MTD_DDG_2017_05_inkl_diatec
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diabeteszeitung · 2. Jahrgang · Nr. 5 · 23. Mai <strong>2017</strong><br />
News & Fakten<br />
3<br />
Big Data in der Diabetologie:<br />
Chancen nutzen, Risiken minimieren<br />
Standortbestimmung der <strong>DDG</strong> zu ethischen Fragen<br />
BERLIN. Der Deutsche Ethikrat erarbeitet derzeit eine Stellungnahme<br />
zum Thema Big Data und Gesundheit. Darin möchte er<br />
Entwicklungen ethisch analysieren und Empfehlungen formulieren.<br />
Um seinen Blick auf Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten<br />
zu schärfen, gab der Rat einen Fragenkatalog<br />
heraus. Die <strong>DDG</strong> hat diesen für die Diabetologie beantwortet.<br />
»Ein Recht auf<br />
Offenlegung der<br />
Algorithmen«<br />
Fotos: shutterstock<br />
Welche regulatorischen Mechanismen<br />
und Anreize<br />
bieten sich an, um die<br />
Chancen und Risiken von Big Data<br />
im Gesundheitsbereich angemessen<br />
zu handhaben? Wie kann das Vertrauen<br />
in die Forschung gewahrt<br />
bleiben, wenn Probandendaten entschlüsselt<br />
werden können? Diesen<br />
und anderen Fragen geht der Deutsche<br />
Ethikrat nach, ein unabhängiges<br />
Gremium von 26 Wissenschaftlern<br />
und Persönlichkeiten, das an<br />
den Bundestag und die Bundesregierung<br />
berichtet. In einer öffentlichen<br />
Befragung bat der Rat interessierte<br />
Kreise um Informationen.<br />
Die <strong>DDG</strong> hat hierzu eine fünfseitige<br />
Stellungnahme abgegeben, die einen<br />
Überblick über die technologische<br />
Entwicklung und die damit verbundenen<br />
Chancen und Risiken liefert.<br />
Verfasser sind <strong>DDG</strong>-Präsident<br />
Professor Dr. Baptist Gallwitz,<br />
Vizepräsident Professor Dr. Dirk<br />
Müller-Wieland und Manuel<br />
Ickrath, Beauftragter für Digitalisierung<br />
der <strong>DDG</strong>.<br />
Eine zentrale Aussage ihres Papiers<br />
lautet: In Zukunft werden immer<br />
mehr Daten z.B. für Blutzuckerverläufe<br />
oder Insulindosen anfallen, die<br />
ausgewertet und interpretiert werden<br />
müssen – „Big Data wird deshalb<br />
die Diabetologie maßgeblich<br />
beeinflussen“.<br />
Smart Pens, Genanalysen<br />
und künstliche Intelligenz<br />
Als Beispiele nennen sie neue Technologien<br />
wie Continuous Glucose<br />
Monitoring (CGM) und Artificial<br />
Pancreas (AP). Diese kämen dem<br />
Wunsch vieler Betroffener nach einer<br />
„technischen Heilung“ schon<br />
sehr nah. Systeme, bei denen Insulinpumpen<br />
mit CGM-Systemen kommunizieren,<br />
sind bereits verfügbar.<br />
Zur Insulin-Applikation werden sog.<br />
Smart Pens entwickelt, die via Bluetooth<br />
applizierte Insulineinheiten<br />
automatisiert übermitteln.<br />
Regulierung ist notwendig<br />
Viele Patienten nutzen Wearables,<br />
Gesundheits- und medizinische<br />
Apps. Ärzte bezweifeln die Qualität<br />
der Gesundheits-Apps, die – anders<br />
als Medical-Apps – keine<br />
Medizinprodukte sind und deshalb<br />
nicht reguliert werden. Viele App-<br />
Anbieter beachten auch nicht die<br />
Datenschutzstandards. Dennoch<br />
muss die Lebenswirklichkeit der Patienten<br />
beachtet werden, die vom<br />
selbstverständlichen Umgang mit<br />
Apps, Social Media etc. geprägt ist.<br />
Die <strong>DDG</strong> hat durch ihre Arbeitsgruppe<br />
