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Profil f r PDF - KSPG AG

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Das <strong>Profil</strong> 5/2000 Die Reportage<br />

Seite 19<br />

Vom 29. September bis 3. Oktober 2000 nutzten 15 Journalisten renommierter europäischer Tages- und Fachzeitungen die Gelegenheit, sich im Rahmen eines Pressekolloquiums<br />

mit den Aktivitäten der Kolbenschmidt-Pierburg-Gruppe in Nordamerika vertraut zu machen („Das <strong>Profil</strong>“ 4/2000). Auf dem dichtgepackten Besuchsprogramm<br />

standen u.a. Visiten der Pierburg Inc. in Fountain Inn/Greenville (US-Bundesstaat South Carolina) und der Karl Schmidt Unisia Inc. in Marinette (Wisconsin). Einer der<br />

Reiseteilnehmer war Christian Bartsch (72), der für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Süddeutsche Zeitung und die in Bern erscheinende „Automobil Revue“ berichtete.<br />

Bartsch, der im folgenden Beitrag für die Rheinmetall-Konzernzeitung „Das <strong>Profil</strong>“ seine Eindrücke von den erfolgreichen unternehmerischen Anstrengungen<br />

der Kolbenschmidt-Pierburg-Gruppe in den USA schildert, gilt als ausgewiesener Kenner der Materie: Nach Schulbesuch und Lehre als Autoschlosser<br />

studierte der in Klein-Polkwitz (Niederschlesien) geborene „Automotive“-Fachmann Maschinenbau in Dresden und Berlin; anschließend war<br />

er vier Jahre in der Entwicklung von Zweitaktmotoren tätig, danach mehrere Jahre in der industriellen Meß- und Regeltechnik. 1961 folgte der Wechsel zur<br />

„Motor-Rundschau“ (Frankfurt am Main) als technischer Redakteur; seit 1970 arbeitet Bartsch als freier Journalist, Buchautor und Berater namhafter deutscher<br />

Unternehmen, vornehmlich aus der Automobilindustrie. Das persönliche Reise-Fazit des heute in Dieburg lebenden Fachredakteurs: „Wir Journalisten<br />

haben bei diesem kurzen Ausflug in die USA den ‚anderen Teil‘ von Kolbenschmidt-Pierburg kennengelernt, der mithelfen wird, daß die Zukunft des<br />

ganzen Unternehmens in sicheren Bahnen verläuft. Die Firmengruppe ist dabei, die ‚neue Welt‘ zu erobern – zumindest deren automobilen Teil. Und wir<br />

Christian Bartsch haben gehört, welche zukünftigen Entwicklungen die Kolbenschmidt-Pierburg-Gruppe anpacken wird. An Arbeit ist wahrhaftig kein Mangel!“ dp<br />

