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C - AWO Landesverband Berlin eV

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BAG Frauenvollzug<br />

Dr. Helga Einsele e.V.<br />

Forum Politik und Gesellschaft<br />

Dokumentation der Veranstaltung<br />

Das Ungerechte an der Gerechtigkeit<br />

– Gender Mainstreaming: eine Chance für den Umgang mit straffälligen Frauen –<br />

vom Freitag, dem 11. Mai 2007, von 9 bis 17 Uhr,<br />

im Rathaus Schöneberg, John-F.-Kennedy-Platz 1, 10825 <strong>Berlin</strong><br />

Förderverein für den<br />

<strong>Berlin</strong>er Frauenvollzug<br />

e.V.


Inhaltsverzeichnis<br />

Begrüßung<br />

Hasso Lieber, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Justiz<br />

Anja Wehler-Schöck, Friedrich-Ebert-Stiftung<br />

Gisela Krüger, Arbeiterwohlfahrt <strong>Landesverband</strong> <strong>Berlin</strong> e.V.<br />

Vorstellung der Moderatorin Frau Dr. Seus<br />

Impuls-Referate<br />

Vorstellung des Referenten<br />

Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

Prof. Dr. Heinz Cornel, Alice-Salomon-Fachhochschule<br />

Vorstellung der Referentin<br />

Lebensbedingungen inhaftierter Frauen im europäischen Vergleich<br />

Dr. Juliane Zolondek, Universität Greifswald<br />

Vorstellung der Referentin<br />

Gender Mainstreaming / Maßnahmen zur Steigerung der Gender-<br />

Kompetenz im Strafvollzug<br />

Renate Wielpütz, FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Bericht aus den Arbeitsgruppen<br />

1. Ambulante Sanktionsmöglichkeiten –<br />

Alternative Reaktionen auf Straffälligkeit?<br />

Moderation: Prof. Dr. Heinz Cornel und Juliane Zolondek<br />

2. Netzwerke – Strategisches Mittel zum Zweck?<br />

Moderation: Gabriele Grote-Kux und Renate Wielpütz<br />

3. Best practice – Bewährte Projekte vor dem Aus?<br />

Moderation: Almuth Kummerow und Gisela Krüger<br />

Podiumsdiskussion:<br />

Wie kann Gender Mainstreaming in der Arbeit mit straffälligen Frauen<br />

implementiert werden?<br />

Susanne Gerlach, stellvertretende Abteilungsleiterin Justizvollzug und Soziale<br />

Dienste, Senatsverwaltung für Justiz<br />

Matthias Blümel, Leiter der JVA für Frauen, <strong>Berlin</strong><br />

Dr. Heike Weinbach, Trainerin für Social Justice<br />

Almuth Kummerow, Leiterin der <strong>AWO</strong>-Anlaufstelle für straffällige Frauen,<br />

Frankfurt/Main<br />

Schlussworte<br />

Anhang 1:<br />

PowerPoint-Präsentation des Referats von Frau Dr. Juliane Zolondek<br />

Anhang 2:<br />

PowerPoint-Präsentation des Referats von Frau Renate Wielpütz


Staatssekretär Herr Lieber Begrüßung<br />

___________________________________________________________________________________<br />

Staatssekretär Herr Hasso Lieber 1<br />

Begrüßung<br />

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie ganz herzlich im Namen des Senates<br />

von <strong>Berlin</strong> und ganz besonders im Namen von Frau Senatorin von der Aue begrüßen,<br />

die gerne selber hier gewesen wäre und sie begrüßt hätte. Aber sie hat, wie es<br />

im Leben manchmal so ist, terminliche andere Verpflichtungen; und eins beherrscht<br />

auch der Senat von <strong>Berlin</strong> leider noch nicht, nämlich das Prinzip der Ubiquität, an mehreren<br />

Stellen gleichzeitig zu sein. Da sind wir immer noch auf die Fähigkeiten des heiligen<br />

Geistes angewiesen. Soweit sind wir noch nicht gekommen.<br />

Ich darf mich bei den Veranstaltern für die Wahl des Themas ganz herzlich bedanken.<br />

Es drängt sich ja tagespolitisch nicht unbedingt auf. Einmal, weil Fragen im Umgang<br />

mit Straffälligen insgesamt nicht so populär sind. Zum anderen: Die heute gewählte<br />

Verbindung, die man speziell den Frauen im Vollzug widmet, ist nun auch nicht unbedingt<br />

ein Thema, das man gängiger Weise überall so nachlesen kann, dass man es zu<br />

den populären zählen könnte.<br />

Straffällig gewordene Menschen gehören zu Randgruppen, die häufig ausgegrenzt und<br />

ignoriert werden. Die Medien widmen sich ihnen nur dann, wenn es eine Story zu berichten<br />

gibt, wenn eine Sensation zu vermelden ist und entsprechende Gelüste und<br />

Erwartungen zu befriedigen sind. Statistisch gesehen spielt dabei Frauenkriminalität<br />

nur eine geringe Rolle. Obwohl Frauen 52% der Bevölkerung ausmachen, sind nur ungefähr<br />

23% der Tatverdächtigen im Bundesgebiet Frauen. Von diesem Anteil sind 16%<br />

rechtskräftig verurteilt und überhaupt nur 5% dann auch mit einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe<br />

bedacht worden. In einer absoluten Zahl ausgedrückt: mit Stichtag vom<br />

30.11.2006 befanden sich in der gesamten Bundesrepublik genau 4066 Frauen in Haft.<br />

Die Statistik spiegelt das Problem aber nur sehr unvollkommen wieder. Die kriminalpolitischen<br />

Dimensionen dieses Themas sind sehr viel augenfälliger. Das beginnt bei der<br />

Deliktstruktur der Art von Taten, die von Frauen begangen werden. Gewaltdelikte sind<br />

dabei noch die absolute Minderheit, obwohl man in Klammern eigentlich auch sagen<br />

muss: bei jungen Frauen nimmt die Gewaltbereitschaft zu, ohne dass es allerdings ein<br />

ähnlich bedeutsames Thema wäre, wie es bei jungen männlichen Straffälligen der Fall<br />

ist, wo Gewaltdelikte inzwischen wirklich ein gravierendes Problem darstellen.<br />

Vor allen Dingen aber im Erleben von Sanktionen und hier besonders im Erleben von<br />

Haftsituationen sind deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern festzustellen.<br />

So reagieren Frauen in Haft im Verhältnis zu den Männern signifikant häufiger mit Passivität,<br />

Depressionen und Resignationen, mit psychosomatischen Beschwerden bis hin<br />

zur Selbstverstümmelung. Eine nach außen gerichtete Aggressivität ist hingegen äußerst<br />

selten zu beobachten. Die Auswirkungen von Haft auf Frauen auch auf ihr soziales<br />

Umfeld, und hier vor allem auf vorhandene Kinder, sind einschneidend und nicht<br />

selten irreparabel. Inhaftierte Frauen werden im Gegensatz zu inhaftierten Männern<br />

weitaus häufiger von ihrer eigenen Familie und auch von der Ursprungsfamilie fallen<br />

gelassen. Tragfähige soziale Beziehungen nach außen überdauern nur in seltenen Fällen<br />

die Haftzeit.<br />

Die Reaktionen des Justizsystems und anderer im Kontext der Inhaftierung zumindest<br />

temporär betroffener Verwaltung auf erkannte und durchaus anerkannte Geschlechterdifferenzen<br />

ein Thema, das es wert ist, deutlicher und inhaltlich tiefer gehender zu begutachten.<br />

1 Abschrift eines Tonband-Mitschnitts<br />

Seite 3 von 53 Seiten


Staatssekretär Herr Lieber Begrüßung<br />

___________________________________________________________________________________<br />

In kriminalpolitischen Grundsatzüberlegungen spielen Frauen als Thema nur selten<br />

eine Rolle. Es sind dann nahezu ausschließlich die spektakulären Vorkommnisse im<br />

Zusammenhang mit männlichen Straftätern und deren Inhaftierung, die die kriminalpolitischen<br />

Diskussionen bestimmen und Maßnahmen nach sich ziehen.<br />

Die geschlechtsspezifischen Auswirkungen derartiger Maßnahmen, werden in der Regel<br />

kaum dezidiert geprüft. Das wird insbesondere deutlich an restriktiven, administrativen<br />

und instrumentellen Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug, welche die Realitäten<br />

im Frauenstrafvollzug häufig nicht umfassend berücksichtigen. Die für den Frauenvollzug<br />

gleichermaßen bedeutsame wie erforderliche soziale Sicherheit spielt hier<br />

oftmals nur eine marginale Rolle.<br />

Bei den Überlegungen, wie bereitet man sich auf solche eine Tagung wie heute vor,<br />

sind mir im wesentlichen zwei Aspekte besonders aufgefallen. Erstens: die Erkenntnisse<br />

über weibliche Kriminalität und die besonderen Lebenslagen von inhaftierten Frauen<br />

lassen die besonderen Anforderungen eines speziell auf Frauen ausgerichteten Vollzuges<br />

und nach individuellen Behandlungsansätzen in der Arbeit mit straffälligen Frauen<br />

nur erahnen.<br />

Es gibt dabei aber bundesweit anscheinend keinen Königsweg, wie diesem Anspruch<br />

auf besondere Berücksichtigung des Themas nachgekommen werden kann.<br />

Vielleicht gibt es – und das ist eine Hoffnung – an die neue Zuständigkeit der Länder<br />

nach der Föderalismusreform eins für den Strafvollzug die Chance, dass sich das eine<br />

oder andere Land auf den Weg zu einer Neugestaltung der Rahmenbedingungen für<br />

den Frauenvollzug macht und mit erfolgreich erprobten Konzepten die übrigen Länder<br />

überzeugt.<br />

Zweiter Punkt: es ist für einen Außenstehenden schon mehr als beeindruckend, dass<br />

trotz der zum Teil unbefriedigenden Rahmenbedingungen gerade in den Einrichtungen<br />

des Frauenvollzuges mit ausgesprochen viel Engagement und Einfallsreichtum konzeptionell<br />

Beeindruckendes entwickelt und umgesetzt wird.<br />

Augenfällig ist dabei, dass auf der Arbeitsebene ganz ohne formelle Beauftragung tragfähige<br />

Kooperationen und Netzwerke entstanden sind, die sich die Entwicklung des<br />

Frauenvollzuges zum Thema gemacht haben und sie positiv beeinflussen. Hier kann<br />

ich die Teilnehmer dieses Kongresses, dieser Veranstaltung nur nachhaltig ermutigen,<br />

auf diesem Weg weiter zu gehen und mitzumachen.<br />

Den Tagungsunterlagen habe ich ein Thema entnommen, das mir persönlich auch sehr<br />

auf dem Herzen liegt, und das ist die Ersatzfreiheitsstrafe. Mal ganz freimütig gesagt:<br />

ich habe hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochene verfassungsrechtliche<br />

Vorbehalte. Es kann einfach nicht sein, dass derjenige, der wegen einer geringen Tat<br />

„nur“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, eher im Vollzug landet, als derjenige, der<br />

eine schwerwiegendere Tat begangen hat, und zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung<br />

verurteilt worden ist nur aus dem Grunde, weil er arm ist. Nicht weil er unwillig ist, weil<br />

er die Strafe nicht bezahlen will, sondern weil er/ sie die Geldstrafe nicht bezahlen<br />

kann.<br />

Um dies mal Zahlen deutlich zu machen: der Anteil der Frauen bei den Ersatzfreiheitsstraferinnen<br />

hier in <strong>Berlin</strong> liegt ungefähr bei 11%.<br />

Im Jahre 2006 haben die Sozialen Dienste in 7611 Fällen die Aufträge zur Geldstrafenvollstreckung<br />

bekommen, davon betrafen rund 40% Frauen. Von diesen knapp 2900<br />

Fällen ist nur in 475 Fällen die Geldstrafe komplett abgearbeitet worden. In den übrigen<br />

Fällen haben die typischen Hinderungsgründe (erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen,<br />

Beschäftigungsunfähigkeit, erforderliche Kinderbetreuung etc.) die Problemfelder<br />

der meisten Ersatzfreiheitsstraferinnen deutlich gemacht.<br />

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Staatssekretär Herr Lieber Begrüßung<br />

___________________________________________________________________________________<br />

Und da bin ich ganz froh, dass <strong>Berlin</strong> zumindest einen kleinen Ausweg gefunden hat. In<br />

<strong>Berlin</strong> ist die Praxis so, zunächst wird die Hälfte der Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt. Die<br />

zweite Hälfte wird nach § 455a StPO zur Bewährung ausgesetzt und nach der Bewährung<br />

in aller Regel im Gnadenwege erlassen. Das ist nicht das, was ich mir unterm<br />

Strich vorstelle, weil ich erhebliche Probleme damit habe, denjenigen in den Vollzug zu<br />

bringen, der nicht leistungsfähig ist. Aber es ist ein erster Ansatz. Wenn sie es literarisch<br />

überhöht nehmen wollen, so ist es die alte Faust’sche Regel: Ihr lasst den Armen<br />

schuldig werden, dann überlasst ihr ihn der Pein.<br />

Lassen Sie mich meine Bemerkungen mit ein, zwei, drei Erwartungen an den heutigen<br />

Tag beenden. Es wäre hilfreich für die Justizverwaltung, wenn am Ende dieses Tages<br />

Erkenntnisse darüber vorliegen könnten – welchen besonderen Bedarf die Praxis konkret<br />

für den Umgang mit straffälligen und inhaftierten Frauen sieht –, wenn es Hinweise<br />

gäbe zu Instrumenten und Verfahrensweisen, mit denen auch von administrativer Seite<br />

aus die Berücksichtigung eines zielgruppenspezifischen Bedarfs sichergestellt werden<br />

kann, und wenn Ideen zu einem vernetzten Übergangsmanagements also für eine<br />

Ressort übergreifende und arbeitsteilige Integrationsplanung straffälliger und inhaftierter<br />

Frauen hier zum Austausch käme.<br />

In diesem Sinn darf ich Ihnen für diesen Tag, den ich für ausgesprochen wichtig und<br />

wie ich hoffe erkenntnisträchtig halte, alles Gute und gute Beratungen wünschen.<br />

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Frau Anja Wehler-Schöck, Friedrich-Ebert-Stiftung Begrüßung<br />

____________________________________________________________________________________<br />

Sehr geehrter Herr Staatssekretär Lieber,<br />

meine Damen und Herren,<br />

im Namen der Friedrich-Ebert-Stiftung begrüße ich Sie ganz herzlich zu unserer heutigen<br />

Konferenz „Das Ungerechte an der Gerechtigkeit“. Mein Name ist Anja Wehler-<br />

Schöck und ich arbeite für das Forum Politik und Gesellschaft der Friedrich-Ebert-<br />

Stiftung. Meine Kollegin Anne Seyfferth, die eigentlich an dieser Stelle stehen sollte,<br />

muss sich entschuldigen, da sie leider kurzfristig einen anderen dienstlichen Termin<br />

wahrnehmen muss.<br />

Wir freuen uns sehr, dass heute so viele Fachfrauen und Fachmänner aus dem gesamten<br />

Bundesgebiet hier zusammengekommen sind, um die besonderen Aspekte weiblicher<br />

Kriminalität zu diskutieren und neue Strategien für die Unterstützung der in Not<br />

geratenen Frauen zu entwickeln.<br />

Dem Wunsch unserer heutigen Kooperationspartner, nämlich<br />

- dem <strong>AWO</strong>-<strong>Landesverband</strong> <strong>Berlin</strong>,<br />

- der Bundesarbeitsgemeinschaft Frauenvollzug Dr. Helga Einsele e.V. und<br />

- dem Förderverein für den <strong>Berlin</strong>er Frauenvollzug<br />

zu diesem Thema eine gemeinsame Fachtagung zu veranstalten, sind wir gerne gefolgt.<br />

Die konkrete Umsetzung von Gender Mainstreaming steht seit Jahren auf der<br />

Agenda der Friedrich-Ebert-Stiftung, speziell des Forum Politik und Gesellschaft, wo<br />

wir uns der Frauen- und Genderpolitik widmen.<br />

Das Prinzip des „Gender Mainstreaming“ ist für manche längst keine Neuigkeit mehr.<br />

Außerhalb genderpolitischer Expertinnenkreise gilt es jedoch häufig immer noch als<br />

Fremdwort.<br />

Mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags haben sich 1999 alle Mitgliedstaaten der<br />

Europäischen Union dazu verpflichtet, die Strategie des Gender Mainstreaming umzusetzen<br />

und die Chancengleichheit der Geschlechter als Ziel in allen Politikbereichen zu<br />

verankern. In der Praxis bedeutet dies,<br />

• nach den unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen von Männern und Frauen<br />

zu fragen,<br />

• die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Politik zu analysieren,<br />

• Ausgleichsmechanismen in Gang zu setzen und<br />

• eine gleichberechtigte Partizipation von Männern und Frauen auf allen Ebenen anzustreben.<br />

Im Juni 1999 legte die damalige rot-grüne Bundesregierung in einem Kabinettsbeschluss<br />

fest, die Gleichstellung von Männern und Frauen zum durchgängigen Leitprinzip<br />

der Politik zu machen und dieses Ziel gemäß dem Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe<br />

zu verfolgen.<br />

2002 beschlossen der <strong>Berlin</strong>er Senat und das Abgeordnetenhaus, Gender Mainstreaming<br />

und Gender Budgeting in die <strong>Berlin</strong>er Verwaltung einzuführen.<br />

Politische Absichtserklärungen, die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu<br />

fördern und Gender Mainstreaming konsequent umzusetzen, sind also auf allen Ebenen<br />

vorhanden.<br />

Dass die unterschiedlichen Bedürfnisse und Realitäten von Männern und Frauen auch<br />

in der Justiz berücksichtigt werden müssen, liegt auf der Hand. Gleichzeitig wird diese<br />

Tatsache oft in den Hintergrund gedrängt. Eine Ursache dafür kann wahrscheinlich in<br />

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Frau Anja Wehler-Schöck, Friedrich-Ebert-Stiftung Begrüßung<br />

____________________________________________________________________________________<br />

der Zahlendimension gesehen werden: Bundesweit sind nur etwa 5% der Inhaftierten<br />

Frauen.<br />

Mit der heutigen Tagung hoffen wir einen Beitrag dazu zu leisten, dass in die Gestaltung<br />

des Strafvollzugs und der Straffälligenhilfe zukünftig stärker die Belange der Frauen<br />

einbezogen werden. Denn in diesem Fall trifft es einen Teil der weiblichen Bevölkerung,<br />

der sich – meist durch unglückliche Umstände – am äußersten Rande unserer<br />

Gesellschaft befindet.<br />

Heute Vormittag werden Sie Gelegenheit haben, sich drei Impulsreferate zur Situation<br />

der Frauen im Strafvollzug in Deutschland und Europa sowie zum Gender Mainstreaming<br />

im Strafvollzug anzuhören. Anschließend sollen in Arbeitsgruppen neue Strategien<br />

zur Unterstützung straffälliger Frauen erarbeitet werden. Nach der Vorstellung der<br />

Arbeitsgruppen-Ergebnisse wird eine Expertenrunde diskutieren, wie Gender<br />

Mainstreaming in die Arbeit mit straffälligen Frauen implementiert werden kann. Wie<br />

immer laden wir auch unser Publikum herzlich dazu ein, sich mit Wortbeiträgen zu<br />

beteiligen.<br />

Wir bedanken uns sehr herzlich bei unseren Kooperationspartnerinnen für die gute Zusammenarbeit<br />

bei der Vorbereitung dieser Tagung. Unser Dank gilt darüber hinaus den<br />

Referentinnen und Referenten sowie der Moderatorin Frau Professor Seus.<br />

Nun bleibt mir noch, Ihnen eine interessante und ertragreiche Tagung zu wünschen.<br />

Vielen Dank.<br />

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Gisela Krüger, <strong>AWO</strong> <strong>Landesverband</strong> <strong>Berlin</strong> e.V. Begrüßung<br />

___________________________________________________________________________<br />

Guten Tag, mein Name ist Gisela Krüger. Ich bin Mitarbeiterin bei der Arbeiterwohlfahrt<br />

<strong>Landesverband</strong> <strong>Berlin</strong>. Meine Fachbereiche sind die Freien Straffälligenhilfe und<br />

die Wohnungslosenhilfe.<br />

Ich schließe mich der Begrüßung von Frau Wehler-Schöck an und heiße Sie herzlich<br />

willkommen.<br />

Wie kam es zu der Idee, einen Fachtag zum Thema „Das Ungerechte an der Gerechtigkeit<br />

– Gender Mainstreaming, eine Chance für den Umgang mit straffälligen Frauen“<br />

zu organisieren?<br />

Bei der Umsetzung geschlechtsspezifischer Hilfeangebote treten wir seit Jahrzehnten<br />

auf der Stelle. Wir stehen immer wieder vor den gleichen Hürden oder stoßen mit dem<br />

Kopf gegen die gleichen Mauern.<br />

Das Angebot der Freien Straffälligenhilfe in <strong>Berlin</strong> ist nach wie vor im Wesentlichen<br />

geschlechtsneutral ausgerichtet.<br />

Es gibt aber keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit und auf geschlechtsspezifische<br />

Bedarfe muss mit geschlechtsspezifischen Angeboten und Problemlösungsstrategien<br />

reagiert werden.<br />

Wir haben bereits 1980 begonnen, Hilfen für straffällige Frauen zu konzipieren und<br />

umzusetzen, um ihrer Benachteiligung entgegen zu treten.<br />

Straffällige Frauen sind weit größerer Stigmatisierung und Ausgrenzung unterworfen<br />

als Männer.<br />

Während Straffälligkeit bis zu einem gewissen Grad mit der Männerrolle vereinbar zu<br />

sein scheint, verstößt die straffällige Frau gegen zahlreiche Rollenerwartungen: gegen<br />

die der Frau, der Mutter, der Angepassten und Duldsamen.<br />

Straffälligkeit wird für Frauen nicht nur zu einem strafrechtlichen, sondern auch zu einem<br />

sozialen Problem.<br />

Im Bereich der Kleinkriminalität wird deutlich, dass Armut und soziale Schwierigkeiten<br />

sehr häufig in Straffälligkeit gipfeln, oder anders gesagt: Die Delikte, z.B. Diebstahl,<br />

Schwarzfahren und Betrug, um nur die häufigsten Straftaten von Frauen zu nennen,<br />

sind der Gipfel eines Eisbergs.<br />

Frau tritt strafrechtlich in Erscheinung, während ihre soziale Situation insbesondere<br />

bei Strafbefehlen im Dunkeln bleibt. Selbst wenn im Rahmen der Strafvollstreckung<br />

deutlich wird, dass Frau aus dem sozialen Hilfesystem rausgefallen ist und aus eigenen<br />

Kräften den Zugang nicht findet, können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei<br />

der Justiz nicht die erforderliche Hilfe anbieten, da dies nicht zu ihrem Arbeitsauftrag<br />

gehört.<br />

Nicht vergessen werden sollten die Frauen, bei denen im Kinder Haushalt leben. Die<br />

Straffälligkeit der Mütter betrifft sie weit stärker, als wenn der Vater straffällig würde. In<br />

Ehe und Lebenspartnerschaft liegt die Verantwortung für die Kinder immer noch im<br />

Wesentlichen bei den Müttern. Bei allein erziehenden Frauen haben sich die Männer<br />

weitgehend bis völlig aus der Verantwortung gezogen. Selbst bei einer Geldstrafe sind<br />

minderjährige Kinder von der Gefahr der Fremdunterbringung bedroht, da aus der<br />

Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe werden kann und leider häufig genug auch wird.<br />

Wir legen den Schwerpunkt unserer Arbeit auf Haftvermeidung und Haftverkürzung.<br />

Das macht aber nur Sinn, wenn die soziale Schieflage, in der sich straffällige Frauen<br />

in der Regel befinden, ins Lot gebracht wird.<br />

Unser ganzheitlicher Arbeitsansatz reduziert Frau nicht auf die Tat und deren strafrechtliche<br />

Folgen. Wir sehen Frauen in ihren Lebenszusammenhängen und in ihrer<br />

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Gisela Krüger, <strong>AWO</strong> <strong>Landesverband</strong> <strong>Berlin</strong> e.V. Begrüßung<br />

___________________________________________________________________________<br />

sozialen Situation. Dementsprechend zielen die Hilfeangebote auf die Veränderung<br />

und Verbesserung der Lebensverhältnisse und die Überwindung der sozialen Schwierigkeiten.<br />

Beides sind wesentliche Voraussetzungen für die Integration und die Verhinderung<br />

erneuter Straffälligkeit.<br />

Bei der Verfolgung dieser Ziele bewegen wir uns sowohl im Zuständigkeitsbereich des<br />

Strafvollzugsgesetzes wie auch der Sozialgesetzbücher. Und genau dieser Sachverhalt<br />

macht die Realisierung von Hilfen so schwierig oder verhindert sie in der Regel.<br />

So ist seit 1980 nur zwei mal gelungen, Modellprojekte aus der Finanzierung durch<br />

das Arbeitsamt oder durch Stiftungen in eine Förderung durch eine Senatsverwaltung<br />

über zu leiten.<br />

Der Anspruch von Gender Mainstreaming, der seit 2002 in der <strong>Berlin</strong>er Verwaltung als<br />

Leitprinzip des Regierungshandels verankert ist, darf sich in der konkreten Arbeit mit<br />

hilfebedürftigen Menschen geschlechtsspezifischen Lösungsansätzen nicht verschließen.<br />

Durch Vernetzung können die Barrieren der Zuständigkeit abgebaut und ein übergreifendes<br />

und integrierendes Hilfenetz aufgebaut werden. Es gilt, Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen, die effektivere, transparentere und kostengünstigere Arbeit ermöglichen.<br />

