Passion Genuss 01/2017 - passgen_1_2017_blaetterkatalog.pdf
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GLOSSE<br />
Saure-Gurken-Zeit<br />
„Wer nichts wird, wird Wirt“, sagt der deutsche Volksmund mit einem<br />
Augenzwinkern. Das ist nur ein Beispiel von sehr vielen Redewendungen,<br />
die sich mit dem Thema Essen auseinandersetzen.<br />
Text: Peter Silie<br />
Nicht nur, dass Berufsgruppen, die<br />
sich professionell um das leibliche<br />
Wohl der Bevölkerung kümmern,<br />
in der gesellschaftlichen Beliebtheitsskala<br />
in den unteren Rängen rangieren: Angefangen<br />
beim ehrenwerten Landwirt, der<br />
sprichwörtlich als Bauer für rüpelhaftes<br />
Verhalten oder als bauernschlau für eine<br />
gewisse Verschlagenheit herhalten muss,<br />
sind Gastwirt, Kellner und Koch – nicht zu<br />
vergessen Metzger und Bäcker – für die<br />
meisten Zeitgenossen zwar wichtige, aber<br />
dennoch unattraktive Berufe. Und damit<br />
nicht genug. Auch die deutsche Sprache,<br />
immerhin das wichtigste zwischenmenschliche<br />
Kommunikationsmittel und<br />
in ihrer Komplexität Gradmesser einer kulturellen<br />
Identität, verleiht in eingängigen<br />
Redewendungen dem Essen zwar eine einprägsame,<br />
aber weitgehend lieblose und<br />
teils despektierliche Bildlichkeit.<br />
Das sprachliche Dilemma beginnt schon<br />
am Morgen, wenn man „schlecht gefrühstückt“<br />
hat und damit seiner Umwelt<br />
miese Laune signalisiert. Wer „rückwärts<br />
frühstückt“, steigert das Unwohlsein in<br />
Übelkeit, weil man ihm etwas „aufs Brot<br />
geschmiert“ hat, das scheinbar schwer<br />
verdaulich ist. Ohnehin hat man hin<br />
und wieder am „harten Brot“ zu kauen,<br />
bekommt die „Butter vom Brot genommen“<br />
und wünscht manch einem unliebsamen<br />
„Schaumschläger“, dass ihm der<br />
„Bissen im Hals stecken bleiben möchte“.<br />
Triumphiert der Neid, dann gönnt man der<br />
„Extrawurst“ „nicht die Butter aufs Brot“.<br />
Hat man dagegen „den Braten gerochen“,<br />
kann man sein Gegenüber herrlich „unterbuttern“<br />
oder „in die Pfanne hauen“.<br />
Wenn „alles Käse“, wahlweise „Quark ist“,<br />
läuft es in der „Sauren-Gurken-Zeit“ nicht<br />
besonders gut. Man „backt kleine Brötchen“,<br />
ist ein bedauernswerter „Dreikäsehoch“,<br />
eine echte „Gurke“ oder „Pflaume“,<br />
eine „taube Nuss“, die „nichts in der Birne“<br />
hat und nicht „die Bohne versteht“. Oder<br />
man ist einfach nur „dumm wie Brot“.<br />
Entsprechend gelten erfolglose Aktivitäten<br />
als „brotlose Kunst“, und das Spießige<br />
bekommt mit dem Synonym „altbacken“<br />
einen „abgenudelten“ Seitenhieb aus der<br />
Welt des Bäckerhandwerks.<br />
Dagegen adeln unsere französischen<br />
Nachbarn einen guten Menschen mit dem<br />
Vergleich „bon comme le pain“. Und was in<br />
Frankreich mit „Pariser Schick“ beschrieben<br />
wird, kommt in Deutschland als „auf-<br />
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