Diabetestechnologie ein<br />
Qualitätssiegel „Diadigital“ ins<br />
Leben gerufen (siehe S. 16). Das<br />
ersetzt aber nicht die Regulierung<br />
des Gesetzgebers im Bereich des<br />
Datenschutzes und der App-Anbieter.<br />
Um Schaden von Patienten<br />
fernzuhalten, sollten der Gemeinsame<br />
Bundesausschuss und ggf.<br />
das BfArM eine Orientierungshilfe<br />
geben, wann eine App einem<br />
Medizinprodukt und dessen Regulierung<br />
entspricht. „Dabei muss<br />
auch der Sachverstand der medizinischen<br />
Fachgesellschaften, z.B. der<br />
<strong>DDG</strong>, eingebunden sein.“<br />
Kontinuierliche Datenmessung und<br />
-analyse in Diabetes-Management-<br />
Programmen erlauben eine qualitätsorientierte<br />
Behandlung.<br />
Clinical Decision Support-Systeme<br />
(CDS) führen Patientendaten von<br />
Kliniken und Praxen mit internationalen<br />
Leitlinien und Fachliteratur<br />
zusammen, was individuelle Diagnose-<br />
und Therapieempfehlungen<br />
in Sekundenschnelle verspricht.<br />
Genanalysen können Auswirkungen<br />
im präventiven Bereich wie bei der<br />
Bekämpfung von Folgekomplikationen<br />
des Diabetes haben.<br />
Künstliche Intelligenz (AI) wird in<br />
wenigen Jahren Einzug in die Medizin<br />
halten.<br />
Die Chancen, die Big Data-Anwendungen<br />
bieten, sind z.B. Qualitätssteigerungen<br />
in der ärztlichen Behandlung<br />
durch Assistenzsysteme<br />
sowie höhere Effizienz des Gesundheitswesens<br />
durch mehr Transparenz<br />
und die frühzeitige Vermeidung<br />
teurer Folgekomplikationen.<br />
Forschungsansätze, die aufgrund ihrer<br />
überwältigenden Datenquantität<br />
bisher nicht vorstellbar waren, werden<br />
praktikabel und finanzierbar.<br />
Auch ein zu eng gefasster<br />
Datenschutz ist eine Gefahr<br />
Bezüglich der Risiken fordert die<br />
<strong>DDG</strong> die konsequente Einbindung<br />
medizinischer Fachgesellschaften.<br />
Nur diese könnten „in enger Abstimmung<br />
mit den Patientenvertretern<br />
dafür sorgen, dass die Interpretation<br />
der Patientendaten an erster<br />
Stelle dem Patientenwohl folgt und<br />
nicht den ökonomischen Interessen<br />
der Pharma- und Kommunikationstechnologiefirmen“.<br />
Wenn ein Algorithmus<br />
Einfluss auf das Wohl und<br />
Wehe eines Menschen habe, wie das<br />
in der Diabetesbehandlung der Fall<br />
sei, „hat die Gesellschaft ein Recht<br />
auf Offenlegung der Algorithmen“ –<br />
geeignete Methoden sowie einen zumindest<br />
europäisch konsentierten<br />
Rechtsrahmen dafür vorausgesetzt.<br />
Ein weiteres Risiko liege in einem<br />
zu eng gefassten Datenschutz, der<br />
z.B. Diabetesforschung „dahingehend<br />
einschränkt, dass anonymisierte<br />
und pseudonymisierte Patientendaten<br />
keinen Bezug mehr zur<br />
Patientenwirklichkeit haben“. Die<br />
<strong>DDG</strong> fordert: „Die Nutzung personenbezogener<br />
Daten, sei es für die<br />
Forschung oder für die Wirtschaft,<br />
muss, in zu definierenden Grenzen,<br />
zulässig bleiben.“<br />
Ein Risiko wäre es auch, Big Data aus<br />
Sorge vor zu viel Industrieeinfluss<br />
oder aus restriktiven Datenschutzgründen<br />
zu sehr einzuschränken.<br />
CDS-Systeme könnten z.B. Hausärzte<br />
in die Lage versetzen, die Versorgung<br />
von Patienten mit Diabetes<br />