Wir hoffen, mit dieser Veranstaltung einen Schritt in diese Richtung anstoßen zu können.<br />

Vielen Dank<br />

Seite 9 von 53 Seiten


Moderatorin Dr. Seus Vorstellung und Begrüßung<br />

_____________________________________________________________________<br />

Auch ich möchte Sie ganz herzlich begrüßen. Mein Name ist Lydia Seus, und ich werde<br />

Sie als Moderatorin durch den Tag und das Programm begleiten, das Frau Wehler-<br />

Schöck Ihnen ja schon vorgestellt hat.<br />

Ich möchte mich kurz vorstellen, damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Ich<br />

bin Diplompädagogin und Diplomkriminologin, Professorin an der katholischen Hochschule<br />

für Sozialwesen hier in <strong>Berlin</strong> dort zuständig für soziologische Grundlagen der<br />

sozialen Arbeit. Meine Schwerpunkte sind Soziologie der Geschlechterverhältnisse,<br />

Jugendsoziologie, vor allem Soziologie des abweichenden Verhaltens. Vielleicht ein<br />

noch näherer Bezug zum Thema unserer Tagung ist folgender: Als sogenannte Kontaktdozentin<br />

bin ich dort zuständig für die Vorbereitung der Studierenden, die ihr Praktikum<br />

im Bereich Hilfen und Dienste für straffällig gewordene Menschen ableisten möchten.<br />

Ich bereite sie auf dieses Praktikum vor und begleite sie in diesem Praktikum.<br />

Bevor ich gleich mit dem ersten Block beginne und den ersten Referenten vorstelle,<br />

möchte ich uns allen einen entspannten Tag wünschen, spannende, fruchtbare Diskussionen,<br />

Denkanstöße und hoffentlich neue Energien für die Bewältigung unserer Alltagsarbeit.<br />

Wir beginnen mit den Impulsreferaten und ich möchte vorab sagen, das ist so gedacht,<br />

dass Sie nach jedem Vortrag Verständnisfragen und Nachfragen stellen können. Es<br />

sollen aber keine weiter führenden Diskussionen geführt werden, weil wir sonst den<br />

Zeitplan nicht einhalten können. Da muss ich Sie auf die Arbeitsgruppen und vielleicht<br />

auf die Kaffeepausen verweisen.<br />

In der Kriminologie – nicht nur in der deutschsprachigen, sondern auch in der internationalen<br />

– wissen wir seit langem, dass ist vielleicht eine der wenigen gesicherten Erkenntnisse,<br />

dass Frauen sehr viel seltener, sowohl, was registrierte Kriminalität angeht,<br />

als auch, was die Ergebnisse aus Dunkelfeldforschung angeht, sehr viel seltener mit<br />

Kriminalität belastet sind. Das bedeutet nicht, dass sie nicht andere Formen abweichenden<br />

Verhaltens zeigen. Dieser Befund wurde bis vor etwa zwei Jahrzehnten systematisch<br />

ignoriert. Vielleicht seit Mitte der achtziger Jahre hier für die Bundesrepublik<br />

Deutschland akzeptieren wir diesen Unterschied und nehmen das auch systematisch in<br />

unsere Überlegungen auf.<br />

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Moderatorin Dr. Seus Vorstellung und Begrüßung<br />

_____________________________________________________________________<br />

Ich möchte jetzt als erstes Dr. Heinz Cornel vorstellen. Er ist Jurist, Diplompädagoge<br />

und Kriminologe, Professor für Jugendrecht, Strafrecht und Kriminologie an der Alice<br />

Salomon Fachhochschule in <strong>Berlin</strong> und zur Zeit Prorektor der Hochschule. Herr Cornel<br />

ist u.a. bekannt dafür, das er sehr sorgfältig, kritisch und differenziert mit statistischen<br />

Daten umgeht, die den Anspruch erheben, Kriminalität messen zu wollen. Er wird uns<br />

auf den neuesten Stand bringen, was die Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen<br />

Gesichtspunkten angeht.<br />

Ich weiß, dass ich mich als Moderatorin zurückhalten muss, aber nichts desto trotz:<br />

Mich persönlich interessiert sehr, ob er uns diesen Mythos, zunehmende Gewaltbereitschaft,<br />

Gewalttätigkeit von jungen Frauen erhellen kann, haben wir es mit einem neuen<br />

sozialen Problem zu tun oder bleibt es nach wie vor ein Mythos.<br />

Seite 11 von 53 Seiten


Inputreferat Dr. Heinz Cornel Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

___________________________________________________________________________________<br />

Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten 2<br />

Ich werde in der gebotenen Kürze einige Daten zur Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen<br />

Gesichtspunkten präsentieren als Interpretationsfolie für die Diskussion<br />

um das Ungerechte an der Gerechtigkeit. Es geht mir dabei um die Vermittlung<br />

von Größenordnungen und Entwicklungen, nicht unbedingt um die Präsentation von exakten<br />

Daten bis zwei Stellen hinter dem Komma. Ich werde mich auch bezüglich möglicher<br />

Verursachungstheorien sehr zurückhalten und mit einigen qualitativen Anmerkungen<br />

schließen, die sich gerade nicht nur auf Frauenvollzug beziehen. Gender<br />

Mainstreaming ist kein Thema allein für Frauen.<br />

Ungleiche Kriminalitätsbelastungen zwischen den Geschlechtern sind allgemein bekannt<br />

und haben eine lange Tradition. Inzwischen sind die Delikte, die man nur als Mann (alte<br />

Fassungen des § 177 StGB Vergewaltigung oder § 175 Homosexuelle Handlungen) oder<br />

als Frau (§ 217 StGB alte Fassung Kindstötung) begehen konnte, aufgehoben oder<br />

haben geschlechtsneutralen Formulierungen Platz gemacht.<br />

Aber auch bei der Gesamtheit aller Straftaten hat es immer, soweit sich die Statistiken<br />

zurückverfolgen lassen, eine starke Ungleichverteilung gegeben. So wies beispielsweise<br />

die Reichsstatistik über die Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen im Deutschen<br />

Reich 1882/1883 einen Frauenanteil von 20% aus, der in den folgenden Jahrzehnten<br />

regelmäßig und gleichmäßig sank und erst seit Mitte der 60er Jahre wieder<br />

leicht anstieg, um heute einen Anteil zu erreichen, der etwa dem von vor 125 Jahren<br />

entspricht. Damit ist die Lieblingsthese vieler selbst ernannter Experten, die seit 40 Jahren<br />

als Ergebnis der Frauenemanzipation einen Kriminalitätsanstieg erwarten zumindest<br />

in ihrer Reichweite stark eingeschränkt – wenn es denn einen solchen Trend gibt, dann<br />

haben wir nun den Stand von vor 125 Jahren erreicht.<br />

Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass dies zu einer Zeit war, in der Ehemännern<br />

ein Züchtigungsrecht gegenüber ihren Frauen zugestanden wurde. Diese Körperverletzungen<br />

waren damals keine Straftaten, sondern Teil der Sozialkontrolle, durch die erwünschtes<br />

Verhalten erzeugt und unerwünschtes bestraft werden sollte.<br />

Im Einzelnen wurden folgende Werte erreicht:<br />

1882/83 20,0%<br />

1892/93 18,4%<br />

1902/03 16,3%<br />

1912/13 16,0%<br />

1922/23 17,2%<br />

1932/33 11,6%<br />

1967 11,3%<br />

1974 13,5%<br />

1987 16,1%<br />

1993 3 18,9%<br />

2000 4 17,0%<br />

2004 5 17,8%<br />

2 Schriftliche Fassung des Vortrags anlässlich der Tagung „Das Ungerechte an der Gerechtigkeit“ Die<br />

Vortragsform wurde weitgehend beibehalten und auf Literaturnachweise verzichtet. Die Datenquellen<br />

werden jeweils im Text genannt.<br />

3 Nur das alte Bundesgebiet einschließlich Gesamtberlin<br />

4 Nur das alte Bundesgebiet einschließlich Gesamtberlin<br />

5 Nur das alte Bundesgebiet einschließlich Gesamtberlin<br />

Seite 12 von 53


Inputreferat Dr. Heinz Cornel Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

___________________________________________________________________________________<br />

Die Quote in der polizeilichen Kriminalstatistik liegt regelmäßig leicht darüber, ist aber<br />

in den letzten 20 Jahren auch nicht angestiegen (1984 23,6%, 2004 23,8% und 2005<br />

23,7%). Es braucht wohl nicht darauf hingewiesen werden, dass es jeweils nur um registrierte<br />

Kriminalität geht und dass es durchaus Unterschiede hinsichtlich der Entdeckungswahrscheinlichkeit<br />

und Anzeigebereitschaft zwischen Delikten im öffentlichen und<br />

privaten Raum gibt – auch diesbezüglich kann es geschlechtsspezifische Unterschiede<br />

geben.<br />

Will man diese Daten interpretieren, dann wird man zum einen konstatieren müssen,<br />

dass die Geschlechterverteilung hinsichtlich der registrierten Kriminalität im 19. Jahrhundert<br />

ausgeglichener war und wird zum zweiten feststellen müssen, dass mit der<br />

Verbreitung von Supermärkten sich seit Ende der 60er Jahre der Anteil des Ladendiebstahls<br />

an der gesamten Kriminalität sehr ausgeweitet hat, eine Deliktsform bei der Frauen<br />

von Anfang an einen besonders hohen Anteil hatten. Wir werden darauf gleich zurückkommen.<br />

Verschiebungen in der Zusammensetzung der Gesamtkriminalität hinsichtlich<br />

der erfassten Delikte werden sich jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit auch<br />

auf die geschlechtsspezifische Verteilung auswirken.<br />

Der größere Anteil der Frauen an der Wohnbevölkerung (52%) kann hingegen vernachlässigt<br />

werden, weil er vor allem auf die Altersgruppe ab 60 zurückzuführen ist, die nur<br />

einen kleinen Teil der Täterinnen bzw. Tatverdächtigen stellt.<br />

Schaut man sich vor dem Hintergrund einer Durchschnittsquote von 23,7% in der polizeilichen<br />

Kriminalstatistik des Bundes für 2005 verschiedene Deliktbereiche an, so<br />

schwanken die Quoten zwischen 1% und mehr als 70%, wobei uns solche Quoten in<br />

Kenntnis klassischer Rollenerwartungen kaum verblüffen können.<br />

Besonders hoch ist der Anteil weiblicher Tatverdächtiger bei:<br />

Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht 70,3%<br />

Misshandlung von Kindern 43,5%<br />

Misshandlung von Schutzbefohlenen 41,4%<br />

Ladendiebstahl 38,4%<br />

Vortäuschen einer Straftat 33,0%<br />

Taschendiebstahl 30,2%<br />

Erschleichung von Leistungen 27,5%<br />

Besonders niedrig ist der Anteil bei<br />

Vergewaltigung und sexuelle Nötigung 1,0%<br />

Verletzung der Unterhaltspflicht (170 StGB) 3,9%<br />

Raubdelikten 9,0%<br />

Schwerem Diebstahl 9,5%<br />

Rauschgiftsdelikten 11,6%<br />

Mord und Totschlag 13,3%<br />

Gefährlicher und schwerer Körperverletzung 13,7%<br />

Früher galten vor allem Meineid, Beleidigung und Betrug als klassische Frauendelikte –<br />

aber das waren sicherlich damals schon Klischees und auch heute liegt die Quote nur<br />

unwesentlich über dem Durchschnitt (26,1% bei Beleidigung und 29,7% bei Betrug).<br />

Schaut man sich die Quoten an, so drängen sich zum einen Bezüge zu gelebten Alltagen<br />

und Rollenerwartungen auf, in denen Haushaltsführung und Kindererziehung eine<br />

große Rolle spielen 6 und zum zweiten zeigt sich bei den Gewaltdelikten männliches<br />

6<br />

Immerhin bedeuten aber 43, % % Anteile bei der Misshandlung von Kindern, dass die Mehrheit der diesbezüglichen<br />

Tatverdächtigen männlich sind.<br />

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Inputreferat Dr. Heinz Cornel Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

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Verhalten, das offensichtlich nicht vor allem durch das Erzielen materieller Vorteile motiviert<br />

ist. Darauf wird noch einzugehen sein.<br />

Vergleicht man die Anteile weiblicher Tatverdächtiger in der polizeilichen Kriminalstatistik<br />

2005 nach Altersgruppen, so stellt man fest, dass die Quote bei Kindern noch recht<br />

hoch ist, bei Jugendlichen sinkt, bei Heranwachsenden auf dem niedrigsten Stand ist<br />

und ab dem 60. Lebensjahr wieder ansteigt, was nur zum Teil auf den hohen Anteil der<br />

Frauen an dieser Altersgruppe zurückzuführen ist.<br />

Im Übrigen sagen diese Quoten nichts über das Ansteigen oder Absinken der Delinquenzbelastung<br />

selbst aus – sie sind vielmehr Produkt der unterschiedlichen Entwicklung<br />

bei den männlichen Tatverdächtigen. Nicht zufällig ist die Ungleichverteilung der<br />

Kriminalitätsbelastung bei den Heranwachsenden am höchsten.<br />

In <strong>Berlin</strong> waren 2006 26,2% der Tatverdächtigen unter 21 Jahre weiblich – gegenüber<br />

2005 ein Anstieg des Anteils um 0,6% und die einzige geschlechtsspezifische Information,<br />

die der Innensenator bei der Vorstellung des Berichts des Polizeipräsidenten über<br />

die Kriminalität am 19.3.07 nannte.<br />

Nähere Daten aus der <strong>Berlin</strong>er Polizeilichen Kriminalstatistik 2006 lagen zur Zeit der Erstellung<br />

dieses Vortrags publiziert noch nicht vor.<br />

Viele Delikte sind hinsichtlich geschlechtsspezifischer Gesichtspunkte nicht nur in Bezug<br />

auf die Tatverdächtigenseite, sondern auch hinsichtlich der Opferseite interessant. Ich<br />

habe deshalb die Opfergefährdung männlicher und weiblicher Personen bezogen auf<br />

jeweils 100.000 Einwohner miteinander verglichen und teils dabei auch entsprechende<br />

Altersgruppen gebildet.<br />

Beim Mord und Totschlag beispielsweise wird von 100.000 EinwohnerInnen knapp eine<br />

Frau Opfer eines vollendeten Mordes oder Totschlags – diese Quote ist etwa bei allen<br />

Altersgruppen gleich. Bei Männern sind es etwa 1,2 Personen und damit haben Männer<br />

ein mehr als 20% höheres Opferrisiko. Völlig anders sieht es bei vollendeten Straftaten<br />

gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus. Bei weiblichen Kindern ist das Risiko mit einer<br />

Quote von 20,8 fast fünfmal so groß wie bei männlichen Kindern, bei weiblichen Jugendlichen<br />

mit 215,3 mehr als zehnmal so hoch wie bei männlichen Jugendlichen, bei<br />

weiblichen Heranwachsenden mit 133,4 mehr als 16 mal so hoch und bei weiblichen<br />

Erwachsenen mit 27,6 20 mal so hoch wie bei erwachsenen Männern. Bei Frauen, die<br />

60 Jahre oder älter sind ist die Opfergefährdung pro 100.000 gleichaltriger Einwohnerinnen<br />

1,6 und damit 16-mal mal so hoch wie bei den gleichaltrigen Männern.<br />

weiblicher Kinder 262 männliche Kinder 501<br />

weibliche Jugendliche 1299 männliche Jugendliche 2585<br />

weibliche Heranwachsende 1433<br />

männliche Heranwachsende 3537<br />

weibliche Erwachsene bis 60 590<br />

männliche Erw. bis 60 917<br />

Frauen im Alter von 60 und älter 87<br />

Männer im Alter von 60 und älter 153<br />

Insgesamt zeigen diese Daten nicht nur, dass Jugendliche und Heranwachsende das<br />

höchste Opferrisiko haben und dass sich die Opfergefährdung bei älteren Menschen<br />

beiderlei Geschlechtes deutlich reduziert, sondern auch, dass in diesem Deliktsbereich<br />

männliche Personen durchweg ein etwas doppelt so hohes Opferrisiko haben. Dies korrespondiert<br />

allerdings mit einer etwa zehnmal so hohen Täterwahrscheinlichkeit.<br />

Schaut man sich die Täter-Opfer-Beziehung genauer an, stellt man fest, dass bei vollendetem<br />

Mord das weibliche Opfer in dreimal so vielen Fällen mit dem Täter verwandt<br />

war als bei männlichen Opfern und auch bei vollendeter Körperverletzung sind weibliche<br />

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Inputreferat Dr. Heinz Cornel Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

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Opfer mit dem Täter doppelt so häufig verwandt. Verwandtschaft ist hier nicht im familienrechtlichen<br />

Sinne gemeint, sondern als Angehörige gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB<br />

und schließt insbesondere auch Ehegatten, Lebenspartner und Verlobte ein.<br />

Ich hatte bereits mitgeteilt, dass ich in dieser kurzen Zeit mich nicht mit Verursachungstheorien<br />

beschäftigen kann. Lange Zeit herrschten hier biologistische Theorien vor und<br />

teils drängt sich der Zusammenhang zwischen Kriminalitätsaufkommen, Rollenerwartungen,<br />

Lebensalltag und Unterdrückungssituation auf. Im Übrigen wurde bereits darauf<br />

hingewiesen, dass die Quoten häufig eher Resultate besonderer Entwicklungen bei den<br />

Männern sind, von deren Darstellung von Männlichkeit und Macht. Kriminologisch erscheint<br />

es mir ohnehin häufig interessanter zu begründen, warum sich eine Person nicht<br />

abweichend verhält als die Ursachen ihrer Delinquenz zu finden.<br />

Hinsichtlich der geringeren Verurteiltenquoten wurde in der Literatur über einige Zeit<br />

auch die so genannte Ritterlichkeitsthese vertreten, in dem Sinne, dass Richter Frauen<br />

seltener verurteilen und gegebenenfalls milder. Dies ist nicht nur deshalb nicht nachvollziehbar,<br />

weil die Quoten in der polizeilichen Kriminalstatistik weitgehend ähnlich sind,<br />

sondern auch weil es in der Justiz in den letzten 30 Jahren eine zunehmende Anzahl<br />

weiblicher Richterinnen gibt, die an solchen Quoten jedenfalls nichts geändert haben. Es<br />

gibt sogar Hinweise, dass insbesondere bei Gewaltdelikten, die als ganz besonders<br />

„unweiblich gelten“, dies zu einer schärferen Sanktionierung führt, weil auf eine doppelte<br />

Abweichung reagiert wird.<br />

Betrachtet man sich den Strafvollzug (Stichtag 30. November 2006), so waren 5,3%<br />

(4066) der Gefangenen weiblich. In der Untersuchungshaft betrug die Quote 5,8%<br />

(770 Gefangene), im Jugendstrafvollzug 4,4% (294 weibliche Gefangene) und immerhin<br />

7,3% aller Ersatzfreiheitsstrafen-Gefangenen waren ebenfalls weiblich (287). In<br />

<strong>Berlin</strong> waren es 20 von 259 Ersatzfreiheitsstrafenverfahren, also 7,7%.<br />

Einen besonders hohen Anteil hatten die Frauen bei den Freiheitsstrafen bis unter sechs<br />

Monate (8,2%), während sie bei den Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr mit 1355<br />

Gefangenen nur 4,2% stellten (Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr =<br />

5,4%).<br />

Wenn die Vollzugsdauer bei 52,3% der Frauen bis zu einem Jahr beträgt, sie also innerhalb<br />

eines Jahres freigelassen werden müssen, kann es mit der Gefährlichkeit und dem<br />

Schutz der Allgemeinheit nicht so weit her sein. Von den verbleibenden Frauen im Strafvollzug<br />

mit einer Vollzugsdauer von mehr als einem Jahr sind wiederum 247 (18,2%) im<br />

offenen Vollzug untergebracht – auch vor diesen muss die Allgemeinheit offensichtlich<br />

nicht geschützt werden, so dass bundesweit 1108 Frauen bleiben. In <strong>Berlin</strong> sind das 34<br />

Frauen im geschlossenen Vollzug mit einer Vollzugsdauer von mehr als einem Jahr<br />

(Stand 30. November 2006).<br />

Schaut man sich die vom Council of Europe 2005 veröffentlichten Gefangenenquoten<br />

Europas im Vergleich an, so schwanken die Frauenanteile zwischen 0,6% (Georgien)<br />

und 20,6% (Monaco, bei insg. 34 Gefangenen) – der Median liegt bei 4,7%, also entspricht<br />

fast exakt dem deutschen Wert. Liechtenstein und San Marino haben keinerlei<br />

weibliche Gefangene bei insg. 10 bzw. 1 Gefangenen. Spanien hat mit 7,7% den größten<br />

Anteil der größeren Länder.<br />

Insgesamt sind 34 weibliche Jugendliche und 87 weibliche Heranwachsende in ganz<br />

Deutschland in Untersuchungshaft. Das sind 5,6% der 14- bis 18jährigen und 6,6% der<br />

18- bis 21jährigen Untersuchungsgefangenen.<br />

In Sicherungsverwahrung ist zurzeit in ganz Deutschland keine einzige Frau, aber 398<br />

Männer mit steigender Tendenz.<br />

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Inputreferat Dr. Heinz Cornel Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

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Betrachtet man sich die Aussetzung des Strafrestes, so zeigen sich zunächst keine<br />

Besonderheiten. Frauen haben bei Strafrestaussetzungen gemäß § 57 Abs. 1 StGB<br />

(zwei Drittel) einen Anteil von 7%, bei Halbstrafenaussetzung nach Erstverbüßungen<br />

gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB von 9,1% und gemäß §§ 88, 89 JGG einen Anteil von<br />

5,9%. Diese Quoten liegen zwar leicht über ihren Anteil an den Strafgefangenen, dies<br />

erklärt sich aber vor allem aus der höheren Fluktuation aufgrund der kürzeren Strafen.<br />

Betrachtet man sämtliche Zu- und Abgänge, so lag der Frauenanteil im Jahr 2006 bei<br />

durchschnittlich jeweils 6%.<br />

Mit 7,1% ist der Frauenanteil im Wege der Gnade etwas erhöht und mit 15,8% bei den<br />

Strafrestaussetzungen nach Halbstrafenverbüßungen gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB<br />

signifikant höher, was offensichtlich mit der ‚Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit<br />

des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzugs’ unter den besonderen<br />

Umständen zusammenhängt.<br />

Betrachtet man sich den Anteil der Frauen an den bestehenden Unterstellungen unter<br />

Bewährungsaufsicht (allgemeines Strafrecht und Jugendstrafrecht) 7 – und das sind nun<br />

wirklich die letzten Zahlen – so fällt die Quote zunächst von 1963 6,7% auf 1970 4,8%<br />

um dann 1990 auf 8,9% und 2005 auf 11,2% zu wachsen – eine Quote, die deutlich unter<br />

der Verurteiltenquote aber auch über der Inhaftiertenquote liegt. In <strong>Berlin</strong> sind es<br />

10,4% und insg. unterstanden 2005 im alten Bundesgebiet 19 011 Frauen der Bewährungsaufsicht<br />

– die höchste Zahl aller Zeiten (ebenso bei Männern, insg. 170 000 Menschen)<br />

Ich habe ziemlich viele Daten referiert, um sie zu informieren – aber eigentlich ist diese<br />

Ungleichverteilung zwischen den Geschlechtern trivial. Gender mainstreaming ist deshalb<br />

auch keinesfalls ein Thema und Auftrag nur für den Frauenvollzug – im Gegenteil:<br />

männerspezifische Täterarbeit ist gerade etwas für den Männervollzug, um die Zeit zu<br />

nutzen für die Sensibilisierung hinsichtlich des Tatgeschehens, der eigenen Männerrolle,<br />

des Umgangs mit Kraft, Gewalt und Aggression und neuer, nicht gewalttätiger Ausdrucksformen.<br />

Wer im Männervollzug nicht über spezifische Kompetenzen hinsichtlich<br />

der Rolle des Männerbildes bei der Gewaltkriminalität verfügt, wer nicht das Bild vom<br />

starken Mann und die „saufende Männerhorde“ mit ihren Riten zum Thema machen<br />

kann, der wird insbesondere die fremdenfeindlichen Gewalttaten, aber auch die gegen<br />

Behinderte und Homosexuelle oder alle anderen, die in der Wahrnehmung der Täter<br />

anders sind, nicht verstehen und nicht reduzieren können.<br />

Diese Bemerkungen sollen die Relevanz des Frauenstrafvollzugs selbst natürlich nicht<br />

mindern. Sie sollen nur verhindern, dass das Thema in eine Nische verschoben wird und<br />

im Männervollzug unbeachtet bleibt.<br />

„Ein Mann ohne Knast ist wie ein Schiff ohne Mast“ lautet ein alter Sinnspruch inhaftierter<br />

deutscher Männer. Was kann uns das sagen?<br />

Zum einen natürlich, dass diese Männer versuchen selbst diese Katastrophe, die Einschränkung<br />

vieler persönlicher Freiheiten noch als notwendiges Element in ihre erzählte<br />

Biografie einzubauen, ein Merkmal ihres Mannseins, ihrer geschlechtlichen Identität. Die<br />

Botschaft soll ja lauten: „Den anderen Männern ohne Hafterfahrung fehlt etwas, Männer<br />

leben eben so, dass sie zuweilen und immer wieder ins Gefängnis kommen.“<br />

Es gibt aber noch eine zweite, eigentlich offensichtliche Botschaft, die sehr bezeichnend<br />

ist, nämlich das Verweigern der Kenntnisnahme der Moderne: Viele, viele Schiffe, fast<br />

alle, die in den letzten 80 Jahren gebaut wurden, haben keine Maste ohne dass ihnen<br />

etwas fehlt. Ich will mich damit nicht über ein schiefes Bild lustig machen, sondern bele-<br />

