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diabeteszeitung · 2. Jahrgang · Nr. 5 · 23. Mai <strong>2017</strong><br />

Das Interview<br />

17<br />

Basis für die Zusammenarbeit<br />

ist der gegenseitige Respekt<br />

Wie Diabetologe und Hausarzt bei der Betreuung von Diabetespatienten<br />

besser kooperieren können – ein Beispiel<br />

LEVERKUSEN. Technische Helfer können die Vernetzung<br />

zwischen Haus- und Fachärzten in der Diabetestherapie zwar<br />

erleichtern. Wichtig ist aber vor allem, dass man einander<br />

kennenlernt, miteinander redet und einander wertschätzt.<br />

Das ist die Erfahrung von Hausarzt Peter Jagieniak-Mager und<br />

Diabetologe Dr. Matthias Kaltheuner vom Regionalen Gesundheitsnetz<br />

Leverkusen .<br />

?<br />

Wie kommt es, dass Haus- und<br />

Fachärzte in Leverkusen bei der<br />

Diabetestherapie gut zusammenarbeiten?<br />

Jagieniak-Mager: Es fing vor 15 Jahren<br />

mit Einführung der Disease-<br />

Management-Programme (DMP)<br />

an. Unsere Ausgangssituation war<br />

wie überall: Der Patient wird vom<br />

Hausarzt behandelt und höchstens<br />

für eine Schulung mal zum<br />

Diabetologen geschickt. Doch bei<br />

jeder Überweisung hat der Hausarzt<br />

Angst, dass der Patient nicht<br />

wiederkommt. Also gründeten wir<br />

unseren Qualitätszirkel. Mit Ärzten,<br />

die sich für Diabetes interessieren,<br />

kam die Sache ins Rollen. Der<br />

formale Aufbau und die entscheidenden<br />

Schnittstellen sind bereits<br />

durch die DMP vorgegeben. Aber<br />

auch der Strukturvertrag als Vorläufer<br />

der DMP hat ein bewährtes<br />

Gerüst für die Zusammenarbeit<br />

geliefert.<br />

?<br />

Was schätzen Sie besonders an<br />

der Zusammenarbeit mit den Kollegen<br />

im Qualitätszirkel?<br />

Jagieniak-Mager: Bei unseren Treffen<br />

hören wir nicht nur zusammen<br />

Fachvorträge an, sondern tauschen<br />

uns aus und diskutieren miteinander.<br />

Seit ich die Kollegen besser<br />

kenne, kann ich bei einem Problem<br />

einfach das Telefon in die Hand nehmen<br />

und meinen Patienten noch<br />

am selben Tag zum Diabetologen in<br />

die Praxis oder zu einem Kollegen<br />

im Fußnetz schicken. Es sind aber<br />

auch die kleinen Dinge, die uns helfen.<br />

So müssen wir Hausärzte ja alle<br />

Diagnosen verschlüsseln, auch die<br />

fachfremden. Wenn ich einen Patienten<br />

von Dr. Kaltheuner zurückbekomme,<br />

dann bekomme ich alle<br />

verschlüsselten Diagnosen von ihm<br />

gleich mitgeliefert. Das erleichtert<br />

mir die Arbeit.<br />

Dr. Kaltheuner: Der Austausch mit<br />

Kollegen macht mir immer wieder<br />

bewusst, was ich alles nicht kann.<br />

Ich sollte mich also besser auf das<br />

konzentrieren, was ich am besten<br />

kann, und andere Fälle den Kollegen<br />

überlassen, die sich damit besser<br />

auskennen. Das erfordert natürlich<br />

»Kurzer Draht<br />

zum Fußnetz«<br />

Dr. Matthias Kaltheuner<br />

gegenseitigen Respekt. Wenn mich<br />

ein Hausarzt anruft und sagt, dass<br />

sein Patient dringend einen Termin<br />

bei mir braucht, dann akzeptiere<br />

nachgefragt<br />

ich das. Schließlich hat er gerade<br />

den Patienten vor sich und nicht<br />

ich. Gegenseitiger Respekt ist in<br />

meinen Augen die allerwichtigste<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />

Vernetzung.<br />

?<br />

Fällt es allen Kollegen so leicht<br />

wie Ihnen, die Verantwortung für<br />

Im Netzwerk<br />

funktioniert die<br />

Kooperation<br />

sehr gut – weil<br />

alle miziehen.<br />

Fotos: fotolia/Coloures-pic, fotolia/pico<br />

Foto: P. Keldenich<br />

DR. MATTHIAS<br />

KALTHEUNER<br />

Dr. Kaltheuner ist als Facharzt für Innere<br />

Medizin in Leverkusen tätig. Seit<br />

1998 ist er Diabetologe <strong>DDG</strong> und<br />

Mitinhaber einer Diabetologischen<br />

Schwerpunktpraxis.<br />

einen Patienten an einen anderen<br />

Arzt abzugeben?<br />

Jagieniak-Mager: Das ist nicht<br />

zuletzt ein Generationenproblem.<br />

Viele ältere Ärzte sind klassische<br />

Einzelkämpfer, die jüngeren<br />

sind offener für Kooperationen.<br />

Mein Vorgänger, dessen Praxis ich<br />

übernommen habe, hat mir seinerzeit<br />

noch eingeschärft, um jeden<br />

Preis alle Patienten zu halten. Dabei<br />

ist das eigentlich Quatsch. Wenn es<br />

mit einem Patienten auf der zwischenmenschlichen<br />

Ebene einfach<br />

nicht klappt, dann sollte man offen<br />

darüber sprechen, ob er bei einem<br />

anderen Hausarzt nicht besser aufgehoben<br />

wäre.<br />

? Es bedeutet aber doch auch finanzielle<br />

Einbußen, wenn Sie einen<br />

Patienten verlieren …<br />

Dr. Kaltheuner: Ich denke, es geht<br />

dabei mehr um Gefühle als um Ökonomie.<br />

Wenn ich schon viel Energie<br />

in die Behandlung eines Patienten<br />

gesteckt habe, aber trotzdem nicht<br />

weiterkomme, dann bin ich frustriert<br />

und empfinde den Misserfolg<br />

als Versagen. Und wenn der Kollege<br />

es dann besser hinbekommt als<br />

ich, ärgert mich das erst recht. Das<br />

HAUSARZT<br />

DIABETOLOGE<br />

PETER<br />

JAGIENIAK-MAGER<br />

Peter Jagieniak-Mager ist seit 1997<br />

in Leverkusen als hausärztlicher Internist<br />

niedergelassen. Er absolvierte<br />

eine einjährige Weiterbildung im<br />

Diabetes-Zentrum Rheinland.<br />

Foto: privat<br />

sind die eigentlichen Konflikte – das<br />

entgangene Honorar sehe ich als ein<br />

vorgeschobenes Argument. Wer keine<br />

Patienten an Kollegen „abgeben“<br />

möchte, der hat einfach noch kein<br />

fortgeschrittenes Stadium der Kooperation<br />

erreicht.<br />

?<br />

Erleben Sie Konflikte dieser Art<br />

auch in der Zusammenarbeit mit<br />

Krankenhäusern?<br />

Dr. Kaltheuner: Es gibt in diesem<br />

Punkt große Unterschiede zwischen<br />

den Kliniken. Mit manchen klappt<br />

die Zusammenarbeit ebenso reibungslos<br />

wie mit den Kollegen im<br />

Netz. Bei anderen hingegen herrscht<br />

ein gewisser Autismus.<br />

Das diabetische Fußsyndrom ist<br />

meist komplex. Wenn ein solcher Patient<br />

aus der Klinik entlassen wird,<br />

ist es einfach hilfreich, wenn mich<br />

der Krankenhauskollege vorher kurz<br />

anruft und mir die wichtigsten Details<br />

mitteilt.<br />

»Digital vernetzt<br />

sein hilft sehr«<br />

Peter Jagieniak-Mager<br />

Jagieniak-Mager: Ja, mit manchen<br />

Krankenhauskollegen funktioniert<br />

die Zusammenarbeit gut. Aber andere<br />

hören nicht einmal zu und<br />

sagen nur: „Wir stellen den Patienten<br />

hier sowieso ganz neu ein!“<br />

Schlimm finde ich es auch, wenn<br />

einer meiner Patienten aus dem<br />

Krankenhaus kommt und seine<br />

gesamte Medikation dort geändert<br />

wurde – ohne dass davon irgendetwas<br />

im kurzen Entlassungsbrief<br />

steht.<br />

?<br />

Lassen sich derartige Kommunikationsmängel<br />

durch mehr<br />

digitale Vernetzung zwischen den<br />

Versorgungsebenen und Sektoren<br />

beheben?<br />

Jagieniak-Mager: Digitale Vernetzung<br />

erleichtert natürlich vieles. Im<br />

Gesundheitsnetz Leverkusen wird<br />

es in Zukunft eine Netzakte geben.<br />

Sofern der Patient sein Einverständnis<br />

erklärt, kann dann jeder Netzarzt<br />

auf seine Daten zugreifen.<br />

Dr. Kaltheuner: Allerdings braucht<br />

es im Grunde nicht viel Technik,<br />

um gut zusammenzuarbeiten.<br />

Schon mit konventionellen Ausdrucken<br />

von Befunden, die ich<br />

dem Patienten zum Termin beim<br />

Kollegen mitgebe, ist viel gewonnen.<br />

Fehlende Technik taugt nicht<br />

als Ausrede dafür, dass man nicht<br />

kommuniziert. Entscheidend ist,<br />

dass man versteht, welche Informationen<br />

der weiterbehandelnde<br />

Kollege als Nächstes braucht. Ob<br />

man diese Informationen per E-<br />

Mail oder Fax schickt oder sie dem<br />

Patienten mitgibt, ist zweitrangig.<br />

?<br />

Welchen Rat geben Sie Ärzten, die<br />

ebenfalls enger mit ihren Kollegen<br />

kooperieren möchten?<br />

Jagieniak-Mager: Wer als Alleinwerker<br />

in seiner Praxis hocken will, dem<br />

wird es nicht gelingen. Mein Rat:<br />

Suchen Sie sich einen Qualitätszirkel<br />

oder gründen Sie einen. Öffnen<br />

Sie sich und bewegen Sie sich von<br />

Ihrem Schreibtisch weg, raus aus der<br />

Praxis, hinaus zu den Kollegen.<br />

Interview: Antje Thiel<br />

Regionales Gesundheitsnetz<br />

Leverkusen eG<br />

Gegründet wurde die Ärztegenossenschaft<br />

2006. Mehr als 100 niedergelassene<br />

Ärzte und Arztpraxen sowie fünf<br />

ambulante Pflegedienste arbeiten hier<br />

zusammen. Zu den Netzwerkern gehören<br />

zahlreiche Hausärzte und Diabetologen.<br />

Am Qualitätszirkel Diabetologie<br />

nehmen ca. 25 Ärzte teil. Leverkusen<br />

zählt 162 000 Einwohner. Circa 15 000<br />

Menschen sind Diabetespatienten. Die<br />

Ärzte im Qualitätszirkel betreuen etwa<br />

knapp die Hälfte.

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