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oneX magazin 07.2016

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FRITZ SCHEIDEGGER<br />

Fritz Scheidegger ein wesentlicher aerodynamischer<br />

Faktor ist. Die Idee des «Kneelers»<br />

ist zwar nicht neu. Durchgesetzt ha ten<br />

sich diese Maschinen aber bis dato nicht.<br />

Nun stimmt a les.<br />

DAS TRAGISCHE UNGLÜCK<br />

Nach dem Erfolgsjahr 1966 wi l Fritz Scheidegger,<br />

nunmehr 36 Jahre alt, vom Rennsport<br />

zurücktreten. Da s er sich von Freunden<br />

und Bewunderern von diesem Entscheid<br />

DANK ERNST STRAHM<br />

abbringen lä st, wird tragische Folgen haben.<br />

Im ersten Rennen der neuen Saison, am<br />

Ostersonntag 1967, verunglückt er tödlich.<br />

In Ma lory Park (GB) rast seine Maschine<br />

bemüht, das unvermeidliche<br />

Risiko seines Sports<br />

um jenes Quentchen zu<br />

reduzieren, das andere<br />

bedenkenlos drangeben.<br />

Bis zum finalen Unglück<br />

schied er praktisch nie wegen<br />

vermeidbaren Defekten aus. Er<br />

wartete seine Motoren und Fahrwerke<br />

mit Hingabe und Präzision.<br />

Er galt in Fachkreisen als sicherster<br />

und besonnenster Pilot. Darüber hinaus<br />

wurde er als sensibler,<br />

freundlicher<br />

Mann sehr geschätzt. Er<br />

war im besten Wortsinn<br />

ein Gentleman. Auf<br />

dem Höhepunkt seiner<br />

Karriere war er schlie s-<br />

lich unbesiegbar und gewann<br />

die letzten acht Rennen<br />

seines Lebens. Er stirbt<br />

unbesiegt den Rennfahrertod.<br />

Getreu jener bi teren<br />

es zum Eklat. Der Pfa rer lä st<br />

kritische Worte über den Rennsport in seine<br />

Abdankung einflie sen und bezeichnet Fritz<br />

Scheidegger als Raser. Die Angehörigen<br />

und die zahlreichen in- und ausländischen<br />

Einer von<br />

vielen Pokalen,<br />

die Fritz<br />

Scheidegger<br />

gewonnen hat.<br />

Langenthal hat seinen Weltmeister<br />

doch noch gewürdigt. mir im Ke ler gelandet. Später Sache. Der Langenthaler Stein-<br />

seiner Beerdigung. Es war trü-<br />

Scheid eggers Grabstein bei ser wieder Bewegung in die thal. Ich war dann auch bei<br />

Sein Grabstein ist vor zehn sind mehrmals Anfragen aus hauer Hanspeter Wyle reinigte<br />

den Grabstein, der nun seit weiss nicht mehr genau, was<br />

bes, regnerisches We ter. Ich<br />

Jahren wieder aufgeste lt worden.<br />

Fritz Scheideggers Grab mich noch erinnern kann, 2006 bei der Gei sberg-Kirche der Pfa rer damals gesagt hat.<br />

England gekommen, soweit ich<br />

wurde 1996 aufgehoben – wo lten die Besitzer der Rennstrecke,<br />

auf der Fritz verunhen<br />

steht. Nur dieser Grab-<br />

Trauergäste entsetzt waren.<br />

etwas abseits der Gräbe rei-<br />

Ich erinnere mich nur, dass die<br />

und so kam Ernst «Aschi»<br />

Strahm aus Madiswil ins Spiel. glückt ist, den Grabstein zu stein erinnert in Langenthal Sinngemäss sagte der Pfa rer<br />

«Der Friedhofgärtner fragte seinen Ehren aufste len.» noch an Fritz Scheidegger. bei der Abdankungsfeier, Fritz<br />

mich damals, ob ich nicht Interesse<br />

am Grabstein hä te, den So kam nach zehn Jahren Scheidegger noch persönlich. schuld, weil er mit der go tlo-<br />