7 nur früheres Bundesgebiet und nur hauptamtliche BewährungshelferInnen<br />

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Inputreferat Dr. Heinz Cornel Kriminalitätsbelastung unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten<br />

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gen, dass sich auch in diesem Bild zeigt, dass in den Gefängnissen vor allem Männer<br />

inhaftiert und diszipliniert werden, die – sicher neben anderen Problemen und Defiziten<br />

– sich selbst auf Rollenbilder mit Eigenschaften reduzieren, die spätestens seit dem Ende<br />

des 19. Jahrhunderts nicht mehr sehr Erfolg versprechend sind. Das Durchsetzen<br />

eigener Interessen mit körperlicher Gewalt und Drohungen damit, das Imponiergehabe<br />

und kollektive Herabsetzen anderer, die als fremd erlebt werden, sind keine erfolgreichen<br />

Strategien, es sind eher die Strohhalme der Verlierer. Die Relevanz dieses Themas<br />

ist deshalb im Männer- und Frauenvollzug auch sehr unterschiedlich.<br />

Andererseits gibt es immer wieder die Beobachtung, dass Frauen zumindest kurze Freiheitsstrafen<br />

als Fluchtmöglichkeit wahrnehmen. Wie ungeschützt und katastrophal muss<br />

eine Lebenslage sein, dass eine JVA als Ort der Geborgenheit erscheint?<br />

Man kann fragen, warum diese Ungleichverteilung so entstanden ist und warum sie sich<br />

im Strafvollzug ganz besonders deutlich ausdrückt. Man kann die Frage aber auch umdrehen:<br />

Wenn es verschiedene Formen und Strategien sozialer Kontrolle gibt und es offensichtlich<br />

kaum Bedarf dafür gibt, normgemäßes Verhalten für Frauen durch Freiheitsstrafen<br />

herzustellen, dann liegt das wohl daran, dass es anders gelingt. Sollte es nicht vielmehr<br />

darum gehen zu fragen, wie man Männer dazu bringt, sich weitgehend ohne Gefängnisaufenthalte<br />

normgemäß zu verhalten oder den Staat dazu bringt, Methoden der Sozialkontrolle<br />

und Kriminalprävention anzuwenden, die auch bei Männern die Einsperrquote<br />

auf die der Frauen reduziert?<br />

Keine Angst, mir ist das holzschnittartige dieses Perspektivenwechsels durchaus bewusst<br />

und mir ist auch klar, dass es weitere Formen nicht akzeptabler, gewalttätiger,<br />

menschenunwürdiger Sozialkontrolle gibt. Aber produktiv können solche Überlegungen<br />

meines Erachtens dennoch sein – produktiver als das Erwarten einer höheren Kriminalitätsbelastung<br />

und Inhaftierungsquote als Ausdruck der Frauenemanzipation.<br />

Prof. Dr. Heinz Cornel ist Jurist, Sozialpädagoge und Kriminologe, Professor für Jugendrecht,<br />

Strafrecht und Kriminologie an der Alice Salomon-Hochschule <strong>Berlin</strong> und dort zurzeit Prorektor<br />

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Moderatorin Frau Dr. Seus Vorstellung Frau Zolondek<br />

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Ich möchte jetzt Frau Zolondek nach vorn bitten. Frau Zolondek ist Juristin, wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie in Greifswald. Sie hat einer internationalen<br />

Vergleichstudie zur Situation von Frauen im Strafvollzug mitgewirkt und wird<br />

uns daraus Ergebnisse präsentieren. Nur ganz kurz: in insgesamt neun Ländern wurden<br />

über 600 inhaftierte Frauen aber auch 234 Bedienstete zu ihren Erfahrungen im Strafvollzug<br />

befragt. Das Ergebnis liegt uns jetzt vor. Es ist eine differenzierte Analyse, die<br />

man als Grundlage nehmen kann für eine, wie es in der Einleitung heißt, bedarfsgerechte<br />

Gestaltung des Frauenstrafvollzugs, für Rehabilitation und tertiäre Prävention. Wir<br />

sind sehr gespannt auf Ihre Ergebnisse.<br />

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Inputreferat Dr. Juliane Zolondek Vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug<br />

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Vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug<br />

– Bestandsaufnahme, Bedarfsanalyse und „best practice“ –<br />

Lebens- und Haftbedingungen von inhaftierten Frauen<br />

Thema meines Vortrages ist die Vorstellung einiger ausgewählter Resultate der am<br />

Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Greifswald durchgeführten vergleichenden<br />

Studie zum Frauenstrafvollzug. Dabei sollen heute die Lebens- und Haftbedingungen<br />

inhaftierter Frauen im Mittelpunkt stehen.<br />

Zunächst stellt sich die Frage, welche Ziele mit der Studie erreicht werden sollten. Ausgangspunkt<br />

war die sog. Mare-Balticum-Studie, mit der wir den Männerstrafvollzug in<br />

acht Ostseeanrainer-Staaten untersuchten. Dabei fiel auch auf, dass es zum Strafvollzug<br />

an Frauen nicht nur in Deutschland wenig und größtenteils nur regional begrenzte<br />

Forschung gab, sondern dass ein europaweiter Vergleich gänzlich fehlte.<br />

Insofern ging es uns im Projekt zunächst einmal darum, anhand einer Bestandsaufnahme<br />

und Bedarfsanalyse neue Erkenntnisse über den Frauenstrafvollzug Europas zu gewinnen.<br />

Wir wollten zudem ein grenzüberschreitendes Netzwerk bilden, in welchem Informationen<br />

verbreitet und best-practice-Modelle ausgetauscht werden können. Aus der<br />

erfolgten Bestandsaufnahme ergaben sich wiederum unmittelbar Empfehlungen zur<br />

Verbesserung des Strafvollzugs an Frauen und wir konnten ein sog. Trainings-Manual<br />

für den Umgang mit inhaftierten Frauen entwickeln, welches mittlerweile in unserem sog.<br />

Reader zum Frauenstrafvollzug veröffentlicht ist. 8<br />

In jedem beteiligten Land wurden sowohl inhaftierte Frauen, die Anstaltsleitung als auch<br />

der Allgemeine Vollzugsdienst mittels eines recht umfangreichen Fragebogens befragt.<br />

Zudem fertigten die beteiligten Experten aus den Projektländern, i. d. R. Wissenschaftler<br />

der nationalen Universitäten sog. Länderberichte an, die die gesetzlichen Grundlagen<br />

und Besonderheiten des Frauenstrafvollzuges in ihrem Land in einem sog. Länderbericht<br />

zusammenfassten. Diese Hintergrundinformationen waren für die Interpretation der<br />

erhobenen Daten unerlässlich.<br />

Hier werde ich heute einige Resultate unseres Fragebogens für weibliche Strafgefangene<br />

präsentieren, die ich bei Bedarf durch die Angaben der Anstaltsleitungen oder Informationen<br />

aus den Länderberichten ergänzen werde. Der Überblick über die Stichprobe<br />

zeigt, dass ursprünglich neun Länder an der Untersuchung teilnahmen und zwar Dänemark,<br />

Deutschland, Spanien, Griechenland, Kroatien, Slowenien, Polen, Litauen und<br />

Russland. Mittlerweile wurde die Untersuchung auch in den Niederlanden und in einer<br />

weiteren russischen Anstalt durchgeführt. Geplant ist, auch den Frauenstrafvollzug in<br />

Südafrika und Schottland zu untersuchen. In den neun genannten Ländern haben wir<br />

insgesamt mehr als 650 weibliche Häftlinge in 19 Strafvollzugsanstalten befragt. In<br />

Deutschland wurde die Studie in den Justizvollzugsanstalten Vechta, Hildesheim, Bützow<br />

und <strong>Berlin</strong> durchgeführt.<br />

Zunächst einmal interessierte uns die Frage, wer „sitzt“ überhaupt im Vollzug des jeweiligen<br />

Landes ein? Besonders wichtig sind dabei die Erkenntnisse über den Ausbildungsstand<br />

der Inhaftierten. Auf der Abbildung finden sich die Ergebnisse zur Schulbildung<br />

der Frauen.<br />

Die Darstellung war insofern etwas schwierig, da es überall andere Schulsysteme und<br />

Abschlüsse gibt. So gibt es den Abschluss nach 8 bzw. 9 Jahren nur in Kroatien und<br />

Slowenien (hier in hellblau dargestellt), während in den anderen Ländern der Abschluss<br />

erst nach der 9. bzw. 10. Klasse erfolgt. Was uns jedoch besonders interessierte, war<br />

8 http://www.rsf.uni-greifswald.de/fileadmin/mediapool/lehrstuehle/duenkel/Reader_frauenvollzug.pdf<br />

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Inputreferat Dr. Juliane Zolondek Vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug<br />

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der Anteil der Frauen, die über gar keinen Schulabschluss verfügen bzw. die Schule<br />

weniger als 8 oder 9 Jahre besucht haben. Der Anteil ist hier in rot dargestellt. Erschreckend<br />

hoch ist dieser Anteil in Spanien und Griechenland, wo fast die Hälfte der Befragten<br />

keinen Schulabschluss hatte. Aber auch in Slowenien and Deutschland sieht die Situation<br />

relativ schlecht aus. Nimmt man noch die blauen Balken hinzu, die einen Hauptschulabschluss<br />

markieren, so erkennt man den massiven Nachholbedarf und die Notwenigkeit,<br />

Frauen in Haft den Abschluss einer Schulausbildung zu ermöglichen. Ein höheres<br />

Bildungsniveau zeigte sich insbesondere in Litauen und Russland, aber auch in<br />

Polen. Betrachtet man die Ergebnisse bzgl. der Frage, ob eine Berufsausbildung abgeschlossen<br />

wurde, so stellt sich das Ergebnis noch schlechter dar. Zwischen einem Viertel<br />

(in Kroatien) und über zwei Drittel der Befragten (in Griechenland) hatten keinen Beruf<br />

erlernt.<br />

Des Weiteren haben wir untersucht, aufgrund welcher Delikte Frauen europaweit inhaftiert<br />

sind. Es standen die Kategorien Mord/Totschlag, Raub, Drogendelikt, Körperverletzung,<br />

Vermögensdelikt und andere Delikte zur Auswahl. Auffällig ist, dass vor allem die<br />

Farben grün und orange, die für Drogendelikte und Vermögensdelikte stehen, dominieren.<br />

Sowohl in Griechenland als auch in Spanien und Dänemark stellten Drogendelikte<br />

den häufigsten Inhaftierungsgrund dar. Dies kann auch erklären, dass Spanien und<br />

Griechenland die höchsten durchschnittlichen Straflängen der Untersuchungsgruppe<br />

aufwiesen. Sie lagen bei 7 bzw. 9 Jahren. In Deutschland und Russland nehmen die<br />

Drogendelikte den zweiten Rang ein. Eigentums- und Vermögensdelikte als zweite europaweit<br />

dominierende Deliktsgruppe waren in Deutschland, Kroatien, Slowenien und<br />

Polen der häufigste Inhaftierungsgrund.<br />

Es wird somit deutlich, dass der Frauenstrafvollzug in Europa vielfach mit denselben<br />

Ausgangsschwierigkeiten zu kämpfen hat: einem geringen Bildungs- bzw. Ausbildungsniveau<br />

und einem Großteil aufgrund von Drogendelikten Inhaftierter, die nicht zwangsläufig,<br />

aber doch oftmals selbst substanzabhängig sind.<br />

Wenden wir uns nun den Lebens- und Haftbedingungen zu, die ich hier natürlich nur in<br />

Grundrissen umschreiben kann. Eine für das Wohlbefinden der Frauen sehr wichtige<br />

Frage ist die, mit wie vielen Insassinnen sie ihre Zellen bzw. Schlafsäle teilen. Im Rahmen<br />

unserer Studie war Dänemark das einzige Land, das alle Häftlinge in Einzelzellen<br />

unterbringt. Das einzige weitere Land, indem Einzelunterbringung möglich ist, ist<br />

Deutschland. Aus den übrigen Ländern bekamen wir von den Gefängnisverwaltungen<br />

die Mitteilung, dass Einzelzellen nur für Disziplinarmaßnahmen oder zu Isolationszwecken<br />

genutzt werden.<br />

Besonders bedenklich stimmen die russischen Daten, wo 44,8% der Frauen sich in<br />

Schlafsälen mit 31-50 Insassen befanden und sogar 40,3% der Befragten angaben, mit<br />

mehr als 50 Insassen gemeinsam untergebracht zu sein. Aber auch in Griechenland war<br />

die Unterbringungssituation schwierig. Zwar befand sich die Hälfte der Frauen nur mit<br />

max. 3 Insassinnen im Haftraum, aber 37% waren in Schlafsälen mit 16 und mehr Frauen.<br />

So verwundert es auch nicht, dass gerade griechische Gefangenen sich durch Mitgefangene<br />

in der Zelle besonders stark belastet fühlten.<br />

In Kroatien, Slowenien and Polen dominierten zwar auch größere Schlafsäle, aber die<br />

Höchstbelegung waren 15 Insassinnen. Dies beruht v.a. in den postkommunistischen<br />

Ländern noch auf der alten Ideologie, dass Gefangene nicht nur zusammen arbeiten;<br />

sondern auch zusammen leben sollten um durch das Kollektiv gebessert zu werden.<br />

Neben der Unterbringung in großen Schlafsälen ließ oftmals der Zustand der Zellen zu<br />

wünschen übrig: So gaben in Griechenland knapp 90%, in Kroatien und Litauen etwa<br />

75% und in Polen knapp 60% der Befragten an, einen feuchten Haftraum zu haben.<br />

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Inputreferat Dr. Juliane Zolondek Vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug<br />

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Ein weiterer Aspekt der das Wohlbefinden der Inhaftierten bestimmt, sind die Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

in Haft, insbesondere die Möglichkeit einer Arbeit nachzugehen. In<br />

allen untersuchten Ländern, außer in Spanien besteht eine Pflicht der Inhaftierten zur<br />

Arbeit (worunter in dieser Abb. auch Ausbildung und Weiterbildung fällt). Wie man jedoch<br />

anhand dieser Grafik erkennen kann, herrschte in zahlreichen Ländern Europas<br />

Arbeitsmangel. Dabei traten nicht nur große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern,<br />

sondern auch zwischen den nationalen Anstalten auf. So hatte in Spanien,<br />

Deutschland und Griechenland nur knapp über die Hälfte der befragten Frauen eine Arbeit.<br />

In Russland und Polen stellte sich die Situation noch deutlich schlechter dar. Der<br />

Arbeitsmangel ist umso gravierender als dass die Inhaftierten, die einer Arbeit nachgingen,<br />

fast durchweg angaben, dass ihnen die Arbeit bzw. Ausbildung etwas bedeutet und<br />

für ein Zufriedenheitsgefühl sorgt. In Kroatien, Litauen und Dänemark nahm das Problem<br />

des Arbeitsplatzmangels keinen so großen Raum ein bzw. bestand gar nicht. Das<br />

Problem, dass oftmals Arbeiten angeboten wurden, die der traditionellen Rolle der Frau<br />

entsprechen – also putzen, kochen, waschen – war besonders in kleinen Anstalten bzw.<br />

Abteilungen und in Griechenland allgegenwärtig.<br />

Wenden wir uns den Kontaktmöglichkeiten zur Außenwelt zu, so sind diese natürlich<br />

durch die gesetzlichen Vorgaben zumindest in gewissem Maße vorbestimmt. Interessieren<br />

sollen uns an dieser Stelle lediglich die Besuchsmöglichkeiten. Es ist insbesondere<br />

bei Besuchen zu beachten, dass es sich um das gesetzlich garantierte, absolute Minimum<br />

handelt. Oftmals wird mehr Besuch als gesetzlich zugesichert, gestattet. Aber auch<br />

mögliche Einschränkungen sind in der Tabelle nicht dargestellt. In Griechenland and<br />

Dänemark müssen mindestens 4 Besuche pro Monat gewährt werden, in Slowenien sogar<br />

8 Besuche, in Kroatien aber nur 2. In Deutschland ist im Gesetz lediglich eine Stunde<br />

Mindestbesuchszeit pro Monat vorgeschrieben, was sehr wenig ist. Aber in der Praxis<br />

sind in Deutschland mindestens vier Besuche pro Monat üblich. In Spanien dagegen<br />

gibt es verschiedene Besuchsformen, die zu gewähren sind: 8 sog. Kommunikationen,<br />

bei denen der Besucher und die Inhaftierte durch eine Trennscheibe separiert sind, ein<br />

privater i. d. R. unüberwachter Besuch und ein längerer Besuch, der zwar ohne Trennscheibe<br />

erfolgt, aber optisch überwacht wird. In Russland and Litauen wird innerhalb des<br />

geschlossenen Vollzugs noch zwischen verschiedenen Regimen unterschieden, die sich<br />

darin unterscheiden; welche Rechte den Inhaftierten zustehen. In Litauen wird in Frauenhaftanstalten<br />

zwischen dem einfachen und leichten Regime unterschieden, das strenge<br />

Regime gibt es lediglich im Männerstrafvollzug. In Russland habe ich aufgrund der<br />

Vielzahl von Regelungen je nach Anstalt und Regime, nur das aufgenommen, welches<br />

für die Frauen zutrifft, die wir befragt haben.<br />

Besonders hervorzuheben ist jedoch, dass in Russland und Litauen, insbesondere im<br />

einfachen Regime nur unzureichende Besuchsmöglichkeiten bestehen. So haben die<br />

Gefangenen in Russland nur den Anspruch auf sechs kurze Besuche und vier Langzeitbesuche<br />

im Jahr. Es gibt allerdings durchaus Vollzugsregime in Russland; in denen die<br />

Besuchsrechte noch minimaler ausgestaltet sind. Auch in Litauen kann man im einfachen<br />

Regime lediglich acht Besuche im Jahr empfangen.<br />

Die folgende Grafik zeigt, inwieweit die Befragten Besuche bekommen. Es muss leider<br />

festgestellt werden, dass in immerhin fünf Ländern (Dänemark, Griechenland, Kroatien,<br />

Litauen and Russland) fast jede fünfte Inhaftierte niemals Besuch bekommt. In Russland<br />

and Litauen stimmen die Daten mit den gesetzlichen Vorgaben insofern überein, als<br />

dass wir wissen, dass zumeist nur selten Besuche möglich sind. So ist es nicht verwunderlich,<br />

dass die Mehrheit der Befragten nur einige Male im Jahr Besuch erhielt. Aber<br />

auch in Kroatien, Griechenland und Dänemark erhielt ein größerer Teil der Frauen nur<br />

einige Male im Jahr Besuch (gelb). Besser sieht die Situation vor allem in Polen, aber<br />

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Inputreferat Dr. Juliane Zolondek Vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug<br />

___________________________________________________________________<br />

auch in Slowenien, Spanien and Deutschland aus, wo jeweils über 70% der Befragten<br />

mehrmals im Monat oder noch öfter Besuch bekamen.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der deutsche Frauenstrafvollzug den europäischen<br />

Vergleich hinsichtlich der Lebens- und Haftbedingung nicht scheuen muss. Dies<br />

war zu erwarten und überrascht wenig. Ebenso war zu erwarten, dass der skandinavische<br />

Vollzug mit seiner weitgehenden Öffnung besonders gut abschneiden wird. Überraschend<br />

ist jedoch, dass nicht die mittel- und osteuropäischen Länder wie Litauen oder<br />

Polen die problematischsten Verhältnisse aufweisen, sondern v. a. der griechische<br />

Frauenstrafvollzug. Positiv für die osteuropäischen Länder ist die Tradition der Langzeitbesuchsmöglichkeiten,<br />

die es in Westeuropa erst in Ansätzen gibt und die vielleicht nicht<br />

nur für Partnerkontakte, sondern auch für die Intensivierung der Kontakte zu den Kindern<br />

oder der Familie genutzt werden könnten.<br />

(Es wird nochmals auf den bereits oben erwähnten Reader verwiesen. Zudem wird im<br />

Herbst eine Buchpublikation mit einer umfassenden Ergebnispräsentation erfolgen.)<br />

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Moderatorin Frau Dr. Seus Vorstellung von Frau Wielpütz<br />

_____________________________________________________________________________________<br />

Last but not least Frau Renate Wielpütz. Sie ist Geschäftsführerin des Frauencomputerzentrums<br />

<strong>Berlin</strong>. Gleichzeitig Projektleiterin des <strong>Berlin</strong>-weiten Vorhabens diversity. Frau<br />

Wielpütz beschäftigt sich schon seit langem mit diversity-Management als Instrument<br />

der Gleichstellungspolitik. Sie stellt uns heute eine konkrete Maßnahme zur Steigerung<br />

der Gender-Kompetenz im Strafvollzug vor. Es geht um Gender-gerechtes eLearning mit<br />

inhaftierten Frauen.<br />

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Inputreferat Renate Wielpütz Gender Mainstreaming Maßnahmen zur Steigerung der Genderkompetenz<br />

________________________________________________________________________________<br />

Gender Mainstreaming Maßnahmen zur Steigerung der Genderkompetenz<br />

Vorbemerkung<br />

Die Konzepte und Strategien, die Gegenstand dieses Beitrages sind, entstanden im<br />

Rahmen der EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL. Deshalb werde ich Ihnen diese Initiative<br />

zu Beginn kurz vorstellen und die wichtigsten Prinzipien von EQUAL erläutern:<br />

EQUAL 9 im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie<br />

Eingebettet in die Europäische Beschäftigungsstrategie 10 wird mit EQUAL das Ziel verfolgt,<br />

Benachteiligung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und in der beruflichen<br />

Bildung zu bekämpfen, und dies in den Themenfeldern Beschäftigungsfähigkeit, Unternehmergeist,<br />

Anpassungsfähigkeit, Chancengleichheit sowie im Themenbereich Asylbewerberinnen<br />

und Asylbewerber. Querschnittsthemen, die in den genannten Bereichen<br />

Berücksichtigung finden müssen, sind Gender Mainstreaming und Aktivitäten gegen<br />

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Offenheit für Menschen mit Behinderungen, Empowerment<br />

von benachteiligten oder diskriminierten Zielgruppen und der Zugang zu Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien.<br />

Gender Mainstreaming im Strafvollzug<br />

„Gender im Strafvollzug? Frauen und Männer sitzen doch in getrennten Knästen….“ –<br />

dies ist einer von vielen ähnlich lautenden Kommentaren, wenn es um Gender<br />

Mainstreaming oder die Gender-Perspektive im Strafvollzug geht. Dass dieser – weltweit<br />

– Unterschiede zwischen Männern und Frauen, Benachteiligungen und Diskriminierungen<br />

wie kaum ein anderer gesellschaftlicher Bereich (re-)produziert, und dass gleichstellungspolitische,<br />

soziale, aber auch ökonomische Gründe dafür sprechen, die Unterschiede<br />

zur Kenntnis zu nehmen und Veränderungen einzuleiten, dringt kaum in die öffentliche<br />

Diskussion.<br />

Einige Daten und Fakten aus einem Gender Impact Assessment (GIA) 11 zum Strafvollzug<br />

in Deutschland machen dies klar:<br />

In Deutschland<br />

- sind ca. 95% der Strafgefangenen männlich und 5% weiblich (europaweiter Frauenanteil:<br />

2-8%);<br />

- gibt es nur 6 eigenständige Frauenvollzugsanstalten, die restlichen weiblichen<br />

Strafgefangenen sind in „Abteilungen“ des Männervollzugs untergebracht; 12<br />

- begehen Frauen andere Straftaten als Männer (vorwiegend: Eigentumsdelikte<br />

und Vermögensdelikte, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, und verhältnismäßig<br />

wenig Gewaltdelikte). Als gefährlich gelten Delikte, bei denen das Opfer<br />

schwer oder tödlich verletzt wurde, Waffen im Spiel sind oder ein Sachschaden<br />

von mehr als 2500 Euro entstanden ist. Gemessen an diesen Kriterien werden<br />

9 www.equal.de; https://equal.cec.eu.int/equal/jsp/index.jsp?lang=de<br />

10 http://ec.europa.eu/employment_social/employment_strategy/index_de.htm<br />

11 Gender Impact Assessment wird mit „Gleichstellungsverträglichkeitsprüfung“ übersetzt und steht am<br />

Anfang der Einführung von Gender Mainstreaming in eine Organisation/ein Aufgabengebiet..<br />

12 Der Trennungsgrundsatz ist in diversen Konventionen und Strafvollzugs-Grundsätzen – auf UN- und<br />

EU-Ebene – ebenso wie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts festgehalten. Danach<br />

müssen Frauen entweder in eigenen Anstalten untergebracht werden oder zumindest deutlich räumlich<br />

getrennt von männlichen Gefangenen. S. hierzu: Frieder Dünkel u.a.: Internationale Studie zum Frauenvollzug<br />

– Reader. Greifswald 2005.<br />

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Inputreferat Renate Wielpütz Gender Mainstreaming Maßnahmen zur Steigerung der Genderkompetenz<br />

________________________________________________________________________________<br />

schätzungsweise knapp 90% der weiblichen Inhaftierten für Straftaten verurteilt,<br />

bei denen keine besondere Gefahr für die Gesellschaft besteht;<br />

- sind Frauen im Schnitt viel weiter entfernt von ihren Angehörigen untergebracht<br />

(als Männer), was Besuche und Kontakte erschwert;<br />

- hat ein hoher Anteil der weiblichen Strafgefangenen Gewalt- oder Missbrauchs-<br />

