10 planen + bauennr. 40Goethe-Universität <strong>Frankfurt</strong>Ausbau des Uni-C<strong>am</strong>pus Westend kommt voranIn unserer Serie „<strong>Frankfurt</strong> ausIhrer Perspektive“ rücken wir dieThemen <strong>in</strong> den Mittelpunkt, diedie Menschen, die hier <strong>in</strong> <strong>Frankfurt</strong>leben, ar<strong>bei</strong>ten, flanierenoder auch e<strong>in</strong>fach nur die Stadtbesuchen, täglich wahrnehmenkönnen. Wir beleuchten dieseThemen <strong>und</strong> zeigen die unterschiedlichenPerspektiven auf.In dieser Ausgabe berichten wirausführlich über e<strong>in</strong>en Standortmit wechselvoller Geschichte: derGrüneburgplatz 1! E<strong>in</strong>e Adresseauf dem <strong>in</strong>zwischen Professoren,Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>und</strong> Studenten forschen,lehren <strong>und</strong> lernen <strong>und</strong>auch wohnen. Die Entwicklungdes Uni-C<strong>am</strong>pus Westend istäußerst vielschichtig.Das Areal des jetzigen Uni-Geländesim Westend ist auf fasz<strong>in</strong>ierende Weiseeng mit der wirtschaftlichen, politischen<strong>und</strong> teilweise auch wissenschaftlichenEntwicklung Deutschlands <strong>und</strong>der Stadtgeschichte <strong>Frankfurt</strong>s verwoben.Das weitläufige Gelände mit derAdresse Grüneburgplatz 1, auf dem<strong>in</strong>zwischen viele Tausend Professoren,Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>und</strong> Studenten forschen,lehren <strong>und</strong> lernen – <strong>und</strong> übrigense<strong>in</strong>ige auch wohnen – gehörte früherzu e<strong>in</strong>em sehr viel größeren Gebiet mitlandwirtschaftlichen Gütern, Wald <strong>und</strong>Wiesen sowie e<strong>in</strong>em Gutshof. Dortbef<strong>in</strong>det sich heute <strong>und</strong> anderem derGrüneburgpark <strong>und</strong> <strong>in</strong> der östlichen,unmittelbaren Nachbarschaft nun seit2001 der C<strong>am</strong>pus Westend als Teil derGoethe-Universität.Standort mitwechselvoller GeschichteDer Weg bis zum Universitätsstandortallerd<strong>in</strong>gs war weit <strong>und</strong> ereignisreich,beg<strong>in</strong>nend 1789 mit Geländekaufaußerhalb der d<strong>am</strong>aligen Stadtgrenzendurch die Bankiersf<strong>am</strong>ilien Bethmann<strong>und</strong> Metzler. Der spätere Gr<strong>und</strong>eigentümer,die F<strong>am</strong>ilie Rothschild, ergänztedas immense Anwesen unter anderemmit weitläufigen Parkanlagen <strong>und</strong>dem „Grüne Burg“-Schlösschen. 1864wurde als städtische E<strong>in</strong>richtung östlichdes heutigen Grüneburgparks e<strong>in</strong>eder ersten modernen psychiatrischenHeilanstalten Deutschlands gebaut –auf Initiative von He<strong>in</strong>rich Hoffmann,dem <strong>Frankfurt</strong>er Nervenarzt <strong>und</strong> Vaterdes Struwwelpeters. Nach Abriss derKl<strong>in</strong>ik ist dort von 1928 bis 1931 fürdie Hauptverwaltung der I.G. FarbenAG <strong>und</strong> ihre 1 600 Mitar<strong>bei</strong>ter e<strong>in</strong>Bürokomplex errichtet worden – entworfenvon dem Berl<strong>in</strong>er Architekten<strong>und</strong> Hochschullehrer Hans Poelzig: E<strong>in</strong>250 Meter langer Baukörper mit sechsmarkanten Querriegeln von <strong>in</strong>sges<strong>am</strong>t280 000 Kubikmetern Bauvolumen.Im Zweiten Weltkrieg blieb das IG-Farben-Haus unversehrt <strong>und</strong> war seitDer zweistöckige Lesesaal der Institutsbibliothek GesellschaftswissenschaftenBildquelle: Uni <strong>Frankfurt</strong>/Müller Reimann ArchitektenMärz 1945 <strong>am</strong>erikanisches Hauptquartierunter General Eisenhower. Nachdem Auszug der US-Army fielen derPoelzigbau <strong>und</strong> das Areal 1996 an dasB<strong>und</strong>esvermögens<strong>am</strong>t. Anschließenderwarb das Land Hessen den ges<strong>am</strong>tenKomplex, um nach dem StandortRiedberg für die