09.06.2017 Aufrufe

Drehen-am-Rad-der-Zeit

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SCHWERPUNKT OTTENBACH<br />

Von <strong>der</strong> Heimarbeit zu Spräggele im Restaurant<br />

56<br />

«Der Kunstmaler George Gessler<br />

interessierte sich für Maskeraden<br />

– die Spräggele gehörten zu<br />

seinen Lieblingssujets.»<br />

Bei solchen «Lichtstubeten» arbeiteten mehrere<br />

F<strong>am</strong>ilien zus<strong>am</strong>men in einer Stube bei einem<br />

einzigen Licht, bis man sich um etwa 22 Uhr zur<br />

Ruhe begebe. Vor Weihnachten allerdings finde<br />

jeweils eine «Durchspinnnacht» statt; dann arbeite<br />

man die ganze Nacht hindurch, um vorzuholen,<br />

«was sie an Weihnachten versäumen».<br />

Dabei bestehe «die nicht wohl hergebrachte Gewohnheit»,<br />

dass eine alte Frau, manchmal auch<br />

<strong>der</strong> Dorfwächter, sich verkleide und so von Haus<br />

zu Haus ziehe, an die Fenster klopfe o<strong>der</strong> gar in<br />

die Stube hineintrete, um die Kin<strong>der</strong> zu fragen, ob<br />

sie gerne an <strong>der</strong> Spindel arbeiteten. «Wann sie<br />

von den Eltern <strong>der</strong> Nachlässigkeit beschuldiget<br />

werden, müssen sie einen Zuspruch anhören, wobei<br />

dieser oft mit einer Drohung verbunden ist.»<br />

Diese verkleidete Person nannte man «Spräggelen».<br />

Vor dieser fürchteten sich die Kin<strong>der</strong> «wie<br />

vor dem Bölimann». Bis zum Ende <strong>der</strong> Heimarbeit<br />

zu Beginn des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts war dieser<br />

Brauch mindestens im ganzen Knonauer Amt<br />

verbreitet. Die Industrialisierung verdrängte die<br />

Heimarbeit. 1820 hatte die industrielle Garnspinnerei<br />

die Preise auf einen kleinen Bruchteil des<br />

Wertes von 1800 fallen lassen, denn in diesen 20<br />

Jahren stieg die Produktivität pro Person auf<br />

das 400-fache. D<strong>am</strong>it löste sich <strong>der</strong> Brauch <strong>der</strong><br />

«Spräggele» von <strong>der</strong> ursprünglichen Bestimmung.<br />

In den einen Dörfern wurde er aufgegeben,<br />

in an<strong>der</strong>en begannen sich die jungen Männer<br />

zum Spass zu verkleiden. Im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

verschwand er überall ausser in Ottenbach.<br />

Hier findet jeweils <strong>am</strong> ersten Freitagabend im<br />

Dezember die «kleine» Spräggele <strong>der</strong> Schüler<br />

und – seit den 1980er Jahren auch – Schülerinnen<br />

statt, <strong>am</strong> zweiten Freitag die «grosse» Spräggele,<br />

die vor allem von den Mitglie<strong>der</strong>n des Turnvereins<br />

Ottenbach gepflegt wird. Auf dem Dorfplatz<br />

lockt <strong>der</strong> Spräggelemärt mit Produkten<br />

aus Ottenbach die Bevölkerung an, die hier dem<br />

Treiben <strong>der</strong> auch «Schnabelgeissen» genannten<br />

Figuren zuschaut. In den Restaurants des<br />

Dorfes erhalten die Spräggele an diesem Abend<br />

freien Zugang für ein Getränk.<br />

Die Industrialisierung begann in <strong>der</strong> Schweiz<br />

<strong>am</strong> Aabach zwischen Uster und Wetzikon. Auf<br />

die Preise, welche die Ottenbacher Baumwollspinnerinnen<br />

für ihre Arbeit lösten, wirkte sich<br />

dies zwar aus, neue Arbeitsplätze entstanden hier<br />

aber vor<strong>der</strong>hand keine. Die Folge war, dass<br />

Armut und Auswan<strong>der</strong>ung aus Ottenbach im<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>t zunahmen.<br />

Seit 2008 ist im Zentrum von Ottenbach, an <strong>der</strong><br />

Affolternstrasse 6a, das Restaurant Othli geöffnet.<br />

Ruedi Egli hat das schmucke Lokal im ehemaligen<br />

Ökonomieteil des Bauernhauses gebaut,<br />

das einst einem Othmar, genannt Othli, gehört<br />

hat. Der N<strong>am</strong>e des Lokals, das zuerst als Kafi<br />

Othli eröffnet und im Sommer 2010 zu einem<br />

Restaurant umgewandelt wurde, hat daher nichts<br />

mit <strong>der</strong> Gemeinde Ottenbach zu tun.<br />

Anlässlich <strong>der</strong> Spräggele 2009 traf <strong>der</strong> 86-jährige<br />

Kunstmaler George Gessler im Kafi Othli «Schna-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!