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36<br />
ALLGEMEINMEDIZIN<br />
Knochengesundheit<br />
Definitionsgemäß versteht man unter einer Osteoporose eine Skeletterkrankung,<br />
die durch eine Verminderung der Knochenfestigkeit infolge einer niedrigen Knochenmasse<br />
charakterisiert ist und der damit verbundenen Neigung zu Brüchen.<br />
Viele Jahre ist die Krankheit stumm.<br />
Bei fortschreitender Entwicklung<br />
kommt es durch Brüche, insbesondere<br />
in der Wirbelsäule, zu typischen Verformungen,<br />
Körpergrößenabnahme, Einengung<br />
der Beweglichkeit und Schmerzen,<br />
die zu einer erheblichen Einschränkung<br />
der Lebensqualität führen. Es drohen Behinderung<br />
und Pflegebedürftigkeit. Die<br />
Osteoporose ist inzwischen, nicht zuletzt,<br />
da die Menschen immer älter werden, zu<br />
einer Volkskrankheit geworden. Immerhin<br />
erleben 43.8 % eines Frauenjahrgangs<br />
das achtzigste und 23 % das neunzigste<br />
Lebensjahr. Erstaunlicherweise wird die<br />
Osteoporose von vielen Ärzten, aber auch<br />
in der Allgemeinbevölkerung nicht unbedingt<br />
als Erkrankung eingeschätzt. Da<br />
insbesondere Frauen nach den Wechseljahren<br />
betroffen sind, wird der Knochenschwund<br />
als schicksalhaft hingenommen,<br />
da es „ja von der Natur so vorgesehen<br />
ist“. Diese Ansicht ist grundlegend falsch,<br />
und die Osteoporose ist keineswegs nur<br />
eine Gesundheitsstörung, sondern eine<br />
behandlungsbedürftige Erkrankung.<br />
In Deutschland ereignen sich jährlich<br />
400.000 Knochenbrüche durch altersbedingten<br />
Knochenverlust. Die jährlichen<br />
Kosten für deren Behandlung liegen bei<br />
schätzungsweise 2,5 Milliarden Euro. Diese<br />
werden aber in den nächsten Jahren<br />
wegen der Änderung der Altersstruktur<br />
der Bevölkerung massiv ansteigen.<br />
Knochenfeinstruktur im Beckenknochen bei<br />
einer 37 jährigen und einer 84 jährigen Frau<br />
Auch wenn keineswegs alle älteren<br />
Frauen und auch zunehmend Männer<br />
von Osteoporose bedroht sind, ist es<br />
wichtig zu wissen, wie das individuelle Risiko<br />
einzuschätzen ist. Die Knochendichteuntersuchung<br />
ist dabei hilfreich, wird<br />
aber von den Krankenkassen nur dann<br />
vergütet, wenn bereits ein Knochenbruch<br />
vorliegt. Knochendichtemessungen kön-<br />
nen mit Röntgentechnik, aber auch mit<br />
Ultraschall durchgeführt werden, am<br />
häufigsten wird eine so genannte „DE-<br />
XA-Messung“ angewandt. Messwerte die<br />
unter -2.5 liegen (so genannter T-Wert)<br />
zeigen eine manifeste Osteoporose an,<br />
Werte unter -1 verweisen auf einen beginnenden<br />
Knochenschwund (Osteopenie).<br />
Wenn bereits eine Verringerung<br />
der Knochendichte nachgewiesen ist und<br />
sich der Feinbau des Knochens verändert<br />
hat, ist es fast schon zu spät. Man kann<br />
mit Medikamenten den Mineralverlust<br />
zwar aufhalten, aber nicht mehr völlig<br />
ausgleichen. Auch hier gilt das Prinzip:<br />
Vorbeugung und Früherkennung helfen<br />
die Katastrophe (Knochenschmerzen und<br />
