TE KW 07
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Unsere ältesten Dorfbewohner<br />
Eine Großfamilie im Hattinger Mesnerhaus<br />
Karolina Zoller ist Hattings älteste Bürgerin - Mit ihren dreizehn Geschwistern sorgte sie für Leben in der Familie<br />
In der heutigen Ausgabe der RUNDSCHAU berichten wir<br />
von unserem Besuch bei Hattings ältester Dorfbewohnerin. Die<br />
91-jährige Karolina Zoller lebt schon seit ihrer Geburt in der kleinen<br />
Gemeinde am Inn. Zur Welt kam sie im Juni des Jahres 1925<br />
am Hattinger Berg, wo sie gemeinsam mit ihren Eltern und insgesamt<br />
dreizehn Geschwistern die ersten Lebensjahre verbrachte.<br />
In unserem Gespräch erzählt sie von ihren Jugendjahren, einem<br />
arbeitsreichen Leben, manchen Tiefschlägen aber auch vielen<br />
wunderschönen Momenten. Heute genießt Karolina Zoller ihre<br />
Zeit in einem „Dreigenerationenhaus“ mit ihrem Sohn Christian,<br />
Schwiegertochter Loni und Enkelkind Lea.<br />
Von Wolfgang Rives<br />
„Ein bisschen heikel ist sie schon“,<br />
schmunzelt Frau Zoller, während es<br />
sich ihre Katze Lilli auf der weichen<br />
Eckbank gemütlich macht. „Beim<br />
Essen tupft sie mich oft an, dann<br />
lasse ich sie gerne einmal ein bisschen<br />
mitnaschen. Aber sie überlegt<br />
sich ganz genau, was sie essen mag<br />
und was nicht“. Trotz ihres hohen<br />
Alters kocht die rüstige Dame gelegentlich<br />
noch selber, ansonsten<br />
wird sie von ihrer Familie liebevoll<br />
umsorgt. „Wenn ich mich irgendwo<br />
nicht ganz auskenne oder etwas<br />
brauche, hilft mir mein Sohn weiter.<br />
Handy und Internet habe ich nicht.<br />
Ehrlich gesagt, will ich den Umgang<br />
mit diesen Dingen auch gar nicht<br />
mehr lernen. Ich habe mein Festnetztelefon,<br />
das reicht mir voll und<br />
ganz. Eine Schwester von mir lebt in<br />
Oberösterreich. Sie ist mit 97 Jahren<br />
unser ältestes Familienmitglied. Wir<br />
sehen uns auf Grund der Entfernung<br />
zwar nicht, haben aber regelmäßig<br />
telefonischen Kontakt“, erzählt Frau<br />
Zoller von ihrem Familienleben.<br />
HARMONIE IST MIR WICH-<br />
TIG. „Ich bin im Großen und<br />
Ganzen sehr zufrieden, wichtig ist<br />
und war mir immer schon die Harmonie<br />
untereinander. Wir waren eine<br />
große Familie, insgesamt vierzehn<br />
Kinder. Meine Eltern haben immer<br />
darauf geachtet, dass kein Unfrieden<br />
herrscht. Im Erwachsenenalter habe<br />
ich meinen Vater einmal gefragt, ob<br />
er mit Mutter denn nie einen Streit<br />
hatte. Er meinte, dass dies natürlich<br />
auch gelegentlich einmal der Fall<br />
war, aber immer darauf geachtet<br />
wurde, dass die Kinder davon nichts<br />
mitbekommen“, erzählt Karolina<br />
Zoller von ihrer Kindheit. Die ersten<br />
vier Lebensjahre wuchs sie am<br />
Hattinger Berg, etwas oberhalb der<br />
Gemeinde, auf. Vater Alois arbeitete<br />
als Mesner in der Gemeinde,<br />
weshalb 1929 der Umzug ins Mesnerhaus<br />
erfolgte. Hier verbrachte sie<br />
ihre Jugendjahre, die Arbeit führte<br />
sie folglich nach Innsbruck. In der<br />
Strickerei „Scharnagl“ wurden damals<br />
Kleidungsstücke nach Maß gefertigt.<br />
„Ich habe das Nähen immer<br />
geliebt. Oft nahm ich die Arbeit von<br />
der Werkstatt mit nach Hause und<br />
nähte bis in die Abendstunden“.<br />
Heute greift die knapp 92-Jährige<br />
nur noch selten zur Nähmaschine.<br />
„Ein paar Kleinigkeiten mache ich<br />
schon noch, aber nicht mehr all zu<br />
viel“.<br />
In wenigen Monaten wird die älteste Bewohnerin der Gemeinde Hatting ihren 92.<br />
Geburtstag feiern. Ganz sicher mit dabei – Hauskatze Lilli.<br />
Foto: Wolfgang Rives<br />
BEI KRIMIS SCHAL<strong>TE</strong> ICH<br />
DEN FERNSEHER AB. „Obwohl<br />
die Leute heute so viel haben, sind<br />
einige doch etwas unzufrieden. Früher<br />
war es schon bedeutend schwieriger“,<br />
meint Zoller. „Zusätzlich<br />
zu meiner Berufstätigkeit half ich<br />
meinem Schwager bei der Bauernschaft.<br />
Bezahlung gab es dafür keine,<br />
aber wir bekamen genügend zu<br />
essen. Somit war Hunger für uns nie<br />
ein Thema“. Nach dem Krieg heiratete<br />
Karolina, aus der Ehe gingen<br />
zwei Kinder hervor. „Nach schwerer<br />
Krankheit verstarb mein Mann, als<br />
die Kinder sechs und acht Jahre alt<br />
waren. Das war eine schwere Zeit.<br />
Später hatte ich Gott sei Dank das<br />
große Glück, mich noch einmal neu<br />
zu verlieben“. Ihr zweiter Mann war<br />
zu Lebzeiten Ehemann und guter<br />
Freund zugleich. Einen seiner Ratschläge<br />
befolgt sie noch heute. „Ich<br />
schaue nicht besonders viel fern. Die<br />
Nachrichten interessieren mich und<br />
hin und wieder ein guter Abendfilm.<br />
Nur Krimis sehe ich mir nicht an.<br />
Mein Mann sagte mir immer, dass<br />
ich nicht alleine Krimis schauen<br />
soll. Er befürchtete, dass ich dann<br />
nicht mehr gut schlafen könne“, lächelt<br />
Karolina Zoller.<br />
Auf die Frage wie sie denn so ihren<br />
Tag verbringt, meint die Dame:<br />
„Am liebsten bin ich daheim. Ich<br />
habe mir zwar vorgenommen, ein<br />
bisschen öfter spazieren zu gehen.<br />
Im Winter ist es mir aber dann doch<br />
zu kalt, aber wenn das Frühjahr<br />
kommt, werde ich das wieder machen.<br />
Ganz bestimmt.“<br />
Karolina Zollers Eltern Marianna und<br />
Alois Springer bei einem Ausflug auf<br />
die Archbrandhütte, die einer der Brüder<br />
bewirtschaftete. Fotos: Repro Rives<br />
Die gesamte Großfamilie vereint. Peter, Greti, Seppl, Michl, Toni, Karl, Luis, Anna<br />
und Karolina Zoller (hinten v. l.), sowie Resi, Vater Alois Springer, Rudl, Franzl,<br />
Mutter Marianna und Maria (vorne v.l.). Das Foto entstand im Jahre 1934, als alle<br />
Familienmitglieder gemeinsam das Hattinger Mesnerhaus bewohnten.<br />
RUNDSCHAU Seite 8 15./16. Februar 2017