Ernst Strahm kannte Fritz Scheidegger sei auch selber<br />

so lte man doch irgendwie auch dank dem damaligen «Mit meinem Vater war ich oft sen Raserei das Schicksal herausgefordert<br />

aufbewahren. So ist Fritz Stadtpräsident Hans-Jürg Kä-<br />

in seiner Werksta t in Langen-<br />

habe.»<br />

Hans Rüdi ser<br />

menschlichen als christlichen Worte von Pfa rer Schn eberger entschuldigen.<br />

Mit freundlichen Grü sen und bestem Dank<br />

(Unterzeichnet auch von Pfa rer Schn eberger)<br />

Langenthal, 4. April 1967<br />

Mit einem langen<br />

Brief entschuldigten<br />

sich Pfa rer und<br />

Kirchgemeinderat für<br />

den Eklat an der<br />

Beerdigung.<br />

32 s’Positive 6 / 2016 s’Positive 6/ 2016 33<br />

LESERBRIEFE<br />

AUSGABE 6 JUNI 2016<br />

Stimmen zum Namenswechsel<br />

Besser, aber noch nicht gut<br />

1<br />

⁄1 Inserat randabfallend<br />

(210 × 297 mm)<br />

Nun will ich doch endlich loswerden, was ich schon seit einigen<br />

Monaten tun wollte und – na, wir wissen ja, wie es geht – Immer<br />

noch nicht gemacht habe! Der Artikel zum Namenswechsel gibt<br />

nun den nötigen Anstoss.<br />

Zuerst ein ganz grosses Dankeschön und Kompliment für das<br />

Magazin, das ich sehr gerne und praktisch von vorne bis hinten<br />

durchlese. Ich wohne seit einigen Monaten in Wangen an der<br />

Aare und finde das Magazin in meinem Briefkasten. Immer wieder<br />

fragte ich mich, wer und was da wohl dahintersteckt, denn<br />

etwas Vergleichbares habe ich bisher nicht oder nur in sehr bescheidener<br />

Variante gekannt. Die Artikel bieten mir eine höchst<br />

willkommene Einführung in den Oberaargau, sind gründlich recherchiert<br />

und eröffnen mir manchen Blick auf Themen, die mir<br />

neu sind. So fühle ich mich mittlerweile recht gut eingeführt in<br />

die Bedeutung des Eishockeys für die Gegend, und ich habe mit<br />

Vergnügen den Artikel zum Hornussen gelesen. Auch das aktuelle<br />

Magazin mit dem Artikel zu<br />

Sonja Hasler gefällt mir sehr.<br />

Nur mit dem Namen «one X Magazin»<br />

konnte ich nichts anfangen.<br />

Nach dem erklärenden Beitrag<br />

in diesem Heft ist seine Entstehung<br />

klar geworden (ja, die<br />

Jungen!). «s’Positive» ist sicher<br />

besser, gut finde ich den Namen<br />

aber immer noch nicht. Wenn<br />

schon, dann einfach «Positiv»?<br />

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg<br />

DER GUTE MENSCH<br />

Kants Philosophie<br />

über das richtige<br />

Handeln.<br />

TÖFF-LEGENDE<br />

Fritz Scheidegger<br />

war im Seitenwagen<br />

der Schnellste.<br />

Sonja<br />

Hasler<br />

«Arena»-tauglich<br />

Die Theologin und ehemalige<br />

«Arena»-Moderatorin<br />

im Interview.<br />

bei der Weiterführung Ihres interessanten<br />

Projektes. Sie zeigen, dass auch heute noch guter Journalismus<br />

nicht allein vom Geld abhängt. So scheint es mir zumindest.<br />

Julia Stiefel, Wangen an der Aare<br />

FLACHE ERDE<br />

Mittelalterliche<br />

Ansicht oder<br />

interessante These?<br />

Fundierte Informationen<br />

Schreibweise nicht korrekt?<br />

Ich danke Ihnen für den sehr<br />

guten Maulwurf-Artikel in der<br />

letzten Ausgabe! Es freut mich,<br />

dass Sie fundierte Informationen<br />

bringen – wohltuend, weil<br />

aktuell die starke Tendenz insbesondere<br />

in der Politik besteht,<br />

alles was kreucht und<br />

fleucht zu töten, sobald es dem<br />

vereinnahmenden Menschen in<br />

irgendeiner Weise in die Quere<br />

kommt.<br />

Sehr gerne weiter in diesem Sinne!<br />

Und über den interessanten<br />

Motorsport-Bericht (Fritz Scheidegger)<br />

habe ich mich ebenfalls<br />

sehr gefreut.<br />

Vanessa Gerritsen<br />

Fotos: Shu terstock.com / Everett Co lection / Santia / wikimedia.org / Utente:Jo lyroger<br />

