13.07.2015 Aufrufe

Jahre Alemannia Aachen - Senio Magazin

Jahre Alemannia Aachen - Senio Magazin

Jahre Alemannia Aachen - Senio Magazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

19 SternstundenEin Zeugnis von Menschlichkeit1941 bin ich geboren. Nach unserer Evakuierung1945 kehrte meine Mutter mitmir und meinem zwei <strong>Jahre</strong> älteren Bruderzurück in unseren ehemaligen Wohnort.Das von uns vor der Evakuierung bewohnteHaus war bereits besetzt und wirfanden in der näheren Umgebung eine3-Zimmer Wohnung. Vater befand sichim Krieg bzw. inzwischen in französischerKriegsgefangenschaft. Unsere Großelternlebten ca. 3 km entfernt von uns.Wie damals überall mussten die Frauen/Mütterihre Familie „durchbringen“mit den Möglichkeiten, die zur Verfügungstanden. Wir hatten einen kleinenGarten und unserer Wohnung gegenüberein Gelände, auf dem Mutter einige Hühnerhalten konnte. Unser Großvater, derwegen seines stark verkürzten Armes - einemLeiden aus früher Kinderzeit - undaufgrund seines Alters nicht in den Kriegmusste, betreute seine kranke Frau undversuchte, so gut wie möglich, auch unszu helfen und uns ab und zu mit Lebensmitteln- meist durch Tauschhandel erworben- zu versorgen.Uns beiden Kindern ging es eigentlichgut, d.h., wir kannten kein anderes Leben,waren also zufrieden. Die Nöte, die unsereMutter hatte durch die Sorge um ihrenMann, der sich in Gefangenschaft befand,und weil sie allein zwei Kinder versorgenmusste, bekamen wir nicht mit.Eines Tages, ich war vier <strong>Jahre</strong> alt,machte ein großer Militär-LastwagenHalt vor unserem Haus. Von den Holzbänkenim Inneren des Lastwagens klettertensechs bis acht junge Männer, diesich im Straßengraben niederließen, umeine Frühstückspause einzulegen. Es warenenglische Soldaten, die in der Nähestationiert waren, und sich auf dem WegJohn Burch und ich, 18 <strong>Jahre</strong> alt,bei WalheimJohn Burch mit 19 <strong>Jahre</strong>n während seinerStationierung in Deutschland 1945zu einem anderen Stellungsort, in der Eifelgelegen, befanden.Unsere Mutter beobachtete von unseremBalkon aus diese Gruppe jungerMenschen eine Weile. Dann ging sie runterzu ihnen und bot ihnen an, doch inunsere Wohnung zu kommen, um dortdas Essen einzunehmen. Nach kurzemWortwechsel mit entsprechender Gestik- welche deutsche Frau sprach in diesenZeiten ausreichend Englisch? - kamen dieSoldaten der Einladung nach und plötzlichwar unsere kleine Wohnung ein fröhliches„Gästezimmer“. Mutter kochte Wasser,goss Tee auf, es wurden Esswarenausgepackt – Köstlichkeiten, die wir beidenKinder niemals vorher gesehen hatten.Noch heute ist mir der Geschmackvon Corned Beef aus der Dose ein Begriff.Es herrschte ein reges Stimmen-undWörtergewirr. Wir tauschten unsere Namenaus, lernten zu deuten, was das eineoder andere unserer kleinen Welt in Englischbedeutete. Unsere „Feinde“ wurdenunsere Freunde!Natürlich ließen die jungen Soldatenjede Menge Lebensmittel zurück, diewir behalten durften. Meine Mutter rief,nachdem die Gruppe sich verabschiedetBeryl und John Burch (in der Mitte)zu Besuch bei unseren Eltern in Deutschlandhatte, die Nachbarsfamilie, die auf demgleichen Flur lebte, und auch sie freutensich über die zusätzlichen Lebensmittel.Diese „Frühstückspause“ wurde vondiesem Tag an zu einer festen Einrichtung.In unterschiedlichen Abständen machtedie Gruppe englischer Soldaten immerwieder Halt bei uns, bis sie uns eines Tagesankündigten, ihre Zeit in Deutschland(nach Kriegsende) sei vorbei und siewürden zurückkehren nach England zuihren Familien. In diese Freude mischtesich auch Traurigkeit auf beiden Seiten.Schließlich waren wir Freunde geworden.1946, ein Jahr bevor unser Vater aus seinerKriegsgefangenschaft entlassen wurdeund zu uns zurückkehrte, erreichte Postunsere Mutter. Corporal Bill und seine Soldatenhatten je einen Brief verfasst. DieseBriefe waren bereits in Deutsch übersetztund drückten Dank und große Hochachtungaus, sprachen von Freundschaft, Zuneigungund dankbaren Erinnerungen.Einer dieser Soldaten machte sein Versprechenwahr. Er meldete sich später wieder,nachdem er geheiratet hatte, undschon bald fand der erste Besuch von ihmund seiner Frau bei uns statt. Unser Vaterstieg später voll in diese – von seinerFrau aufgebaute Freundschaft – mit ein.Viele frohe Besuche fanden statt, meistzur Weihnachtszeit. Wegen unserer eingeschränktenWohnmöglichkeiten brachtenwir die englischen Freunde im Nachbarhausunter. Als ich 17 <strong>Jahre</strong> alt war, besuchteich unsere englischen Freunde zumersten Mal. Sie lebten damals in Norfolk/Great Yarmouth und weitere gegenseitigeBesuche fanden statt. Mein Mann undich verbrachten sogar unseren Hochzeitsurlaubin dem Haus, das unsere Freundeuns zur Verfügung stellten.Diese Freundschaft hält bis zum heutigenTag an. Unsere Mutter, Vater, unserFreund John sind bereits verstorben. Aberzu Johns Frau Beryl besteht bis zum heutigenTag eine Verbindung, die vor allemvon unserer später geborenen Schwesterintensiv gepflegt wird, bis heute: 68 <strong>Jahre</strong>!Eine menschliche Geste unserer Mutter,eine vorbildliche für uns Kinder, für diejungen Männer aus Englandund sicher auch für deren Angehörige.Danke Mutter!Irmgard Albrecht

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!