Naturwissenschaften<strong>und</strong> die Geisteswissenschaften e<strong>in</strong>enneuen Uni-C<strong>am</strong>pus e<strong>in</strong>zurichten. Zielwird se<strong>in</strong>, das alte Universitätsviertel <strong>in</strong>Bockenheim ganz zu verlassen.Mehrere Jahre wurde das zus<strong>am</strong>menmit der umgebenden Parkanlage unterDenkmalschutz stehende IG-Farben-geprägt se<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>er hochwertigenAusstattung.Start im nördlichenWestend vor 13 JahrenAuf dieser Basis (<strong>und</strong> Architektenwettbewerbenzu e<strong>in</strong>zelnen Bauprojekten)s<strong>in</strong>d bis Herbst 2008 weitereProjekte realisiert worden: Das Houseof F<strong>in</strong>ance (nach e<strong>in</strong>em Entwurf derArchitekten Kleihues + Kleihues), dasGebäude für die Rechts- <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaftender Berl<strong>in</strong>erArchitekten Müller Reimann sowie e<strong>in</strong>Hörsaalzentrum, die Neugestaltung desHaupte<strong>in</strong>gang Institut GesellschaftwissenschaftenBildquelle: Uni <strong>Frankfurt</strong>/Müller Reimann ArchitektenHaus durch das Kopenhagener ArchitekturbüroDiss<strong>in</strong>g+Weitl<strong>in</strong>g renoviert.Zum Sommersemester 2001 ist es derUniversität zur Nutzung übergebenworden <strong>und</strong> beherbergt seither dieFachbereiche Theologie, Philosophie<strong>und</strong> Geschichte, Kulturwissenschaften<strong>und</strong> Neuere Philologien.Für die Umgestaltung des Geländeshatte das Land im September 2002e<strong>in</strong>en Wettbewerb ausgeschrieben, dendas <strong>Frankfurt</strong>er Architekturbüro Ferd<strong>in</strong>andHeide gewann. Der aus se<strong>in</strong>emEntwurf erar<strong>bei</strong>tete Masterplan bildetdie Gr<strong>und</strong>lage für sämtliche weiterenNeubauten auf dem C<strong>am</strong>pus. DieArchitektur dieser Häuser folgt e<strong>in</strong>erzentralen Idee: Die Fortentwicklungsoll konzeptionell die ArchitekturPoelzigs aufnehmen, aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenen,zeitgemäßen Interpretation, <strong>und</strong>C<strong>am</strong>pusplatzes <strong>und</strong> der Anbau <strong>bei</strong>mKas<strong>in</strong>ogebäude (jeweils entworfenvon Ferd<strong>in</strong>and Heide). Zum erstenBauabschnitt gehörte außerdem e<strong>in</strong>Studentenwohnheim mit e<strong>in</strong>em Anbauals „Raum der Stille“, entworfen vonKarl + Probst Architekten, München.Im August dieses Jahres s<strong>in</strong>d imZuge des aktuellen Bauabschnittszwei weitere Institutsgebäude sowiee<strong>in</strong> Bürobau für die Univerwaltungauf der östlichen Seite des C<strong>am</strong>pus,zur Hansaallee h<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>geweiht <strong>und</strong><strong>in</strong> diesen Tagen <strong>in</strong> Betrieb genommenworden. Als eigenständige, aber <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em räumlichen Kontext angeordneteGebäude entstanden das Institutfür Gesellschaftswissenschaften <strong>und</strong>der Verwaltungsbau. Dazu war bereits2007 e<strong>in</strong> beschränkter Architektenwettbewerbdurchgeführt worden, den
nr. 40planen + bauen11zu <strong>bei</strong>den Projekten das ArchitekturbüroMüller Reimann, Berl<strong>in</strong>, für sichentschieden hatte. Das große Volumendes Institutsgebäudes wird durch zweigegene<strong>in</strong>ander verschobene Gebäudeteilemit leicht erhöhter E<strong>in</strong>gangsterrassegegliedert.Max-Planck-Institut füreuropäische RechtsgeschichteDer benachbarte, nahezu quadratischeVerwaltungsbau fügt sich <strong>in</strong> dieKonzeption hervorragend e<strong>in</strong>. Beidebilden zus<strong>am</strong>men mit dem drittenNeubau, dem Max-Planck-Institut fürEuropäische Rechtsgeschichte (für denVolker Staab Architekten, ebenfallsBerl<strong>in</strong>, verantwortlich zeichneten),e<strong>in</strong>en