BUDDELN OHNE ENDE<br />

Haben Maulwürfe auch<br />

mal Feierabend?<br />

Anders als in Deutschland ist der Maulwurf<br />

in der Schweiz nicht geschützt. Im Gegenteil:<br />

Eine Bündner Gemeinde zahlt vier<br />

Franken pro toten Maulwurf. Dabei sind<br />

Maulwürfe keine Nager, sondern Insektenfresser,<br />

und richten an Pflanzen und Wurzeln<br />

keinerlei Fressschäden an. Störend sind<br />

einzig ihre Erdhügel, deretwegen sie häufig<br />

mit den Wühlmäusen (Nager) verwechselt<br />

werden.<br />

IM WANDEL DER ZEIT<br />

2<br />

Mit kräftigen Fäustchen schaufelt sich der<br />

Maulwurf durchs Erdreich, fünf Stunden am<br />

Stück. Dann wird drei Stunden geschlafen.<br />

Anschliessen wird wieder fünf Stunden gebaggert<br />

und Nahrung gesucht. Man mag den<br />

Maulwürfen vorwerfen, was man will, fehlende<br />

Arbeitsdisziplin oder Faulheit gehören<br />

nicht dazu. Unglaubliche sechs Kilo Erde<br />

schafft der Akkordarbeiter innerhalb von<br />

nur 20 Minuten weg. Dabei wiegt er ausgewachsen<br />

nur gerade mal zwischen 60 und<br />

120 Gramm.<br />

Dafür aber besitzt er einen Hochleistungsstoffwechsel,<br />

der jede Menge Sprit in<br />

Form von Schnecken, Würmern und Insekten<br />

benötigt. Maulwürfe müssen in einer<br />

Tour futtern, denn bereits nach zehn Stunden<br />

ohne Nahrung droht der Hungertod.<br />

Deshalb ist der Maulwurf nie fertig mit seiner<br />

Arbeit und hat höchstens Pausen – aber<br />

nie Feierabend.<br />

Dabei unterpflügt der Schaufelgräber bis<br />

zu 3000 Quadratmeter Grünfläche. Sein unterirdisches<br />

Gangsystem ist ihm Jagdrevier<br />

und Wohngebiet in einem, und zwar das<br />

ganze Jahr über.<br />

Die Kontrolle über sein grosses Reich ermöglichen<br />

ihm seine hochsensiblen Sinne.<br />

Maulwürfe können zwar kaum sehen, aber<br />

dafür umso besser hören, riechen und fühlen.<br />

Jede noch so zarte Larve, die sich 200<br />

Meter weiter in einem Gang verirrt, wird<br />

sofort aufgespürt. Die unbeliebten Maulwurfhügel<br />

sind übrigens nicht bloss Deponien<br />

von Erdüberschuss. Sie dienen der Entlüftung.<br />

Wenn genervte Gärtner sie platt<br />

drücken, ist damit niemandem gedient. Es<br />

entsteht einfach ein neuer Hügel in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft. Als Vielfrass produziert<br />

