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Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

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<strong>Don</strong> Genaro lehnte an <strong>der</strong> <strong>Haus</strong>wand, gegen die er, auf <strong>der</strong>umgestürzten Milchbütte hockend, se<strong>in</strong>en Rücken stützte. Ersah aus, als reite er auf e<strong>in</strong>em Pferd. Die Hände hielt er nachvorn gestreckt, so daß man den E<strong>in</strong>druck hatte, er halte dieZügel fest.»Stimmt, Carlitos«, sagte er und stieß die Milchbütte gegenden Boden.Er stieg ab, wobei er das rechte Be<strong>in</strong> über e<strong>in</strong>en imag<strong>in</strong>ärenPferdehals schwang, und sprang auf den Boden. Se<strong>in</strong>e Bewegungenwaren so perfekt, daß sie mir das unzweifelhafteGefühl e<strong>in</strong>gaben, er sei hoch zu Pferde angekommen. Er kamzu mir herüber und setzte sich zu me<strong>in</strong>er L<strong>in</strong>ken. »Genaro istgekommen, weil er dir von dem An<strong>der</strong>en erzählen will«, sagte<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>.Er machte e<strong>in</strong>e Gebärde, als ob er <strong>Don</strong> Genaro das Worterteilte. <strong>Don</strong> Genaro verbeugte sich. Er drehte sich näher zumir.»Was möchtest du wissen, Carlitos?« fragte er mit überzogenerStimme.»Nun, wenn du mir etwas über den Doppelgänger erzählenwillst, dann erzähl mir bitte alles«, sagte ich, Gelassenheitvortäuschend. Die beiden schüttelten die Köpfe und schautensich an.»Genaro wird dir etwas über den Träumer und den Geträumtenerzählen«, sagte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>.»Wie du weißt, Carlitos«, sagte <strong>Don</strong> Genaro mit <strong>der</strong> Mienee<strong>in</strong>es sich <strong>in</strong> Eifer redenden Volksredners, »beg<strong>in</strong>nt <strong>der</strong> Doppelgängerim Träumen.«Er warf mir e<strong>in</strong>en Blick zu und lächelte. Se<strong>in</strong>e Augen glittenvon me<strong>in</strong>em Gesicht zu me<strong>in</strong>em Schreibzeug h<strong>in</strong>ab. »<strong>Der</strong>Doppelgänger ist e<strong>in</strong> Traum«, sagte er, kratzte sich unter demArm und stand auf.Er g<strong>in</strong>g zum Rand des Vorplatzes und trat <strong>in</strong> den Chaparralh<strong>in</strong>aus. Er stand neben e<strong>in</strong>em Busch, wobei er uns se<strong>in</strong> Profilzu drei Vierteln zeigte; ansche<strong>in</strong>end ur<strong>in</strong>ierte er. Im nächstenAugenblick bemerkte ich, daß mit ihm etwas nicht <strong>in</strong> Ordnungwar. Offenbar versuchte er verzweifelt, zu ur<strong>in</strong>ieren, konnteaber nicht. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>s Lachen zeigte mir, daß <strong>Don</strong> Genarowie<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Possen trieb. <strong>Don</strong> Genaro wand und drehte sichso komisch, daß er <strong>Don</strong> Ju a n und mich zu hysterischemG elächter reizte.<strong>Don</strong> Genaro kehrte zur Veranda zurück und setzte sich. Se<strong>in</strong>Lächeln strahlte e<strong>in</strong>e seltsame W ärme aus. »W enn's nicht geht,dann geht's halt nicht«, sagte er achselzuckend.Nach kurzer Pause fügte er seufzend h<strong>in</strong>zu: »Ja. Carlitos. <strong>der</strong>Doppelgänger ist e<strong>in</strong> Traum.« »D u me<strong>in</strong>st, er ist nicht real?«fragte ich. »N e<strong>in</strong>. Ich me<strong>in</strong>e, er ist e<strong>in</strong> Traum«, erwi<strong>der</strong>te er.<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> mischte sich e<strong>in</strong> und erklärte. <strong>Don</strong> Genaro beziehesich auf das erste Anzeichen <strong>der</strong> E rkenntnis, daß wir leuchtendeW esen seien.»W ir alle s<strong>in</strong>d verschieden, und daher s<strong>in</strong>d die E <strong>in</strong>zelheitenunserer Kämpfe verschieden«, sagte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>. »Gleichwohls<strong>in</strong>d die Schritte, die wir tun müssen, um den Doppelgänger zugew<strong>in</strong>nen, die gleichen. Beson<strong>der</strong>s die ersten Schritte, die stetsverworren und unsicher s<strong>in</strong>d.«<strong>Don</strong> Genaro pflichtete ihm bei und sagte etwas über dieUnsicherheit, die e<strong>in</strong> Zauberer auf dieser Stufe habe. »A ls esmir zum erstenmal passierte, wußte ich nicht, daß es geschehenw ar«, erklärte er. »E<strong>in</strong>es Tages sammelte ich Kräute r imGebirge. Ich war zu e<strong>in</strong>er Stelle gegangen, die bereits vonan<strong>der</strong>en Kräutersammlern abgesucht worden war. Ich hattezwei große Säcke voll Kräuter bei mir. Ich war bereit, nach<strong>Haus</strong>e zu gehen, aber vorher wollte ich noch e<strong>in</strong>e kurze Rastmachen. Ich legte mich am W egrand <strong>in</strong> den Schatten e<strong>in</strong>esBaumes und schlief e<strong>in</strong>. Ich hörte die Stimmen vonM enschen, die den Berg herabkamen, und wachte a u f. Schnellrannte ich <strong>in</strong> Deckung und versteckte mich h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong> paarBüschen, nicht weit von <strong>der</strong> Straße e n tfe rn t, wo ich e<strong>in</strong>gesc h la fe n war. D ort v e rste c k t, h a tte ich das pe<strong>in</strong>igende G e f ü h l ,ich hätte etwas vergessen. Ich schaute nach, ob ich me<strong>in</strong>ebeiden Kräutersäcke bei m ir hatte. Sie waren nicht da. Ichspähte über die Straße zu dem P latz h<strong>in</strong>über, wo ich geschlafenhatte, und da verlor ich vor Schreck fast die Hosen: Dort lagich immer noch und schlief! Ich war es! Ich faßte me<strong>in</strong>enKörper an. Das war ich auch selbst! Inzwischen hatten dieLeute, die den Berg herabkamen, mich, den Schlafenden.72 73

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