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Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

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Er drehte sich zu mir um. lächelte und hob die Augenbrauen.»D ie Büsche s<strong>in</strong>d voll von seltsamen D<strong>in</strong>gen«, sagte er, als ersich wie<strong>der</strong> h<strong>in</strong>setzte.Er sagte dies <strong>in</strong> so b eiläufigem Ton, daß es mich mehrerschreckte, als wenn er e<strong>in</strong>en plötzlichen Schrei ausgestoßenhätte. N otizbuch und B leistift fie le n m ir aus <strong>der</strong> H and. Erlachte und ahmte mich nach, dann me<strong>in</strong>te er, solche übertriebenenReaktionen seien e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> losen Enden, die es immernoch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben gebe.Ich wollte etwas e<strong>in</strong>wenden, aber er ließ mich nicht zu W ortkommen.»W ir haben nur noch e<strong>in</strong> W eilchen T ageslicht«, sagte er.»Und es gibt noch an<strong>der</strong>e D<strong>in</strong>ge, über die w ir reden sollten.bevor die Dämmerung here<strong>in</strong>bricht.«Nach me<strong>in</strong>en Erfolgen beim »Träumen« zu urteilen, fügte erh<strong>in</strong>zu, hätte ich wohl gelernt, me<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Dialog willentlichabzustellen. Dies sei <strong>der</strong> Fall, sagte ich ihm. Am Anfangunserer Verb<strong>in</strong>dung hatte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> mir noch e<strong>in</strong>e weitereTechnik geschil<strong>der</strong>t: Sie bestand dar<strong>in</strong>, lange Strecken zuwan<strong>der</strong>n, ohne den B lick auf irgend etwas zu konzentrieren.Er hatte mir empfohlen, nichts direkt anzusehen, son<strong>der</strong>n mitden Augen leicht e<strong>in</strong>wärts zu schielen, um alles, was sich demB lick darbot, peripher im Auge zu behalten. Er hatte behauptet- auch wenn ich es damals nicht verstand -, daß es möglichsei, be<strong>in</strong>ahe alles gleichzeitig wahrzunehmen, was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emW <strong>in</strong>kel von 180 Grad vor e<strong>in</strong>em liegt, wenn man den Blick,ohne zu zentrieren, auf e<strong>in</strong>en Punkt knapp über dem Horizontrichtet. Er h atte mir b e te u ert, diese Übung sei das e<strong>in</strong>zigeM ittel, um den <strong>in</strong>neren Dialog abzustellen. Er ließ michregelm äßig über m e<strong>in</strong>e Fortschritte berichten, und irgendwannfragte er nicht mehr danach. Ich erzählte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>, ich hättediese Technik jahrelang praktiziert, ohne e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ungzu bemerken, doch ich hatte ohneh<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e erwartet. E<strong>in</strong>esTages aber war mir überraschend bewußt geworden, daß ichsoeben etwa zehn M <strong>in</strong>uten gegangen war, ohne e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigesWort mit mir selbst zu sprechen. Ich erwähnte auch, ich hättebei dieser G elegenheit e r k a n n t.daß das Anhalten des <strong>in</strong>neren Dialogs mehr bedeutete als e<strong>in</strong>bloßes Zurückhalten <strong>der</strong> W orte, die ich zu mir selbst sprach.M e<strong>in</strong> ganzer Denkprozeß hatte ausgesetzt, und ich hattepraktisch das Gefühl, zu schweben, dah<strong>in</strong>zutreiben. Auf dieseErkenntnis war e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong> Panik gefolgt, und ich mußte,sozusagen als G egenm ittel, m e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren D ialog wie<strong>der</strong>aufnehmen.»Ich sagte dir ja, <strong>der</strong> <strong>in</strong>nere Dialog ist das. was uns begründet«,m e<strong>in</strong>te D on <strong>Juan</strong>. »D ie W elt ist so o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>sbeschaffen, nur w eil wir uns vorsagen, daß sie so o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>sbeschaffen ist.«<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> erklärte nun, daß <strong>der</strong> W eg <strong>in</strong> die W elt <strong>der</strong> Zauberersich erst öffne, nachdem <strong>der</strong> Krieger gelernt habe, se<strong>in</strong>en<strong>in</strong>neren Dialog abzustellen.»Unsere Vorstellung, unsere Ansicht von <strong>der</strong> W elt zu än<strong>der</strong>n,das ist <strong>der</strong> spr<strong>in</strong>gende Punkt bei <strong>der</strong> Zauberei«, sagte er. »Unddas Anhalten des <strong>in</strong>neren Dialogs ist die e<strong>in</strong>zige M öglichkeit,dies zu erreichen. <strong>Der</strong> Rest ist nur Beiwerk. Du bist jetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong>Lage zu erkennen, daß nichts von alledem, was du gesehen o<strong>der</strong>getan hast, ausgenommen das Anhalten des <strong>in</strong>neren Dialogs,von sich aus irgend etwas an dir o<strong>der</strong> an de<strong>in</strong>er Vorstellungvon <strong>der</strong> W elt hätte än<strong>der</strong>n können. Voraussetzung ist natürlich,daß diese Verän<strong>der</strong>ung nicht gestört wird. Jetzt verstehst du.warum e<strong>in</strong> Lehrer se<strong>in</strong>en Schüler nicht hart anfaßt. Dieswürde nur Zwangsvorstellungen und Krankheit erzeugen.«Er fragte nach weiteren E<strong>in</strong>zelheiten über die Erfahrungen,die ich beim Abstellen des <strong>in</strong>neren Dialogs gemacht hatte. Ichberichtete alles, woran ich mich er<strong>in</strong>nern konnte. W irsprachen, bis es dunkel wurde und ich nicht mehr m itschreibenko nnte; das Schreiben verlangte zuviel Aufmerksamkeit, und d ies bee<strong>in</strong>trächtigte m e<strong>in</strong>e K onzentration. D on<strong>Juan</strong> erkannte es und f<strong>in</strong>g an zu lachen. Er behauptete, ichhätte noch e<strong>in</strong>e weitere Aufgabe <strong>der</strong> Zauberei vollbracht,nämlich zu schreiben, ohne mich zu konzentrieren. In demAugenblick, als er dies sagte, wurde mir klar, daß das Notizenmachenmir tatsächlich kaum Aufmerksamkeit abverlangte.Es schien e<strong>in</strong>e autom atische Tätigkeit zu se<strong>in</strong>, m it <strong>der</strong> ichnichts zu tun hatte. Ich kam mir komisch vor. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>20 21

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