Profil f r PDF - KSPG AG
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Das <strong>Profil</strong> 5/2000 Das aktuelle Thema<br />
Seite 11<br />
STN Atlas: Mit „W2S“ zurück zur alten Ertragskraft<br />
„Hier wird alles auf<br />
den Prüfstand gestellt“<br />
Knallig blaue Figuren begegnen einem bei der STN Atlas Elektronik GmbH<br />
derzeit auf Schritt und Tritt, am Mast weht eine Flagge, die zu keiner Nation<br />
gehört; bunte Plakate an den Infoständern und Newsletter für alle Mitarbeiter<br />
auf den Schreibtischen. In dem Unternehmen mit seinen Standorten Bremen<br />
(Firmensitz) und Wedel bewegt sich sichtbar etwas. Und die Bewegung hat einen<br />
Namen: „W2S – Way to Success“. Das klingt simpel, aber einfach ist es wirklich<br />
nur auf den ersten Blick. Denn „W2S“ steht für ein sehr umfassendes Ergebnisverbesserungsprogramm,<br />
mit dem die Mitarbeiter ihr Unternehmen wieder zu<br />
alter Ertragskraft führen wollen. Im nachfolgenden „<strong>Profil</strong>“-Beitrag stellt Peter<br />
Rücker (38), bei STN Atlas Elektronik als Leiter Kommunikation tätig und im<br />
„W2S“-Rahmen verantwortlich für die Projektkommunikation, Hintergründe,<br />
Aktivitäten und Ziele des flächendeckend angelegten Großprojektes vor.<br />
Bremen/Wedel. „Wir stellen alles<br />
auf den Prüfstand und fegen in jeder<br />
Ecke“, bringt es der Vorsitzende der<br />
STN-Atlas-Geschäftsführung Ulrich<br />
Grillo auf den Punkt. Und er fügt hinzu:<br />
„Aber wir legen Wert darauf, daß nicht<br />
pausenlos analysiert wird, also nicht<br />
nach dem Motto: Analyse, Dialyse,<br />
Paralyse, sondern es ist wichtig, daß<br />
wir die notwendigen Verbesserungen<br />
schnell umsetzen.“ Grillo vergleicht<br />
das „W2S“-Vorhaben gerne mit der<br />
„Tour de France“: „Die Bergwertung<br />
liegt noch vor uns. Eine Bergwertung<br />
erfordert viel Arbeit, viel Schweiß und<br />
Durchhaltevermögen. Die Umsetzung<br />
des ,W2S‘-Konzeptes ist wie eine Bergwertung.<br />
Wir müssen noch viel tun, um<br />
den Gipfel zu erreichen, um Höhenluft<br />
zu schnuppern. Wir müssen verdammt<br />
kräftig in die Pedale treten“, bekundete<br />
der Vorsitzende<br />
der Geschäftsführung<br />
zuletzt auf<br />
einer Betriebsversammlung<br />
vor<br />
rund 1800 Mitarbeitern.<br />
Grillo weiter:<br />
„Wie im Sport<br />
sind wir gerne bereit,<br />
die Nachzügler<br />
bei der Bergwertung<br />
zu trainieren,<br />
zu beschleunigen, damit sie mithalten<br />
können. Aber für Kollegen, die<br />
trotz Training die Bergwertung nicht<br />
verkraften, müssen wir eine andere<br />
Sportart suchen.“<br />
Das Tempo führt zu teilweise hohen<br />
Belastungen bei allen, die unmittelbar<br />
mit „W2S“ befaßt sind: Rund 150 sind<br />
es mittlerweile; sie arbeiten in 16 verschiedenen<br />
„Task-Forces“ und in mehreren<br />
Arbeitsgruppen, die sich alle-<br />
samt meistens einmal in der Woche<br />
treffen.<br />
Die Themen der einzelnen „Task-Forces“<br />
lassen die Spannbreite erkennen,<br />
mit der das Unternehmen im<br />
„W2S“-Projekt zu Werke geht: Von der<br />
Vision und der Unternehmensstrategie<br />
über die Produktstruktur, den Entwicklungs-<br />
und den Vertriebsprozeß<br />
bis hin zur Überarbeitung der Organisationsstruktur<br />
reicht die Palette. Abgerundet<br />
wird das alles durch die systematische<br />
