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C - AWO Landesverband Berlin eV

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Podiumsdiskussion<br />

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die keine Macht hat. Es ist deshalb wahrscheinlich auch nicht verwunderlich, dass es<br />

dort um so schwieriger ist. Wir haben heute aber einige Mut machende Beispiele aus<br />

der Praxis gehört, gerade auch im Sinne von Vernetzung. Frau Dr. Weinbach hat<br />

angemahnt, dass wir den Frauen eine Stimme geben sollten. Das Netzwerk muss<br />

sich ausdehnen über die beteiligten Frauen, die partizipieren können, alle, die mit<br />

den Frauen arbeiten, und die beteiligten Institutionen. Vor allem aber auch ist Wissenschaft<br />

gefordert, weil wir es in diesem Bereich, wie vielleicht in keinem anderen,<br />

immer noch mit sehr viel Mythenbildung zu tun haben. Mit sehr viel sozialer Ächtung,<br />

wo es viel Aufklärung bedarf, um diese Mythen zu entlarven. Von daher möchte ich<br />

dieses Netzwerk gerne ausweiten. Wir haben uns bis jetzt sehr vorsichtig mit der<br />

Frage beschäftigt, was können wir alle dazu beitragen, um den Frauen ein selbst bestimmtes<br />

Leben zu ermöglichen? Ich möchte Sie zum Schluss bitten, radikale und<br />

utopische Gedanken zu entwickeln. Wenn Sie könnten wie Sie wollten, wie sähe für<br />

Sie der Umgang mit straffällig gewordenen Frauen optimal aus?<br />

Frau Kummerow: Sehr individuell! Ich danke Ihnen, dass Sie diesen Aspekt noch<br />

eingebracht haben. Es geht um individuelle Lebenssituationen und um individuelle<br />

Schicksale mit sehr, sehr unterschiedlichen Bedingungen. Sehr individuell geguckt,<br />

was sind Lebensgrundlagen, was sind Lebensperspektiven, und wie kann man Teilhabe<br />

ermöglichen für die Frauen? Das ganze möglichst ohne das Gefängnis und ohne<br />

Sanktionen!<br />

Frau Dr. Weinbach: Also wenn es um eine radikale Vision oder eine radikale Utopie<br />

geht, würde ich auch die Institutionen, so wie sie sind, schließen und ganz andere<br />

Alternativen aufbauen, die erst mal vielleicht das Prinzip Strafe in Frage stellen und<br />

mal diskutieren: Wer ist hier eigentlich straffällig in dieser Gesellschaft. Was ist das<br />

für eine Konstruktion von Strafe? Ich denke, dass es für die Einhaltung von Normen<br />

und die Verständigung über Werte in der Gesellschaft und die Realisierung dieser<br />

Werte ganz andere Foren und ganz andere Konstruktionen von Gesellschaft braucht,<br />

die wesentlich auf Dialog beruhen. Das halte ich allerdings wiederum nicht für eine<br />

so starke Vision, sondern ich denke, das Prinzip von Dialog zu installieren, sich Zeit<br />

und Räume zu nehmen und mit den Menschen ins Gespräch zu gehen, zu verstehen<br />

und zu gucken, wie man Verständigung herstellen kann, das ist durchaus etwas, was<br />

sich realisieren lässt.<br />

Frau Gerlach: Ich fürchte, es ist nicht die Spezialität von Juristinnen, und schon gar<br />

nicht von Ministerialbeamtinnen, radikale Utopien zu denken, geschweige denn, sie<br />

in diesem Rahmen öffentlich nachvollziehbar dokumentiert, irgendwann schwarz auf<br />

weiß wieder lesen zu dürfen und zu müssen! „Außerhalb des Protokolls“ gibt’s für<br />

mich natürlich nicht. Was meine Vorgängerin gesagt hat, ist natürlich ein ganz anderer<br />

Ansatz, der mich aber jetzt so zum Nachdenken gebracht hat, dass ich überlegen<br />

muss, was meine eigene radikale Utopie sein soll. Darüber werde ich wahrscheinlich<br />

heute Abend bei einem guten Glas Rotwein nachdenken. Ich bin, glaube ich, hier<br />

nicht in der Situation, eine radikale Utopie zu entwerfen. Das, muss ich zugeben,<br />

kann ich auch gar nicht. Ich glaube allerdings, es wäre schon ganz viel damit gewonnen,<br />

wenn wir dem heutigen Tagesmotto im Arbeitsalltag, der oft nicht sehr leicht für<br />

den Vollzug ist, mehr Raum geben. Wenn es uns gelingen würde, dem speziellen<br />

Bedarf von Frauen gerechter zu werden. Daran wollen und werden wir arbeiten. Das<br />

ist möglicherweise für eine Senatsverwaltung schon eine radikale Aussage. Alles<br />

Weitere folgt in kleinerem Kreis bei einem Glas Rotwein.<br />

Herr Blümel: Ja, Utopie. Ich komme aus der abolitionistischen Richtung. Ich fand immer<br />

Nils Christie sehr schön, was der so geschrieben hat über Vollzug. Ich könnte<br />

mir auch ein Leben ohne Knast vorstellen. Dann würde ich vorschlagen, und ich<br />

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