Erfahrungen machen müssen;<br />

- werden Frauen im Strafvollzug häufig noch mit Kochen, Waschen und Nähen beschäftigt,<br />

während die Männer in Ausbildungsbetrieben arbeiten oder arbeitsmarktnahe<br />

Qualifizierungsmaßnahmen angeboten bekommen. Damit können sich<br />

die Frauen kaum für eine Beschäftigung nach der Entlassung qualifizieren, zumal<br />

auch Bildungs- und Ausbildungs-Möglichkeiten unzureichend vorhanden sind.<br />

Dank der Gemeinschaftsinitiative EQUAL wurde es möglich, Konzepte und Handlungsansätze<br />

zu entwickeln, die nicht nur den Frauenstrafvollzug bzw. die Inhaftierten durch<br />

positive Aktionen 13 an Bildung, Berufsbildung oder Beschäftigung partizipieren lassen.<br />

Der Gleichstellungs-Doppelansatz – seit der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages<br />

im Europäischen Sozialfonds verpflichtend – hat Einzug gehalten in bisher nachhaltig<br />

männlich geprägte Strukturen, Perspektiven, Einstellungen und Haltungen und: erste<br />

zarte Spuren hinterlassen.<br />

Unter anderen haben sich drei Entwicklungspartnerschaften 14 in den Nord-Ost-<br />

Bundesländern <strong>Berlin</strong>, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern<br />

um mehr Gleichstellung im Justizvollzug bemüht:<br />

e-LiS – e-Learning im Strafvollzug – 1. EQUAL-Förderrunde (www.e-LiS.de)<br />

MEMBER – Medienkompetenz und Qualifizierungsbausteine in der Berufsvorbereitung<br />

(mit Teilprojekten im Strafvollzug) – 2. EQUAL-Förderrunde<br />

(http://www.berufsvorbereitung-medien.org)<br />

BABE – Bildung, Arbeit und berufliche Eingliederung im Nordverbund – 2. EQUAL-<br />

Förderrunde (www.babe.de). 15<br />

Im Kontext dieses Beitrages werde ich nur auf eine der Entwicklungspartnerschaften<br />

und deren auf Gender Mainstreaming-Interventionen zielenden und –Aktivitäten näher<br />

eingehen.<br />

Für die alle drei Entwicklungspartnerschaften galten/gelten gemeinsame Essentials für<br />

den Umsetzungsprozeß von Gender Mainstreaming:<br />

Gender Mainstreaming erfolgt<br />

- top down durch das Management der EP<br />

13<br />

Positive oder spezifische Aktionen sind ein Teil des gleichstellungspolitischen Doppelansatzes<br />

der EU. Während sie sich an eine Gruppe von Männern oder Frauen richten und dazu dienen,<br />

Diskriminierungen aus der Vergangenheit zu kompensieren, wirkt Gender Mainstreaming proaktiv<br />

und präventiv und bezieht die Veränderung von Strukturen ein. Gender Mainstreaming muß in die<br />

Organisations- und Personalentwicklung eingebunden sein.<br />

14<br />

Auch andere EP haben sich im Kontext der GI EQUAL mit der Thematik auseinandergesetzt. Z.B. Mabis-net.<br />

s. http://www.mabis-net.de<br />

15 Im Kontext dieses Beitrages können die auf die unterschiedlichen Ebenen einer Entwicklungspartnerschaft<br />

zielenden Gender Mainstreaming-Interventionen und<br />

–Aktivitäten bei weitem nicht vollständig abgebildet werden. Sie werden hier selektiv dargestellt, um<br />

Prinzipien zu verdeutlichen. Weitere Informationen stellen die web sites, das Fachportal oder das Wissensmanagement-System<br />

zur Verfügung.<br />

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Inputreferat Renate Wielpütz Gender Mainstreaming Maßnahmen zur Steigerung der Genderkompetenz<br />

________________________________________________________________________________<br />

- auf der Basis von geschlechterdifferenzierten Daten und Fakten und deren Bewertung<br />

in den Aufgabenbereichen (soweit vorhanden)<br />

- verankert in den Zielen und Aufgaben aller Ebenen und Beteiligten der EP<br />

- integriert in die Organisations-, Qualitäts- und Personalentwicklungs-Prozesse<br />

- durch Gender-Kompetenzentwicklung und Erweiterung der Gender-<br />

Handlungskompetenzen aller Beteiligten<br />

- mithilfe von Evaluations- und Controlling-Methoden und –Instrumenten zur Zielfindung,<br />

Steuerung, Bewertung und Verbesserung der Umsetzung.<br />

Die drei Entwicklungspartnerschaften hatten/haben ein gemeinsames Ziel: die Bildungsund<br />

Berufsbildungsstrukturen in den Justizvollzugsanstalten zu verändern und die Beschäftigungschancen<br />

der Inhaftierten zu verbessern, um Rückfallquoten zu minimieren<br />

und den Häftlingen nach ihrer Entlassung eine Reintegration in die Gesellschaft zu ermöglichen.<br />

Ein weiteres gemeinsames Anliegen war/ist es, die Situation von Frauen im<br />

Justizvollzug zu verbessern, da allen Beteiligten bewusst ist, dass weibliche Inhaftierte<br />

nicht zuletzt aufgrund ihres Anteils an der Gefangenenpopulation keinen gleichwertigen<br />

Zugang zu Bildung und Arbeit haben.<br />

Bei der Umsetzung von Gender Mainstreaming steht jedoch nicht nur die Kompensation<br />

von in der Vergangenheit entstandener Diskriminierung des Frauenvollzugs zur Debatte.<br />

Gender Mainstreaming stellt Fragen nach Unterschieden und Diskriminierungen bezogen<br />

auf das Gesamtsystem, seine Strukturen, seine Entscheidungsträger/innen, es geht<br />

um Ressourcen, wie z.B. den Zugang zu Bildung und Beschäftigung anstatt einer unnötigen<br />

Übersicherung, auch, wenn die Unterschiede einer kleinen im Vergleich zu einer<br />

großen Gruppe tangiert sind; es geht aber auch um Rollenstereotypen, Einstellungen,<br />

Haltungen und Handlungskompetenzen des Personals, das in der Lage sein muß, geschlechterdifferenziert<br />

zu arbeiten, und – last but not least – der Inhaftierten.<br />

All diese Ebenen wurden/werden in den drei Entwicklungspartnerschaften (EP) adressiert<br />

und hier beispielhaft 16 dargestellt:<br />

e-LiS – e-Learning im Strafvollzug<br />

Ziel und Strategie der 2005 beendeten EP e-LiS war es, e-Learning im Strafvollzug<br />

von sechs nord-ostdeutschen Bundesländern einzuführen, um (Berufs-)Bildungs- und<br />

Beschäftigungsmaßnahmen, angepasst an die Situation, die Bedürfnisse und Vorerfahrungen<br />

der unterschiedlichen Strafgefangenen-Populationen (Männer, Frauen, Jugendliche)<br />

zu diversifizieren. Die Umsetzung der Querschnitts-Aufgabe „Gender Mainstreaming“<br />

sollte – neben spezifischen Maßnahmen im Frauenvollzug, die von IT-Trainings<br />

bis zur Entwicklung und Umsetzung zielgruppenspezifischer Kompetenzbilanzierung und<br />

Assessment reichten – auf Basis der bei Antragstellung durchgeführten Bedarfsanalyse<br />

zur Situation von Männern und Frauen im Strafvollzug auf allen EP-Ebenen und in allen<br />

EP-Arbeitsfeldern erfolgen. 17<br />

Gender Mainstreaming<br />

Zu Beginn der EP-Aktivitäten wurden Sensibilisierungs-Workshops für die Steuerungsgruppe<br />

durchgeführt, um das EP-Management, die Leiter/innen der Teilprojekte, die<br />

Verantwortlichen für die Querschnittsaufgaben sowie strategische Partner/innen aus den<br />

Justizverwaltungen mit dem Ansatz vertraut zu machen.<br />

16<br />

Beispielhaft bedeutet dies, dass für die drei Entwicklungspartnerschaften die jeweils typischen Ansätze<br />

oder Entwicklungen im jeweiligen Kontext beschrieben werden, wodurch die Einbindung in die Ziele<br />

und Prozess-Schritte oder wichtige Aspekte der EPen deutlich werden.<br />

17<br />

GM in e-LiS wird hier ausführlicher dargestellt als in den beiden EPen der zweiten Förderrunde, da die<br />

EP bereits beendet wurde.<br />

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Inputreferat Renate Wielpütz Gender Mainstreaming Maßnahmen zur Steigerung der Genderkompetenz<br />

________________________________________________________________________________<br />

Mit den Workshops wurde das Ziel verfolgt, Gender-Kompetenzen in den unterschiedlichen<br />

Handlungsfeldern zu stärken. Zu Gender-Kompetenzen zählen die „basics“ der<br />

Theorie und Geschichte des Gender Mainstreaming ebenso wie das Wissen über Geschlechterverhältnisse,<br />

deren Niederschlag in gesellschaftlichen und Organisationsstrukturen<br />

sowie in den Einstellungen, Haltungen und Handlungen von Männern und Frauen.<br />

Dabei geht es z.B. um:<br />

- die Klärung des gleichstellungspolitischen Doppelansatzes (Einführung in die<br />

Wurzeln/Geschichte der Gleichstellungspolitik/des GM (EU-Ebene) und positiver<br />

Aktionen), deren rechtliche Grundlagen (Amsterdamer Vertrag, Europäische Beschäftigungsstrategie,<br />

ESF-Verordnung) bis hin zur Umsetzung von GM in E-<br />

QUAL,<br />

- Gender-Wissen bezogen auf die Bedarfsanalyse(n) der Entwicklungspartnerschaft/der<br />

Teilprojekte v.a. hinsichtlich der eingangs erwähnten Unterschiede<br />

zwischen männlichen und weiblichen Strafgefangenen und deren Auswirkungen,<br />

- kommunikative Gender-Kompetenz (Verständnis für die Bedeutung von Sprache,<br />

Sexismus in der Sprache),<br />

- Genderkompetenz in Bildung, Ausbildung und Erwerbsarbeit.<br />

Für die Teilprojekt-Mitarbeiter/innen erfolgten im Anschluß an die Einführungs-<br />

Workshops aufgaben-bezogene Beratungen und zielgruppenspezifische Trainings. Diese<br />

Aktivitäten waren orientiert am jeweiligen Bedarf der Organisationen (der Justizvollzugsanstalten,<br />

Bildungsträger) und eingebettet in deren Ziele und Strategien. Hier ging<br />

es – je nach Teilprojekt-Aufgabe – um Organisations- und Personal-Entwicklung, um die<br />

Gender-Perspektive in der Konzeption und Didaktik von Bildungsmaßnahmen oder um<br />

Qualitätskriterien für gendersensibles e-Learning.<br />

Beispiel JVAF <strong>Berlin</strong>:<br />

In dieser Organisation wurde Gender Mainstreaming top down und bottum up umgesetzt:<br />

Zu Beginn des Prozesses erfolgten separate Beratungen, Trainings und<br />

Workshops für das JVAF-Management und den Personalrat der Haftanstalt. Hier ging es<br />

sowohl um Organisations- als auch Personalentwicklungsfragen. Die Klärung der Frage<br />

nach gendergerechten Vollzugsabläufen stand dabei ebenso auf der Agenda wie die<br />

Rolle von männlichen Bediensteten im „feminisierten“ Arbeitskontext Frauenvollzug. In<br />

einem weiteren Schritt wurden die an der Umsetzung des e-LiS-Teilprojektes beteiligten<br />

Mitarbeiter/innen in den Prozess einbezogen.<br />

Durch eine für die JVAF neue Personalentwicklungsmaßnahme wurden noch vor Start<br />

der Arbeit mit den Inhaftierten 12 Mitarbeiter/innen im Rahmen eines „training of trainers“<br />

für Co-Training und Lernbegleitung in den Bereichen IT, Projektmanagement,<br />

Kommunikation, Didaktik und selbstorganisiertes Lernen qualifiziert. In diese Trainings<br />

und Beratungen wurde Gender-Kompetenz-Entwicklung integriert – implizit, indem alle<br />

Lernbereiche aus der Perspektive der Arbeit mit weiblichen Inhaftierten, deren biographische,<br />

soziale und Lern-Voraussetzungen reflektiert wurden. Explizite Gender-<br />

Kompetenz-Workshops dienten z.B. der Reflektion der eigenen und gesellschaftlich bedingten<br />

Geschlechterrollen und -Stereotypen, dem Verständnis für die Bedeutung von<br />

Sprache und Kommunikation mit den Insassinnen, der Berücksichtigung von Gleichstellungsfragen<br />

im Training. Durch diese Personalentwicklungs-Maßnahme, die das Projekt<br />

über die gesamte Laufzeit begleitete und die Integration der 12 Mitarbeiter/innen in die<br />

Bildungsarbeit mit den Strafgefangenen ermöglichte, konnte Nachhaltigkeit in zweierlei<br />

Hinsicht erreicht werden: Schon im Laufe des e-LiS-Projektes führten die Mitarbeiter/innen<br />

„IT-Freizeitkurse“ für Inhaftierte durch und wurden nach Beendigung der ersten<br />

EQUAL-Förderrunde in ein durch den <strong>Berlin</strong>er ESF gefördertes Nachfolgeprojekt, „eniac<br />

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Inputreferat Renate Wielpütz Gender Mainstreaming Maßnahmen zur Steigerung der Genderkompetenz<br />

________________________________________________________________________________<br />

– Medienkompetenzen für drogenabhängige Frauen im Strafvollzug “, eingebunden. Die<br />

Gender-Kompetenz-Entwicklung wurde von den Mitarbeiter/innen als Erweiterung ihrer<br />

Handlungskompetenzen bezüglich der Arbeit mit den Insassinnen und deren vielschichtigen<br />

Problemlagen erlebt.<br />

Die Gender-Perspektive wurde auch in die unterschiedlichen EP-Querschnitts-Aufgaben<br />

integriert. Während es bei der Evaluation der EP um die Gender-Perspektive im Untersuchungsdesign,<br />

in den Fragestellungen und Methoden ging, wurde im transnationalen<br />

Kontext dazu gearbeitet, wie die Gender Mainstreaming-Strategie und – z.B. im UK eher<br />

gebräuchliche – Antidiskriminierungs- oder Diversity-Ansätze miteinander korrespondieren.<br />

Mainstreaming-Aktivitäten beinhalteten Trainings für das Leitungspersonal der Justizverwaltungen<br />

und Haftanstalten für Männer und Jugendliche sowie den Informationsaustausch<br />

mit der für GM zuständigen Mitarbeiterin im Bundesministerium für Justiz.<br />

Ein Arbeitsschwerpunkt auf EP-Ebene war das „Gender-Screening“ der jeweiligen Entwicklungsschritte<br />

der Lernplattform hinsichtlich technischer Umsetzung, usability und<br />

content. Die technische und didaktische Entwicklung der Lernplattform wurde kontinuierlich<br />

analysiert, mit den Verantwortlichen diskutiert und in Form eines „living documents“<br />

dokumentiert.<br />

Die Ausführungen sind ein leicht verkürzter Input über das was ich Ihnen über die Umsetzung<br />

von Gender-Aktivitäten im Strafvollzug berichten kann.<br />

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Ergebnisse Arbeitsgruppe 1<br />

_______________________________________________________________________<br />

Dr. Juliane Zolondek, Prof. Dr. Heinz Cornel<br />

„Ambulante Sanktionsmöglichkeiten – Alternative Reaktionen auf Straffälligkeit“<br />

1. Die Arbeitsgruppe war zunächst vornehmlich vom Erfahrungsaustausch bestimmt,<br />

zumal PraktikerInnen aus Frauenvollzugsanstalten aus 6 Bundesländern<br />

vertreten waren, sowie aus der Straffälligenhilfe und Politik, SeelsorgerInnen und<br />

ehrenamtliche VollzugshelferInnen.<br />

2. Debattiert wurde über die Strategie „Gender- oder Frauenperspektive?“ Brauchen<br />

wir zusätzliche frauenspezifische Regelungen in den Strafvollzugsgesetzen oder<br />

eher eine Gender-gerechte Anwendung des Strafvollzugsgesetzes, ins. der Zielbestimmungen<br />

und Grundsätze?<br />

3. Die Gruppe war sich schnell einig über die Absurdität der Ersatzfreiheitsstrafenvollstreckungen<br />

insb. gegenüber den Frauen, die keine Chancen zur gemeinnützigen<br />

Arbeit haben. Gefordert wurden gerade im Bagatellbereich Entkriminalisierungen.<br />

4. Einigkeit bestand auch darin, dass über die Inhaftierung von 4000 Frauen mit<br />

meist sehr geringem Bedrohungsrisiko mehr fachlich informiert werden solle. Das<br />

dürfe nicht der Boulevardpresse überlassen bleiben.<br />

5. Gefordert wurden Lebenslagen verbessernde Hilfen für die Frauen, die sich geradezu<br />

in Haft flüchten zum Schutz vor Gewalt. Drogenabhängige sollten grundsätzlich<br />

nicht im Vollzug untergebracht werden, sondern man sollte für sie alternative<br />

Hilfsangebote finden (ggf. auch stationär).<br />

6. Kontrovers wurde diskutiert, inwieweit fiskalische Argumente fruchtbar sind. Sie<br />

können im Sinne von Kostenreduzierung durch Haftvermeidung produktiv sein,<br />

aber auch zu Verweigerung von Hilfeleistungen führen.<br />

7. Konkrete alternative Sanktionen wurden nicht benannt bzw. herausgearbeitet.<br />

8. Entwickelt wurde die Idee der "ambulanten Inhaftierung", bei der betroffene Frauen<br />

tagsüber in der Einrichtung sind und am Abend zu ihrer Familie zurückkehren.<br />

9. Vorgestellt wurde die Idee der "Anstalten mit besonderem Betreuungsangebot", in<br />

denen Gefangene mit besonderen Sozialisationsdefiziten inhaftiert werden und<br />

dort spezifische Angebote unterbreitet werden (ähnlich dem sozialtherapeutischer<br />

Vollzug).<br />

10. Abschließend wurde dafür votiert, grundsätzlicher über den Sinn des Strafens<br />

nachzudenken.<br />

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Ergebnisse der Arbeitsgruppe 2<br />

___________________________________________________________________________<br />

Netzwerke – Strategisches Mittel zum Zweck<br />

Moderation: Renate Wielpütz (FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong>)<br />

Gabriele Grote-Kux (BAG F Dr. Helga Einsele e.V.)<br />

I. Zusammensetzung der Arbeitsgruppe<br />

Die Arbeitsgruppe war interdisziplinär besetzt. Es waren regionale und überregionale<br />

Akteurinnen und Akteure aus dem Bereich der Straffälligenhilfe, des Justizvollzuges,<br />

der Bewährungshilfe, der Polizei, der Arbeitsagentur und der Wissenschaft vertreten.<br />

II. Klärung des eigenen Verständnisses von Netzwerken und Zuordnung der in der<br />

AG bekannten „Netzwerke“<br />

a.) Regionale, nationale und internationale Kooperationen<br />

I.d.R. schriftlich vereinbarte Zusammenarbeit zwischen Dienststellen der Verwaltung,<br />

zwischen Institutionen oder Einrichtungen zur Erreichung eines oder mehrerer<br />

gemeinsamer Ziele)<br />

b.) Fachliche Netzwerke<br />

BAG-S, BAG-F, BAG der LehrerInnen im Justizvollzug, DBH e.V. -Fachverb. für<br />

Sozialarbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik, Ev. und kath. Konferenz der SeelsorgerInnen<br />

im Justizvollzug, EFK e.V.- Europäisches Forum für angewandte Krimimalpolitik,<br />

Norddeutsche Frauenvollzugsbesprechung etc.)<br />

c.) Politisch-strategische Netzwerke<br />

Regionale oder überregionale (Frauen)Politische Netzwerke (z.B.<br />

Überparteiliche Fraueninitiative in <strong>Berlin</strong>)<br />

d.) Netzwerke die sich aus „komplementären“ AkteurInnen zusammensetzen<br />

Breites Wissensspektrum, Unterschiede werden ausdrücklich bejaht und als<br />

Stärke begriffen; AkteurInnen unterstützen sich gegenseitig mittels Informationen,<br />

Ideen, Fachwissen, Ratschlägen und Verbindungen. Oftmals als persönlichstrategisches<br />

Beziehungsnetz angelegt.<br />

III. Was sind vor dem Erfahrungshintergrund der ArbeitsgruppenteilnehmerInnen<br />

Hinderungsgründe für aktive und zielführende Netzwerke bzw. die Mitwirkung in<br />

ebensolchen?<br />

- Unverbindliche Strukturen<br />

- Persönliche und fachliche Konkurrenzen<br />

- Zuständigkeitsdebatten<br />

- Zeitliche und finanzielle Ressourcen<br />

- Struktur der Institution Strafvollzug<br />

- Fehlende Informationen über die Existenz von (speziellen) Netzwerken oder Kooperationen<br />

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Ergebnisse der Arbeitsgruppe 2<br />

___________________________________________________________________________<br />

IV. Zentrale Aussagen der Arbeitsgruppe zu Netzwerken (mit Bezug zum Tagungsthema)<br />

1. Gender Mainstreaming ist im Umgang mit straffälligen Frauen (auch auf Verwaltungsebene)<br />

keine gelebte Praxis, sondern eher ein theoretisches Konzept.<br />

Auch wenn es durchaus auf regionaler Ebene erste positive (praktische)<br />

Schritte auszumachen gibt.<br />

2. Effiziente Netzwerke brauchen professionelle Rahmenstrukturen, sie sollten<br />

interdisziplinär angelegt sein sowie der Artikulation von Problemen, Schwierigkeiten<br />

und Forderungen (bezogen auf das gemeinsame Ziel) dienen.<br />

3. Die aktive Mitwirkung in Netzwerken sollte seitens Vorgesetzter erwünscht und<br />

gefördert werden.<br />

4. Für einen zielführend auf soziale Integration ausgerichteten Umgang mit straffälligen<br />

Frauen ist eine ressortübergreifende Verantwortung aller Verwaltungen<br />

zwingend erforderlich. Das bisherige Prinzip temporärer Zuständigkeiten<br />

führt zu zeit- und kostenintensiven „Insellösungen“. Weitaus erfolgreicher dürften<br />

hier gemeinsam vereinbarte kohärente Hilfe- und Förderstrukturen sein<br />

(siehe hierzu auch das Schaubild).<br />

V. Schaubild (siehe nächste Seite!)<br />

VI. Was ist bei der Gründung von Netzwerken zu beachten?<br />

- Im Vorfeld klären was mit dem Netzwerk erreicht werden soll und prüfen, ob<br />

ggf. bereits Netze mit ähnlichen Zielen gibt? Kontakt herstellen.<br />

- rüfen, ob zur Zielerreichung ein Netzwerk oder das Eingehen (auch temporärer)<br />

Kooperationen der richtige Weg ist<br />

- Menschen mit ähnlich Zielen im beruflichen oder politischen Kontext suchen<br />

- eine Kerngruppe bilden, personelle sowie materielle Möglichkeiten abklären<br />

und Grobziele definieren; Ideen und Ziele bekannt machen<br />

- Gründungstreffen (organisatorisch und inhaltlich) planen mit relevanten<br />

Menschen aus der Region, Öffentlichkeitsarbeit aufnehmen<br />

- Gründungstreffen zum intensiven Kennenlernen der Beteiligten, zur Abklärung<br />

individueller Ressourcen und Kompetenzen sowie zur gemeinschaftlich<br />

getragenen Zielfindung einberufen<br />

- Netzwerkpflege !!! Sie variiert nach dem Bedarf der AkteurInnen. Im Idealfall<br />

bestimmen Selbstaktivität, Eigenverantwortung und Gegenseitigkeit die Qualität.<br />

Ein – zwei jährliche Treffen möglichst vieler AkteurInnen sollten allerdings<br />

Standard sein. Es sollte allen Beteiligten deutlich sein, dass das Engagement<br />

im Netzwerk einen Mehrwert für jede/jeden einzelne/n mit sich bringt und zudem<br />

auch noch Spaß macht.<br />

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Schaubild<br />

Aus Sicht der AG 2 erforderliche Vernetzung des Frauenvollzuges mit dem Außensektor<br />

Beratungsstellen für<br />

spezifische<br />

Problemlagen<br />

SenBildWiss<br />

Bildungs- und<br />

Berufsbildungsinstitutionen<br />

intern/extern<br />

Bildungs- und<br />

Arbeitsberatung<br />

extern<br />

SenGesUmV<br />

KMUs und Unternehmen<br />

Agentur für Arbeit<br />

Job Center<br />

SenWiTechFrau<br />

Frauenvollzug i<br />

Senatsverwaltung für<br />

Justiz<br />

Frauenvollzug<br />

SenIntArbSoz<br />

(Jugend-)<br />

Gerichtshilfe<br />

(Jugend-)<br />

Bewährungshilfe<br />

Politische Fraueninitiativen,<br />

Verbände, Institutionen,<br />

Einrichtungen<br />

Freie<br />

Straffälligenhilfe<br />

SenBildWiss = Senatsverwaltung für Bildung u. Wissenschaft; SenGesUmV = Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt u. Verbraucherschutz; SenWiTechFrau = Senatsverwaltung für Wirtschaft,<br />

Technik u. Frauen; SenIntArbSoz = Senatsverwaltung für Integration, Arbeit u. Soziales; KMUs = Kleine und Mittelständige Unternehmen


Ergebnis der Arbeitsgruppe 3<br />

________________________________________________________________________<br />

Ergebnis der Arbeitsgruppe „Best practice – Bewährte Projekte vor dem Aus?“<br />