Brüche zu vermeiden).<br />
Knochendichtemessung mit einem DEXA-Gerät<br />
Neben den so genannten primären<br />
Osteoporosen, Altersosteoporose und<br />
Wechseljahrsosteoporosen (senile und<br />
postmenopausale Osteoporose), gibt es<br />
auch sekundäre Erkrankungen, die beispielsweise<br />
durch vorangegangene Krankheiten<br />
und deren Behandlung verursacht<br />
werden. Am bekanntesten sind die Osteoporose<br />
nach Kortisonbehandlung im Rahmen<br />
rheumatischer Erkrankungen, aber<br />
auch zunehmend Osteoporosen im Zusammenhang<br />
mit Tumortherapien. Da insbesondere<br />
Chemotherapien die Funktion<br />
der Eierstöcke dauerhaft stören, kommen<br />
jüngere Patientinnen dauerhaft in die<br />
Wechseljahre. Andere Therapieprinzipien<br />
haben die völlige Unterdrückung der Hormonproduktion<br />
sogar als Behandlungsziel,<br />
beispielsweise bei Brustkrebs, aber<br />
auch beim Prostatakarzinom. Da aber die<br />
meisten Patienten mit Brust- und Prosta-<br />
takrebs geheilt werden (ca. 75 %), haben<br />
viele ein doppeltes Risiko, nämlich altersbedingt<br />
und therapiebedingt.<br />
Osteoporose muss aber auch als Nebenwirkung<br />
einer Tumortherapie kein Schicksal<br />
sein. Es gibt zahlreiche Medikamente,<br />
die zur Behandlung und Prophylaxe eingesetzt<br />
werden können. Neben solchen<br />
Maßnahmen, aber auch zur Vorbeugung,<br />
muss eine knochengesunde Lebensweise<br />
empfohlen werden. Regelmäßige körperliche<br />
Aktivität, spezielles Training zur<br />
Steigerung der Muskelkraft, Balance, Koordination,<br />
Ausdauer und Leistung sind<br />
von entscheidender Bedeutung. Neben<br />
regelmäßiger körperlicher Bewegung<br />
und mäßiger Sonnenbestrahlung, sollte<br />
auf eine kalziumreiche Ernährung Wert<br />
gelegt werden. Milchprodukte, insbesondere<br />
Käse enthalten viel Kalzium. Wer nur<br />
selten Milch trinkt und Joghurt, Quark und<br />
Käse nicht mag, kann auch Kalziumtabletten,<br />
oft in Kombination mit Vitamin D,<br />
zusätzlich verwenden. Vermieden werden<br />
sollte Alkohol, Nikotin und koffeinhaltige<br />
Getränke im Übermaß und Untergewicht.<br />
Ausnahmsweise gilt Übergewicht nicht als<br />
Risikofaktor, denn die Belastung der Knochen<br />
ist von enormer Bedeutung zur Vermeidung<br />
von Osteoporose. Untergewicht,<br />
Bettlägerigkeit im Rahmen chronischer<br />
Erkrankungen, aber auch die Schwerelosigkeit<br />
bei Astronauten, sind klassische<br />
Verursacher von Knochenschwund.<br />
Sollte es trotzdem zu einer Osteoporose<br />
kommen, stehen effektive Medikamente<br />
zur Verfügung. Am häufigsten genutzt<br />
werden Bisphosphonate, die sowohl als<br />
Tabletten verabreicht werden können, als<br />
auch als Infusion. Die Therapie muss allerdings<br />
viele Jahre durchgeführt werden. �<br />
Text: Prof. Dr. Ingo J. Diel<br />
inFO<br />
Prof. Dr. med. Ingo J. Diel<br />
Schwerpunktpraxis für<br />
gynäkologische Onkologie<br />
Quadrat P7, 16-17 | 68161 Mannheim<br />
Tel.: +49 (0)621 12506420<br />
diel@spgo-mannheim.de. | www.spgo-mannheim.de<br />
Text/Fotos: Prof. Dr. Ingo J. Diel Diel