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Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

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Ich war sprachlos. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß siemich e<strong>in</strong>fach an <strong>der</strong> Nase rumführten.»Für e<strong>in</strong>en Krieger wie Genaro«, fuhr er fort, »ist es ke<strong>in</strong> garso ungewöhnliches Unterfangen, den An<strong>der</strong>en hervorzubr<strong>in</strong>gen.«Lange überlegte ich, was ich noch sagen sollte, dann fragte ich:»Ist <strong>der</strong> An<strong>der</strong>e wie das Selbst?« »<strong>Der</strong> An<strong>der</strong>e ist das Selbst«,erwi<strong>der</strong>te <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>. Se<strong>in</strong>e Erklärung hatte e<strong>in</strong>eunglaubliche Wendung genommen, doch war sie eigentlichnicht unglaublicher als alles an<strong>der</strong>e, was sie taten.»Woraus besteht <strong>der</strong> An<strong>der</strong>e?« fragte ich <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> nachM<strong>in</strong>uten <strong>der</strong> Unentschlossenheit. »Das zu wissen istunmöglich«, sagte er. »Ist er real o<strong>der</strong> bloß e<strong>in</strong>e Illusion?«»Natürlich ist er real.«»Könnte man dann sagen, daß er aus Fleisch und Blut ist?«fragte ich.»Ne<strong>in</strong>, das kann man nicht«, antwortete <strong>Don</strong> Genaro. »Aberwenn er so wirklich ist wie ich . . .« »So wirklich wie du?«unterbrachen mich <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> und <strong>Don</strong> Genaro wie aus e<strong>in</strong>emMund.Sie schauten e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> an und lachten, bis ich me<strong>in</strong>te, siemüßten sich gleich übergeben. <strong>Don</strong> Genaro warf se<strong>in</strong>en Hutauf den Boden und tanzte um ihn herum. Se<strong>in</strong> Tanz wargewandt und anmutig und aus irgende<strong>in</strong>em unerklärlichenGrund äußerst spaßig. Vielleicht lag <strong>der</strong> Witz <strong>in</strong> den höchst»professionellen« Schritten, die er ausführte. Diese Unstimmigkeitwar so subtil und gleichzeitig so auffällig, daß ich <strong>in</strong> ihrGelächter e<strong>in</strong>stimmen mußte.»Die Schwierigkeit mit dir, Carlitos«. me<strong>in</strong>te er. als er wie<strong>der</strong>saß, »besteht dar<strong>in</strong>, daß du e<strong>in</strong> Genie bist.« »Ich muß mehrüber den Doppelgänger wissen«, sagte ich. »Es ist unmöglichzu wissen, ob er aus Fleisch und Blut ist«, sagte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>.»Denn er ist nicht so wirklich wie du. GenarosDoppelgänger ist so wirklich wie Genaro. Verstehst du, wasich me<strong>in</strong>e?«»Aber du mußt zugeben, <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>, daß es doch möglich se<strong>in</strong>muß, dies zu wissen.«»<strong>Der</strong> Doppelgänger ist das Selbst. Diese Erklärung solltegenügen. Aber wenn du sehen könntest, dann wüßtest du, daße<strong>in</strong> großer Unterschied zwischen Genaro und se<strong>in</strong>em Doppelgängerbesteht. Für e<strong>in</strong>en Zauberer, <strong>der</strong> sieht, leuchtet <strong>der</strong>Doppelgänger heller.«Ich fühlte mich zu schwach, um noch weitere Fragen zustellen. Ich legte me<strong>in</strong> Schreibzeug weg, und e<strong>in</strong>en Augenblickwar mir, als würde ich ohnmächtig. Ich hatte die Visione<strong>in</strong>es Tunnels; alles um mich her war dunkel, ausgenommene<strong>in</strong> run<strong>der</strong> Fleck vor me<strong>in</strong>en Augen, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> klares B ild zeigte.<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> sagte, ich müsse etwas essen. Ich war nicht hungrig.<strong>Don</strong> Genaro verkündete, er sei ganz ausgehungert, dann stand erauf und g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> den rückwärtigen Teil des <strong>Haus</strong>es. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>stand ebenfalls auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. In <strong>der</strong>Küche füllte <strong>Don</strong> Genaro sich e<strong>in</strong>en Teller und ahmte dannäußerst kom isch e<strong>in</strong>en M enschen nach, <strong>der</strong> essen will, abernicht schlucken kann. M ir kam es so vor, als w olle <strong>Don</strong>Genaro gleich se<strong>in</strong>en Geist aufgeben; er brüllte, strampelte,schrie, keuchte und würgte vor Lachen. Auch ich mußte mirden Bauch halten. <strong>Don</strong> Genaros Possen waren unvergleichlich.Schließlich hielt er <strong>in</strong>ne und blickte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> und michnache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> an; se<strong>in</strong>e Augen leuchteten und er lächeltestrahlend.»Es geht n ic h t«, sagte er achselzuckend. Ich aß e<strong>in</strong>e gewaltigePortion. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> ebenfalls; dann kehrten wir alle drei zumVorplatz des <strong>Haus</strong>es zurück. Die Sonne strahlte, <strong>der</strong> Himmelwar klar, und die Morgenbrise erfrischte die Atmosphäre. Ichfü h lte mich glücklich und gestärkt.W ir saßen im Dreieck e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> gegenüber. Nach e<strong>in</strong>em h ö flichenSchweigen beschloß ich, sie zu bitten, m i r bei <strong>der</strong> K lärungme<strong>in</strong>es Dilemmas zu helfen. Ich fü h lte mich wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>bester Form und wollte me<strong>in</strong>e Stärke erproben. »Erzähl mirmehr über den Doppelgänger, <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>«, sagte ich.<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> deutete auf <strong>Don</strong> Genaro, und <strong>Don</strong> Genaro verbeugtesich.53

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