13.07.2015 Aufrufe

Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ich war sehr müde. Irgendwie hatten diese seltsamen Gestaltenmich wirklich erschöpft. M e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>druck ihnengegenüber war - Abneigung. Sie waren mir unangenehmgewesen. Sie hatten bewirkt, daß ich mich gefangen undverurteilt fühlte.<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> verlangte, ich solle schreiben, um dieses schwermütigeGefühl zu vertreiben. Nach e<strong>in</strong>er längeren Pause, währendwelcher ich nichts notieren konnte, for<strong>der</strong>te er mich auf. Leuteanzurufen, die er selbst auswählen wollte. N un traten e<strong>in</strong>eReihe an<strong>der</strong>er G estalten auf. Sie waren nicht pilzförmig,son<strong>der</strong>n sahen eher wie umgestülpte japanische Sake-Schalenaus. E<strong>in</strong>ige wiesen e<strong>in</strong> kopfförmiges Gebilde auf, ähnlich demFuß e<strong>in</strong>er Sake-Schale. An<strong>der</strong>e waren eher rund. IhreErsche<strong>in</strong>ung war angenehm und friedlich. Ich spürte, daß e<strong>in</strong>eigentümliches Glücksgefühl von ihnen ausg<strong>in</strong>g. Sie fe<strong>der</strong>tenauf und ab, im Gegensatz zu <strong>der</strong> erdgebundenen Schwere, die<strong>der</strong> vorhergehenden Gruppe eigen gewesen war. Die bloßeTatsache, daß sie da waren, l<strong>in</strong><strong>der</strong>te irgendwie me<strong>in</strong>eErschöpfung.Zu den Personen, die <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> auswählte, gehörte se<strong>in</strong>Lehrl<strong>in</strong>g Eligio. Als ich das Bild Eligios herbeibeschwor, erlittich e<strong>in</strong>en Schock, <strong>der</strong> mich aus me<strong>in</strong>em visionären Zustandaufrüttelte. Eligio zeigte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er langen, weißen G estalt,die em porschnellte und sich auf m ich stürzen zu wollen schien.<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> erklärte, Eligio sei e<strong>in</strong> sehr begabter Lehrl<strong>in</strong>g undhabe zweifellos bemerkt, daß jemand ihn »sah«. E<strong>in</strong>e weitere,von D on <strong>Juan</strong> ausgewählte Person war Pablito. D on G enarosLehrl<strong>in</strong>g. D er Schock, den die V ision Pablitos m ir versetzte,war noch heftiger als bei Eligios Anblick. D on <strong>Juan</strong> lachte, bisi h m die T ränen über d ie W angen rollten.»W arum s<strong>in</strong>d diese M enschen an<strong>der</strong>s geformt?« »Sie habenm ehr persönliche K raft«, erwi<strong>der</strong>te er. »W ie du vielleichtbemerkt hast, haften sie nicht am Boden.« »Was gibt ihnendiese Leichtigkeit? Ist sie ihnen angeboren?«»W ir s<strong>in</strong>d alle m it dieser fe<strong>der</strong>nden Leichtigkeit geboren, abermit <strong>der</strong> Zeit werden wir erdschwer und steif. W ir selbstmachen uns dazu. Vielleicht kann man daher sagen, daß dieseMenschen e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Gestalt haben, weil sie wie Kriegerleben. Doch das ist unwesentlich. Entscheidend ist, daß dujetzt an <strong>der</strong> Schwelle stehst. Du hast siebenundvierzigMenschen angerufen, und du brauchst nur noch e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigenzu rufen, um die ursprünglichen achtundvierzig vollzumachen.In diesem Augenblick er<strong>in</strong>nerte ich mich, daß er mir vorJahren, als wir über Maiszauber und Wahrsagerei sprachen,erzählt hatte, daß die Anzahl <strong>der</strong> M aiskörner, die e<strong>in</strong> Zaubererbesitze, achtundvierzig sei. Warum, das hatte er mir nieerklärt.»So fragte ich ihn wie<strong>der</strong>: »Warum achtundvierzig?« »DieAchtundvierzig ist unsere Zahl«, sagte er. »Das ist es. wasuns zu M enschen macht. Ich weiß nicht warum. Verschwendede<strong>in</strong>e <strong>Kraft</strong> nicht auf törichte Fragen.« Er stand aufund streckte se<strong>in</strong>e Glie<strong>der</strong>. Er for<strong>der</strong>te mich auf, es ihmgleichzutun. Ich beobachtete, daß sich am Himmel im Ostenschon e<strong>in</strong> Lichtschimmer zeigte. Wir setzten uns wie<strong>der</strong>. Erbeugte sich vor und brachte se<strong>in</strong>en Mund an me<strong>in</strong> Ohr.»<strong>Der</strong> letzte, den du rufen wirst, ist Genaro, <strong>der</strong> wahreM cCoy«, flüsterte er.Neugier und Erregung bestürmten mich. Blitzartig g<strong>in</strong>g ich dieerfor<strong>der</strong>lichen Schritte durch. Das seltsam e Geräusch vomRand des Chaparral wurde lebhafter und nahm erneut anLautstärke zu. Ich hatte es schon be<strong>in</strong>ah vergessen gehabt.Die goldenen Blasen hüllten mich e<strong>in</strong>, und dann erblickte ich<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von ihnen <strong>Don</strong> Genaro selbst. Er stand vor mir undhielt den Hut <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand. Er lächelte. Rasch schlug ich dieAugen auf und wollte zu <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> gerade etwas sagen, dochbevor ich noch e<strong>in</strong> Wort herausbrachte, versteifte me<strong>in</strong> Körpersich wie e<strong>in</strong> B rett; me<strong>in</strong>e Haare standen zu Berge, und e<strong>in</strong>enlangen Augenblick wußte ich nicht, was ich tun o<strong>der</strong> sagensollte. <strong>Don</strong> Genaro stand unm ittelbar vor m ir - le ib haftig!Ich wandte mich zu <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> um; er lächelte. Dann brachendie beiden <strong>in</strong> e<strong>in</strong> gewaltiges Gelächter aus. Auch ich versuchtezu lachen. Es gelang mir nicht. Ich stand auf. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> reichtemir e<strong>in</strong>en Becher W asser. M echanisch tran k44 45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!