Überprüfung der unterstützenden<br />
Prozesse und durch die<br />
Einführung von Wissensmanagement<br />
(siehe Grafik). „Wir haben erkannt,<br />
daß es nicht ausreicht, nur an einzelnen<br />
Stellen zu optimieren, und uns für<br />
einen ganzheitlichen Ansatz entschieden“,<br />
erläutert Arbeitsdirektor Georg<br />
Morawitz, der seitens der Geschäfts-<br />
führung von STN Atlas das Projekt aus<br />
der Taufe gehoben hat und federführend<br />
begleitet, die Überlegung, die<br />
am Anfang von „W2S“ stand.<br />
Ehe das Programm im Frühjahr diesen<br />
Jahres gestartet wurde, gab es –<br />
begleitet durch externe Berater – ein<br />
„Review“, das sich auf zahlreiche Experten-Interviews<br />
im Unternehmen<br />
stützte. Spätestens danach war klar:<br />
Es gibt ein beträchtliches Potential für<br />
Strategie<br />
Leitbild<br />
Produkt/Markt-<br />
Strategie<br />
Marketing/Vertriebs-Strategie<br />
Optimale<br />
Wertschöpfung<br />
Produkt<br />
Produktstruktur<br />
Value-<br />
Engineering<br />
Datenbasis und<br />
Systeme<br />
eine Ergebnisverbesserung bei der<br />
STN Atlas Elektronik GmbH – ein Potential,<br />
das auf über 40 Millionen €<br />
beziffert wird. Nach einem verlustreichen<br />
Geschäftsjahr 1999 sei man jetzt<br />
mit aller Entschlossenheit angetreten,<br />
um dieses Potential Stück für Stück zu<br />
heben, sagt Georg Morawitz.<br />
Daß dies kein Zuckerschlecken würde,<br />
war jedem einsichtig. Denn den<br />
klassischen Sanierungsweg über<br />
Kostensenkungen<br />
beim Personal<br />
oder beim Materialeinkauf<br />
– den wollte<br />
keiner gehen. Er<br />
hätte auch nicht<br />
weit geführt. Angesichts<br />
voller Auftragsbücher<br />
und<br />
mehrerer Personalabbaumaßnahmen<br />
seit Mitte der<br />
neunziger Jahre war an eine weitere<br />
Reduzierung der Belegschaft nicht zu<br />
denken. Und auf der Materialseite<br />
läuft bei STN Atlas schon seit Anfang<br />
1999 – sehr erfolgreich – ein Programm<br />
„World Class Einkaufsmanagement“,<br />
das bis heute Einsparungen<br />
von knapp zehn Millionen € eingefahren<br />
hat und das bis Ende 2003 weitere<br />
neun Millionen € bringen soll. Georg<br />
Morawitz: „Uns war von Beginn an<br />
Prozeßoptimierung, Strukturverbesserung und Verhaltensänderung bilden die Basis des firmenweiten „W2S“-Pojektes.<br />
W2S“ dreht nicht nur an kleinen<br />
Schräubchen, sondern sucht<br />
auf ganzer Linie nach Verbesund<br />
Modularisierung der Produkte<br />
querschnittlich abgestimmt und ein<br />
einheitliches Verfahren für ein konseserung.<br />
Dieser ganzheitliche Anspruch quentes Zielkostenmanagement in<br />
findet seinen Widerhall in 72 mehr<br />
oder weniger umfangreichen Maßnahmen,<br />
den sogenannten Konzeptelementen.<br />
Ein kleiner Ausschnitt davon:<br />
★ Eine Vision und ein Unternehmensleitbild<br />
sind erarbeitet und breitflächig<br />
kommuniziert worden. Die Vision ist<br />
Ausgangspunkt einer Strategie-Erneuerung<br />
für sämtliche Produkt- und<br />
Geschäftsbereiche, die auf Basis einer<br />
gründlichen Marktanalyse geschieht<br />
und kurz vor ihrem Abschluß steht.<br />
der Produktentwicklung festgelegt.<br />
★ Zur erfolgsorientierten Ausrichtung<br />
sämtlicher Vertriebsressourcen werden<br />
Marktchancen jetzt nach einem<br />