harmonisch sich ergänzendenE<strong>in</strong> „neues“ StückHansaalleeDie Umgestaltung der Allee zwischenBremer Straße <strong>und</strong> Miquelallee wurdevom Stadtplanungs<strong>am</strong>t im Rahmendes Bebauungsplanverfahrens vorgenommen.Hier s<strong>in</strong>d großzügigeBaumpflanzungen realisiert <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondereder Straßenquerschnitt umdurchgehende mittlere Pflanzbeeteerweitert worden. Das entsprichtdem Beispiel der nördlich <strong>und</strong> südlichbereits gestalteten Straßenabschnitteder Hansaallee. E<strong>in</strong>e bessere Gehwegführungermöglicht <strong>in</strong>zwischendie sichere fußläufige Erreichung desC<strong>am</strong>pus Westend. Zus<strong>am</strong>men mitder neuen Wohnbebauung östlich derHansaallee ist e<strong>in</strong> neues Stück Stadtentstanden, das das ehemals geschlosseneGelände des heutigen Uni-C<strong>am</strong>pusnunmehr mit der angrenzendenBebauung verb<strong>in</strong>det.Markante Front an der HansaalleeBildquelle: MPI/Staab u. M. EbenerGes<strong>am</strong>tkomplex, der den Universitätsplatznach Osten abschließt <strong>und</strong> gleichzeitigals B<strong>in</strong>deglied zur Stadt fungiert.Der Institutsbau beherbergt dieRäumlichkeiten für die FachbereichePsychologie, Erziehungs- <strong>und</strong> Gesellschaftswissenschaftensowie Humangeografieder Goethe-Universität <strong>und</strong>auch geme<strong>in</strong>schaftlich genutzte E<strong>in</strong>richtungen,wie die zweigeschossigeBibliothek, Hörsäle, Sem<strong>in</strong>arräume<strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Cafeteria. Die Innen- <strong>und</strong>Außenräume bilden e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit. DieArchitektursprache des Gebäudes <strong>und</strong>das verwendete Material ordnen sich,wie die Berl<strong>in</strong>er Architekten formulierten,dem Charakter des C<strong>am</strong>pusunter <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d als Bestandteil e<strong>in</strong>esgrößeren Ganzen konzipiert. Denndie Architektur des C<strong>am</strong>pus vermeidebewusst den Bruch zwischen Vergangenheit<strong>und</strong> Gegenwart <strong>und</strong> betone denBezug zum IG-Farben-Haus.Die Kosten des vom Land Hessenf<strong>in</strong>anzierten Bauwerks belaufen sich aufr<strong>und</strong> 150 Millionen Euro. Zus<strong>am</strong>menmit dem Verwaltungsbau s<strong>in</strong>d unterFederführung des Hessischen Baumanagementsr<strong>und</strong> 72 000 QuadratmeterBruttogeschossfläche entstanden, davonalle<strong>in</strong> für das Institutsgebäude 41 700<strong>und</strong> für die Tiefgarage 17 000 Quadratmeter,die sich <strong>in</strong> den Untergeschossenaller drei Gebäude bef<strong>in</strong>det. Im Zugeder Bauar<strong>bei</strong>ten wurde übrigens im Mai2008 e<strong>in</strong> turmartiges Bauwerk freigelegt,das zur spätgotischen Stadtbefestigunggehörte <strong>und</strong> später als Eiskeller derfrüheren städtischen Nervenheilanstaltbenutzt wurde. Der Wehrturm ist jetzt<strong>in</strong> die Institutsbibliothek der Gesellschaftswissenschaften<strong>in</strong>tegriert <strong>und</strong>erzählt von der Geschichte des Ortes.Der Neubau vers<strong>am</strong>melt wichtige Universitätse<strong>in</strong>richtungen,das Präsidiumder Hochschule, die Zentralverwaltung<strong>und</strong> das Uni-Rechenzentrum. Derrepräsentative E<strong>in</strong>gang, die geschosshohen,übergroßen Fenster <strong>und</strong> die demC<strong>am</strong>pus zugewandte Loggia im oberstenStockwerk geben dem vergleichsweisekle<strong>in</strong>volumigen Gebäude <strong>in</strong>nerhalbdes C<strong>am</strong>pus e<strong>in</strong>e schlichte Eleganz<strong>und</strong> starke Präsenz, wie es im Konzeptdes Architekturbüros MüllerReimannheißt: Der eigenständige architektonischeAusdruck des Baus werde betontdurch se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Organisation <strong>und</strong>die Materialität der Innenräume <strong>und</strong>Fassaden. Den Mittelpunkt bildet e<strong>in</strong>großzügiges, zentrales Atrium, an demauch der Senatssaal <strong>und</strong> öffentlicheBesprechungsräume liegen. Die Fassadedes Solitärs wurde mit hell<strong>bei</strong>genemJura-Kalkste<strong>in</strong> ausgestattet.