
Menschen in allen Situationen des Lebens<br />
einen echten Nachteilsausgleich<br />
bekommen. Sei es in einer persönlichen<br />
Assistenz im Arbeitsleben oder<br />
im privaten Bereich oder im Abbau von<br />
Barrieren, oder sei es durch einen fi -<br />
nanziellen Ausgleich für den behindertenbedingten<br />
Mehraufwand durch die<br />
Gesellschaft. Wir wollen keine Gleichmacherei.<br />
Wir wollen aber die gleichen<br />
Chancen für alle Menschen!<br />
Es heißt oft, der Staat hat kein Geld.<br />
Müsste es nicht vielmehr richtig heißen:<br />
Wie viel ist der Gesellschaft der<br />
Nachteilsausgleich für Menschen mit<br />
Behinderungen wert?<br />
<strong>Linke</strong> Behindertenpolitik steht für<br />
den Artikel 1 unseres Grundgesetzes<br />
und lässt keine Abstufungen zu. Es<br />
bleibt dabei: <strong>Die</strong> Würde des Menschen<br />
ist unantastbar. Doch auch in der <strong>neuen</strong><br />
<strong>Linke</strong>n müssen wir dafür kämpfen,<br />
dass Menschen mit Behinderungen<br />
210 DISPUT März 2007<br />
oder chronisch kranke Menschen nicht<br />
ausgegrenzt werden.<br />
Warum werden Veranstaltungen in<br />
Räumen organisiert, die nicht barrierefrei<br />
sind? Warum erfüllen wir selbst<br />
nicht die Ansprüche, die wir als Partei<br />
in den Parlamenten und auf allen Politikfeldern<br />
einfordern?<br />
Es muss eine Fortschreibung sein,<br />
wenn wir uns im Statut der <strong>neuen</strong> Partei<br />
selbst auferlegen, Veranstaltungen<br />
auf Bundesebene oder auf den Landesebenen<br />
(nicht nur in Nordrhein-Westfalen)<br />
barrierefrei zu gestalten. Barrierefrei<br />
heißt aber nicht allein, dass wir einen<br />
Tagungsraum haben, der für Rollifahrer/innen<br />
geeignet ist. Das bedeutet<br />
auch, dass Menschen mit Sinnesbehinderungen<br />
oder Sprachproblemen nicht<br />
an enge Redezeiten gebunden sind.<br />
Es ist manchmal verständlich, dass<br />
gesunde Menschen diese Forderungen<br />
nicht nachvollziehen können oder ökonomische<br />
Gesichtspunkte in den Fordergrund<br />
stellen. Eine einfache Lösung<br />
ist deshalb, die betroffenen Menschen<br />
zu fragen, welchen Nachteilsausgleich<br />
sie für eine selbstbestimmte Teilhabe<br />
in der Partei und der Gesellschaft brauchen.<br />
Daher ist es unerlässlich, dass<br />
wir in allen Landesverbänden und auf<br />
Bundesebene verpflichtend eine behindertenpolitischeArbeitsgemeinschaft<br />
oder zumindest einen Behindertenbeauftragten<br />
fest, also statutenmäßig,<br />
installieren.<br />
Moderne, linke Behindertenpolitik<br />
soll nicht heißen, dass wir hinter jedem<br />
Satz schreiben, dass Menschen mit Behinderungen<br />
oder chronisch Kranke besonders<br />
gefördert werden sollen. Das<br />
ist eine ressortübergreifende Politik,<br />
die dem Nutzen-für-alle-Prinzip folgt.<br />
Wenn es selbstverständlich wird, dass<br />
Menschen nicht mehr behindert werden,<br />
sind wir ein großes Stück weiter.<br />
Nun zeigt uns jedoch die Erfahrung,<br />
dass manche Dinge in Statuten festgeschrieben<br />
werden müssen. Damit<br />
kann sie keiner uminterpretieren! Daher:<br />
Barrierefreiheit bei Veranstaltungen<br />
gehört ins Statut auf Landes- und<br />
auf Bundesebene!<br />
<strong>Linke</strong> Behindertenpolitik weiß, dass<br />
Menschen nicht danach eingeschätzt<br />
werden dürfen, was sie alles nicht können.<br />
Jeder Mensch hat Talente und Fähigkeiten,<br />
diese müssen gefördert wer-<br />
den. Erworbene Fertigkeiten sind wertvoll<br />
und gesellschaftlich anzuerkennen.<br />
<strong>Linke</strong> Behindertenpolitik ist für<br />
die Integration aller Menschen in die<br />
Gesellschaft. Dabei bedeutet Integration<br />
nicht, die Menschen so zu »formen«,<br />
dass sie in die Gesellschaft passen.<br />
Ralf Sondermeyer ist Mitglied des Landesvorstandes<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
■ ■ Neuer Sprecherrat<br />
<strong>Die</strong> AG Selbstbestimmte Behindertenpolitik<br />
der <strong>Linkspartei</strong>-WASG<br />
wählte am 17. Februar in Berlin<br />
ihren <strong>neuen</strong> Sprecherrat. Nach<br />
einem ausführlichen Tätigkeitsbericht<br />
des alten Sprecherrates<br />
wurden die besonderen Verdienste<br />
von Jürgen Muskulus (Sachsen)<br />
und Ursula Teltow (Berlin) für linke<br />
Behindertenpolitik gewürdigt.<br />
Mit Christian Schröder (Berlin)<br />
und Irene Müller (Mecklenburg-<br />
Vorpommern) wurden zwei der<br />
vier Sprecher der AG in ihren Ämtern<br />
bestätigt. Neu gewählt wurden<br />
Christine Lichtwardt (Mecklenburg-Vorpommern)<br />
und Ralf<br />
Sondermeyer (Nordrhein-Westfalen).<br />
Sie werden die Arbeitsgemeinschaft<br />
leiten, politische Akzente<br />
der Behindertenpolitik der <strong>Linkspartei</strong>/WASG<br />
zusammenfassen,<br />
<strong>zur</strong> Diskussion stellen und daraus<br />
resultierende linke Behindertenpolitik<br />
in die Öffentlichkeit tragen<br />
und vertreten. Auf der Sitzung<br />
der AG wurde ein Arbeitsplan verabschiedet.<br />
Eine neue linke Partei ist für<br />
Vertreter/innen der Behindertenpolitik<br />
auch Anlass, neue und moderne<br />
Ansatzpunkte der Behindertenpolitik<br />
zu verankern. Um diese<br />
Arbeit kontinuierlich und effektiv<br />
gestalten zu können, wird sich<br />
die Arbeitsgemeinschaft alle zwei<br />
Monate in Berlin treffen und in der<br />
nächsten Zeit eine neue Struktur<br />
in den Bundesländern aufbauen.<br />
Konkrete Termine der Arbeitsgemeinschaft<br />
können dem Arbeitsplan<br />
entnommen werden. Er<br />
steht unter anderem auf der Internetseite<br />
www.irenemueller.de.<br />
ARBEITSGEMEINSCHAFT