der kleine Wicht jede Menge Mief, und<br />

der muss einfach raus.<br />

Trotz des Ärgers über die Hügel sollten wir<br />

nicht vergessen, dass der Maulwurf im Dienste<br />

der Bodendurchmischung unterwegs ist. Er<br />

hält unsere Böden fruchtbar und lebendig.<br />

Was macht eigentlich die Fremdenlegion?<br />

In den 1960er-Jahren, als Frankreich den<br />

Algerienkrieg führte, umfasste die Fremdenlegion<br />

35000 Mann, kämpfte an vorderster<br />

Front und galt als die härteste und gefürchtetste<br />

Truppe der Welt. Derzeit ist sie etwa<br />

7700 Mann stark, mit Männern aus über 130<br />

Nationen. Sie verrichtet vorwiegend humanitäre<br />

Einsätze. So hilft sie bei Katastrophen<br />

wie dem Tsunami 2004 in Südostasien oder<br />

beim Wiederaufbau der Infrastruktur wie<br />

2006 im Libanon. Doch auch Kampfeinsätze<br />

sind immer noch möglich. So etwa 1991 in<br />

Kuwait, 1999 im Kosovo und 2013 in Mali,<br />

wo Islamisten auf die Hauptstadt vorrückten.<br />

Von den neue Regimentern sind sechs in<br />

Frankreich stationiert, die übrigen befinden<br />

sich in Französisch-Guayana, auf der Insel<br />

Mayotte und in Abu Dhabi. Seit ihrer Gründung<br />

1831 bis heute haben knapp 700000<br />

Mann in der Fremdenlegion gedient, 36000<br />

starben dabei. Das strenge Auswahlverfahren<br />

lässt nur etwa jeden zwölften Bewerber<br />

zum Legionär werden. Zuweilen dienten in<br />

ihr auch zweifelhafte Elemente, wie zum<br />

Beispiel ehemalige SS-Angehörige, die dort<br />

vor der Verfolgung sicher waren. Heute sind<br />

3<br />

es vor allem Osteuropäer und Russen. Die<br />

kürzeste Dienstzeit beträgt fünf Jahre. Wer<br />

sich für 20 Jahre verpflichtet, bekommt am<br />

Ende eine lebenslange Rente von 1600 Euro<br />

sowie Boni für Auslandseinsätze, Verwundungen<br />

und Tapferkeitsmedaillen.<br />

s’Positive 6 / 2016 23<br />

Ich habe heute in Ihrem Magazin gelesen, dass es<br />

ab nächster Ausgabe einen neuen Namen trägt:<br />

«s’Positive». Das finde ich super. Weniger gut ist aber,<br />

dass der Name falsch geschrieben ist. Richtig ist diese<br />

Schreibweise: «’s Positive». Als Korrektorin mit langjähriger<br />

Erfahrung weiss ich, dass im Duden steht:<br />

«Man setzt einen Apostroph bei Wörtern mit Auslassungen,<br />

wenn die verkürzten Wortformen sonst<br />

schwer lesbar oder missverständlich wären». Beispiele:<br />

«’s Paradies», «’s ist schon spät».<br />

Gerda Lüthi<br />

Der Name ist in Mundart geschrieben, und zwar<br />

«Oberaargauisch». Deshalb auch «s’Positive» und<br />

nicht «z’Positive», wie es im Emmental heissen würde.<br />

Da der Name in Mundart gehalten wird, haben wir das<br />

Apostroph dort gesetzt, wo sonst die Auslassung wäre.<br />

Bruno Wüthrich, Chefredaktor<br />

Genau getroffen<br />

Die Würdigung von Fritz Scheidegger im letzten<br />

Heft haben Sie mit viel Einfühlungsvermögen und<br />

genau mit diesen Worten, wie ich Fritz gekannt habe,<br />

zu Papier gebracht. Fritz war mein Cousin und<br />

all das von Ihnen Geschriebene ist mir ganz vertraut,<br />

von seiner Werkstatt im Volkshaus bis zu seiner<br />

leider sehr frühen Beerdigung. In einem vertrauten<br />

Gespräch am Küchentisch hat er mir mit strahlenden<br />

Augen gesagt, aber in der Stimme klang auch<br />

Wehmut, er möchte einmal in der Schweiz einen solchen<br />

Triumph feiern können, wie er dies im Ausland<br />

mit grossem Jubel erleben durfte.<br />

Ihm war dies nicht vergönnt, aber dieses Schreiben<br />

von Ihnen, lieber Herr Zaugg, nach 50 Jahren Geschichte,<br />