festgelegten Schema bewertet und Anfragen<br />
gefiltert. Das „Key Account Management“<br />
und das Beziehungsmanagement<br />
sind als neue Elemente<br />
in den Vertriebsprozeß fest integriert.<br />
★ Die Schnittstellen zwischen der Projekt-<br />
und der Linienorganisation sind<br />
klar definiert. Die gesamte Projektar-<br />
★ Die Entwicklungsprozesse sind<br />
überarbeitet worden und sollen auf<br />
dieser Basis künftig auf einen höheren<br />
Qualitätsstandard gehoben werden.<br />
Software-Entwicklungsergebnisse<br />
fließen ein in einen Pool, der allen Entwicklern<br />
im Unternehmen offen steht;<br />
damit das Rad nicht mehrfach neu erfunden<br />
werden muß, können sich die<br />
Entwickler aus diesem Pool bedienen.<br />
★ Die Flächenbereinigung ist angegangen,<br />
die Lagerstruktur ist optimiert<br />
★ Um Mehrfachentwicklungen ein für beit wird durch eine lückenlose „Re- worden. Neubau oder zusätzliche An-<br />
alle Mal zu verhindern, sind die Mögview“-Struktur von zu spät erkannten mietungen sind so verhindert worden,<br />
lichkeiten für eine Standardisierung Risiken befreit.<br />
der Materialfluß wurde beschleunigt.<br />
WAY 2 SUCCESS<br />
Geschäftsprozesse<br />
Marktbearbeitung/VertriebAuftragsabwicklung<br />
Entwicklung<br />
Wissensmanagement<br />
Volumen<br />
Unterstützende<br />
Prozesse<br />
Ein Projekt mit großer Spannbreite und ganzheitlichem Ansatz, das an den Standorten Bremen und Wedel von STN Atlas<br />
Elektronik läuft: „W2S“ baut auf der Erkenntnis auf, daß es nicht ausreicht, nur an einzelnen Stellen zu optimieren.<br />
klar, daß wir die herkömmlichen Pfade<br />
verlassen mußten. Wir wußten, wenn<br />
wir wirklich besser werden wollen,<br />
müssen wir an die Prozesse und an<br />
die Strukturen heran<br />
und letztlich<br />
auch an das Verhalten<br />
unserer Mitarbeiter.“<br />
Alles das soll<br />
„W2S“ nun leisten.<br />
Ausgelegt ist das<br />
im April 2000 gestartete<br />
Projekt auf<br />
insgesamt 21 Monate:<br />
von den<br />
ersten Konzepten<br />
bis zur vollständigenImplementierung<br />
aller Verbesserungen,<br />
die Ende<br />
2001 abgeschlossen<br />
sein sollen. In<br />
den ersten zwei,<br />
drei Monaten waren<br />
die Mitglieder<br />
der „Task-Forces“<br />
hauptsächlich damit<br />
beschäftigt, die erforderlichen<br />
Verbesserungsmaßnahmen zu strukturieren,<br />
konzeptionell zu beschreiben<br />
und einen Umsetzungsplan zu<br />
entwickeln. Dabei folgten alle Überlegungen<br />
in den unterschiedlichen<br />
„Task-Forces“ einem festen Prinzip:<br />
So einheitlich wie möglich, so unterschiedlich<br />
wie nötig. Gemeint ist damit,<br />
daß nicht jeder der drei Geschäftsbereiche<br />
von STN Atlas für sich<br />
nach separaten Lösungsansätzen<br />
sucht. Wo immer dies von den Prozessen<br />
und vom Produktspektrum her<br />
möglich war, wurde um die einheitliche<br />
Lösung für das gesamte Unternehmen<br />
gerungen.<br />
72 unterschiedliche Maßnahmen zur<br />
Optimierung von Strukturen und für<br />
Prozeßverbesserungen sind in der<br />
Konzeptphase des Projekts erarbeitet,<br />
definiert und beschrieben worden<br />
(siehe Kasten). In der Sprache von<br />
„W2S“ sind das die sogenannten<br />
„Konzeptelemente“. Die gilt es nach<br />
und nach umzusetzen: entweder unternehmensweit<br />