Moderation Almuth Kummerow und Gisela Krüger<br />

Die Moderatorinnen und Teilnehmerinnen an der Arbeitsgruppe stellten sich vor<br />

unter Angabe des Bezugs zum Thema. Vertreten waren Mitarbeiterinnen aus vier<br />

Einrichtungen für Straffällige Frauen:<br />

• Anlaufstelle für straffällige Frauen in Frankfurt Main unter der Trägerschaft der<br />

<strong>AWO</strong>,<br />

• Frauenprojekt bei den Sozialen Diensten der Justiz Gerichts- und Bewährungshilfe<br />

<strong>Berlin</strong><br />

• Mimi-Treff, <strong>Berlin</strong>er Stadtmission<br />

• Beschäftigungs- und Betreuungseinrichtung zur Tilgung von Geldstrafen durch<br />

gemeinnützige Arbeit (IsA-K und Second Hemd) <strong>AWO</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Eine Teilnehmerin arbeitet in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in <strong>Berlin</strong> (Arbeitsverwaltung),<br />

eine Teilnehmerin bei der Senatsverwaltung für Technologie, Wirtschaft<br />

und Frauen im Bereich EU-Förderung. Die übrigen Teilnehmerinnen waren Interessierte<br />

ohne Bezug zur Arbeit mit straffälligen Frauen sowie eine Studentin.<br />

Die Frage, ob bzw. durch was die Umsetzung des Genderanspruchs in den Arbeitsbereichen<br />

erlebt wird, wurde von den Mitarbeiterinnen der Einrichtungen negativ<br />

beantwortet. Die Umsetzung des Genderanspruchs erfolgt in keiner Einrichtung. Die<br />

Einrichtungen, die mit einem geschlechtsspezifischem Arbeitsansatz arbeiten, verdanken<br />

ihre Existenz überwiegend dem Engagement einzelner Träger oder Mitarbeiterinnen<br />

und nicht aus gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten. Ausnahme ist die<br />

Justizvollzugsanstalt für Frauen in <strong>Berlin</strong> durch diverse Genderprojekte und Genderbudgeting.<br />

Allerdings hat die Senatsverwaltung für Justiz in <strong>Berlin</strong> begonnen, auch die geleistete<br />

Arbeit freier Träger durch Genderstatistik und Genderbudgeting zu erfassen. Es<br />

bleibt abzuwarten, ob die angefragten Leistungsbeschreibungen und Jahresplanungen<br />

Auswirkungen auf die Ermittlung geschlechtsspezifischer Bedarfe und Angebote<br />

haben werden.<br />

Aus der Diskussion ergaben sich vier Zielformulierungen:<br />

1. Bewusstsein vermitteln, dass Gender kein Frauenthema ist.<br />

2. Vermittlung von Genderkompetenz Top down in allen Bereichen von Verwaltungen,<br />

bei Trägern bis in die Einrichtungen.<br />

3. Bei der Vergabe von Fördermitteln müssen Genderaspekte berücksichtigt<br />

werden.<br />

4. Bedarfe sind neu und konkret zu ermitteln.<br />

Aus den Einrichtungen und dem Vollzug wurde wiederholt gefordert, dass Hilfen<br />

rechtzeitig und umfassend angeboten werden müssen. Kontroverse Positionen gab<br />

es auf die Feststellung, dass sich die Lebenssituationen straffälliger Frauen im Laufe<br />

der Jahre sehr verschlechtert hätten, und Armut sowie psychische und physische<br />

Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten vermehrt auftreten würden.<br />

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Ergebnis der Arbeitsgruppe 3<br />

________________________________________________________________________<br />

Die AG stellte zwei Thesen auf:<br />

• Straffälligkeit ist kein isoliertes Problem!<br />

• Voraussetzung für adäquate (inhaltlich+finanziell) Problemlösungen ist die<br />

Ressort übergreifende Entwicklung von fachpolitischen und gleichstellungspolitischen<br />

Zielen unter Beteiligung aller Verwaltungen und freier Träger.<br />

Die Mitarbeiterinnen der vier Einrichtungen stellten heraus, dass sie aktuell nicht in<br />

ihrer Existenz gefährdet seien. Alle Einrichtungen stehen aber unter permanentem<br />

Legitimationsdruck, die personelle Ausstattung sei schlecht und Planungsunsicherheiten<br />

führten zu hoher Fluktuation der MitarbeiterInnen.<br />

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Podiumsdiskussion<br />

________________________________________________________________________<br />

Frau Dr. Seus:<br />

Ich möchte Frau Dr. Weinbach, Frau Kummerow, Frau Gerlach und Herrn Blümel<br />

auf’s Podium bitten.<br />

Ich möchte Sie ganz herzlich begrüßen. Die beiden Frauen zu meiner Linken habe<br />

ich heute Vormittag schon getroffen. Zum Ablauf: Ich werde mich bemühen, das mit<br />

aufzunehmen, was in den Arbeitsgruppen diskutiert wurde. Ich möchte allerdings<br />

vermeiden, dass es dazu führt, dass dann diejenigen von Ihnen, die in den einzelnen<br />

Gruppen waren, das als bloße Wiederholung empfinden und denken, dazu haben wir<br />

ja schon zwei Stunden diskutiert. Vielleicht gelingt es uns ja, auch dadurch, dass<br />

neue TeilnehmerInnen dazu gekommen sind, neue Perspektiven einzubeziehen und<br />

das Ganze unter einem neuen Gesichtspunkt zu betrachten. Wir geben dann nach<br />

einer kurzen Einstimmungsrunde das Podium frei, und bitten Sie herzlich, sich zu<br />

äußern und Fragen zu stellen.<br />

In den Pausen wurde ich wiederholt gefragt, ob denn die heutigen Ergebnisse – auch<br />

das, was wir als Forderungen im Grunde genommen schon erhoben haben, als Thesen<br />

formuliert haben –, ob wir das in schriftlicher Form vielleicht auch an die Institutionen<br />

weiter geben, die heute leider nicht vertreten sind, vertreten sein können. Ich<br />

kann schon einmal sagen, dass es eine Tagesdokumentation geben wird, dass es<br />

nicht alles einfach im Raum stehen bleibt, dass es die Gelegenheit gibt, das auch<br />

noch weiter zu tragen.<br />

Damit jetzt auch wieder stärker ins Bild gerückt wird, wer hier vorne sitzt, möchte ich<br />

vorstellen: Frau Almuth Kummerow ist Diplompädagogin, Leiterin der Anlaufstelle<br />

für straffällig gewordene Frauen der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt am Main. Sie stellt<br />

den bundesweiten Bezug her. Frau Dr. Heike Weinbach ist Philosophin, Gestalttherapeutin,<br />

ehemalige Frauenbeauftragte der Alice-Salomon-Fachhochschule Trainerin<br />

für social justice and diversity, und sie lehrt an verschiedenen <strong>Berlin</strong>er Hochschulen.<br />

Zu meiner Rechten Frau Susanne Gerlach, Juristin und in der Referatsleitung der<br />

Abteilung Strafvollzug bei der <strong>Berlin</strong>er Senatsverwaltung für Justiz. Last but not least,<br />

Herr Matthias Blümel, Jurist und Sozialarbeiter und Leiter der <strong>Berlin</strong>er Frauenhaftanstalt.<br />

Wenn ich jetzt etwas Unkorrektes über Sie gesagt habe, können Sie es sofort<br />

korrigieren.<br />

Dann möchte ich Sie vier erst einmal bitten, den Bezug herzustellen aus Ihrem Arbeitsfeld,<br />

aus Ihrem Arbeitszusammenhang zum Thema der Tagung. Vielleicht können<br />

wir das gleich damit verknüpften, dass Sie aus Ihrer Sicht noch einmal das Thema<br />

der Tagung kommentieren: Worin liegt für Sie das Ungerechte in der Gerechtigkeit?<br />

Worin besteht die besondere Ausgangssituation von straffällig gewordenen<br />

Frauen? Frau Kummerow, möchten Sie anfangen?<br />

Frau Kummerow:<br />

Mein Bezug zum Thema ergibt sich aus meiner lebenslangen Arbeit mit straffällig<br />

gewordenen Frauen, die ich jetzt dreißig Jahre mache. Vor dreißig Jahren ist unsere<br />

Anlaufstelle für straffällig gewordene Frauen in Frankfurt als Bundesmodellprojekt<br />

gegründet worden. Wir haben immer Frauenarbeit gemacht, von daher ist für mich<br />

dieses Thema ja nichts Neues. Wie der Gender-Aspekt sich dazu verhält, ist natürlich<br />

eine andere Frage. Es war ein spezielles Frauenprojekt und wir haben es geschafft,<br />

es zu bleiben und so lange zu überleben, obwohl das Aus uns immer wieder im Nacken<br />

sitzt und auch letztendlich nicht vom Tisch ist. Die besondere Situation von<br />

Frauen ist, dass sie einen erhöhten Hilfebedarf haben, nicht weil sie schlechter sozialisiert<br />

oder böser sind als Männer, sondern die geringe Anzahl der Frauen im Strafvollzug<br />

zeigt schon, Straffälligkeit ist kein Frauenweg, auf soziale Schwierigkeiten zu<br />

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Podiumsdiskussion<br />

________________________________________________________________________<br />

reagieren. Wenn sie es dann eben doch tun, ist es eine ganz spezielle Auswahl von<br />

Frauen, die eben sehr viele Schwierigkeiten haben und von denen man sagen kann,<br />

sie sind an ihren Lebensbedingungen gescheitert und landen deshalb im Gefängnis.<br />

Und was sie dann brauchen ist soziale Hilfe und nicht bestraft zu werden. Ich möchte<br />

gleich noch Bezug nehmen auf den Bericht der ersten Arbeitsgruppe. Ich glaube<br />

auch nicht, dass Frauen alternative Sanktionen brauchen. Sie brauchen andere<br />

Hilfskonzepte, um im Leben zurecht zu kommen. Damit mache ich erst mal einen<br />

Punkt.<br />

Frau Dr. Seus:<br />

Frau Dr. Weinbach, bei Ihnen ist der Bezug vielleicht nicht ganz so augenfällig.<br />

Frau Dr. Weinbach:<br />

Ich fürchte, dass er insgesamt augenfälliger ist, als ich mir eigentlich selber wünsche.<br />

Der Schwerpunkt meiner Arbeit sind Antidiskriminierungs-Trainings. Ich arbeite mit<br />

Kolleginnen zusammen mit einem amerikanischen Konzept, das heißt social justice<br />

and diversity. Da geht es um die Verknüpfung von verschiedenen Diskriminierungsformen.<br />

Ich arbeite in unterschiedlichen Gruppen, also quer durch Verwaltungen und<br />

soziale Projekte. Es geht um die Sensibilisierung von Mitarbeiterinnen, aber auch von<br />

Betroffenen selbst, die anwesend sind, also z.B. aus dem ALG-II-Bereich, für die<br />

Diskriminierungsformen in der Gesellschaft und zwar unterschiedlichster Art und ihr<br />

Zusammenhang. Dabei ist der Bezug jetzt zum Thema straffällig gewordene Frauen<br />

oder überhaupt straffällig gewordene Personen der, da sich hier häufig zeigt, dass es<br />

eine Kumulierung von Diskriminierungsformen gibt. Wir diskutieren auch, dass wir<br />

eigentlich nicht nur auf Rassismus, Sexismus, Heterosexismus, Klassismus, also<br />

Diskriminierung aufgrund von Armut fokussieren müssen, sondern dass man auch<br />

Diskriminierung aufgrund von Straffälligkeit als eine eigene Diskriminierungsform fassen<br />

muss, die auch so zu beschreiben ist, und gegen die in einer ganz bestimmten<br />

Weise vorgegangen werden muss. Dies ist öffentlich zu thematisieren in einer ganz<br />

bestimmten Weise. Es gibt das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, darauf würde<br />

ich gerne später einmal im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming zu sprechen<br />

kommen, wo das natürlich nicht festgeschrieben ist. Es steht auch nicht drin, dass<br />

Diskriminierung aufgrund des sozialpolitischen Status überhaupt eine Diskriminierung<br />

ist. Es steht in der Menschenrechts-Charta der EU drin, Diskriminierung aufgrund<br />

sozialer Herkunft, aber es gibt eigentlich nur die UN-Charta zum minimalen Schutz<br />

von Strafgefangenen, die einen Anknüpfungspunkt bietet, um Menschen, die straffällig<br />

geworden sind, vor Diskriminierung zu schützen.<br />

Auf eine ganz große Menschenrechtsebene muss man sich beziehen, wenn man das<br />

thematisieren möchte. Also das Ungerechte an der Gerechtigkeit ist eine Kumulierung<br />

von verschiedensten Formen von Diskriminierung, mit denen wir es hier zu tun<br />

haben und die in der Gesellschaft nicht genügend thematisiert sind, zumal wir auch<br />

in einer Kultur leben, in der es ein hohes Potential überhaupt für Diskriminierungen<br />

gibt. Wir sehen das in den Bielefelder Studien von Heitmeier, die jedes Jahr rauskommen,<br />

dass so 20 bis 30% der Bevölkerung mindestens – meistens sogar noch<br />

mehr – anfällig sind für Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Heterosexismus. An<br />

der Situation von Menschen im Strafvollzug kommt das noch einmal geballt zusammen.<br />

Vielleicht gehen wir später noch einmal in die Details.<br />

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Podiumsdiskussion<br />

________________________________________________________________________<br />

Frau Gerlach:<br />

Beginnen wir mit meinem Bezug zu dem Thema. Ich bin sicher, dass fast alle von<br />

Ihnen, die hier im Raum sitzen, einen stärkeren persönlicheren Bezug zu genau diesem<br />

Thema haben. Ich bin seit 1. März vergangenen Jahres in der Senatsverwaltung<br />

für Justiz Referatsleiterin und zuständig u.a. für die Fachaufsicht über die Anstalten<br />

hier in <strong>Berlin</strong> und damit natürlich auch die Frauenhaftanstalt. Das Thema Strafvollzug<br />

in Gänze ist für mich daher noch kein Thema, das mich über sehr, sehr viele Berufsjahre<br />

befasst. In meinem Leben davor war ich viele Jahre lang Strafrichterin und habe<br />

in dieser Eigenschaft natürlich auch – gerade auch in den Zeiten beim Amtsgericht,<br />

weniger beim Landgericht – Erfahrungen mit Frauen, mit straffälligen Frauen in<br />

Verhandlungssituationen. Das ist eine andere Thematik, aber ich bin durchaus auch<br />

auf Dinge aufmerksam geworden und auch gestoßen, die sich letztlich dann auch<br />

hier in dieser Diskussion wiederfinden. Das setzt sich ja auch fort. Das ist ja nichts,<br />

was jetzt ein Spezifikum des Justizvollzuges oder des Frauenvollzuges ist, sondern<br />

diese Biographien erleben ja viele Episoden. Ich sitze ja hier, weil ich die Senatsverwaltung<br />

für Justiz repräsentiere und damit natürlich auch die Aufsichtsbehörde, die<br />

der Frauenhaftanstalt vorsteht. Ich muss ganz ehrlich sagen, auch bei der Vorbereitung<br />

auf dieses Thema, haben wir durchaus Anlass für Selbstkritik, das will ich hier<br />

auch so sagen. Wenn man Verantwortung hat in einem Ministerium für den Vollzug,<br />

dann steht vieles im alltäglichen Fokus. Sie alle wissen, dass die Zeiten für den Vollzug<br />

in Gänze zur Zeit alles andere als besonders einfach sind. Viele Schlagzeilen,<br />

skandalisierte Berichterstattung, schwierige Situationen in den Anstalten selber, in<br />

allen Anstalten, Personalabbau, all diese Dinge muss ich hier nicht näher erläutern.<br />

Man muss ganz ehrlich sagen, der Frauenvollzug rutscht im alltäglichen Geschäft<br />

eines Ministeriums durch oder befindet sich nicht immer im Fokus, um es einmal vorsichtig<br />

auszudrücken. Das ist dem Umstand geschuldet, dass der öffentliche Fokus<br />

und der der Politik natürlich meistens sich mit den Dingen befasst, die große Aufmerksamkeit<br />

erregen und das ist mit dem Frauenvollzug regelhaft nicht verbunden.<br />

Das ist ein Problem, das ist ein großes Problem. Ich denke, ich bin gespannt auf die<br />

Dokumentation, ich konnte leider nicht den ganzen Tag hier sein, es gibt sicher einiges<br />

zu verändern. Wir werden uns Gedanken machen müssen.<br />

Der Staatssekretär hat heute Morgen gesagt, und daran wollen wir uns auch messen<br />

lassen, dass gerade auch die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die<br />

Länder auch die Möglichkeit bietet, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen etwas<br />

zu machen. Wir haben hier in <strong>Berlin</strong> bereits den Entwurf eines Jugendstrafvollzugsgesetzes<br />

erarbeitet, der einen dezidierten Gender-Ansatz nicht vorsieht. Wobei ich<br />

übrigens auch nicht glaube, dass die gesetzlichen Regelungen das alles Entscheidende<br />

sein werden.<br />

Vollzugsgesetze sind meist nur ein Rahmen, es geht häufig vielmehr noch um die<br />

Ausführungsvorschriften, da gibt es viel mehr Möglichkeiten, kleinteiliger und differenzierter<br />

auf Besonderheiten einzugehen. Auch da haben wir hier in <strong>Berlin</strong>, das will<br />

ich ganz klar sagen, aber immerhin sind wir da ja nicht die Einzigen, auch keinerlei<br />

Besonderheiten, was den Frauenvollzug betrifft. Das ist die geltende Lage, aber ich<br />

denke, das ist bundesweit so. Da gibt es noch viel zu tun, zu lernen, zu hören und<br />

auch noch einiges zu verändern. Soweit erst mal für den Anfang.<br />

Herr Blümel: Der Bezug zu dem Thema ergibt sich schon aus der Arbeit, zusammen<br />

mit meinen Kolleginnen und Kollegen, die ja hier auch zum großen Teil anwesend<br />

sind. Wir sind ja täglich damit konfrontiert. Wir müssen mit den Folgen von Gerechtigkeit,<br />

die vielleicht auch in dem einen oder anderen Fall zur Ungerechtigkeit wird,<br />

leben. Wir versuchen, damit umzugehen und befinden uns dabei oft in einem Rech-<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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fertigungsdruck und in einer Situation, wo wir deutlich machen müssen: Es gibt einen<br />

Frauenvollzug, da gehen die Uhren anders. Frauen sind andere Menschen, auch im<br />

Vollzug. Selbst wenn wir nicht jeden Tag in der Zeitung stehen, weil irgend jemand<br />

über die Mauer gegangen ist oder ein größeres Vorkommnis passiert ist, kann das<br />

nicht immer dazu führen, dass die Situation sich bei uns verschlechtert.<br />

Ich habe das eben sehr interessiert gehört, und bin ganz begeistert. (Zwischenruf<br />

durch Frau Gerlach: Gott sei Dank war ich vor Ihnen dran.) Ich glaube, es ist sehr<br />

schwer, die Unterschiede immer deutlich zu machen. Es ist ja kein böser Wille der<br />

Beteiligten. Ich meine übrigens, dass wir nicht unbedingt ein neues Gesetz brauchen,<br />

sondern ich glaube einfach, dass es viel Spielräume lässt. Ein Mann, der reihenweise<br />

Frauen vergewaltigt, Kinder missbraucht hat, ist anders zu behandeln als eine Frau,<br />

die wegen Beihilfe zu einem Sexualdelikt verurteilt ist. Wenn wir einfach das Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />

anwenden können und sagen können: Also hier müssen mal<br />

nicht unbedingt zwei Beamte mit raus, die Frau kann vielleicht auch mit einer Person<br />

raus. Das sind so kleine Sachen, die unseren Spielraum enorm erweitern können. Ich<br />

wäre froh, wenn das nun jetzt durch diese Veranstaltung noch schneller geht.<br />

Frau Dr. Seus: Ich schlage vor, dass wir uns jetzt nicht länger mit einer Defizitanalyse<br />

aufhalten, was es alles noch nicht gibt und noch nicht funktioniert, sondern – das habe<br />

ich an einer Hochschule für soziale Arbeit gelernt – Ressourcen-orientiert auf den<br />

Weg machen und vielleicht hier noch gemeinsam Strategien und Maßnahmen entwickeln<br />

können, wie wir dem Ziel, Geschlechterdemokratie näher kommen können. Ich<br />

möchte nicht mit großen Utopien oder radikalen Gedanken beginnen, sondern sehr<br />

bodenständig auf die Situation bezogen, wie wir sie jetzt haben. Als erstes die Frage,<br />

wie wir die Zeit vor, während und nach der Inhaftierung von Frauen – also diese Lebenszeit<br />

– nutzen können, um ihnen, die an zentralen Bereichen und Ressourcen<br />

der Gesellschaft nicht gleichberechtigt teilnehmen, z.B. Arbeit, Geld, Wissen und<br />

Ausbildung und vor allem auch Anerkennung, wie wir also diese Zeit nutzen können,<br />

um Frauen zu mehr Teilhabe zu verhelfen. Noch einmal anders gefragt, aus Ihrer<br />

Sicht, so wie Sie die Frauen kennen gelernt haben: Was bräuchten die Frauen, um<br />

ihr Leben selbstbestimmter Leben zu können? Wir müssen jetzt nicht immer diese<br />

Reihenfolge einhalten. Also wer sich dazu äußern möchte ...<br />

Herr Blümel:<br />

Das ist nicht mit einem Satz zu beantworten. Es gibt einen Großteil von Frauen, die<br />

nach einer langen Kette bei uns landen. Ja was brauchen die? Ich glaube, sie brauchen<br />

sehr viel Selbstbewusstsein, sie brauchen Schonräume, sie brauchen Felder, in<br />

denen sie sich ausprobieren können, wo sie ihre Fähigkeiten entdecken und entwickeln<br />

können. Das sehe ich als sehr wichtigen Punkt an. Wenn man das versucht,<br />

dann hat man auch riesige Erfolge damit. Das können, glaube ich, auch die anwesenden<br />

Mitarbeiterinnen des Frauenvollzugs der anderen Bundesländer bestätigen.<br />

Unsere Kunstprojekte, unsere Theaterprojekte, viele Dinge fördern Talente heraus,<br />

die man den Frauen überhaupt nicht zutraut. Bei uns machen z.B. auch Drogenabhängige<br />

den internationalen PC-Führerschein, was nicht immer ganz einfach ist. Anfangs<br />

dachte man, das geht überhaupt nicht. Das FrauenComputerZentrum hat es<br />

geschafft. Das sind Anstöße, die man so hat, in einem relativen Ruheraum. Ich sehe<br />

es auch so, wie Herr Cornel vorhin vorgetragen hat, dass einige in der Tat diesen<br />

Ruheraum auch für sich nutzen. Deswegen spreche ich nicht unbedingt für den<br />

Knast. Das muss nicht unbedingt der Knast sein.<br />

Frau Kummerow: Da möchte ich mich sehr dem Herrn Blümel anschließen. Selbstbewusstsein,<br />

Schutz, Ermutigung, das ist, was sie brauchen und natürlich eine Hilfe-<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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stellung zur Existenz und zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Wir definieren<br />

Kriminalität immer als ein Scheitern an Lebensbedingungen. Das heißt, das ist der<br />

objektive Faktor, dass die Lebensbedingungen sehr schlecht waren und der subjektive<br />

Faktor, dass sie nicht vorbereitet waren, mit ihren Bedingungen zurecht zu kommen.<br />

Zu beidem brauchen sie Hilfe und Unterstützung. Den Knast bräuchten sie eigentlich<br />

nicht, denke ich. Es ist schlimm, dass sie oft das, was sie brauchen, dann<br />

erst im Strafvollzug bekommen. Nicht dass jemand denkt, ich würde Strafvollzug<br />

entwerten wollen und was da an sinnvollen Sachen gemacht wird, wirklich gar nicht!<br />

Aber es ist schlimm, dass sie bis dahin kommen, um bestimmte Unterstützungen zu<br />

bekommen. Ich denke, man könnte sie vorher auch erreichen und ihnen das vorher<br />

geben. Der Schonraum, der bezieht sich vor allem auf Gewalt. Das darf man nicht<br />

vergessen. Das ist das, wovor sie drinnen geschützt werden. Vor der Gewalt, die sie<br />

in ihren Lebenszusammenhängen erleben. Das ist etwas, was man nie vergessen<br />

darf, dass Frauen im Gefängnis in der Regel alle die Erfahrung von Gewalt und sexuellem<br />

Missbrauch haben.<br />

Frau Dr. Weinbach: Ich denke, dass es wichtig ist, Frauen nicht unter die Frauen zu<br />

fassen, sondern den Blick auf das Individuum zu nehmen und zu gucken, wo sind<br />

eigentlich Unterschiede, und dann dementsprechend unterschiedliche Bedarfe und<br />

Bedürfnisse ausmachen. Vielleicht gibt es, wenn wir das unter dem Gender<br />

Mainstreaming oder Gender-Aspekt betrachten auch Frauen, die sich gar nicht als<br />

Frauen definieren möchten, wie wird mit denen umgegangen, und wie wird auf deren<br />

Bedürfnisse eingegangen? Wie finden sie einen Schonraum auch im Gefängnis? Wie<br />

wird mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen umgegangen, wie wird mit Behinderungen<br />

umgegangen, also dass das alles mit berücksichtigt wird und das Individuum<br />

in den Vordergrund rückt. Einen anderen Aspekt finde ich wichtig, das habe<br />

ich aus amerikanischen Community-Programmen gelernt: Partizipation als politischer<br />