gibt ihm nun gleichwohl noch einen stillen<br />

Triumph.<br />

Ich danke Ihnen herzlich dafür!<br />

Hanni Meyer-Aebi, Wiedlisbach<br />

FRITZ SCHEIDEGGER<br />

1966 gewann<br />

Fritz Scheidegger<br />

sämtliche WM-<br />

Rennen<br />

Der Rennfahrer,<br />

F<br />

der unbesiegt starb<br />

Der Langenthaler Fritz Scheidegger dominierte vor<br />

50 Jahren die Seitenwagen-WM nach Belieben. Er war der<br />

perfekte Rennfahrer und Techniker, revolutionierte<br />

die Seitenwagen-Szene und im Zenit seiner Karriere war er<br />

unschlagbar – am Ende besiegte ihn aber der Tod.<br />

ritz Scheidegger gewann 1966 mit<br />

seinem britischen Beifahrer John<br />

Robinson sämtliche fünf zur WM<br />

zählenden Rennen und wurde nach<br />

1965 zum zweiten Mal in Serie<br />

Weltmeister. Er war in seinen besten Jahren<br />

besser als später Rolf Biland und gilt nur<br />

deshalb nicht als bester Seitenwagenfahrer<br />

aller Zeiten, weil seine Karriere zu kurz war.<br />

WELTSTARS DER TÖFFSZENE<br />

Heute wird die Gespannklasse nicht mehr<br />

im Rahmen des GP-Zirkus ausgefahren und<br />

findet praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit<br />

statt. Damals aber waren die Gespann-Haudegen<br />

die Weltstars des Töffrenn-<br />

TEXT: KLAUS ZAUGG<br />

sportes. Die Seitenwagen-Rennen wurden<br />

stets am Ende des Programms gefahren.<br />

Damit die Zuschauer an der Strecke blieben.<br />

Es waren schon damals bei Klassikern wie<br />

Assen mehr als 100000. Die Gespann-Stars<br />

waren das, was heute die Titanen der «Königsklasse»<br />

MotoGP (Valentino Rossi & Co.)<br />

sind. Aber der Motorradrennsport war ungleich<br />

exotischer als heute. Es gab keine TV-<br />

Direktübertragungen der Rennen. Die Fahrer<br />

waren beinahe mythische Gestalten und im<br />

«Kopfkino» wurden sie noch grösser als sie<br />

ja schon waren. Aber weil es eben keine TV-<br />

Bilder gab und auch die Printmedien kaum<br />

über die Motorrad-WM berichteten, blieb die<br />

Popularität der Stars weitgehend auf die<br />

Rennsportszene beschränkt. In der Medienwelt<br />

von heute wäre Fritz Scheidegger einer<br />

der populärsten Schweizer Sportler, auf<br />

Augenhöhe mit Roger Federer, den Skistars<br />

und den Schwingerkönigen.<br />

In den 1960er Jahren wird die Weltmeisterschaft<br />

noch in sechs Klassen vergeben: 50<br />

ccm, 125 ccm, 250 ccm, 350 ccm, 500 ccm<br />

und Seitenwagen. Heute sind es nur noch<br />

drei: MotoGP, Moto2 und Moto3. Geld spielt<br />

auch eine Rolle, aber anders als heute. Der<br />

überwiegende Teil der Stars sind sogenannte<br />

Privatfahrer. Also Fahrer, die nebenher<br />

einem Beruf nachgehen. Nur die grossen<br />

Werke leisten sich Werksfahrer. Sponsoren<br />

im heutigen Sinne gibt es keine – ja, Werbung<br />

auf den Motorrädern und Kombis ist<br />

weitgehend untersagt. So gibt es zwar Preisgeld,<br />

aber kaum Werbeeinnahmen. Heute<br />

sind alle Piloten Profis, die vom Rennsport<br />

leben und Verschalungen, Helme und Kombis<br />

sind mit Werbeklebern aus a len möglichen<br />

Branchen zugepflastert, nur Tabakwerbung<br />

ist verboten.<br />

Die Schweizer spielen in den 1960er Jahren<br />

eine dominierende Ro le. Luigi Taver ist<br />

ein Weltstar und gewinnt als Honda-Werksfahrer<br />

1966 zum dritten Mal nach 1962 und<br />

1964 den Titel in der 125er-Klasse. Der Privatfahrer<br />

Gyula Marsowski fordert die Titanen<br />

Giacomo Agostini und Mike Hailwood<br />

heraus und schafft es in der «Königsklasse»<br />

