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Carlos Castaneda Der Ring der Kraft Don Juan in ... - Wiechert-Haus

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Wir sahen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> an. In se<strong>in</strong>en Augen stand e<strong>in</strong>e Frage.»Was sagst du dazu?« fragte er und for<strong>der</strong>te mich auf, überse<strong>in</strong>e Worte nachzudenken. Ich wußte nicht, was ich sagensollte.»Weißt du, daß du dich <strong>in</strong> jede <strong>der</strong> Richtungen, <strong>in</strong> die ichgezeigt habe, auf ewig ausdehnen kannst?« fuhr er fort. »Weißtdu, daß e<strong>in</strong> Augenblick die Ewigkeit se<strong>in</strong> kann? Dies ist ke<strong>in</strong>Rätsel, es ist e<strong>in</strong>e Tatsache, aber nur, falls du auf <strong>der</strong> Höhedieses Augenblicks bist und ihn nutzt, um die Ganzheit de<strong>in</strong>erselbst <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Richtung zu erfassen.« Er blickte mich an.»Dieses Wissen kanntest du vorh<strong>in</strong> noch nicht«, sagte erlächelnd. »Nun kennst du es. Ich habe es dir offenbart, aber esbewirkt überhaupt nichts, weil du nicht genug persönliche<strong>Kraft</strong> hast, dir me<strong>in</strong>e Offenbarung zunutze zu machen. Hättestdu aber genug <strong>Kraft</strong>, dann würden me<strong>in</strong>e Worte alle<strong>in</strong> dir alsMittel dienen, um die Ganzheit de<strong>in</strong>er selbst zu erfassen undum den wesentlichen Teil davon aus den Fesseln, <strong>in</strong> die siegebunden ist, zu befreien.«Er trat neben mich und stieß mich mit den F<strong>in</strong>gern <strong>in</strong> dieRippen; es war e<strong>in</strong>e ganz leichte Berührung. »Dies s<strong>in</strong>d dieFesseln, von denen ich spreche«, sagte er. »Man kann sichdaraus befreien. Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Gefühl, e<strong>in</strong> Bewußtse<strong>in</strong>, das hiere<strong>in</strong>geschlossen ist.« Mit beiden Händen schlug er mir auf dieSchultern. Me<strong>in</strong> Schreibblock und <strong>der</strong> Bleistift fielen zuBoden. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> stellte den Fuß auf den Block und starrtemich an, und dann lachte er.Ich fragte ihn, ob er etwas dagegen habe, wenn ich mirNotizen machte. Ne<strong>in</strong>, sagte er <strong>in</strong> beschwichtigendem Ton undzog den Fuß zurück.»Wir s<strong>in</strong>d leuchtende Wesen«, sagte er und schüttelte rhythmischden Kopf. »Und für leuchtende Wesen zählt alle<strong>in</strong> diepersönliche <strong>Kraft</strong>. Aber wenn du mich fragst, was persönliche<strong>Kraft</strong> ist, dann muß ich dir sagen, daß me<strong>in</strong>e Erklärung sienicht erklären wird.«<strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> blickte zum Horizont im Westen und me<strong>in</strong>te, esblieben uns noch e<strong>in</strong> paar Stunden Tageslicht. »Wir werdenlange hierbleiben müssen«, erklärte er. »Darum16laß uns entwe<strong>der</strong> ruhig dasitzen o<strong>der</strong> sprechen. Zu schweigen,das ist nicht natürlich bei dir, daher laß uns weitersprechen.Diese Stelle ist e<strong>in</strong> Platz <strong>der</strong> <strong>Kraft</strong>, und sie muß sich vorE<strong>in</strong>bruch <strong>der</strong> Nacht an uns gewöhnen. Du mußt möglichstnatürlich dasitzen, ohne Furcht o<strong>der</strong> Ungeduld. Ansche<strong>in</strong>endist es für dich am leichtesten, dich zu entspannen, wenn duNotizen machst, darum schreib nach Herzenslust. Und nunerzähl mir, zum Beispiel, von de<strong>in</strong>em Träumen.«. Se<strong>in</strong>eplötzliche Wendung traf mich unvorbereitet. Er wie<strong>der</strong>holtese<strong>in</strong>e Frage. Dazu muß ich nun e<strong>in</strong>iges sagen. »Träumen« hießfür <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>, daß man e<strong>in</strong>e eigenartige Kontrolle über se<strong>in</strong>eTräume entwickelt, und zwar so, daß die <strong>in</strong> ihnen gewonnenenErfahrungen und die Erlebnisse im Wachzustand die gleichepraktische Bedeutung gew<strong>in</strong>nen. Die Auffassung <strong>der</strong> Zaubererbesagte, daß unter dem E<strong>in</strong>fluß von »Träumen« die üblichenKriterien <strong>der</strong> Unterscheidung zwischen Traum undWirklichkeit außer <strong>Kraft</strong> gesetzt werden. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong>s Praxis des»Träumens« war e<strong>in</strong>e Übung, die dar<strong>in</strong> besteht, daß man <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Traum se<strong>in</strong>e Hände sucht. Mit an<strong>der</strong>en Worten, manmuß absichtlich träumen, daß man im Traum se<strong>in</strong>e Händesucht und f<strong>in</strong>det, <strong>in</strong>dem man e<strong>in</strong>fach träumt, daß man dieHände vor die Augen hebt. Nach jahrelangen erfolglosenVersuchen war mir dies schließlich gelungen. Rückblickendbetrachtet, war mir klargeworden, daß es mir erst gelungenwar, nachdem ich e<strong>in</strong> gewisses Maß an Kontrolle über me<strong>in</strong>eAlltagswelt gewonnen hatte. <strong>Don</strong> <strong>Juan</strong> erkundigte sich nach denwesentlichen Punkten. Ich f<strong>in</strong>g an und erzählte ihm, daß es miroft unüberw<strong>in</strong>dbar schwierig erschienen war, mir den Befehlzu erteilen, me<strong>in</strong>e Hände anzusehen. Er hatte mich gewarnt,daß die erste Phase <strong>der</strong> Vorbereitung, die er als »Planen desTräumens« bezeichnete, e<strong>in</strong> tödliches Spiel darstelle, das <strong>der</strong>Geist des Betreffenden mit sich selbst spiele, und daß e<strong>in</strong> Teilme<strong>in</strong>er selbst alles tun werde, um die Erfüllung me<strong>in</strong>erAufgabe zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Dazu konnte nach den Worten von <strong>Don</strong><strong>Juan</strong> gehören, daß ich <strong>in</strong> Hoffnungslosigkeit, Melancholie o<strong>der</strong>sogar e<strong>in</strong>e selbstmör<strong>der</strong>ische Depression verfiel. Aber so weitwar es nicht gekommen. Me<strong>in</strong>e Erlebnisse waren eher harmlos,sogar komisch; trotzdem war das Ergebnis ebenso frustrierend.Jedesmal,17

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