Kolbenschmidt-Pierburg in den USA: Erfolge mit deutscher Technik<br />

Mit viel Umsicht in die „Neue Welt“<br />

Greenville/Marinette. Wer von den<br />

USA spricht, meint meist Florida, vielleicht<br />

auch New York, auf jeden Fall<br />

Hollywood und Los Angeles. Der letzte<br />

Krieg in den USA, nämlich jener der<br />

Nord- gegen die Südstaaten, ist auch<br />

uns geläufig und Karl Mays Winnetou<br />

als verklärtes Symbol der Ureinwohner,<br />

der Indianer. Aber Kolbenschmidt-<br />

Pierburg? Was haben die mit den USA<br />

zu tun? Um die Antwort vorweg zu<br />

nehmen: Sehr viel – und künftig noch<br />

mehr! Was hier folgt, sind Eindrücke<br />

von einer Kurzreise ins Land der „unbegrenzten<br />

Möglichkeiten“.<br />

„Was Sie dort sehen“, schmunzelt<br />

Dr. Dieter Seipler, „sind alles potentielle<br />

Kunden für uns.“ Damit meinte<br />

er die großvolumigen amerikanischen<br />

Limousinen, Pickups und SUV’s („special<br />

utility vehicles“) auf einer belebten<br />

Stadtstraße. Einige davon fahren<br />

bereits mit Kolben von Kolbenschmidt<br />

aus der Gemeinschaftsfertigung mit<br />

Unisia JECS, einem japanischen Kolbenhersteller.<br />

Andere wieder sind mit<br />

Pierburg-Geräten ausgerüstet. „Aber<br />

noch viel zu wenig“, meint Seipler.<br />

„Doch das wird sich in den nächsten<br />

Jahren ändern, schließlich sind wir auf<br />

dem US-Markt erst seit 1996 mit eigener<br />

Fertigung präsent.“ Für die kurze<br />

Zeitspanne wurde jedoch enorm viel<br />

erreicht.<br />

Im Jahr 1995 beschloß der Vorstand<br />

der Pierburg <strong>AG</strong> die Errichtung eines<br />

Fertigungsbetriebes bei Greenville in<br />

South Carolina im Südosten der USA.<br />

Für die Ortswahl gab es viele Gründe,<br />

vor allem die Nähe zu BMW im benachbarten<br />

Spartanburg, zu Daimler-<br />

Chrysler in Alabama und vor allem zu<br />

VW in Mexiko. Die Infrastruktur an diesem<br />

Standort ist hervorragend ausgebaut,<br />

zudem half der Staat South Carolina<br />

mit steuerlichen Anreizen und bei<br />

der Ausbildung der ersten Mitarbeiter.<br />

„Wir mußten ihnen zunächst das<br />

metrische System beibringen“, erzählt<br />

Willy Ruefenacht, Präsident der Pierburg<br />

Inc. Zwar wurde das metrische<br />

System schon vor über drei Jahrzehnten<br />

in den USA eingeführt, doch bei<br />

der Absichtserklärung blieb es weitgehend.<br />

Entfernungen werden noch immer<br />

in „miles“ gemessen, die sich auf<br />

Straßenschildern und Tachometern<br />

finden. Auch im Alltag sind die „inches“<br />

anstelle der Millimeter so wenig<br />

ausgestorben wie andere Begriffe aus<br />

dem Zoll-Zeitalter.<br />

Am 1. August 1996 verließen die ersten<br />

Benzinmodule die neue Fabrik in<br />

Greenville – und am Jahresende hatte<br />

das Unternehmen zwei Millionen<br />

Dollar umgesetzt. Heute ist es bei 30<br />

Millionen Dollar angelangt, mit weiter<br />

steigender Tendenz. Mit ganzen vier<br />

Produkten hatte man begonnen, heute<br />

sind es 35. Ruefenacht ist zuversichtlich,<br />

daß der Umsatz innerhalb<br />

der nächsten vier bis fünf Jahre verdoppelt<br />

werden kann. Denn als Kunden<br />

gewann die Pierburg Inc. inzwischen<br />

auch General Motors (GM) und<br />

Ford. Und zwar gegen zahlreiche Konkurrenten.<br />

In der nächsten Zeit wird<br />

die Fertigung von Drosselklappenstutzen<br />

sowie Öl- und Wasserpumpen aufgenommen.<br />

Von den Drosselklappenstutzen<br />

soll Pierburg allein an GM<br />

zunächst 800 000 Stück pro Jahr liefern.<br />

Weitere Komponenten werden<br />

hinzukommen.<br />

Die Technik für alle Bauteile kam<br />

zunächst aus Deutschland, das auch<br />

künftig Entwicklungszentrum bleiben<br />

wird. Kolbenschmidt-Pierburg baut<br />

jedoch gegenwärtig die amerikanischen<br />

Entwicklungszentren in Fort<br />

Wayne und in Auburn Hills nahe Detroit<br />

auf, um die US-Automobilhersteller<br />

schneller bedienen zu können. Die<br />

ersten Bauteile kamen vollständig aus<br />

Deutschland, heute nur noch etwa 50<br />

Prozent davon, die andere Hälfte wird<br />

in den USA hergestellt. Dazu zog Pierburg<br />

seine Zulieferer wie Alfmeier,<br />

Mikron, Friedrichs + Rath, Norma und<br />

andere hinüber in die USA, um auch<br />

weiterhin höchste Qualität liefern zu<br />

können.<br />

Michael Thiery, der von Pierburg in<br />

die USA geschickt worden war und inzwischen<br />

wieder nach Deutschland<br />

zurückkehrte, berichtet von den sehr<br />

unterschiedlichen Ansichten über<br />

technische Entwicklungen in Deutschland<br />

und in den USA. Stetige vorausschauende<br />

Entwicklung, wie sie in<br />

Deutschland dominiere, sei in den<br />

USA weniger ausgeprägt. Es gab kurzfristige<br />

Entwicklungsschübe, wenn<br />

ein neuer Motor oder andere Komponenten<br />

des Autos entwickelt werden<br />

sollten. Das neue Produkt wurde<br />

sodann auf Herz und Nieren geprüft,<br />

wobei sich die US-Hersteller sehr<br />

großer Vorserien bedienten, die in<br />

Deutschland nicht üblich sind. Anschließend<br />

wurde das Produkt möglichst<br />

lange unverändert gebaut.<br />

„Zur Ermittlung von Schwachstellen<br />

bedienen wir uns der Fehleranalyse<br />

und führen auch Belastungsproben<br />

wie Dauerläufe mit wenigen Stücken<br />

durch. Die Amerikaner verlangen vor<br />

Serienbeginn die Erprobung von<br />

1000 Bauteilen und finden hier Fehler<br />

heraus – ein für uns ziemlich teures<br />

Vergnügen“, erzählt Thiery. „Wir<br />

werden die beiden Systeme kombinieren,<br />

um die Fehlerquote noch<br />

weiter gegen Null zu drücken.“ Ein<br />

nächster Schritt dazu wäre die weitere<br />

Automatisierung der Produk-<br />

Nahm im Spätsommer 1996 die Produktion auf: das Werk der Pierburg Inc. in Fountain Inn/Greenville (South Carolina).<br />