500 ccm aufs Podest. Und Fritz Scheidegger<br />

ist der Perfektionist auf dem Höhepunkt seiner<br />

Laufbahn: Er fährt mit der Präzision eines<br />

Landvermessers, er ist ein brillanter<br />

Techniker, der seine Maschine bis zur letzten<br />

Schraube kennt. In der Saison 1966 ist er<br />

unbesiegbar. Er hat erst weit nach seinem<br />

30. Geburtstag den Zenit der Karriere erreicht.<br />

Das ist damals nicht ungewöhnlich.<br />

Töffkarrieren begannen zehn Jahre später<br />

als heute. Tom Lüthi war noch nicht einmal<br />

19, als er 2005 Weltmeister (125 ccm) wurde.<br />

In den Zeiten von Fritz Scheidegger<br />

konnte einer erst Rennen fahren, wenn er<br />

den Führerschein gemacht hatte – Karrieren<br />

begannen also erst mit 18 auf dem Niveau<br />

der Schweizer Meisterschaft.<br />

KNIEND ZUM ERFOLG<br />

Weil die Möglichkeiten, Geld zu verdienen<br />

in der Schweiz damals besser waren als in<br />

Vor a lem weil sie trotz neuer Konzeption<br />

nicht wesentlich niedriger sind als die bisherigen<br />

Gespanne. Hier nun gehen Rudolf<br />

Kurth und Fritz Scheidegger einen Schri t<br />

weiter. Durch konsequente Verwendung<br />

kleinerer Räder, dank einer ra finierten<br />

Lenkgeometrie mit Vorde radschwinge und<br />

anderer Details bekommen sie ein so niedriges<br />

Gespann, da s man es bald einmal<br />

scherzhaft als «Bügeleisen» bezeichnet. Die<br />

Erfolge, die Scheidegger mit diesem genialen<br />

«Kneeler» e reicht, la sen nach und nach<br />

fast die gesamte Konku renz auf ähnliche<br />

Konstruktionen umsteigen und bis heute<br />

werden die Renngespanne nach diesem<br />

Prinzip gebaut. Fritz Scheidegger hat die<br />

Gespannkla se revolutioniert. Den endgültigen<br />

Durchbruch an die Spitze bringt<br />

schlie slich der Kauf eines BMW-Triebwerkes<br />

vom verunglückten deutschen Ko legen<br />

Ebenfa ls eine<br />

Motorrad-Legende:<br />

Luici Taveri (Bild<br />

Mitte, Nr. 4).<br />

den meisten europäischen Ländern, war es<br />

für Schweizer möglich, eine grosse internationale<br />

Karriere selber zu finanzieren. Pro<br />

Saison wurden höchstens sieben oder acht<br />

GP ausgetragen, alle in Europa und nicht<br />

deren 18 auf fünf Kontinenten wie heute. Es<br />

war möglich, neben der Rennfahrerei einem<br />

Beruf nachzugehen oder ein eigenes Geschäft<br />

zu führen. Fritz Scheidegger, in Langenthal<br />

geboren, machte in Zug eine Lehre<br />

als Motorradmechaniker. Sein Chef Anton<br />

Weber erkannte schnell das Talent seines<br />

Lehrlings und stellte ihm eine Solo-Maschine<br />

zur Verfügung. In Langenthal aufgewachsen,<br />

betrieb Fritz Scheidegger nach der<br />

Lehre im «Volkshaus» eine Motorradwerkstatt.<br />

Dort lernte er seine spätere Frau kennen,<br />

die im Restaurant servierte. Anfang der<br />

Sechzigerjahre zogen die beiden in die Heimat<br />

der Ehefrau. In Courtelary betrieben sie<br />

eine Servicestation mit Café.<br />

Ab 1950 fährt Fritz Scheidegger Rennen,<br />

zuerst Rasenrennen, dann am Berg und auf<br />

der Strasse, ab 1953 sattelte er auf Gespanne<br />

um und ab 1957 fährt er auf höchstem<br />

ZUR PERSON<br />

Da die Beschaffung schneller<br />

BMW-Werksmotoren ausserhalb<br />

seiner finanziellen Möglichkeiten<br />

liegt, sind «schnellere» Fahrgestelle<br />

seine einzige Chance.<br />

Fritz Scheidegger<br />

Geboren am 30. Dezember 1930,<br />

gestorben am 26. März 1967<br />

Klassierungen Seitenwagen-WM:<br />

1957: 12. (Beifahrer Horst Burkhardt)<br />