Raum zur Artikulation ist ein ganz wichtiger Aspekt von Selbstbewusstsein, nicht nur<br />

bei straffällig gewordenen Personen oder Frauen oder auch Männer, sondern auch<br />

bezogen auf sonstige Gruppen der sozialen Arbeit. Das stärkt und schafft auch einen<br />

öffentlichen Raum, dass diese Stimmen überhaupt gehört und anders gehört werden<br />

als über eine skandalisierende Presse. Das halte ich für einen ganz, ganz wichtigen<br />

Punkt, wo es noch viel zu tun gibt: Partizipation herzustellen und darüber auch Anerkennung<br />

im öffentlichen Raum.<br />

Frau Gerlach: Was wir Frauenspezifisches im Vollzug brauchen, wissen bestimmt<br />

viel besser diejenigen wie Herr Blümel, die jeden Tag mit ihnen zusammen arbeiten.<br />

Aber ich denke, dass es generell so ist, dass Vollzug und Knast, so schwierig es häufig<br />

ist, auch Chancen bietet, mit Menschen zu arbeiten, ihnen Anregungen zu geben.<br />

Ich denke, dass es deshalb ganz wichtig ist, dass speziell im Frauenvollzug Angebote<br />

unterbreitet werden, die auch etwas weg kommen von klassischen Frauenbildern.<br />

Wir müssen uns fragen, was bieten wir im Frauenvollzug für Qualifizierungsmöglichkeiten<br />

und Arbeitsmöglichkeiten an, was bieten wir an für Rollenbilder? Ich denke,<br />

dass wir gut daran tun, und dies tun wir hier in <strong>Berlin</strong> auch, jedenfalls in den begrenzten<br />

Möglichkeiten. Ich muss immer wieder sagen, sehr viel mehr wäre noch schöner,<br />

aber da passiert einiges. Ich finde z.B. auch den Zugang zu IT, zu E-Learning zu all<br />

diesen Dingen ist gerade für Frauen ganz besonders hilfreich. Das sind Dinge, die<br />

sie sicherlich vorher nicht erfahren haben. Also dass man in diese Richtung, ein bisschen<br />

weg von den klassischen Dingen, die sich da häufig hinter verbergen, kommt,<br />

und Alternativen anbietet. Menschen in Haft generell brauchen ganz vieles Unterschiedliches.<br />

Ich denke, was Menschen brauchen, das ist vermutlich eine Frage, die<br />

den Rahmen dieser Diskussion sprengen würde, und auf die es auch nie pauschale<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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Antworten gibt. Jeder Mensch ist unterschiedlich und braucht auch etwas Unterschiedliches,<br />

das darf man auch nicht vergessen.<br />

Frau Dr. Seus: Nach der kleinen Einstimmungsrunde möchte ich das Podium jetzt<br />

gerne öffnen und um ihre Beiträge und Fragen bitten. Hier ist ein Mikrophon im Mittelgang.<br />

Publikumsfrage: Meine Frage geht speziell an Frau Gerlach. Sie haben sich in Vorbereitung,<br />

haben Sie gesagt, erkundigt über die Defizite in der <strong>Berlin</strong>er Justizverwaltung<br />

und dem Vollzug. Würden Sie sich denn trauen, darüber mal ein paar Dinge zu<br />

benennen, die Ihnen da aufgefallen sind, die man künftig bearbeiten müsste, das<br />

wäre ganz interessant. Das zweite: In meiner Arbeitsgruppe haben die Experten besonders<br />

darauf hingewiesen, dass im geschlossenen Vollzug ja eben gerade nicht<br />

alle möglichen Formen von Entwicklung betrieben werden. Wenn man also sagt, die<br />

sollen da Weiterbildung, Kunst und weiß der Teufel was sonst betreiben und gerade<br />

das da eben nicht, denn die sitzen im Gefängnis, dann widerspricht das dem ja. Deshalb<br />

wollte ich einfach mal wissen, was gemeint war. Danke schön.<br />

Frau Gerlach: Ich habe mich vielleicht vorher nicht ganz klar ausgedrückt. Ich möchte<br />

das noch einmal sagen. Ich habe mich im Vorfeld nicht über Defizite informiert. Das<br />

ist vielleicht ein bisschen schief rüber gekommen. Was ich gesagt habe, ist, dass ich<br />

mich im Vorfeld auch Dank sehr kompetenter Kolleginnen in unserer Abteilung intensiv<br />

mit dieser Problematik befasst habe. Dass es Defizite gibt, auch im Vollzug, Defizite<br />

in allen Bereichen, das ist doch überhaupt keine Frage, das ist unstrittig. Vieles<br />

wäre schön im Leben, und auch im Vollzug wäre vieles schön und auch im öffentlichen<br />

Dienst, und auch im Land <strong>Berlin</strong> generell. Wir könnten von vielen Dingen, die<br />

wir haben, noch mehr gebrauchen, das ist auch richtig. Auf der anderen Seite, will ich<br />

jetzt nicht in diese allgemeine Debatte wieder verfallen, die auch jetzt vielleicht nicht<br />

zum Thema gehört, Personalausstattung und all diese Dinge. Das finde ich jetzt vielleicht<br />

auch ein bisschen zu weit.<br />

Einwurf aus dem Publikum: Sie möchten die Frage nicht beantworten.<br />

Frau Gerlach: Natürlich beantworte ich Ihre Frage gerne. Es gibt aber eine Überschrift,<br />

zu der wir uns hier unterhalten sollten. Ich habe gesagt, dass ich Defizite gesehen<br />

habe und das ist, was das Thema hier konkret betrifft. Dabei wie wir als Verwaltung,<br />

wir als Ministerium teilweise auch in Ausführungsvorschriften, um es ganz<br />

konkret zu sagen, nicht in allen Fällen den Besonderheiten des Frauenstrafvollzuges<br />

gerecht werden. Ich habe auch gesagt, dass wir uns damit in bester Gesellschaft mit<br />

allen anderen Bundesländern befinden. Das habe ich auch gesagt. Das ist allerdings,<br />

und das hat heute morgen auch Herr Lieber, wenn Sie schon da schon da waren,<br />

gesagt, dass es durchaus Veranlassung gibt, auch die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz<br />

zu nutzen und sich Gedanken zu machen, hier noch deutlichere<br />

Akzente zu setzen. Habe ich Ihre Frage jetzt ein bisschen beantwortet?<br />

Publikumsantwort: akustisch nicht zu verstehen, da nicht das Mikrophon genutzt<br />

wurde.<br />

Frau Gerlach: Ich könnte wahrscheinlich noch ganz lange hier reden, aber ich bin ja<br />

nicht die Einzige, die hier sprechen möchte. Aber eins will ich auch sagen, ich will<br />

auch wenn ich jetzt für dieses Haus, für diese Senatsverwaltung hier spreche, überhaupt<br />

nicht behaupten, dass in den Anstalten in den einzelnen Vollzugsbereichen<br />

alles so toll und so schön ist, wie wir uns das häufig wünschen. Wir haben hier in<br />

<strong>Berlin</strong> eine schwierige Gesamtlage, und wir haben eine sehr desolate Haushaltslage,<br />

das wissen Sie alle. Wir haben hier im <strong>Berlin</strong>er Vollzug, auch im Frauenvollzug, und<br />

dort ist es wahrscheinlich ein Bereich, wo es besonders schmerzhaft ist, Personal<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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abbauen müssen. Das haben wir tun müssen, das haben wir nicht gerne getan, das<br />

hat auch sicherlich zu verschlechterten Bedingungen geführt. Wir können jetzt noch<br />

ein bisschen weiterreden. Die Frage ist, ist genügend Personal vor Ort, ist Personal<br />

auf den Stationen, Stichwort soziale Sicherheit, was für Beziehungsarbeit besonders<br />

wichtig ist. Das ist es aber auch in der Jugendstrafanstalt, in Tegel und in Moabit.<br />

Publikumsfrage: (Anfang akustisch nicht verständlich, da sie nicht über Mikrophon<br />

aufgenommen werden konnte) ... Ich wollte jetzt mal wissen, wo fängt das Rechtsberatungsgesetz<br />

an zu wirken? Weil wir Deutschen haben ja ein Rechtsberatungsgesetz.<br />

Wo darf der Sozialarbeiter Informationen nicht weiter geben. Das ist zwar nicht<br />

eine Frage an Sie, sondern eine allgemeine Frage an den Bundesgerichtshof, weil<br />

das ja unheimlich blockiert. Es gibt ja in keinem Land ein Rechtsberatungsgesetz. In<br />

wie weit darf ein Sozialberater auch mal Informationen nicht weiter geben, die Gesetze<br />

betreffen oder ist irgend etwas in Arbeit? Das betrifft zwar Frau Zypries, die will<br />

sich ja auch darum kümmern, aber die Rechtanwälte lassen das nicht zu.<br />

Herr Blümel: Wenn ich ganz ehrlich bin, ich möchte es gar nicht wissen. Ich möchte<br />

es deswegen nicht wissen, weil ich weiß, dass ich dann immer viel gründlicher nachgucken<br />

müsste, wann ein Sozialarbeiter dagegen verstößt. Ich weiß, wir haben auch<br />

bei uns Juristen, die Kurse geben in bestimmten Themenfeldern, die einer Rechtsberatung<br />

sehr nahe kommen. Von daher möchte ich eher nicht genau hingucken, weil<br />

da findet man bestimmt den einen oder anderen Verstoß bei uns. Aber das hilft Ihnen<br />

wahrscheinlich nicht weiter, oder?<br />

Publikumsantwort: akustisch nicht verständlich.<br />

Frau Dr. Seus: Dann gebe ich noch einmal einen weiteren Impuls. Und ich werde<br />

dann immer unterbrechen und Sie bitten, wieder aktiv einzusteigen. Gender<br />

Mainstreaming hat ja unter anderem auch das Ziel, festgelegte Geschlechterrollen<br />

oder stereotype Zuschreibungen in unserem Fall jetzt, was wir von Frauen erwarten<br />

oder was Weiblichkeit ist, zu verändern. Meine Wahrnehmung ist, dass im Strafvollzug<br />

diese Zuschreibungen von traditioneller Weiblichkeit eher stabilisiert werden, als<br />

dass die Chance besteht, die aufzubrechen. Auch hier wieder meine Frage, welche<br />

konkreten, maßgeschneiderten Maßnahmen kann man anbieten, um dort auch mehr<br />

Raum zu geben, und was könnte in dem Zusammenhang die Initiierung von Genderkompetenz<br />

oder auch social justice Training konkret bewirken?<br />

Herr Blümel: Durch unsere Projekte versuchen wir schon, den Raum zu lassen, ein<br />

eigenes Rollenbild zu entwickeln. Ich weiß nicht, ob der Strafvollzug der richtige Ort<br />

dazu ist. Ich kann mal ein kleines Beispiel dazu nennen. Meine erste Bekanntschaft<br />

mit unserem PC-Kurs E-LIS war eine Präsentation der Ergebnisse der ersten oder<br />

zweiten Staffel. Das Thema der Abschlussarbeit war, eine Familienfeier zu organisieren.<br />

Mittels Internetrecherche eine Feier zu gestalten. Alles, was dazu gehört, preislich<br />

eingegrenzt, fertig zu stellen, zu organisieren und ein bestimmtes Preislimit auch<br />

nicht zu überschreiten. Alle zwölf Frauen haben eine Hochzeit genommen, die zwar<br />

ausgesprochen unterschiedlich waren, also von der Punk-Hochzeit, die mit der Hundetheke,<br />

die ganz wichtig war, bis zur, ich möchte sagen, weißen Kutsche und fünf<br />

Pferden, also Hedwig Courths-Mahler. Wahrscheinlich würde man sagen, na ja das<br />

sind wieder typische Frauenbilder und -rollen, die die Frauen dann aber bereits mitgebracht<br />

haben. Der PC ist ja nur ein Medium, was denke ich wirklich sehr geschlechtsneutral<br />

ist. Trotzdem wird da dann so etwas produziert, hervorragend übrigens<br />

mit viel Liebe und Mühe. Es war sehr sehr beeindruckend. Also wir können einfach<br />

nur Räume bieten, im Rahmen unserer Möglichkeiten. Das hört sich so an, als<br />

wenn alles ganz toll wäre, ist es natürlich nicht. Aber im Rahmen unserer Möglichkei-<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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ten bieten wir Entwicklungsräume und begleiten. Aber den größten Einfluss haben<br />

wir, glaube ich, nicht darauf.<br />

Frau Dr. Seus : Eine kleine Anmerkung, es ist jetzt gar nicht meine Rolle. Wir sind ja<br />

noch auf dieser Ebene der kleinen Schritte, auf der Ebene von maßgeschneiderten<br />

Maßnahmen und vielleicht auch von kreativen Maßnahmen und ich denke, wir haben<br />

ja oft die Situation, dass Frauen im Strafvollzug in den Abteilungen für das Kochen,<br />

Putzen und Nähen, also in den klassischen Bereichen eingesetzt werden. Ich denke,<br />

es macht schon einen Unterschied, ob Frauen, ich karikiere das mal ein bisschen<br />

flächendeckend, irgend welche Handschuhe oder Hosen nähen. Oder wie im Hamburger<br />

Strafvollzug als Projekt durchgeführt, mit Designerinnen zusammen selbst<br />

Kleidungsstücke entwerfen und herstellen, die dann in Hamburger Boutiquen verkauft<br />

werden. Das hat das Selbstwertgefühl dieser Frauen enorm erhöht, weil diese<br />

Art zu nähen auch nach der Entlassung gefragt ist. Das wird unter Umständen auch<br />

gut bezahlt. Das ist so die Ebene, auf der ich mich im Augenblick bewege. Was<br />

könnte man, wenn man mehr Kreativität und vielleicht mal ein bisschen Querdenken<br />

einsetzt, vielleicht auch innerhalb dieser Strukturen anders machen? Vielleicht gibt es<br />

auch Beispiele aus anderen Bundesländern.<br />

Publikumsantwort: (akustisch teilweise nicht zu verstehen) ... Migrantinnen, die nach<br />

dem sie entlassen sind, abgeschoben werden, haben weniger Motivation, einen Kurs<br />

zu machen als die Deutschen, die hier bleiben. ... Ein Zertifikat über die Teilnahme<br />

an einem Kurs zu bekommen, das im Heimatland hilfreich wäre, würde die Motivation<br />

erhöhen ...<br />

Frau Dr. Seus: Unter Umständen ein Anfang, um sich eine eigene Existenz zu sichern.<br />

Herr Blümel: Das ist immer schwierig vorzuhalten. Abschlussorientierte Arbeiten bedingen<br />

bestimmte Voraussetzungen. Gerade bei Frauen aus anderen Ländern. Sie<br />

haben dann immer erst mal ein Sprachproblem, und schaffen dann meistens nicht<br />

mehr die lange Zeit der Ausbildung. Wir hatten mal vorübergehend, ich glaube sogar<br />

mit Ihnen, Kosmetikkurse angeboten. Wenn man in Deutschland etwas amtlich bescheinigen<br />

will, dann muss es immer über die Handwerkskammer gehen. Da hängen<br />

Kriterien dran, die meistens die Bedingungen des Vollzuges gar nicht zulassen. Entweder<br />

die Frauen werden früher entlassen oder die Gruppe der Frauen ist so klein,<br />

dass man dafür nicht die finanziellen Mittel erhält, um einen durchgehenden dreijährigen<br />

Kurs anzubieten.<br />

Gleiche Teilnehmerin: (Antwort ist leider nicht zu verstehen)<br />

Frau Kummerow: Ich finde es sehr wichtig, was Sie sagen unter zweierlei Aspekten.<br />

Jeder vernünftig denkende Mensch wird Ihnen zustimmen, natürlich, und das ist ja<br />

tatsächlich eine reine Armutskriminalität. Wenn man diesen Frauen eine Chance bieten<br />

könnte, wenn sie zurück gehen, dann was mitgeben könnte, dass sie sich und<br />

ihre Kinder da aus der Armut befreien würden, das wäre eine Entwicklungspolitik<br />

sondergleichen, die mit relativ einfachen Mitteln gemacht werden könnte. Es gibt<br />

auch einzelne solcher Projekte. In Frankfurt gibt es zum Beispiel einen Verein von<br />

der katholischen Kirche, die bieten einen Nähkurs an, und die Frauen bekommen,<br />

wenn sie abgeschoben werden, eine Nähmaschine mit. Und das reicht für sie, um<br />

sich eine Existenz aufzubauen. Die Fähigkeit zu Nähen und eine Nähmaschine. Das<br />

ist das eine, was ich total wichtig finde und das andere ist der Hinweis, dass die<br />

Frauen, über die wir sprechen und für die wir die Konzepte machen, nicht die Gesamtpopulation<br />

des Vollzuges wieder spiegeln. Unter den ca. 4000 Frauen sind viele<br />

Frauen, die aus ganz anderen Lebenszusammenhängen kommen. Da sind unter an-<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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derem auch reine Abschiebegefangene bei, die nie wirklich hier waren, nicht hier<br />

bleiben können und wollen und gleich abgeschoben werden. Dann gibt es natürlich<br />

auch Frauen, die hier ihren Lebensmittelpunkt hatten, die bleiben wollen und auch<br />

abgeschoben werden. Das ist eine relativ große Gruppe, die, ich weiß jetzt gar nicht,<br />

wie ich es formulieren soll, es ist für mich nach wie vor eine tiefe emotionale Berührung.<br />

Es ist grauenvoll, es ist ganz grauenvoll. Ich habe mehrere solcher Frauen begleitet<br />

und das ist schlimm. Ihnen wir nicht nur für ein paar Jahre die Freiheit genommen,<br />

ihnen wird ihre gesamte Existenz und Zukunft genommen.<br />

Publikumsfrage: Könnten Sie etwas zum Durchschnittsalter der Frauen sagen und<br />

welchen Bildungsstands sie haben?<br />

Herr Blümel: Ich glaube, das Durchschnittsalter würde Ihnen nichts sagen, weil wir<br />

von 14 bis ich glaube 85 Jahre schon alles hatten. Der Schwerpunkt liegt bei den<br />

Frauen so zwischen 20 und 35, würde ich sagen. Bezüglich der Ausbildung gibt es<br />

viele Frauen, die keinen Hauptschulabschluss haben. Wir haben auch einen hohen<br />

Prozentsatz von Analphabetinnen. Natürlich gibst es auch immer einige Ausnahmen.<br />

Wir haben allerdings auch sehr hochbegabte Jugendliche, die bei uns das erste mal<br />

gern zur Schule gehen. Die das anfangs noch sehr merkwürdig finden, weil das<br />

glauben ihre Eltern nie, sagen sie dann, dass sie Spaß am Lernen haben. Die draußen<br />

die vierte Klasse nicht beendet haben, dann irgend wann in den street-cornersocieties<br />

versandet sind. Also der Ausbildungsstand ist sehr schlecht, würde ich sagen.<br />

Reicht das?<br />

Publikumsantwort: (ohne Mikrophon akustisch nicht zu verstehen)<br />

Frau Dr. Weinbach: Ich möchte noch einmal unterstützen, was Frau Kummerow gesagt<br />

hat. Eine von vielen verschiedenen Gruppen im Strafvollzug sind die Frauen, die<br />

von Abschiebung bedroht sind. Sie sind nicht nur Abschiebung bedroht, man muss ja<br />

dann auch sagen, dass sie auch konkret von Tod, Folter, Diskriminierung, Verfolgung<br />

bedroht sind, weil das ja häufig die Konsequenzen sind, wenn sie in ihre Länder zurück<br />

müssen. Das bedarf einer speziellen politischen Lobbyarbeit. Das darf nicht vergessen<br />

werden, wenn über Strafvollzug geredet wird. Es muss thematisiert werden<br />

und insbesondere die Politik ist gefragt, Gesetze zu verändern, dass so etwas einfach<br />

nicht mehr möglich ist. Aber auch jeder und jede von uns ist gefragt, politisch<br />

aktiv zu werden und zu sagen, wir wollen eigentlich nicht so eine Situation in unserem<br />

Land. Wir wollen nicht zulassen, dass mit Menschen so etwas gemacht wird.<br />

Vielleicht ist es eine andere Grundlage oder schafft es eine andere Kultur, dass wir<br />

nicht nur Gender Mainstreaming haben, sondern dass GM von Anfang an ja auch auf<br />

europäischer Ebene verkoppelt war, das ist im Beitrag von Frau Wielpütz angeklungen,<br />

mit einer Ebene von Mehrfachdiskriminierung. GM meinte von Anfang an nicht<br />

nur, Diskriminierung aufgrund von Geschlechtszugehörigkeit. Die EU hat von Anfang<br />

an gefordert, dass geguckt werden muss, wie das mit anderen Diskriminierungsformen<br />

zusammen hängt und diese auch zu thematisieren, zu problematisieren und<br />

Maßnahmen zu ergreifen, die allen Ebenen gerecht werden. Leider hat die Bundesrepublik<br />

Deutschland erst am 16. August 2006 das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz<br />

verabschiedet, aber immerhin, so unzureichend es ist, wir haben jetzt dieses<br />

Gesetz. Es schafft natürlich in Verbindung mit Gender Mainstreaming eine vollkommen<br />

andere Situation. Auch insbesondere in den Institutionen oder den öffentlichen<br />

Institutionen. Alle öffentlichen Institutionen sind gefordert, das umzusetzen, das<br />

heißt, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schulen aber auch dafür zu sorgen,<br />

dass wir Institutionen haben, egal um welche es sich handelt, die diskriminierungsfrei<br />

sind. Ich denke, es ist ein langer Prozess, das innerhalb der Institutionen herzustellen.<br />

Im Strafvollzug bedeutet das nicht nur, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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arbeiten, also in Form von Schulungen, und aus den Schulungen resultierend vielleicht,<br />

Ordnungen zu erstellen. Es bedeutet nicht nur, Unternehmenskultur, Institutionskultur<br />

herzustellen, die Antidiskriminierung deutlich festschreibt, sondern es heißt<br />

auch, für diejenigen, die jetzt im Strafvollzug sind, zu sehen, dass unter den Inhaftierten<br />

keine Diskriminierungen stattfinden. Denn das passiert ja natürlich auch ganz<br />

stark, das heißt, es muss auch mit den Personen gearbeitet werden, sei es jetzt im<br />

Strafvollzug oder in ambulanten Maßnahmen, wie auch immer. Es ist darauf zu achten,<br />

dass dort kein Rassismus stattfindet, dass Lesben und Schwule nicht diskriminiert<br />

werden. Das passiert auch auf der Mitarbeiterinnenebene. Diskriminierungen<br />

muss auf allen Ebenen in Form von Schulungen aber auch als Resultat von Schulungen<br />

sowie in der Herstellung einer bestimmten Kultur, die sie verhindern, entgegen<br />

gewirkt werden. Das muss jetzt umgesetzt werden, die Anforderung steht durch<br />

das AGG und da ist GM praktisch schon als ein Komplex mit drin. Das kann man<br />

nicht mehr isoliert sehen, die reine Geschlechtszugehörigkeit oder Diskriminierung<br />

aufgrund des Geschlechts.<br />

Frau Dr. Seus: Da möchte ich konkret noch einmal ansetzen. GM als sogenanntes<br />

top down Modell. Ein Konzept von Gleichstellungspolitik durch Führungskräfte, die<br />

verantwortlich sind, dafür dass es in ihren jeweiligen Institutionen eingeführt und umgesetzt<br />

wird, die auch verantwortlich sind, für eine Zusammenarbeit. Jetzt wurde<br />

auch in den Arbeitsgruppen schon zum Teil darüber diskutiert, wie sie das einschätzen.<br />

Es wird zum Einen gesagt, es ist ganz wichtig, dieses top-down-Modell, es muss<br />

sozusagen von den Mächtigen von oben verordnet werden, andere haben gesagt,<br />

das funktioniert nicht das allein kann nicht funktionieren und auch in Ihren Veröffentlichungen<br />

habe ich entnommen, dass Sie sagen, darauf können und dürfen wir uns<br />

nicht verlassen. Also Prozesse müssen auch von unten, durch die Betroffenen, durch<br />

die Mitarbeiterinnen usw. initiiert werden. Vielleicht können wir dazu noch einmal<br />

Meinungen Erfahrungen einholen.<br />

Frau Gerlach: Man soll sich ja in der Regel sowieso nie, nur auf andere verlassen,<br />

wenn einem eine Sache ein wichtiges Anliegen ist. Hier in <strong>Berlin</strong> ist es so, das ist<br />

heute morgen auch schon mehrfach gesagt worden, dass Gender Mainstreaming auf<br />

Senatsebene, auf Abgeordnetenhausebene, also top top ist sozusagen. Das ist<br />

schon gelaufen, die Beschlüsse stehen. Aber natürlich heißt das noch lange nicht,<br />

dass hier diese Dinge so umgesetzt worden sind, wie das wünschenswert wäre . Von<br />

daher ist es unbedingt notwendig, dass das nicht nur von oben nach unten geht,<br />

sondern natürlich sollten auch diejenigen an der Basis sich aktiv daran beteiligen. Da<br />

soll man nicht warten, bis es von oben so zu sagen runter läuft. Aber die politisch<br />

Verantwortlichen und auch gerade die in Führungspositionen sind da natürlich nach<br />

wie vor gefordert, das ist selbstverständlich.<br />

Frau Dr. Weinbach: Also glücklicher Weise leben wir ja noch in einer Demokratie.<br />

Das bedeutet, es steht natürlich allen Mitarbeiterinnen frei, aktiv zu werden, und<br />

Gender Mainstreaming auch tatsächlich zu gestalten. Meine Erfahrungen ist eigentlich,<br />

wenn es in Institutionen Personen gibt, die initiativ werden, die eigene Ideen<br />

einbringen und sie umsetzen, dann kann auch was verändert werden, auf Institutionsebene,<br />

oder es kann auch in die Politik auf einer anderen Ebene mit getragen<br />

werden. Aber natürlich ist es wichtig, das auch zu tun. Ich sehe, da gibt es einen<br />