auf einem fachlich höheren Niveau<br />
zu organisieren. Die so eingesparte<br />
Zeit komme den Patienten durch<br />
mehr Sprechende Medizin zugute.<br />
Positionierung für den<br />
Wandel von analog zu digital<br />
„Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz<br />
setzt hohe ethische, politische<br />
und juristische Standards<br />
voraus. Niemals darf künstliche Intelligenz<br />
intelligenter als der Mensch<br />
werden!“, schreibt die <strong>DDG</strong> dem<br />
Ethik rat. „Die großen Vorteile beim<br />
Einsatz von AI müssen daher auf demokratische<br />
Weise nutzbar gemacht<br />
werden.“<br />
Die Autoren beklagen: Die Entscheidungswege<br />
bei den Zulassungsbehörden<br />
(G-BA, IQWiG, IQTiG)<br />
erschwerten den Einfluss der medizinischen<br />
Fachgesellschaften, deren<br />
Fachwissen oft ungehört bleibe. Die<br />
<strong>DDG</strong> will, dass dieses Fachwissen<br />
bei neuen Technologien mehr und<br />
vor allem institutionalisiert genutzt<br />
wird. Sie entwickelt „für alle wesentlichen<br />
Bereiche der Transformation<br />
von bisher analoger Versorgung hin<br />
zu digitalen Versorgungsstrukturen<br />
eine abgestimmte Positionierung für<br />
die Diabetologen“.<br />
REI<br />
Stellungnahme<br />
der <strong>DDG</strong>:<br />
Mitspracherechte nicht berücksichtigt<br />
Fachgesellschaften und Patientenvertreter sollten beim IQTiG eingebunden werden<br />
BERLIN. Der Entwurf des Methodenpapiers<br />
des Instituts für Qualitätssicherung<br />
und Transparenz im<br />
Gesundheitswesen (IQTiG) ist zu „allgemein<br />
gehalten“, findet die <strong>DDG</strong>. Sie<br />
macht Konkretisierungsvorschläge.<br />
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft<br />
merkt in ihrer Stellungnahme<br />
zum IQTiG-Papier folgende<br />
Punkte an:<br />
Die strukturierte und prozedural<br />
festgelegte Einbindung<br />
1<br />
der wiss. Fachgesellschaften oder Vertretungen<br />
anderer patientennaher<br />
Berufsgruppen ist nicht vorgesehen.<br />
Auftragserteilung und Festlegung<br />
des zu untersuchenden<br />
2<br />
Problems erfolgt allein durch den<br />
Gemeinsamen Bundesausschuss.<br />
Patienten bzw. die von einer<br />
3 Erkrankung Betroffenen sind<br />
nicht stimmberechtigt und prozedural<br />
fest eingebunden.<br />
Es besteht keine strukturierte<br />
4 Testung und kein Diskurs<br />
über das Ergebnis einer Untersuchung<br />
und die Implikationen bei<br />
einer Umsetzung.<br />
Haben die gewählten Indikatoren<br />
die Qualität, ein justi-<br />
5<br />
ziables inhaltliches und strukturelles<br />
Steuerungsinstrument zu sein?<br />
Entwicklungen im Bereich<br />
6 Digitalisierung sind nicht berücksichtigt.<br />
Die <strong>DDG</strong> beschreibt zugleich mögliche<br />
Lösungen. So schlägt sie z.B. vor,<br />
dass die wissenschaftlichen Fachgesellschaften<br />
dem IQTiG Gutachter<br />
benennen, auf die es zugreifen kann.<br />
Den Gutachtern müsse begründet<br />
widergespiegelt werden, wie mit<br />
ihren Beurteilungen umgegangen<br />
wird. Da das IQTiG den Begriff Patientenorganisation<br />
nicht definiert<br />
habe, könnten die Fachgesellschaften<br />
auch hierzu etwas beitragen. kol<br />
Stellungnahme der <strong>DDG</strong> zum Entwurf<br />
„Methodische Grundlagen V1.0s / Entwurf<br />
für das Stellungnahmeverfahren“<br />
http://bit.ly/2op1Dr6