bei allen neu anlaufenden<br />
Kundenprojekten und dort, wo<br />
★ Das Berichtswesen über alle Geschäfts-<br />
und Produktbereiche ist jetzt<br />
vereinheitlicht und wird künftig mit einer<br />
optimierten DV-Unterstützung laufen.<br />
★ Das IT-Management realisiert kostensparende<br />
Supportlösungen und<br />
arbeitet unter anderem an der<br />
Einführung eines Verzeichnisdienstes.<br />
★ Das Qualitätsmanagement hat einen<br />
Basisleistungskatalog festgelegt<br />
und wird darüber hinausgehende Leistungen<br />
künftig nur noch dann erbringen,<br />
wenn die Zusatzkosten auch getragen<br />
werden.<br />
Struktur<br />
Integrierte<br />
Organisation<br />
Human<br />
Resources<br />
Ulrich Grillo Georg Morawitz<br />
M. Solmersitz H.-P. Wegner<br />
World Class<br />
Einkauf<br />
Beschaffung<br />
Bedarfsbündelung<br />
Integrierter<br />
Einkauf<br />
Globalisierung<br />
LieferantenmanagementEinkaufsabwicklung<br />
es noch sinnvoll ist, auch bei schon<br />
länger laufenden Projekten.<br />
Damit am Ende alles zusammenpaßt,<br />
setzen sich die Sprecher der<br />
„Task-Forces“ alle<br />
zwei Wochen im<br />
„W2S“-Kernteam<br />
zusammen und<br />
stimmen ihre Verbesserungskonzepte<br />
miteinander ab.<br />
Erst wenn in diesem<br />
Gremium Konsens<br />
herrscht, geben<br />
die Geschäftsführung<br />
und die<br />
Leiter der Geschäftsbereiche<br />
die<br />
Konzepte zur endgültigenUmsetzung<br />
frei. Damit ist<br />
sichergestellt, daß<br />
das, was in den Arbeitsteams„bottum-up“<br />
erarbeitet<br />
wurde, in der Umsetzungsphase<br />
„top-down“ begleitet<br />
und mitgetragen wird.<br />
Aber damit nicht genug: Neue Wege<br />
geht das „W2S“-Projekt auch in der Zusammenarbeit<br />
mit dem Betriebsrat.<br />
Schon im Zuge der letzten Sozialplanverhandlungen<br />
zum Ende des Jahres<br />
1999 wurde fest vereinbart, ein gemeinsames<br />
Gremium zu schaffen, das<br />
den kompletten Veränderungsprozeß<br />
begleitet: die sogenannte Pari-Kommission.<br />
„Entweder wir ändern uns,<br />
oder wir werden von außen verändert.<br />
Und ich vermag nicht zu beurteilen, wie<br />
dann unser Unternehmen aussieht“,<br />
sagt Manfred Solmersitz, Gesamtbetriebsratsvorsitzender<br />
bei STN Atlas<br />
Elektronik. Er fügt hinzu: „Daher wollen<br />
wir, daß ‚W2S‘ ein Erfolg wird, denn<br />
die Belegschaft in diesem Unternehmen<br />
hat genügend Opfer gebracht.<br />
Deshalb waren wir als Belegschaftsvertreter<br />
von Beginn an mit dabei und haben<br />
Maßnahmen gefordert. Aber wir<br />
wollen nicht nur am Rand mitlaufen,<br />
sondern wir wollen auch mitsprechen<br />
und mitentscheiden.“ Deshalb sitzen<br />
in der Pari-Kommission gleichberech-<br />
(Fortsetzung auf Seite 12)<br />
Das „W2S“-Projekt im Überblick<br />
★ Auf dem Feld der Personalentwicklung<br />
ist die Einführung von Mitarbeitergesprächen<br />
geregelt worden und<br />
ein Modus festgelegt, nach dem gezielt<br />
der Qualifizierungsbedarf bei bestimmten<br />
Mitarbeitergruppen ermittelt<br />
werden kann.<br />
★ Wissensmanagement wurde zum<br />
neuen Kernprozeß im Unternehmen<br />
erhoben. Vier Teams befassen sich mit<br />
den Wissensmanagement-Abläufen,<br />
mit den Inhalten, den kulturellen Voraussetzungen<br />
und einem geeigneten<br />
„Tool“ zur Unterstützung des Wissensmanagementprozesses.