Zwangsmechanismus. Ich beobachte das gerade in der sozialen Arbeit sehr stark.<br />

Die Anforderungen in der Arbeit sind stark gewachsen. Was alles gemacht werden<br />

muss, und wie wenig Personal dann existiert, politisches Engagement kommt dabei<br />

häufig zu kurz. Vielleicht ist das auch gewollt, zumindest teilweise, also dass die Situation<br />

an den Arbeitsplätzen so strukturiert ist, dass die Menschen nicht mehr poli-<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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tisch sein können oder politisch werden können. Aber trotzdem denke ich, ist es<br />

wichtig, da zu gucken, wo kann man Spielräume ausmachen, um diese Möglichkeiten<br />

wieder her zu stellen oder vielleicht wenigstens ein bisschen zu vergrößern auch.<br />

Publikumsbeitrag: Ihr Schlagwort top down hat mich auf die Frage gebracht, ist es<br />

eigentlich bekannt, wie viel Frauenhaftanstalten in der Bundesrepublik von Männern<br />

geleitet werden und wie viel Frauen es in dieser Position gibt? Ich weiß eigentlich nur<br />

von einer inzwischen. Früher in meiner stürmischen Jugend, haben wir in Hessen<br />

einmal sehr gekämpft, dass die Frauenhaftanstalt in Frankfurt in Nachfolge von Frau<br />

Dr. Helga Einsele von einer Frau geleitet wird. Das ist am Schluss so ausgegangen,<br />

dass nach vielen Wechseln jetzt seit über 20 Jahren ein Mann an der Spitze steht,<br />

der das sehr kompetent und umsichtig macht, aber so ganz ganz glücklich sind wir<br />

mit ihm ja eigentlich doch nicht. Ich meine auch, dass es eigentlich diesem Gender<br />

Mainstreaming Gedanken doch sehr widerspricht. Wir wollen im Strafvollzug ja doch<br />

unter anderem erreichen, dass die Frauen ein selbstverantwortliches Leben führen.<br />

Wenn sie in einem Umfeld leben, in dem lauter Frauen sind und nur oben an der<br />

Spitze steht ein Mann, das ist doch eigentlich kontraproduktiv. Wobei ich mir überlegt<br />

habe, ob ich Ihnen das zumuten kann, eine solche Frage zu erörtern. Ich bin überzeugt,<br />

dass Sie das wunderbar machen, bitte verstehen Sie es nicht persönlich.<br />

Herr Blümel: Ja vielleicht kann ich einfach mal sagen, wie ich dazu gekommen bin.<br />

Die Senatsverwaltung hat unter den Gesichtspunkten, die sie auch genannt haben,<br />

versucht, Frauen für diese Position zu finden. Zwei aussichtsreiche Kandidatinnen<br />

haben sich durch Schwangerschaft diesem Job entzogen, so dass ich sozusagen als<br />

Notnagel dann installiert wurde und ich bin dann geblieben bis heute. Die Senatsverwaltung<br />

ist ja auch eifrig dabei, sehr viele Frauen als Anstaltsleiterinnen in Männeranstalten<br />

zu installieren. So ein Austausch von gegensätzlichen Kulturen, männlichen<br />

und weiblichen, finde ich, das ist ganz produktiv. Bisher sind meine Erfahrungen<br />

zumindest so. Ich klebe auch nicht an meiner Position. Wenn eine geeignete<br />

Kandidatin da wäre, würde ich auch wechseln.<br />

Frau Gerlach: Dazu muss ich jetzt ganz kurz was sagen. Zum Einen, dass Herr Blümel<br />

das tatsächlich ganz hervorragend macht und es überhaupt keine Veranlassung<br />

gibt, einen Wechsel vorzunehmen. Was ich aber doch sagen möchte ist, dass Frauen<br />

in Führungspositionen ein generelles Thema sind, was aber einen viel weiteren<br />

Kontext hat. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich so ist, dass speziell in der Frauenhaftanstalt<br />

eine Frau an der Spitze eine bedeutend bessere Wahl wäre. So allgemein<br />

würde ich das, glaube ich, nicht teilen. Ich würde mir natürlich wünschen, dass es in<br />

verantwortlichen Positionen in einer Frauenhaftanstalt auch Frauen gibt, selbstverständlich,<br />

das ist klar. Aber ob es immer so sein muss, dass es die Leiterin ist, das<br />

weiß ich nicht. Ich würde mir generell wünschen, dass es mehr Frauen in Führungspositionen<br />

gibt. Ich glaube nicht, wenn wir über Frauen in Haft sprechen, dass die<br />

einzige Ausrichtung in der Hierarchie die sein muss, wer Leiter oder Leiterin dieser<br />

Anstalt ist.<br />

Ich finde es erfreulich – politisch kann man das bewerten, wie man will – dass wir<br />

eine Bundeskanzlerin und Bundesministerinnen haben. Dass wir in <strong>Berlin</strong> auch Anstaltsleiterinnen<br />

haben, das ist mir ein wichtiges Anliegen. Wir haben es in der <strong>Berlin</strong>er<br />

Frauenhaftanstalt immer so gehalten, dass die Vertreterposition durch eine Frau<br />

besetzt war und ist. Das kann auch mal irgendwann wieder wechseln. Dann wird es<br />

vielleicht anders herum oder es bilden zwei Frauen oder zwei Männer das Leitungsteam.<br />

Im Ergebnis ist das alles Entscheidende, dass es eine gute Leitung ist, das<br />

halte ich an dem Punkt für mindestens genau so bedeutsam. Ich würde mir auch<br />

mehr Generalstaatsanwältinnen und Gerichtspräsidentinnen wünschen. Ich würde<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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mir wünschen, dass wir in der Breite mehr Frauen hätten, die etwas zu sagen und zu<br />

entscheiden haben.<br />

Publikumsbeitrag: Mein Name ist Lichthard, und ich bin auch bei der Senatsverwaltung<br />

für Justiz. Hauptsächlich bin ich zuständig für die Aus- und Fortbildung von Vollzugsbediensteten.<br />

Aber auch, und nun muss ich mich outen, Gender-Beauftragte der<br />

Senatsverwaltung für Justiz. Im Hause sind wir seit vier bis fünf Jahren mit dem<br />

Thema beschäftigt. Wir waren auch Pilotprojekt innerhalb der <strong>Berlin</strong>er Verwaltung.<br />

Wir haben in zwei Vollzugsanstalten versucht, Gender Mainstreaming zu implementieren.<br />

Als ein Beispiel möchte ich die Jugendarrestanstalt nennen. Dort befinden<br />

sich Arrestanten und Arrestantinnen. Es ist also die einzige Einrichtung, wo wir im<br />

Grunde genommen vom Klientel her beide Geschlechter haben. Wir haben zunächst<br />

mit dem Personal gearbeitet. Die Kolleginnen und Kollegen haben erst mal gesagt,<br />

sie wollen sich mit Gender Mainstreaming in Hinblick auf die Personalsituation befassen,<br />

die Interaktion zwischen männlichen und weiblichen Bediensteten. Das Gute<br />

daran war aber, dass es mittels Reflektion über das Thema und die eigene Rolle natürlich<br />

ganz schnell um die inhaltliche Arbeit gegangen ist. Traditionellen Rollenbilder,<br />

die im Verhalten gegenüber Arrestantinnen und Arrestanten gelebt werden. So wurde<br />

z.B. festgestellt: Wir müssen mit den Arrestantinnen beim Arbeitseinsatz und in<br />

der Freizeitarbeit anders umgehen. Das wurde dann auch gemacht. Den Arrestantinnen<br />

wurde mehr Gelegenheit zu handwerklichen Tätigkeiten gegeben, und die Arrestanten<br />

wurden bewusst zu Putzarbeit heran gezogen. Das hat in diesem ganz kleinen<br />

Bereich gut funktioniert.<br />

Wir haben top down natürlich auch alle Führungskräfte im Vollzug geschult. Aber das<br />

Leben in den Anstalten ist ganz klar das Leben, dass in der Gesellschaft gelebt wird.<br />

Ich finde den Ansatz von Herrn Prof. Cornel gut, dass wir, wenn wir in die inhaltliche<br />

Arbeit reingehen – gerade auch im Männervollzug –, uns mit den traditionellen Bildern<br />

auseinander setzen müssen.<br />

Wir hatten uns in der Arbeitsgruppe auch darüber unterhalten, dass Gender<br />

Mainstreaming in die Fortbildung der Bediensteten gehört, gerade auch bei Sozialarbeitern<br />

Gruppenleitern und Psychologen. Wir haben vornehmlich die Personalebene<br />

thematisiert, aber die inhaltliche Arbeit noch gar nicht.<br />

Kurz noch einmal zu der Leitungsfrage. Dazu möchte ich folgendes anmerken: Wir<br />

haben jetzt einen Gesamtanteil von Frauen im <strong>Berlin</strong>er Vollzug von gut 30%. Der Anteil<br />

an weiblichen Leitungskräften auf den verschiedenen Ebenen liegt bei 33%. Ich<br />

denke, Frauen sind hier ganz gut vertreten. Das ist eine kleine Lanze, die ich da<br />

noch mal brechen möchte.<br />

Frau Dr. Seus: Ich spreche noch mal ein weiteres Thema an, was auch in den drei<br />

Arbeitsgruppen unterschiedlich zum Tragen kam. Die Erfahrung, von der viele von<br />

Ihnen berichtet haben, dass es in der Tat in der Praxis dank des Engagements Einzelner<br />

sehr viele gute Ansätze gibt. Das Problem ist, dass die konkrete Arbeit immer<br />

wieder durch eine hohe Planungsunsicherheit erschwert wird. Gute Projekte laufen<br />

aus, die Finanzierung ist sehr kurzfristig, das heißt, sie können sich nicht darauf verlassen,<br />

dass ihre Arbeit fortgeführt wird. Die Frage – gerade in der Arbeitsgruppe 2 –<br />

wurde ja auch immer wieder thematisiert: Welche Netzwerke und systematischen<br />

Verknüpfungen müsste es geben, damit längerfristige Strategien gewährleistet sind?<br />

Nachfrage aus dem Publikum (ohne Mikrophon nicht zu verstehen)<br />

Antwort Frau Dr. Seus: Ich habe mich vielleicht missverständlich ausgedrückt. Ich<br />

kann auch noch einmal ganz konkret diejenigen fragen, die in der Arbeit sind: Welche<br />

Unterstützung – finanziell, personell, wie auch immer – wünschen Sie sich von<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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Ihren jeweiligen Senatsverwaltungen oder Ministerien, je nachdem, in welchem Bundesland<br />

Sie sind?<br />

Herr Blümel: Geld ist natürlich das Eine, was man immer braucht. Ressourcen um<br />

die Arbeit, die der Gesetzgeber von uns will, vernünftig machen zu können, sind die<br />

Grundvoraussetzung. Es gibt aber gerade im Frauenvollzug, das haben wir auch bei<br />

uns entdeckt, die Tendenz, dass fehlendes Geld durch Innovation und Kreativität<br />

ausgeglichen wird. Dass plötzlich Wege gefunden werden, externe Träger und Institutionen<br />

zu finden, und mit ihnen gemeinsam Projekte und Maßnahmen aufzulegen.<br />

Mein Wunsch wäre es, die richtigen Menschen einstellen zu können und natürlich<br />

auch die Freiräume zu haben, die man braucht, um eben vielleicht nicht ganz so<br />

knasttypische Erprobungsfelder zu bieten. Das muss man natürlich auch finanzieren<br />

können. Ich kann das aber schlecht beziffern. Ich denke, das, was wir haben, ist zu<br />

wenig. Das hat die Firma Kienbaum gerade festgestellt. Aber die Aussicht, dass wir<br />

mehr kriegen, ist nicht sehr groß. Wir hatten schon mal die Idee eines runden Tisches,<br />

wo wir externe potentielle Kooperationspartner eingeladen haben, um Kontakte<br />

zu knüpfen. ... (Bandwechsel) ... Vielleicht sollten wir wieder so etwas ins Leben<br />

rufen. Wünsche habe ich viele. Aber ich bin Realist genug, dass ich weiß, dass im<br />

Moment nicht so richtig viel mehr möglich ist.<br />

Frau Kummerow: Die langfristige Sicherung von Projekten und Maßnahmen, das ist<br />

natürlich das, was ich mir wünschen würde. Zudem noch weitere Beratungsstellen<br />

mit unterschiedlichen Gewichtungen, je nachdem, worum es eben geht. Vor allem<br />

mehr im Vorfeld bevor es überhaupt zu einer Inhaftierung kommt. Eine ganz wichtige<br />

Geschichte sind auch Alternativen zur Haft.<br />

Dreißig Jahre mache ich jetzt diese Arbeit. Seit dreißig Jahren fahre ich auch auf Tagungen.<br />

Auf jeder dieser Tagungen spielt es eine Rolle, wie absurd es ist, Ersatzfreiheitsstrafen<br />

zu vollstrecken. Es tut sich aber nichts, es ist immer das gleiche. Ich habe<br />

im Frankfurt extra noch mal nachgefragt, wie viel es sind: 11%. In <strong>Berlin</strong> war heute<br />

die Rede von 12%. Das ist ein Problem, das endlich aufgegriffen werden muss. Es<br />

müssen Ressourcen reingegeben werden, damit entsprechenden Konzepte entwickelt<br />

werden können.<br />

Herr Blümel: Zum Thema Ersatzfreiheitsstrafen: Ich entdecke im Moment ja eigentlich<br />

eher so eine Bewegung, wo man versucht, Grenzen zu setzen und zu halten. In<br />

meiner Jugend, das ist schon lange her, hat man diskutiert, ob der Ladendiebstahl<br />

nicht entkriminalisiert werden soll. Ich glaube, heute sind wir weit davon entfernt. Der<br />

Druck des Stammtisches und der sensationsgierigen Presse bringt uns immer weiter<br />

in die Defensive. Ich finde auch, wenn man das Ganze immer institutionalisiert und<br />

sagt, wir machen jetzt noch ein weiteres Projekt, das löst nicht die Probleme. Ich fand<br />

früher immer die Holländer sehr maßgeblich. Die haben ein Projekt mit Inhaftierten<br />

gemacht, damals waren sie noch liberal, haben dann gemerkt, das funktioniert nicht,<br />

und schon war das Projekt wieder weg. Bei uns gibt es immer eine Eigendynamik. Es<br />

gibt da eine Lobby, die dieses Projekt dann vertritt, und egal, ob es nachhaltige Wirkungsbeweise<br />

erbringt oder nicht, es ist dann da und wird aufrecht erhalten.<br />

Ich glaube, dass der Knast nicht die Probleme der Gesellschaft lösen kann. Das werden<br />

wir nicht hinkriegen. Deswegen ist der Ausbau von Knästen auch immer so eine<br />

Sache. Natürlich muss man menschenwürdig unterbringen. Aber wenn ich z.B. die<br />

Jugendstrafanstalt Hameln betrachte, die wurde mal als Vorzeigemodell für einen<br />

innovativen Jugendvollzug gebaut. Dann sind die Verurteiltenzahlen mächtig gestiegen,<br />

weil dort die Ausbildung möglich war, und das hatte so einen Einfluss auf die<br />

Richter, dass die dann immer mehr verurteilt haben. Das ist immer die Kehrseite der<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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Medaille. Wenn man den Knast gut macht, und wenn man diese ganzen Sanktionsinstrumente<br />

verträglich gestaltet, dann werden sie auch mehr genutzt.<br />

Publikum: Beitrag (ohne Mikrophon nicht zu verstehen)<br />

Herr Blümel: Ganz so läuft es nicht! Das können die Kolleginnen, die hier heute anwesend<br />

sind, viel besser sagen. Ich glaube, und das setzt sich immer mehr durch in<br />

der Frauenhaftanstalt. Vom ersten Tag der Inhaftierung an versuchen wir, auf die<br />

Entlassung vorzubereiten. Das gelingt mal besser und mal weniger gut. Sicher gibt<br />

es Frauen, bei denen wenig läuft, aber es gibt auch sehr viele Beispiele, wo die Verknüpfung<br />

ganz gut läuft. Wo zumindest eine Wohnung oder eine Unterkunft, häufig<br />

sogar auch eine Ausbildungsstätte, gefunden wird.<br />

Der Start ist auch meistens nicht das große Problem. Die Erfahrung zeigt, dass auch<br />

Frauen, die im Vollzug – aber das ist ja auch eine alte Weisheit und trivial – „gut laufen“,<br />

draußen trotzdem irgendwann nach der Entlassung eingeholt werden vom Alltag<br />

und den Verhältnissen, in die sie zurück kehren.<br />

Bei Drogenabhängigen ist es oftmals ganz besonders schlimm. Wir versuchen ja<br />

immer, die Frauen dann in Maßnahmen nach § 35 BTMG, Therapie statt Strafe, zu<br />

vermitteln. Auch dort sind die Abbruchquoten ziemlich hoch. Aber wir bemühen uns<br />

schon, die Frauen nicht unvorbereitet zu entlassen. Das ist nicht Ziel unserer Arbeit.<br />

Publikum: Beitrag (ohne Mikrophon nicht zu verstehen)<br />

Frau Gerlach: Wenn ich auch noch einmal eins ergänzen darf, es ist ja nicht so, dass<br />

wir derartige Fälle gänzlich leugnen. Aber das ist eine nicht ganz der Realität entsprechende<br />

Vorstellung. Gerade in <strong>Berlin</strong> sind wir sehr darum bemüht, im Frauenvollzug,<br />

aber auch natürlich im Männervollzug, möglichst viele Gefangene im offenen<br />

Vollzug unterzubringen. Dot gibt es die Möglichkeiten, sie auf ein Leben in Freiheit in<br />

einer weniger stark bewachten Form vorzubereiten. Ihnen die Möglichkeit zugeben,<br />

tagsüber draußen zu sein, möglicher Weise zu arbeiten, beurlaubt zu werden, an den<br />

Wochenenden ihre Familien zu sehen und soziale Kontakte aufzubauen. Der Aufbau<br />

tragfähiger Beziehungen, die auch nach der Entlassung fortdauern und eine stabilisierende<br />

Wirkung haben, das wäre der Idealfall. Der offene Vollzug, denke ich mal,<br />

das ist ein sehr probates Mittel, um vorzubereiten auf ein Leben nach der Haftzeit.<br />

Aber das gelingt nicht mit allen. Aber man muss auch sagen: Bundesweit ist es eine<br />

ganz klare Tendenz, dass die Quoten im offenen Vollzug in vielen Bundesländern<br />

sehr stark zurück gehen. Dafür gibt es viele Gründe, politische und auch andere<br />

Gründe. Wir haben hier in <strong>Berlin</strong>, und das sage ich nicht ohne Stolz, bundesweit die<br />

höchste Belegungsquote im offenen Vollzug, und wir werden das so weiter machen.<br />

Frau Kummerow: In Hessen hat der Herr Koch unter anderem mit der Forderung oder<br />

besser noch mit dem Versprechen die Wahl gewonnen, dass er die Belegungsrate<br />

im offenen Vollzug senken wird. Das war Wahlkampfprogramm. Es hat nichts mit<br />

der Befähigung der Inhaftierten zu tun, dass die Zahlen im offenen Vollzug sinken.<br />

Das ist politisch so gewollt!<br />

Frau Gerlach: Um dazu auch ganz konkrete Zahlen zu nennen, also in <strong>Berlin</strong> haben<br />

wir etwa 25% der Gefangenen im offenen Vollzug untergebracht, in anderen Ländern<br />

sind das zum Teil deutlich unter 10%.<br />

Herr Blümel: Darf ich ganz kurz antworten. Ich gehe immer davon aus, dass alle den<br />

Vollzug so verinnerlicht haben, dass sie die Abläufe auch kennen. Aber das ist sehr<br />

wahrscheinlich nicht der Fall. Unser Ziel ist es wirklich, Frauen und auch Männer natürlich<br />

in den offenen Vollzug zu bringen, sie draußen in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis<br />

zu vermitteln, also mit richtigem Arbeitsvertrag und Tariflohn, damit sie sich<br />

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Podiumsdiskussion<br />

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langsam darauf vorbereiten können, eine Wohnung zu nehmen. Das ist das Ziel. Es<br />

soll ein langsames Herausgleiten aus der staatlichen Obhut sein.<br />

Publikumsbeitrag: Eine Gruppe, bei der dieses umsichtige Verfahren wohl gar nicht<br />

möglich ist, und die ich öfter kennen gelernt habe im Verlauf der letzten Jahre, sind<br />

die Frauen, die lange Zeit in Untersuchungshaft sind. Plötzlich von einem Tag auf<br />

den anderen während der Gerichtsverhandlung werden sie frei gelassen. Sie stehen<br />

oft vor dem Nichts. In der Haft passiert nichts. Meines Erachtens, wenn es die Anlaufstelle<br />

nicht gäbe, dann wüsste man überhaupt nicht, was man ihnen raten sollte.<br />

Es müsste eigentlich überall eine solche Anlaufstelle vorhanden sein für solche<br />

Frauen. Es ist ein großes Problem. Es ist nur eine kleine Gruppe, aber für die Betroffenen<br />

ist es ein ganz großes Problem.<br />

Publikumsbeitrag: Beitrag (ohne Mikrophon nicht zu verstehen)<br />

Frau Kummerow: Vielleicht noch etwas Grundsätzliches zu diesem Thema: Sie haben<br />

ja schon Recht. Wir haben Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen, die<br />

damit schlecht zurechtgekommen sind. Man reißt sie heraus, sperrt sie weg und<br />

raubt ihnen damit den letzten Rest ihrer sozialen Bezüge. Man lässt sie in Passivität,<br />

ihr individueller Handlungsspielraum ist sehr, sehr gering. Bei aller Förderung, es ist<br />

und bleibt ein ganz kleiner Radius, in dem sie sich bewegen. Dann kommen sie vor’s<br />

Tor, und sollen von jetzt auf gleich alles neu machen in ihrem Leben. Das kann natürlich<br />

nicht funktionieren, und ich denke, der Vollzug alleine kann das auch nicht<br />

leisten. Weil das nicht nur über eine Vorbereitung gehen kann, so wichtig wie die ist.<br />

Es muss im Anschluss auch eine Begleitung geben, und ich denke, wir zeigen es mit<br />

unserer Arbeit auch, sie muss durchgehend sein, das ist eigentlich das da A und O<br />

unserer Arbeit. Die Frauen haben große Selbstbewusstseinprobleme, große Vertrauensprobleme<br />

und sehr schlechte Erfahrungen in ihrem Leben gemacht. Es ist wichtig,<br />

dass es bereits vor der Entlassung ein Vertrauensverhältnis gibt. Sie gehen ganz<br />

oft zu fremden Stellen nicht hin. In dem Moment, wo man den Kontakt hat, ist das<br />

kein Problem, dann kommen die auch, und man kann mit ihnen eine Perspektive<br />

aufbauen. Man muss sich aber nicht einbilden, dass das in vier Wochen geht. Das ist<br />

etwas, das geht nur über Monate oder auch Jahre. Das ist auch kein Defizit der<br />

Frauen. Es ist etwas ganz Normales. Das würde jedem Menschen so gehen, wenn er<br />

so eine Situation erleben würde.<br />

Dann möchte ich noch einmal auf einen Aspekt kommen, der heute überhaupt noch<br />

nicht zur Sprache gekommen ist. Frauen haben ganz oft minderjährige Kinder. Ich<br />

kann jetzt keinen Prozentsatz sagen, aber mindestens 3/4 der inhaftierten Frauen<br />

haben Kinder. Da sind die Situationen natürlich individuell sehr unterschiedlich. Die<br />

häufigste Situation ist aber, dass die Kinder auf Grund der Inhaftierung fremd untergebracht<br />

werden. Es ist dann sehr mühselig, den Kontakt aufrecht zu erhalten, was<br />

oft auch einfach nicht zu bewältigen ist und der Unterstützung bedarf.<br />

Frau Dr. Seus: Es ist so, dass wir noch fünf bis zehn Minuten Zeit für die Podiumsdiskussion<br />

haben. Die Anregung ist, dass wir uns draußen noch informell weiter unterhalten<br />

können, zumal dort jetzt mit dem Kaffee auf uns gewartet wird, wenn ich<br />

das richtig verstanden habe. Ich möchte mit einer Frage die letzte Runde einleiten.<br />

Dazu noch eine Bemerkung: Was heute, glaube ich, deutlich geworden ist in den Arbeitsgruppen<br />

hier in der Diskussion und in informellen Gesprächen ist, dass das<br />

Thema Gender Mainstreaming in der Arbeit mit straffälligen Frauen, aber überhaupt<br />

mit straffällig gewordenen Menschen, unter anderem auch deshalb so schwierig ist,<br />

weil wir durchaus wissen, dass es in anderen gesellschaftlichen Bereichen und in der<br />

Wirtschaft bereits viel mehr Fortschritte gegeben hat. Wir haben es hier mit einer<br />

Gruppe zu tun, die sehr stark ausgegrenzt ist, die keine gesellschaftliche Lobby hat,<br />