<strong>Frankfurt</strong>erForschungsstätteDie <strong>Frankfurt</strong>er Forschungsstätte ist<strong>in</strong> neuer Umgebung <strong>in</strong> der Hansaallee 41beheimatet. Der Umzug der Bibliothek,die weltweit zu den wichtigsten Spezialbibliothekenfür Rechtsgeschichte gehört,erfolgte im Oktober. Für externe Nutzersteht sie ab Januar 2014 zur Verfügung.Der futuristisch anmutende Neubau ander Ostseite des C<strong>am</strong>pus wurde AnfangSeptember 2013 <strong>in</strong> Anwesenheit zahlreicherGäste aus Politik <strong>und</strong> Wissenschafte<strong>in</strong>geweiht. Prof. Peter Gruss,Präsident der Max-Planck-Gesellschaft,übergab den Schlüssel zum Gebäude<strong>und</strong> betonte, dass e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationalwegweisende Forschung Weitblick <strong>und</strong>Inspiration brauche. Das neue Haus wirddiesem Gedanken <strong>in</strong> herausragenderWeise gerecht. E<strong>in</strong>erseits löst es sicharchitektonisch von dem benachbartenGebäudeensemble, andererseits nimmtes aber die städtebaulichen Kanten <strong>und</strong>die Materialität der Bebauung auf, soVolker Staab Architekten. Auch sei esdarum gegangen, e<strong>in</strong>e Balance zu f<strong>in</strong>denzwischen dem besonderen Anspruchder Max-Planck-Gesellschaft <strong>und</strong> derIntention, diesen Baukörper als Teil desEnsembles auf dem C<strong>am</strong>pusgelände zubegreifen. Das Gebäude besteht ausdrei Türmen, die durch e<strong>in</strong> Kreuzgangähnliches Gr<strong>und</strong>element als Erdgeschoss-Sockelmite<strong>in</strong>ander verb<strong>und</strong>ens<strong>in</strong>d <strong>und</strong> zudem Ar<strong>bei</strong>tsplätze <strong>und</strong>Gästewohnungen für Wissenschaftlerbeherbergt.Die Anordnung <strong>und</strong> Orientierungder Räumlichkeiten richtet sich nachden Anforderungen der verschiedenenFunktionsbereiche. So riegelt zum Beispieldas Freihandmagaz<strong>in</strong> gleichs<strong>am</strong>als Lärmschutzwand den Innenbereichvon der viel befahrenen Hansaallee ab.Die dazu gehörigen Büroar<strong>bei</strong>tsplätzes<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den ruhigen Innenhof orientiert,die Projektbüros zum Park nach Südenmit Blick auf das IG-Farben-Haus.Der Umzug markiert gleichzeitigden Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Neuakzentuierungdes Forschungsprofils: „Wir werdenkünftig noch mehr die vielfältigenErkenntnisse wissenschaftlicher Nachbardiszipl<strong>in</strong>en<strong>in</strong> den Blick nehmen <strong>und</strong>unsere Ergebnisse <strong>in</strong> das <strong>in</strong>ternationaleGespräch über Vergangenheit, Gegenwart<strong>und</strong> Zukunft von Staat, Recht <strong>und</strong>Gesellschaft e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen“, erklärte Prof.Thomas Duve, GeschäftsführenderDirektor des Instituts.Im Rahmen des jetzigen Bauabschnittsist bis 2014 noch e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arraumgebäudeauf dem Geländedes ehemaligen Heizkraftwerks ander Lübecker Straße geplant sowie e<strong>in</strong>Der Innenhof des Max-PIanck-Institutsmit Gästeturm Bildquelle: MPI/Staab u. M. EbenerStudierendenhaus <strong>am</strong> nördlichen Endedes C<strong>am</strong>pus.Danach s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dritten Bauabschnittweitere Hochschulgebäudevorgesehen, die sich <strong>am</strong> Grüneburgpark<strong>und</strong> entlang der Hansaallee bis zurMiquelallee fortsetzen. aww