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Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

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»Du hältst dich an die Demut des Bettlers«, sagte er sanft.»Du beugst den Kopf vor <strong>der</strong> Vernunft.« »Ich glaube immer,daß mich jemand here<strong>in</strong>legt«, sagte ich. »Das ist <strong>der</strong> Kernme<strong>in</strong>es Problems.«»Da magst du recht haben. Du wirst here<strong>in</strong>gelegt«, erwi<strong>der</strong>teer mit entwaffnendem Lächeln. »Dies kann aber nicht de<strong>in</strong>Problem se<strong>in</strong>. <strong>Der</strong> eigentliche Kern <strong>der</strong> Sache ist, daß duglaubst, ich lüge dich absichtlich an. Habe ich recht?« »Ja. Daist etwas <strong>in</strong> mir, das mich nicht glauben läßt, daß das. wasgeschieht, wirklich ist.«»Du hast wie<strong>der</strong> recht. Nichts von alledem, was geschieht, istwirklich.«»Was me<strong>in</strong>st du damit, <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>?«»Die D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d erst dann wirklich, wenn man sich auf ihreWirklichkeit gee<strong>in</strong>igt hat. Was zum Beispiel heute abendpassiert ist, kann für dich unmöglich wirklich se<strong>in</strong>, weil sichniemand mit dir darüber e<strong>in</strong>igen könnte.« »Willst du damitsagen, du hättest nicht gesehen, was geschah?«»Natürlich sah ich es. Aber ich kümmere mich nicht darum.Ich b<strong>in</strong> es doch, <strong>der</strong> dich anschw<strong>in</strong>delt, weißt du noch?« <strong>Don</strong><strong>Juan</strong> lachte, bis er hustete und keuchte. Obwohl er sich übermich lustig machte, war se<strong>in</strong> Lachen freundlich. »Gib nichtallzu viel auf me<strong>in</strong>en Uns<strong>in</strong>n«, beruhigte er mich. »Ichversuche dir nur zu helfen, dich zu entspannen, und ich weiß,daß dir nur wohl ist, wenn du völlig durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bist.«Se<strong>in</strong> Gesichtsausdruck war gewollt komisch, und wir lachtenbeide. Was er eben gesagt hatte, me<strong>in</strong>te ich zu ihm, mache mirmehr Angst als alles an<strong>der</strong>e. »Hast du Angst vor mir?« fragteer. »Nicht vor dir, aber vor dem, wofür du e<strong>in</strong>trittst.« »Ichtrete für die Freiheit e<strong>in</strong>es Kriegers e<strong>in</strong>. Hast du davor Angst?«»Ne<strong>in</strong>. Aber ich habe Angst vor <strong>der</strong> furchtbaren Entrücktheitde<strong>in</strong>es Wissens. Dar<strong>in</strong> ist ke<strong>in</strong> Trost für mich, ke<strong>in</strong> sichererHafen, <strong>in</strong> den ich mich flüchten könnte.« »Schon wie<strong>der</strong>br<strong>in</strong>gst du die D<strong>in</strong>ge durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Trost, sicherer Hafen,Furcht, all dies s<strong>in</strong>d Stimmungen, die du28gelernt hast, ohne jemals ihren Wert <strong>in</strong> Frage zu stellen. Wieman sieht, hast du dich schon ganz den Schwarzen Magiernverschrieben.«»Wer s<strong>in</strong>d die Schwarzen Magier. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>?« »Die SchwarzenMagier s<strong>in</strong>d unsere Mitmenschen. Und da du zu ihnen gehörst,bist auch du e<strong>in</strong> Schwarzer Magier. Denk mal e<strong>in</strong>enAugenblick nach! Kannst du von dem Weg abweichen, den siedir vorschreiben? Ne<strong>in</strong>. De<strong>in</strong> Denken und de<strong>in</strong> Handeln s<strong>in</strong>dauf ewig nach ihren Bed<strong>in</strong>gungen festgelegt. Das istSklaverei. Ich dagegen habe dir Freiheit gebracht. Freiheitist teuer, aber <strong>der</strong> Preis ist nicht unerschw<strong>in</strong>glich. Darumfürchte de<strong>in</strong>e Gefängniswärter, de<strong>in</strong>e Meister! Vergeude nichtde<strong>in</strong>e Zeit und de<strong>in</strong>e <strong>Kraft</strong>, <strong>in</strong>dem du Angst vor mir hast!«Ich wußte, daß er recht hatte, und doch, trotz me<strong>in</strong>er ehrlichenZustimmung, wußte ich auch, daß me<strong>in</strong>e lebenslangenGewohnheiten mich unausweichlich auf me<strong>in</strong>em alten Wegfesthalten würden. Tatsächlich, ich kam mir wie e<strong>in</strong> Sklavevor.Nach langem Schweigen fragte mich <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>, ob ich michstark genug für e<strong>in</strong>e weitere Begegnung mit dem W issenfühlte.»Du me<strong>in</strong>st, mit dem Nachtfalter?« fragte ich h a lb im Scherz.Se<strong>in</strong> Körper krümmte sich vor Lachen. Es war. als hätte ichihm eben den besten Witz <strong>der</strong> Welt erzählt. »Was meist duwirklich, wenn du sagst, das Wissen sei e<strong>in</strong> Nachtfalter?«fragte ich.»Ich habe nichts an<strong>der</strong>es im S<strong>in</strong>n«, erwi<strong>der</strong>te er. »E<strong>in</strong> Nachtfalterist e<strong>in</strong> Nachtfalter. Ich hatte geglaubt, daß du jetzt, nachallem, was du vollbracht hast, genügend <strong>Kraft</strong> hättest, um zusehen. Statt dessen hast du e<strong>in</strong>en Mann wahrgenommen, unddas war nicht das wirkliche Sehen.«Vom Anfang me<strong>in</strong>er Lehrzeit an hatte <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> mir das»Sehen« als e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Fähigkeit geschil<strong>der</strong>t, die manentwickeln könne und die e<strong>in</strong>em erlaubte, das »<strong>in</strong>nerste«Wesen <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge zu erfassen.In den Jahren unserer Verb<strong>in</strong>dung hatte ich die Vorstellunggewonnen, daß das. was er unter »Sehen« verstand, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tui-29

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