REPORTAGE PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.17 44
RUNGIS Foto: Sven Bleß Als Leiter Qualité de Paris kennt Sven Bleß den Pariser Großmarkt aus dem Effeff »Das Angebot in Rungis ist so riesig und vielfältig, dass man Tage braucht, um alles zu sehen. Und natürlich, um das Beste zu finden.« Aber noch herrscht in der eiskalten Halle recht hektisches Treiben. Kleine wendige Gabelstapler fahren im Slalom zwischen den überall herumstehenden Kisten hin und her. Die Temperatur in der Halle liegt nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt, der Boden gleicht einer riesigen Pfütze. Gellende Rufe schallen von allen Seiten durch den gigantischen Raum, die Ware muss jetzt schnellstens auf den Weg. Da muss jeder Handgriff sitzen, die Fische und Meerestiere ordentlich auf Eis liegen. Alles sicher verpackt in weißen Styroporkisten, die in Windeseile auf Paletten gestapelt werden. Länger als 36 Stunden, maximal 48, darf der Transport an jeden beliebigen Ort der Welt nicht dauern. Ein echter Knochenjob für die Männer, die mit ihren weißen Kitteln und weißen Mützen aussehen wie eine Heerschar von Eskimos. Nur am Firmenlogo auf den Jacken kann man die Firmenzugehörigkeit erkennen. Insgesamt bieten 48 Händler Fische aus allen Weltmeeren in der Halle an, auf dem gesamten Gelände sind rund 1.200 Unternehmen aktiv. Szenenwechsel: Wann hat man schon mal ganze Rinderhälften von der Decke hängen sehen? Und das gleich zu hunderten. Wir staunen nicht schlecht angesichts der Menge, es riecht nach Blut und frischem Schlachtfleisch. Nur wenige Meter weiter befindet sich die Halle für Innereien. In riesigen Kübeln warten Schweinefüße, eimerweise Leber, Nieren, Zungen, Kalbsbries und Hirn auf ihren Transport. Dutzende abgekochte Kalbsköpfe hängen in Reih und Glied an blitzenden Metzgerhaken. Ein Teil der Ware kommt aus deutschen Schlachthäusern, dort ist sie fast unverkäuflich. Mehr als 50 Tonnen Innereien wechseln täglich den Besitzer, vorwiegend sind es französische Köche, die sich für das Angebot interessieren. Aber auch der Chefkoch des Weißen Hauses wurde hier schon gesichtet. In den Obst- und Gemüsehallen triumphieren bunte Farben. Palettenweise Erdbeeren mitten im November, Äpfel und Birnen in allen Farben und Formen, grüne und rote Trauben in allen Varianten und Größen, tausende von Kiwis und Orangen, Unmengen von Melonen, perfekt gestapelt zu Pyramiden. Daneben ordentlich aufgeschichtete Karotten, kistenweise frischer Knoblauch, Artischocken wie gemalt. Ein Erlebnis für die Augen. „Das Angebot in Rungis ist so riesig und vielfältig, dass man Tage braucht, um alles zu sehen. Und natürlich, um das Beste zu finden“, sagt Sven Bleß. Er muss es wissen. Schließlich ist er bei Transgourmet verantwortlich für die Linie Qualité de Paris, die ausgesuchte Premiumprodukte direkt über die Drehscheibe Pariser Großmarkt in die Gastronomie liefert. Immer auf der Suche nach den besten Produkten, beginnt sein Arbeitstag in Rungis mitten in der Nacht. Dann schläft die Seine-Metropole noch und wartet auf den Weckruf von Jacques Dutronc: Es ist fünf Uhr, Paris erwacht. Doch südlich der Stadt bereitet man sich um diese Uhrzeit auf den Feierabend vor. • PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.17 45