1958: keine WM-Punkte<br />

1959: 3. (Horst Burkhardt), erster GP-Sieg<br />

1960: 2. (Horst Burkhardt)<br />

1961: 2. (Horst Burkhardt)<br />

1962: 3. (John Robinson)<br />

1963: 3. (John Robinson)<br />

1964: 2. (John Robinson)<br />

1965: Weltmeister (John Robinson).<br />

Gewann 4 von 7 Rennen plus drei<br />

zweite Plätze<br />

1966: Weltmeister (John Robinson),<br />

gewann a le fünf Rennen<br />

Total: 36 GP – 16 GP-Siege –<br />

34 Podestplätze<br />

Niveau. Beim allerersten GP-Einsatz am<br />

1. September 1957 in Monza gelingt ihm<br />

gleich ein 4. Platz. Weil die Gespannklasse<br />

so populär ist, finanziert BMW mehrere<br />

Werksfahrer. Die motorische Überlegenheit<br />

der BMW-Stars ist so gross, dass Fritz Scheidegger<br />

bis 1959 auf den ersten GP-Sieg (17.<br />

Ma in Frankreich) warten muss – und den<br />

verdankt er nicht der Motorenleistung.<br />

Anlässlich eines Bergrennens am Marchairuz<br />

kommt er mit dem gewiegten Konstrukteur<br />

und Tüftler Rudolf Kurth ins Gespräch.<br />

Die beiden diskutieren<br />

Probleme des Fahrgestellbaus,<br />

mit dem sich<br />

Kurth schon eingehend<br />

befasst hat. Fritz Scheidegger,<br />

international bereits<br />

erfahren und in Anbetracht<br />

seiner motorischen Unterlegenheit<br />

stets auf neue<br />

technische Vorteile bedacht,<br />

hat richtig erkannt,<br />

dass die relativ hohen normalen<br />

Gespanne mit ihrer Sitzposition die<br />

mögliche Kurvengeschwindigkeit limitieren.<br />

Da die Beschaffung schneller BMW-<br />

Werksmotoren ausserhalb seiner finanziellen<br />

Möglichkeiten liegt, rechnet er sich<br />

einzig eine Chance durch «schne lere» Fahrgestelle<br />

aus.<br />

Diese Konstruktion, bei der der Fahrer<br />

«on knees», d. h. auf den Knien fährt, ermöglicht<br />

eine niedrigere Stirnfläche des<br />

Gespanns. Dadurch kann sich der Fahrer<br />

wesentlich leichter «klein machen», was für<br />

den über einen Meter achtzig messenden<br />

30 s’Positive 6 / 2016 s’Positive 6/ 2016 31<br />

nach einem Ri s der Bremsverankerung über<br />

eine Haarnadelkurve hinaus und überschlägt<br />

sich. Beifahrer John Robinson<br />

kommt mit einer Gehirnerschü terung und<br />

einem komplizierten Beinbruch davon. Fritz<br />

Scheidegger stirbt auf der Unfa lste le.<br />

Es ist eine bi tere Ironie des Schicksals.<br />

Bei a lem Einsatz war der Langenthaler stets<br />

Gäste sind empört. Der Kirchgemeinderat<br />

prüft nach einer Beschwerde den Wortlaut<br />

der Predigt und nimmt den Pfa rer in<br />

Schutz. Doch der Mann Go tes hat ein<br />

schlechtes Gewi sen und entschuldigt sich<br />

später. Eine Kopie des entsprechenden<br />

Briefs ist noch vorhanden. (siehe Wortlaut<br />

rechts).<br />

Sportleiter des AMC Bleienbach<br />

**************************************<br />

Mi teilung zum Nachruf von Fritz Scheidegger<br />

**************************************<br />

Liebe Motorsportfreunde!<br />

Am 4.4.1967 fand in Langenthal eine Unte redung sta t, aus<br />

welcher wir Ihnen die wichtigsten Punkte bekannt geben wollen.<br />

He r Pfarrer Schn eberger ist sich seiner Fehler anlä slich<br />

der Abdankungsrede von unserem Freund und Kamerad Fritz<br />

Scheidegger bewu st und entschuldigt sich in a ler Form. E sind<br />

nachstehend drei Punkte angeführt, welche dazu beitragen sollen,<br />

das Verhältnis zwischen Kirche und Motorsport klarzustellen.<br />

Bilder: Jahrbuch des Oberaargaus, «Motorcycle GP Racing in the 1960s» von Chris Pereira, «Motorrad Sport» von Helmut<br />

