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viertei jahresschrift des instituts für deutsche ostarbeit krakau

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JUDENSTAATSPROJEKTE IN DER POLNISCHEN PUBLIZISTIKDES 19. JAHRHUNDERTSV O N D R . J O S E F S O M M E R F E L D T , K R A K A UDer Verlauf der Geschichte der Juden rechtfertigt die Ansicht, daß die Wanderungen ein besonderesMerkmal dieses Volkes sind und auch in Zukunft bleiben werden. Denn kein Volk ist in seinerGeschichte so viel und so weit gewandert wie das jüdische. Aus dieser Tatsache erwuchs im Mittelalterbei den europäischen Völkern der Glaube, daß die Juden wohl verdammt sein müßten,heimat- und ruhelos durch die Welt zu streifen und bis zum Ende der Tage zerstreut unter deßVölkern zu wohnen. Auf einem ewigen Wanderzug durch die Welt sollten sie da<strong>für</strong> büßen, dansie sich an Jesus Christus vergangen hatten, und nach dem Ratschluß Gottes als unaustilgbaresElement der Versuchung unter den Völkern wohnen. Und dieser im Mittelalter allgemein verbreiteteGlaube schieD in jeder neuen Generation insofern seine Bestätigung zu finden, als sich dieVölker zwar gegen die Juden in ihrer Mitte bald hier, bald dort zur Wehr setzten und sie zwangen,ihre Wohnsitze und das Feld ihrer Tätigkeit zu verlegen, aber doch nicht imstande waren, sichdurch ihre Zusammendrängung auf einen eigenen Siedlungsraum endgültig von ihnen zu befreien.Gegen diese landläufige Ansicht, daß die Juden zur Zerstreuung und Wanderung in der Weltbis zum Ende der Zeiten prä<strong>des</strong>tiniert seien und daß die arischen Völker sich mit der nomadischenExistenz der Juden abfinden müßten, konnte sich die andere Meinung, daß es möglich sein müßte,durch Gründung eines eigenen Judenstaates die Juden von ihrem Schicksal und damit die übrigenVölker von einer schweren Last zu befreien, nur schwer durchsetzen.Im jüdischen Volke, vor allem bei den in gedrängter Dichte wohnenden und die messianistischenHoffnungen pflegenden Ostjuden, war die Sehnsucht nach Palästina und nach Errichtung eineseigenen Judenstaates niemals erloschen und hat immer dann eine merkliche Belebung erfahren,wenn die Juden unter den Abwehrmaßnahmen ihrer Wirtsvölker zu leiden hatten oder wennmystische Strömungen in ihrem religiösen Leben die Oberhand gewannen. Aber erst spät hatsich diese latente Palästinasehnsucht so verdichtet, daß sie in konkreten Projekten ihren Ausdruckfinden konnte. Von einer Behandlung der jüdisch-messianistischen Palästinasehnsucht wird infolgendem abgesehen. Es soll vor allem gezeigt werden, welche Projekte von nichtjüdischerSeite vorgetragen wurden1).Die ersten P r o je k te <strong>für</strong> die Gründung eines selbständigen Judenstaats sind aus dem E n d e <strong>des</strong> 17. J a h rh u n ­d erts bekannt. Es erscheint ganz natürlich, daß <strong>für</strong> diese Pläne in erster Linie P a lä s tin a in Frage kam. Alleindie Anregungen der Franzosen P ie rre J u r ie u x (1686) und M arqu is de L a n g a lle rie (1714) fanden bei ihren Zeitgenossengenau so wenig Widerhall wie die umfangreichen Projekte, die der D än e H o lg e r P au lli (um 1700) W ilhelmTIL von England und Ludwig X IV . vortrug (Gelber, S. 12, 24, 25). Ein Projekt, das ein A n o n y m u s im Jahre1770 Mendelssohn überreichen ließ, schien diesem erst dann durchführbar, wenn die europäischen Großmächte ineinen allgemeinen Krieg verwickelt wären und jede mit sich selbst genug zu tun hätte (Gelber, S. 28). Gegen Ende<strong>des</strong> 18. Jahrhunderts wurde der Gedanke der Gründung eines Judenstaates in Palästina bereits eine Angelegenheitder hohen Politik. So wurden 1780 die J u d e n in L iv o r n o von russischer Seite zur Errichtung eines Judenstaatesin Palästina aufgemuntert, wovon sich Rußland eine wesentliche Schwächung der Türkei versprach (Gelber, S. 30fL).Von N a p o le o n wird erzählt, daß er bei seinem Zug nach Ägypten 1798/99 die Juden Afrikas und Asiens aufgeforderthabe, unter seine Fahnen zu treten, damit das alte Jerusalem wiederhergestellt werde (Gelber, 44). 1801 veröffentlichteder in österreichischen Diensten stehende General F ü rst de L ig n e ein Projekt über die Errichtung einesJudenstaats in Palästina (Gelber, 31). 1818 interessierte sich Zar Alexander <strong>für</strong> ein ähnliches Projekt <strong>des</strong> EngländersL ew is W a y und stellte es auf dem Kongreß in Aachen zur Diskussion (Gelber, 49ff.). Im gleichen Jahre begann deramerikanische Jude M o rd e ch a i Im m a n u e l N oa h seine Propaganda <strong>für</strong> einen Judenstaat in Palästina (Gelber,62ff.). In den Jahren 1830— 1839 warb der in Berlin geborene evangelische Kaufmann K a r l F r ie d r ich G u sta vS e y fa rt als „Bevollmächtigter <strong>des</strong> Königs Siegfried Justus I. von Zion“ <strong>für</strong> einen Judenstaat in Palästina und*) Die wichtigsten in Deutschland, Westeuropa und Amerika bekanntgewordenen Judenstaatsprojekte hat zusammengestelltN .M . G e lb e r, Zur Vorgeschichte <strong>des</strong> Zionismus. Judenstaatsprojekte in den Jahren 1695— 1845. Wien1927. Von den polnischen Projekten <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts nennt er nur das von Przezör (Goluchowski) aus demJahre 1854. Außerdem vgl. zur Vorgeschichte <strong>des</strong> Zionismus auch Jüdisches Lexikon Bd. V, Sp. 1578 ff.14

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