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AUFSTIEGSFORTBILDUNGSFÖRDERUNGSGESETZ (AFBG)<br />

„Ohne die Unterstützung wäre ich heute kein Meister.“<br />

Ohne AFBG wäre Julia Herbst nicht das, was sie heute<br />

ist − eine erfolgreiche Zahntechnikermeisterin, die alleine<br />

ihre Familie versorgen kann.<br />

Julia Herbst hat ziemlich viel richtig gemacht in ihrem<br />

Leben. Sie war eine gute Schülerin <strong>und</strong> hat ihr Fachabitur<br />

mit gutem Notendurchschnitt abgeschlossen. Julia<br />

Herbst hätte Medizin studieren können, wollte aber<br />

lieber arbeiten <strong>und</strong> Geld verdienen. Also entschied sie<br />

sich für die <strong>Aus</strong>bildung zur Zahntechnikerin, schloss<br />

im Jahr 2005 ihre Gesellenprüfung erfolgreich ab, war<br />

Bezirkssiegerin <strong>und</strong> Drittbeste in ganz Nordrhein-Westfalen.<br />

Zunächst blieb Julia Herbst in ihrem Lehrlabor in<br />

ihrer Heimatstadt Siegen im Siegerland. Alles bestens.<br />

Dann heiratete sie, bekam zwei Kinder, blieb zu Hause,<br />

war vor allem Mutter. Doch die Ehe hielt nicht. Plötzlich<br />

stand die junge Frau da – allein mit den Kindern.<br />

Zwar arbeitete sie wieder in einem Praxislabor, doch<br />

ihr Einkommen reichte hinten <strong>und</strong> vorne nicht.<br />

Julia Herbst hatte sich auch schon früher vorgenommen,<br />

irgendwann Meister in ihrem Beruf zu werden. Jetzt<br />

aber musste sie Meister werden. „Ich brauchte einfach<br />

mehr Geld“, sagt die 32-Jährige. „Sonst hätte ich mir einen<br />

neuen Job suchen müssen.“ Das wollte sie aber nicht,<br />

denn sie mag ihren Beruf. Wenn sie davon erzählt, wie<br />

sie eine Krone in mühevoller Handarbeit fertigt, dann<br />

klingt das fast nach Kunst. Zuerst stellt sie anhand eines<br />

Abdrucks ein formidentisches Modell der Patientensituation<br />

her, auf dem sie dann mit filigranen Sonden<br />

<strong>und</strong> Instrumenten ihre Arbeit modelliert. Diese Modellation<br />

wird nun eingebettet <strong>und</strong> die daraus entstehende<br />

Form aus Gold gegossen oder mit geschmolzener<br />

Keramik ausgepresst. Dann verblendet sie die Form mit<br />

einem Keramik-Pulvergemisch <strong>und</strong> brennt den Zahnersatz<br />

im Ofen. Beim Feinschliff wird schließlich die<br />

Form natürlicher Zähne nachgeahmt. Für jeden Patienten<br />

eine individuelle Sonderanfertigung. „Ich mag besonders<br />

das Filigrane an meiner Arbeit“, erklärt Herbst.<br />

Sie wollte einen tieferen Einblick in ihren Beruf, als die<br />

<strong>Aus</strong>bildung ihr gewährt hatte. Julia Herbst wollte mehr<br />

wissen. Irgendwie würde sie die Meisterausbildung<br />

schon hinbekommen. Immerhin hatte sie den kaufmännischen<br />

Teil schon während der Lehre absolviert – das<br />

Modul konnte sie sich anrechnen lassen. Es fehlten also<br />

nur noch drei <strong>Aus</strong>bildungsteile. Das <strong>Aus</strong>bildermodul<br />

holte sie sich an der Abendschule, neben dem Job, drei<br />

Monate lang, in denen sich ihre Eltern abends um die<br />

Kinder kümmerten. „Das muss ich nicht noch einmal<br />

haben“, sagt sie heute. Die restlichen zwei Meistermodule<br />

wollte Julia Herbst in Vollzeit durchziehen. Wie<br />

aber sollte sie die teure <strong>Aus</strong>bildung finanzieren? Im<br />

Netz erfuhr sie vom Aufstiegs-BAföG – eine staatliche<br />

Förderung, die für ihren Fall so maßgeschneidert zu<br />

sein scheint wie eine von ihr gefertigte Krone.<br />

„Wer sich beruflich fortbilden möchte, bekommt Geld<br />

vom Staat“, stand da. Für Menschen, die Karriere im dualen<br />

System machen wollen, gibt es staatliche Zuschüsse<br />

oder zinsgünstige Darlehen der KfW Bankengruppe.<br />

Es ist das größte <strong>und</strong> erfolgreichste Förderprogramm<br />

in der beruflichen Bildung, 1,7 Millionen Menschen hat<br />

der Staat seit 1996 mit über sechs Milliarden Euro unterstützt.<br />

Also bewarb sich auch Julia Herbst. Und ihr Antrag wurde<br />

bewilligt. Für zehn Monate würde sie einen monatlichen<br />

Zuschuss in Höhe von 558,50 Euro erhalten. „Ohne das<br />

Geld hätte ich das niemals hinbekommen“, sagt sie heute.<br />

Es war eine Investition, die sich schnell rechnen sollte.<br />

Ihre Meisterprüfung bestand sie 2013 mit Bravour.<br />

Heute arbeitet sie halbtags in dem Dentallabor einer<br />

Kölner Privatpraxis. Den Rest der Zeit arbeitet sie an<br />

der Handwerkskammer als Dozentin <strong>und</strong> bildet den<br />

Nachwuchs aus, ihr Gehalt hat sie mehr als verdoppelt.<br />

Und wer weiß, vielleicht macht sich Julia Herbst irgendwann<br />

auch mal selbstständig. „Spätestens“, sagt sie,<br />

„wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind.“

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