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Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

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»M an könnte doch hypothetisch behaupten, daß <strong>Don</strong> GenaroHun<strong>der</strong>te von Kilometern entfernt jemanden töten kann,<strong>in</strong>dem er se<strong>in</strong>en Doppelgänger dies ausführen läßt, nichtwahr?«<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> sah mich an. Er schüttelte den Kopf und wandte sichab.»D u bist voll von gewalttätigen G eschichten«, sagte er. »G e-naro kann niemanden töten, weil er ke<strong>in</strong> Interesse mehr anse<strong>in</strong>en M itmenschen hat. W enn e<strong>in</strong> Krieger e<strong>in</strong>mal das Sehenund das Träumen beherrscht und sich se<strong>in</strong>er leuchtendenG estalt bewußt ist, dann hat er für <strong>der</strong>lei ke<strong>in</strong> Interesse mehr.«Ich wandte e<strong>in</strong>, er habe doch zu Beg<strong>in</strong>n me<strong>in</strong>er Lehrzeitgeäußert, daß e<strong>in</strong> Zauberer sich mit Hilfe se<strong>in</strong>es »Verbündeten«über viele hun<strong>der</strong>t Kilometer h<strong>in</strong>wegsetzen könne, ume<strong>in</strong>en Schlag gegen se<strong>in</strong>e Fe<strong>in</strong>de zu führen. »Ich b<strong>in</strong>verantwortlich für de<strong>in</strong>e V erwirrung«, sagte er. »Aber er<strong>in</strong>neredich: bei e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Gelegenheit sagte ich dir, daß ich beidir nicht jene Schritte e<strong>in</strong>gehalten habe, die me<strong>in</strong> eigenerLehrer mir vorschrieb. Er war e<strong>in</strong> Zauberer, und ich hätte dichregelrecht <strong>in</strong> diese W elt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>stürzen sollen. Ich tat es nicht,weil ich mich nicht mehr um das Auf und Ab me<strong>in</strong>erM itmenschen kümmere. Dennoch hafteten die W orte me<strong>in</strong>esLehrers mir an. Viele M ale habe ich zu dir gesprochen, genauwie er selbst zu sprechen pflegte. Aber Genaro ist e<strong>in</strong>W issen<strong>der</strong>. <strong>Der</strong> vollkommenste von allen. Se<strong>in</strong>e Taten s<strong>in</strong>dunfehlbar. Er steht über den gewöhnlichen M enschen, auchüber den Zauberern. Se<strong>in</strong> Doppelgänger ist e<strong>in</strong> Ausdruckse<strong>in</strong>er Freude und se<strong>in</strong>es Humors. Daher kann er ihnunm öglich e<strong>in</strong>setzen, um alltägliche Situationen zu schaffeno<strong>der</strong> zu lösen. Soviel ich weiß, ist <strong>der</strong> Doppelgänger dasBewußtse<strong>in</strong> von unserem Zustand als leuchtende W esen. Ichm ag tun, was ich will, und doch zieht er es vor, unauffällig undfreundlich zu se<strong>in</strong>.Es war m e<strong>in</strong> Fehler, daß ich dich m it entlehnten W orten <strong>in</strong> dieIrre führte. M e<strong>in</strong> Lehrer war nicht fähig, solche D<strong>in</strong>ge zubewirken wie Genaro. Unglücklicherweise blieben für me<strong>in</strong>enLehrer - genau wie für dich - gewisse D<strong>in</strong>ge lediglich Erzählungen<strong>der</strong> <strong>Kraft</strong>.«Ich fühlte mich gezwungen, me<strong>in</strong>en Standpunkt zu verteidigen.Ich sagte, ich spräche doch nur <strong>in</strong> hypothetischem S<strong>in</strong>ne. »Esgibt ke<strong>in</strong>en hypothetischen S<strong>in</strong>n, sobald man über die Welt <strong>der</strong>Wissenden spricht«, sagte er. »E<strong>in</strong> Wissen<strong>der</strong> kann se<strong>in</strong>enMitmenschen niemals Schaden zufügen, ob hypothetisch o<strong>der</strong>sonst wie.«»Aber wie, wenn se<strong>in</strong>e Mitmenschen e<strong>in</strong>en Anschlag auf se<strong>in</strong>eSicherheit und se<strong>in</strong> Wohl planen? Kann er dann se<strong>in</strong>en Doppelgängere<strong>in</strong>setzen, um sich zu schützen?« Er schnalztemißbilligend mit <strong>der</strong> Zunge. »Welch unglaublicheGewalttätigkeit steckt <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en Gedanken«, sagte er. »Niemandkann e<strong>in</strong>en Anschlag auf die Sicherheit und das Wohl e<strong>in</strong>esWissenden planen. Er sieht, daher wird er Vorkehrungentreffen, um <strong>der</strong>gleichen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Genaro zum Beispielnimmt e<strong>in</strong> kalkuliertes Risiko auf sich, wenn er sich mit dirabgibt. Aber du könntest gar nichts tun, um se<strong>in</strong>e Sicherheit zugefährden. Falls es <strong>der</strong>gleichen gäbe, würde se<strong>in</strong> Sehen es ihnwissen lassen. Wenn nun irgend etwas an dir ist, das von Naturaus schädlich für ihn ist, und se<strong>in</strong> Sehen dies nicht erfassenkann, dann ist es eben se<strong>in</strong> Schicksal, und diesem kann we<strong>der</strong>Genaro noch sonst jemand entgehen. Du siehst also, e<strong>in</strong>Wissen<strong>der</strong> hat die Kontrolle, ohne irgend etwas zukontrollieren.«Wir schwiegen. Die Sonne berührte schon die hohen Büschean <strong>der</strong> westlichen Seite des <strong>Haus</strong>es. Somit blieben noch zweiStunden Tageslicht.»Warum rufst du nicht Genaro?« fragte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> beiläufig.Me<strong>in</strong> Körper schnellte empor. Me<strong>in</strong>e erste Reaktion war, allesfallenzulassen und zum Auto zu rennen. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> lachte ausvollem Hals. Ich sagte ihm, ich hätte es nicht nötig, mir irgendetwas zu beweisen, und es genüge mir vollauf, mit ihm zusprechen. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> konnte sich nicht halten vor Lachen. Es seie<strong>in</strong>e Schande, me<strong>in</strong>te er schließlich, daß <strong>Don</strong> Genaro nicht hiersei, um dieses tolle Spektakel mitzuerleben. »Hör mal, wenndu schon ke<strong>in</strong>e Lust hast, Genaro zu rufen, dann will ich estun«, sagte er entschlossen. »Ich liebe se<strong>in</strong>e Gesellschaft.«Ich spürte e<strong>in</strong>en scheußlich bitteren Geschmack unter demGaumen. Schweißperlen liefen mir über die Stirn und über die68 69

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