tion, um die Qualiät in den USA wie<br />

die in Deutschland zu sichern.<br />

Noch ist es nicht soweit. Gegenwärtig<br />

arbeitet Pierburg in Greenville<br />

mit 120 Mitarbeitern, 80 Prozent davon<br />

sind Frauen. Das Durchschnittsalter<br />

beträgt 36 Jahre. Rechnet man in<br />

Deutschland pro Mitarbeiter mit mindestens<br />

fünf Prozent Fehlstunden pro<br />

Jahr, liegt die Quote in den USA unter<br />

eins. Wird in Deutschland im Mittel an<br />

210 Tagen im Jahr gearbeitet, so sind<br />

Rosa Lee, seit August 1998 Mitarbeiterin der Pierburg Inc. in Greenville (South<br />

Carolina), am Funktionsprüfstand der „Linie 3“. Hier werden gerade Kraftstofftankmodule<br />

für den Kunden Daimler/Chrysler getestet.<br />

es in den USA 249 Tage – ein kompletter<br />

Produktionsmonat mehr. „Unsere<br />

Mitarbeiter sind hochmotiviert“, erzählt<br />

Willy Ruefenacht. Rund 90 Prozent<br />

aller Amerikaner haben übrigens<br />

keinen Reisepaß, waren also auch<br />

noch nie im Ausland<br />

– bei der<br />

Weite des Landes<br />

kein Wunder.<br />

„Aber auch der<br />

Bildungsstand<br />

der Menschen<br />

hier ist einfacher“,<br />

fährt Ruefenacht<br />

fort. „Hinzu<br />

kommt, daß<br />

das deutsche<br />

Ausbildungssystem<br />

(Lehrling, Geselle, Meister) unbekannt<br />

ist. Wir haben es entweder<br />

mit Ungelernten oder mit Hochschulabgängern<br />

zu tun.“<br />

Aus dem hochsommerlich warmen<br />

Greenville ging es mit dem Flugzeug<br />

über Chicago nach Marinette, das im<br />

Norden der USA an einem Seitenarm<br />

des Michigan-Sees liegt. Hier gründete<br />

Kolbenschmidt zusammen mit der japanischen<br />

Unisia im Jahr 1990 eine<br />

Produktionsstätte für Kolben, die sich<br />

Willy Ruefenacht Frank Pohlmann<br />

Rund 50000 Kolben verlassen täglich die Fertigungsstätten der Karl Schmidt Unisia Inc. in Marinette im US-Bundesstaat Wisconsin.<br />

inzwischen zur wohl größten Kolbenfabrik<br />

der Welt entwickelte. Durch den<br />

Erwerb des amerikanischen Herstellers<br />

Zollner ist Kolbenschmidt auf dem<br />

US-Markt der größte Kolbenhersteller<br />

und liegt beim weltweiten Vergleich<br />

auf dem zweiten<br />

Platz. Frank Pohlmann,<br />

Präsident<br />

der Karl Schmidt<br />

Unisia Inc. (KUS)<br />

in Marinette, berichtet,<br />

daß es in<br />

der Welt nur noch<br />

drei große Kolbenhersteller<br />

gibt. Die kleineren<br />

wurden entweder<br />

aufgekauft<br />

oder verschwanden vom Markt. Kolbenschmidt-Pierburg<br />

habe eine<br />

hervorragende Ausgangsposition und<br />

vor allem den Willen zu weiterem<br />

Wachstum.<br />

Derzeit liefert die KUS in Marinette<br />

täglich 50 000 Kolben. Weitere 40 000<br />

Kolben werden in Fort Wayne hergestellt,<br />

10 000 in einer kanadischen Kolbenschmidt-Fabrik.<br />

Das heißt, man<br />

fertigt allein auf dem nordamerikanischen<br />

Kontinent rund 100 000 Kolben<br />

pro Tag (!). Zu den<br />

Kunden zählen<br />

alle Motorenhersteller<br />

der USA,<br />

von Harley-Davidson,<br />

für die KUS<br />

Alleinlieferant ist,<br />

über die Bootsmotoren<br />

von<br />

OMC und alle Automobilhersteller<br />

bis zu großen<br />

Dieselmotoren.<br />

Interessant ist,<br />

daß GM, Ford<br />

und Daimler-<br />

Chrysler bisher<br />

noch etwa 27 Prozent<br />

ihrer Kolben<br />

selbst fertigen –<br />

streng verfolgt<br />

von den Gewerkschaften,<br />

die darauf<br />

dringen, daß<br />

(Fortsetzung S. 20)

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