Krackowizer und Peter Carrick, «The Grand Prix Winners» und «Motorrad-Strassen WM» von Maurice Bula<br />

Punkt I<br />

Die Abdankungsrede von Pfa rer Schn eberger war a les andere<br />

Wie auch schon, ich danke für dieses Magazin und lobe es. Unverwechselbar.<br />

Auch sein bisheriger Name. Auch wenn ich die Begründung des<br />

Verlegers verstehe: Der Namenswechsel tut mir ein wenig weh.<br />

Heinrich Gottfried Megert, Langenthal<br />

Bei der Abdankung lässt der<br />

Pfarrer kritische Worte über<br />

den Rennsport in seine Predigt<br />

einfliessen und bezeichnet Fritz<br />

Scheidegger als Raser.<br />

Ludwig Hahn. Auch de sen Mechaniker<br />

Dieter Busch wechselt zu Fritz Scheidegger.<br />

Doch wieder ein Grabstein<br />

britischen Definition des Rennsportes:<br />

«Kränze – nur für die Sieger und die Toten.»<br />

Fritz Scheidegger ist in Langenthal beigesetzt<br />

worden. Der Grabstein steht heute<br />

beim Nordosteingang des Friedhofs Gei s-<br />

berg. Bei der Abdankungspredigt – es<br />

finden bei weitem nicht a le Trauergäste<br />

in der Kirche Platz – kommt<br />

als eine Erbauung für die Trauerfamilie und für die vielen inund<br />

ausländischen Freunde des Verstorbenen.<br />

Punkt I<br />

Bei einer Abdankung so lte nicht über den ethischen und si tlichen<br />

Wert einer Motorsport-Veranstaltung und über die damit<br />

verbundenen Fahrer gesprochen werden. Ein Moto rad- oder Autorennen<br />

ist eine Veranstaltung wie ein Turnfest eines christlichen<br />

Turnvereins – denn auch dort werden um be sere Zeiten und höhere<br />

Leistungen gekämpft. Es wäre viel mehr bei einer Abdankung<br />

den Angehörigen und Freunden vor Auge zu führen, welche christliche Verbundenheit<br />

und welche Verhältni se ein Sportler zur Kirche und zu Gott<br />

haben kann. Bei unserem verstorbenen Freund, der als edler und anständiger<br />

Familienvater und Sportsmann seinen Pflichten nachkam, war auch der<br />

Sinn für die Kirche ein äu serst guter.<br />

Punkte I<br />

Da s von der Kanzel von Rasen und Rennen gesprochen wird ist nicht unbedingt<br />

nötig, da sich dieser Ort nicht zu sehr mit materie lem zu befa sen hat. He r Pfa rer<br />

Schn eberger sieht auch ein, da s es für die Kirche und das Christentum be ser wäre, wenn<br />

ein Pfa rhe r an einem Sonntag bereit wäre, bei einem Motorsportfest eine Feldpredigt oder einen Berggo tesdienst<br />

abzuhalten, als durch feindliche Worte diese Menschen von der Kirche zu vertreiben. Sicher sind auch die Motorsportmenschen<br />

für ein gutes Bibelwort zu haben, aber nicht solch ablehnende Worte wie sie in Langenthal gefa len<br />

sind.<br />

Liebe Motorsportfreunde, die Unterzeichneten bi ten sie herzlich, das Vorgefallene zur Entschuldigung hinzunehmen<br />

und hoffen ehrlich, da s Sie unserem Freund Fritz Scheidegger ein gutes Andenken bewahren und die eher<br />

34 s’Positive 7/2016

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