Seite 49 von 53 Seiten


Podiumsdiskussion<br />

________________________________________________________________________<br />

die keine Macht hat. Es ist deshalb wahrscheinlich auch nicht verwunderlich, dass es<br />

dort um so schwieriger ist. Wir haben heute aber einige Mut machende Beispiele aus<br />

der Praxis gehört, gerade auch im Sinne von Vernetzung. Frau Dr. Weinbach hat<br />

angemahnt, dass wir den Frauen eine Stimme geben sollten. Das Netzwerk muss<br />

sich ausdehnen über die beteiligten Frauen, die partizipieren können, alle, die mit<br />

den Frauen arbeiten, und die beteiligten Institutionen. Vor allem aber auch ist Wissenschaft<br />

gefordert, weil wir es in diesem Bereich, wie vielleicht in keinem anderen,<br />

immer noch mit sehr viel Mythenbildung zu tun haben. Mit sehr viel sozialer Ächtung,<br />

wo es viel Aufklärung bedarf, um diese Mythen zu entlarven. Von daher möchte ich<br />

dieses Netzwerk gerne ausweiten. Wir haben uns bis jetzt sehr vorsichtig mit der<br />

Frage beschäftigt, was können wir alle dazu beitragen, um den Frauen ein selbst bestimmtes<br />

Leben zu ermöglichen? Ich möchte Sie zum Schluss bitten, radikale und<br />

utopische Gedanken zu entwickeln. Wenn Sie könnten wie Sie wollten, wie sähe für<br />

Sie der Umgang mit straffällig gewordenen Frauen optimal aus?<br />

Frau Kummerow: Sehr individuell! Ich danke Ihnen, dass Sie diesen Aspekt noch<br />

eingebracht haben. Es geht um individuelle Lebenssituationen und um individuelle<br />

Schicksale mit sehr, sehr unterschiedlichen Bedingungen. Sehr individuell geguckt,<br />

was sind Lebensgrundlagen, was sind Lebensperspektiven, und wie kann man Teilhabe<br />

ermöglichen für die Frauen? Das ganze möglichst ohne das Gefängnis und ohne<br />

Sanktionen!<br />

Frau Dr. Weinbach: Also wenn es um eine radikale Vision oder eine radikale Utopie<br />

geht, würde ich auch die Institutionen, so wie sie sind, schließen und ganz andere<br />

Alternativen aufbauen, die erst mal vielleicht das Prinzip Strafe in Frage stellen und<br />

mal diskutieren: Wer ist hier eigentlich straffällig in dieser Gesellschaft. Was ist das<br />

für eine Konstruktion von Strafe? Ich denke, dass es für die Einhaltung von Normen<br />

und die Verständigung über Werte in der Gesellschaft und die Realisierung dieser<br />

Werte ganz andere Foren und ganz andere Konstruktionen von Gesellschaft braucht,<br />

die wesentlich auf Dialog beruhen. Das halte ich allerdings wiederum nicht für eine<br />

so starke Vision, sondern ich denke, das Prinzip von Dialog zu installieren, sich Zeit<br />

und Räume zu nehmen und mit den Menschen ins Gespräch zu gehen, zu verstehen<br />

und zu gucken, wie man Verständigung herstellen kann, das ist durchaus etwas, was<br />

sich realisieren lässt.<br />

Frau Gerlach: Ich fürchte, es ist nicht die Spezialität von Juristinnen, und schon gar<br />

nicht von Ministerialbeamtinnen, radikale Utopien zu denken, geschweige denn, sie<br />

in diesem Rahmen öffentlich nachvollziehbar dokumentiert, irgendwann schwarz auf<br />

weiß wieder lesen zu dürfen und zu müssen! „Außerhalb des Protokolls“ gibt’s für<br />

mich natürlich nicht. Was meine Vorgängerin gesagt hat, ist natürlich ein ganz anderer<br />

Ansatz, der mich aber jetzt so zum Nachdenken gebracht hat, dass ich überlegen<br />

muss, was meine eigene radikale Utopie sein soll. Darüber werde ich wahrscheinlich<br />

heute Abend bei einem guten Glas Rotwein nachdenken. Ich bin, glaube ich, hier<br />

nicht in der Situation, eine radikale Utopie zu entwerfen. Das, muss ich zugeben,<br />

kann ich auch gar nicht. Ich glaube allerdings, es wäre schon ganz viel damit gewonnen,<br />

wenn wir dem heutigen Tagesmotto im Arbeitsalltag, der oft nicht sehr leicht für<br />

den Vollzug ist, mehr Raum geben. Wenn es uns gelingen würde, dem speziellen<br />

Bedarf von Frauen gerechter zu werden. Daran wollen und werden wir arbeiten. Das<br />

ist möglicherweise für eine Senatsverwaltung schon eine radikale Aussage. Alles<br />

Weitere folgt in kleinerem Kreis bei einem Glas Rotwein.<br />

Herr Blümel: Ja, Utopie. Ich komme aus der abolitionistischen Richtung. Ich fand immer<br />

Nils Christie sehr schön, was der so geschrieben hat über Vollzug. Ich könnte<br />

mir auch ein Leben ohne Knast vorstellen. Dann würde ich vorschlagen, und ich<br />

Seite 50 von 53 Seiten


Podiumsdiskussion<br />

________________________________________________________________________<br />

nehme an, ich hätte auch Mitstreiter, die das mitmachen würden, „unsere Firma“ einfach<br />

umzubenennen in ein Bildungsinstitut. Das sollte ein paar Eigenschaften haben,<br />

die früher das Kloster hatte, also Ruhefindung, Raum zum Rückzug und Sicherheit,<br />

was in der Tat, sie sagten es auch, ein durchaus positiver Aspekt ist. Den melden<br />

auch Inhaftierte zurück: „Also ich habe hier endlich mal meine Ruhe!“ Dafür muss<br />

man allerdings keinen Knast haben. Aber das wäre so natürlich eine Radikalutopie.<br />

Ansonsten bin ich schon nah dran bei dem, was Sie gesagt haben. Vielleicht würden<br />

aber auch kleine Schritte der Praxis erst mal genügen, z.B. die Besonderheiten des<br />

Frauenvollzuges zu akzeptieren und zu respektieren und diese Einsicht in Verfügungen<br />

umzusetzen.<br />

Frau Grote-Kux: Also vielleicht ist das weniger eine radikale Utopie als ein Wunsch.<br />

Ich möchte mich für die, die mich nicht kennen, vorstellen: Ich bin Gabriele Grote-Kux<br />

und heute hier in der Eigenschaft als Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Frauenstrafvollzug und nicht, wie viele vielleicht immer noch glauben, als Mitarbeiterin<br />

der JVA für Frauen. Ich würde mir wünschen, dass Frauenkriminalität als eigenständiges<br />

Phänomen begriffen wird, dass der Frauenvollzug als eine eigenständige<br />

Vollzugsform anerkannt wird, damit wir nicht länger die Kraft darauf verwenden müssen,<br />

uns dafür zu erklären, warum wir so anders sind als die Männer, sondern begriffen<br />

werden als eine andere Gruppe, die entsprechend andere Behandlungskonzepte<br />

und auch eine andere Ausrichtung in der Vollzugsgestaltung braucht. Das wäre meine<br />

Utopie, mit der ich schon fast am Ende meiner Vorstellung wäre, weil für alles weitere<br />

– glaube ich zumindest – mein Leben wahrscheinlich nicht mehr ausreicht. Den<br />

Dialog, den Sie beschrieben haben, halte ich durchaus für erstrebenswert und im<br />

übrigen auch für realisierbar.<br />

Ich würde gerne noch auf eine Sache Bezug nehmen, die bei Herrn Blümel möglicher<br />

Weise etwas falsch angekommen ist. Es geht weniger darum, neue Projekte im Vollzug<br />

zu initiieren, als um die Frage, inwiefern es nicht notwendig und sinnvoll ist, die<br />

Inhaftierung von Menschen als einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag anzuerkennen.<br />

Es kann nicht sein, dass der Justizvollzug den Auftrag erhält, Gesellschaftsprobleme<br />

zu lösen. Auch andere Verwaltungen müssen erkennen, dass Straffälligkeit als<br />

solche eben kein isoliertes Phänomen ist, sondern dass die Betreuung, die diese<br />

Menschen brauchen, in einem Netzwerk organisiert werden muss und nicht im Justizvollzug<br />

für ein bis zwei Jahre belassen wird. Dann tritt wieder Soziales ein, dann<br />

wieder der Justizvollzug, dann kommt Gesundheit. Man muss sich an einen Tisch<br />

setzen und die Aktivitäten miteinander vernetzen. Ich glaube, dass das für eine Vielzahl<br />

der Frauen, unabhängig davon, ob sie in ambulanten Maßnahmen oder in stationären<br />

sind, wenn ich das mal zum Vollzug so sagen darf, sehr viel hilfreicher wäre<br />

als diese Insellösung, die momentan betrieben wird, die auch auf der Verwaltungsebene<br />

– zumindest auf der Arbeitsebene – ganz viel Frust auslöst. Was ich sehr<br />

problematisch an der Stelle finde, ist – und das ist ja auch aus dem Ergebnis der Arbeitsgruppe<br />

deutlich geworden –, dass die Bereitschaft zur Vernetzung, aus welchen<br />

Gründen auch immer, komischerweise bei Justiz vorhanden ist, aber in anderen<br />

Verwaltungen längst noch nicht, einige wenige Anwesende ausgenommen. Wobei<br />

ich da allerdings wieder sagen muss: Es ist das persönliche Engagement einzelner<br />

Personen und nicht eine Erkenntnis der Institution, in der sie tätig sind. Wenn wir alle<br />

daran arbeiten würden, alle die hier im Raum sind, auf regionaler und nationaler Ebene,<br />

dann hätten wir schon die Umsetzung einer gemeinsamen Utopie erreicht.<br />

Danke schön!<br />

Frau Dr. Seus: Das können wir als Schlusswort deuten. Als Moderatorin möchte ich<br />

die Tagung nicht beenden. Ich möchte zunächst nur die Podiumsdiskussion beenden<br />

Seite 51 von 53 Seiten


Podiumsdiskussion<br />

________________________________________________________________________<br />

und mich bei allen für Ihre Aufmerksamkeit, Ihre Mitwirkung und Ihr Engagement bedanken.<br />

Frau Dr. Weinbach, wenn Sie gestatten, ich habe gestern Abend in einem<br />

Ihrer Artikel noch ein Zitat gefunden, wenn ich das vielleicht zum Abschluss noch<br />

vortragen dürfte. Ich fand das passend für unsere Tagung heute. Zitat:<br />

„Machen wir uns nichts vor, Gender Bildungsarbeit ist Täter-Opfer-Arbeit,<br />

Auseinandersetzung mit Macht und Diskriminierung, ihren Gewinnern und<br />

Verliererinnen, weder Fun- noch Kuschelecke, sondern Konfrontations- und<br />

Reflektionsarbeit. Dafür braucht es viel Zeit zum Lernen und Umlernen.“<br />

Möchte noch jemand ein Schlusswort sagen?<br />

Seite 52 von 53 Seiten


Schlussworte<br />

________________________________________________________________________<br />

Frau Wehler-Schöck: Ich bin leider gerade erst wieder gekommen und habe nur die<br />

letzten Züge der Konferenz mitbekommen. Ich empfinde mich daher als sehr ungeeignet,<br />

ein Schlusswort zu sprechen. Eigentlich hätte Anne Seyfferth, die auch die<br />

Konferenz mit vorbereitet hat, heute den ganzen Tag hier mit Ihnen diskutieren wollen<br />

und sollen. Insofern würde ich vielleicht Frau Krüger bitten, die den Tag auch mit<br />

erlebt hat, ein paar inhaltliche Worte zu sprechen, die die Tagung abrunden. Ansonsten<br />

bedanke ich mich ganz herzlich, dass Sie hier waren, dass Sie in interessanten<br />

Arbeitsgruppen ertragreiche Diskussionen geführt haben und etwas mit nach Hause<br />

nehmen, und lade Sie ganz herzlich ein, sich draußen noch etwas zu stärken, bei<br />

einem Stück Kuchen und einer Tasse Kaffee. Frau Krüger, bitte!<br />

Frau Krüger: Ich finde es schön, dass wir heute so heftig diskutiert haben. Vieles<br />

konnte leider nur angerissen werden. Ich wünsche mir sehr, dass wir, die Vorbereitungsgruppe,<br />

auch noch einmal eine Nachberatungsgruppe bilden, dass wir auch<br />

konkrete Schritte einleiten, wie wir die Menschen, die heute nicht da waren, in’s Boot<br />

holen können. Dafür werden wir dann sicherlich auf Sie, als Senatsverwaltung für<br />

Justiz, zukommen und um Ihre Unterstützung bitten. Denn das scheint mir effektiver<br />

zu sein, als wenn wir oder die Friedrich-Ebert-Stiftung versuchen, die anderen Verwaltungen<br />

für einen Dialog zu gewinnen – Verwaltungen, deren Gender-Texte im<br />

Internet so wunderbar klingen, die aber in der realen Auseinadersetzung mit dem<br />

Thema einfach nicht präsent sind. Das finde ich sehr bedauerlich. Aber dennoch wollen<br />

wir nicht aufgeben, sondern wir werden Schritte auf sie zu tun und das gemeinschaftlich<br />

und ohne Konfrontation, sondern in der Hoffnung, dass dabei etwas Gutes<br />

auch für die Betroffenen heraus kommt. Danke schön.<br />

Anhang 1:<br />

PowerPoint-Präsentation des Referats von Frau Dr. Juliane Zolondek<br />

Anhang 2:<br />

PowerPoint-Präsentation des Referats von Frau Renate Wielpütz<br />

Seite 53 von 53 Seiten


Vergleichende Studie zum Frauenstrafvollzug<br />

– Bestandsaufnahme, Bedarfsanalyse und “best<br />

practice” –<br />

Lebens- und Haftbedingungen von inhaftierten<br />

Frauen<br />

<strong>Berlin</strong>, 11. Mai 2007<br />

Juliane Zolondek


Projektziele<br />

Juliane Zolondek<br />

• empirische Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse des<br />

Frauenstrafvollzugs zur Gewinnung neuer<br />

wissenschaftlicher Erkenntnisse<br />

• grenzüberschreitende Netzwerkbildung und Verbreitung<br />

von Informationen und "best practice"<br />

• Ableitung von Empfehlungen und Maßnahmen zur<br />

Rehabilitation und tertiären Prävention<br />

• Entwicklung und Verbreitung eines Trainings-Manuals<br />

für den Umgang mit inhaftierten Frauen, sowie eines<br />

Anforderungsprofils für das Personal


Land<br />

Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

Insgesamt<br />

Stichprobe (weibliche Häftlinge)<br />

N<br />

29<br />

116<br />

89<br />

74<br />

32<br />

26<br />

61<br />

149<br />

77<br />

653<br />

Gefängnisse<br />

4<br />

5<br />

2<br />

2<br />

1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

1<br />

19<br />

Juliane Zolondek


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

3,8<br />

3,3<br />

2,0<br />

10,0<br />

7,4<br />

24,8<br />

23,3<br />

32,0<br />

50,0<br />

46,4<br />

40,8<br />

31,4<br />

48,5<br />

Schulausbildung<br />

69,2<br />

24,0<br />

40,0<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

62,4<br />

20,3<br />

36,7<br />

29,3<br />

45,0<br />

20,0<br />

13,3<br />

36,8<br />

20,3<br />

9,7<br />

26,9<br />

20,0<br />

6,9<br />

20,0<br />

18,4<br />

11,0<br />

13,0<br />

13,6<br />

Juliane Zolondek<br />

5,9<br />

7,4<br />

4,0<br />

2,0<br />

kein<br />

Schulabschluss/Schulbesuch<br />

< 8/9 J.<br />

Schulabschluss<br />

nach 8/9 J.<br />

(CR, SI)<br />

Schulabschluss<br />

nach 9/10 J.<br />

Realschule/<br />

Mittelschule<br />

Abitur/<br />

Hochschulabschluss<br />

Studium


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

4,9<br />

2,9 4,3<br />

4,0<br />

9,0<br />

17,2<br />

16,7<br />

8,0<br />

18,9<br />

14,4<br />

29,9<br />

12,0<br />

33,3<br />

30,5<br />

13,3<br />

17,2<br />

Delikte (Grund für gegenwärtige Haft)<br />

8,0<br />

20,8<br />

28,8<br />

16,7<br />

17,7<br />

13,9<br />

5,7<br />

76,8<br />

5,7<br />

34,5<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

7,2<br />

48,0<br />

47,6<br />

19,7<br />

31,9<br />

3,4<br />

50,0<br />

39,6<br />

8,2<br />

13,8<br />

36,0<br />

4,9<br />

1,4<br />

21,8<br />

7,2<br />

6,1<br />

20,0<br />

19,4<br />

13,8<br />

7,2<br />

9,4<br />

Juliane Zolondek<br />

4,5<br />

6,1<br />

3,3<br />

2,7<br />

1,4<br />

1 Mord/Totschlag<br />

2 Raub<br />

3 Drogendelikt(e)<br />

4 Körperverletzung<br />

5 Vermögensdelikt<br />

6 anderes Delikt


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

4,9<br />

2,9 4,3<br />

4,0<br />

9,0<br />

17,2<br />

16,7<br />

8,0<br />

18,9<br />

14,4<br />

29,9<br />

12,0<br />

33,3<br />

30,5<br />

13,3<br />

17,2<br />

Delikte (Grund für gegenwärtige Haft)<br />

8,0<br />

20,8<br />

28,8<br />

16,7<br />

17,7<br />

13,9<br />

5,7<br />

76,8<br />

5,7<br />

34,5<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

7,2<br />

48,0<br />

47,6<br />

19,7<br />

31,9<br />

3,4<br />

50,0<br />

39,6<br />

8,2<br />

13,8<br />

36,0<br />

4,9<br />

1,4<br />

21,8<br />

7,2<br />

6,1<br />

20,0<br />

19,4<br />

13,8<br />

7,2<br />

9,4<br />

Juliane Zolondek<br />

4,5<br />

6,1<br />

3,3<br />

2,7<br />

1,4<br />

1 Mord/Totschlag<br />

2 Raub<br />

3 Drogendelikt(e)<br />

4 Körperverletzung<br />

5 Vermögensdelikt<br />

6 anderes Delikt


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

4,9<br />

2,9 4,3<br />

4,0<br />

9,0<br />

17,2<br />

16,7<br />

8,0<br />

18,9<br />

14,4<br />

29,9<br />

12,0<br />

33,3<br />

30,5<br />

13,3<br />

17,2<br />

Delikte (Grund für gegenwärtige Haft)<br />

8,0<br />

20,8<br />

28,8<br />

16,7<br />

17,7<br />

13,9<br />

5,7<br />

76,8<br />

5,7<br />

34,5<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

7,2<br />

48,0<br />

47,6<br />

19,7<br />

31,9<br />

3,4<br />

50,0<br />

39,6<br />

8,2<br />

13,8<br />

36,0<br />

4,9<br />

1,4<br />

21,8<br />

7,2<br />

6,1<br />

20,0<br />

19,4<br />

13,8<br />

7,2<br />

9,4<br />

Juliane Zolondek<br />

4,5<br />

6,1<br />

3,3<br />

2,7<br />

1,4<br />

1 Mord/Totschlag<br />

2 Raub<br />

3 Drogendelikt(e)<br />

4 Körperverletzung<br />

5 Vermögensdelikt<br />

6 anderes Delikt


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

Anzahl der Inhaftierten in einem Haftraum/Schlafsaal<br />

8,7<br />

2,2 5,0<br />

1,53,0<br />

10,7<br />

15,4<br />

11,9<br />

10,4<br />

19,2<br />

42,0<br />

35,6<br />

48,2<br />

72,8<br />

70,0<br />

44,8<br />

64,3<br />

100<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

5,8<br />

5,8<br />

61,5<br />

52,5<br />

42,4<br />

36,2<br />

40,3<br />

27,2<br />

30,0<br />

25,0<br />

Juliane Zolondek<br />

1,4<br />

3,8<br />

2,2<br />

eine Inhaftierte<br />

2-3 Inhaftierte<br />

4-8 Inhaftierte<br />

9-15 Inhaftierte<br />

16-30 Inhaftierte<br />

31-50 Inhaftierte<br />

mehr als 50<br />

Inhaftierte


100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

Russland<br />

47,4%<br />

Anteil arbeitender weiblicher Inhaftierter<br />

Litauen<br />

82,4%<br />

25,9%<br />

Polen<br />

Slowenien<br />

73,1%<br />

Kroatien<br />

100%<br />

61,5%<br />

Griechenland<br />

54%<br />

Spanien<br />

Juliane Zolondek<br />

57%<br />

Deutschland<br />

82,8%<br />

Dänemark


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

Gesetzliche Grundlagen: Kontakte zur Außenwelt<br />

Besuche pro Monat<br />

(Minimum)<br />

8/Jahr (einfaches Regime)<br />

12/Jahr (leichtes Regime)<br />

6 kurze Besuche / Jahr<br />

4 Langzeitbesuche / Jahr<br />

4<br />

1 Stunde<br />

8 Gespräche<br />

1 „privater“ Besuch<br />

1 längerer Besuch<br />

4<br />

2<br />

8<br />

2<br />

Empfang von Post<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt<br />

können gestattet werden<br />

können gestattet werden<br />

können gestattet werden<br />

Anspruch<br />

Anspruch<br />

1/Monat (einfaches Reg.)<br />

unbegrenzt (leichtes Reg.)<br />

Anspruch<br />

Telefonate<br />

unbegrenzt<br />

unbegrenzt


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

3,5<br />

4<br />

1,7<br />

6,3<br />

2,8 0,7<br />

4,4<br />

9,1<br />

21,4<br />

13,6<br />

12,4<br />

8,8<br />

10,6<br />

24<br />

43<br />

48,4<br />

35,7<br />

33,3<br />

65,2<br />

Besuche<br />

62<br />

64,7<br />

48<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

79,7<br />

27,9<br />

32,3<br />

29<br />

28,8<br />

12,8<br />

12<br />

17<br />

18,2<br />

19,4<br />

22,1<br />

22,1<br />

17,9<br />

12,8<br />

12<br />

Juliane Zolondek<br />

4,5<br />

5,1<br />

fast täglich<br />

mehrmals pro<br />

Woche<br />

mehrmals im<br />

Monat<br />

mehrmals im<br />

Jahr/selten<br />

nie


Dänemark<br />

Deutschland<br />

Spanien<br />

Griechenland<br />

Kroatien<br />

Slowenien<br />

Polen<br />

Litauen<br />

Russland<br />

3,3<br />

6,7<br />

4<br />

8,1<br />

6,5<br />

8,3<br />

11,8<br />

11<br />

21,4<br />

19,8<br />

5,4<br />

6,7<br />

15,2<br />

5,4<br />

26,7<br />

28<br />

5,4<br />

21,6<br />

5,8<br />

24,7<br />

17,9<br />

Höhe der Haftstrafe<br />

26,7<br />

16,2<br />

30,2<br />

18,1<br />

20<br />

20<br />

15,7<br />

25<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

20<br />

37<br />

17<br />

17,6<br />

13,3<br />

24<br />

37<br />

56,8<br />

14,3<br />

13,2<br />

16,7<br />

15,7<br />

10,7<br />

35<br />

15,1<br />

20<br />

27,4<br />

16,7<br />

15,7<br />

17,4<br />

Juliane Zolondek<br />

10,7<br />

4,7<br />

2,7<br />

4<br />

2<br />

< ein Jahr<br />

1 bis < 2 Jahre<br />

2 bis < 3 Jahre<br />

3 bis < 5 Jahre<br />

5 bis < 8 Jahre<br />

>= 8 Jahre<br />

lebenslang


Juliane Zolondek<br />

1. Wie werden die Besuche im geschlossenen Vollzug<br />

überwacht?<br />

nicht überwacht: Dänemark, (Spanien)<br />

visuelle Überwachung: Kroatien, Deutschland, Litauen,<br />

Polen, Slowenien<br />

Trennscheibe: Griechenland, Russland, Spanien<br />

2. Gibt es spezielle Besuchsvorkehrungen für Kinder?<br />

nein: Litauen, Russland, Slowenien<br />

ja: - Kindern stehen mehr/längere<br />

Besuche zu (Kroatien, Deutschland,<br />

Polen)<br />

- Besuche ohne Trennscheibe<br />

(Griechenland)<br />

- unüberwachte Besuche<br />

(Deutschland, Spanien)


Juliane Zolondek<br />

Vielen Dank!<br />

zolondek@uni-greifswald.de<br />

Reader zum internationalen Frauenstrafvollzug:<br />

www.rsf.uni-greifswald.de/fileadmin/mediapool/lehrstuehle/duenkel/Reader_frauenvollzug.pdf


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Das Ungerechte an der Gerechtigkeit<br />

Gender Mainstreaming - Maßnahmen zur Steigerung<br />

der Gender-Kompetenz im Strafvollzug<br />

11. Mai 2007<br />

Renate Wielpütz<br />

EQUAL-Entwicklungspartnerschaften e-Lis, MEMBER, BABE<br />

www.fczb.de – www.gendermainstreaming-it.de – www.divercity.eu<br />

1


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

• Innovative Modelle zur Bekämpfung von Diskriminierung auf dem<br />

Arbeitsmarkt<br />

• Entwicklungspartnerschaften (Projektverbünde)<br />

• Transnationalität<br />

• Eingebunden in die Europäische Beschäftigungsstrategie:<br />

Doppelansatz zur Durchsetzung von Gleichstellung:<br />

Gender Mainstreaming und positive Aktionen zugunsten einer<br />

weiblichen oder männlichen Gruppe<br />

2


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

EQUAL-Prinzipien:<br />

• Integrierter Handlungsansatz zur Lösung von<br />

Arbeitsmarktproblemen<br />

• Transnationalität<br />

• Innovation<br />

• Mainstreaming<br />

3


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

Themenbereiche:<br />

• Beschäftigungsfähigkeit<br />

• Unternehmergeist<br />

• Anpassungsfähigkeit<br />

• Chancengleichheit von Frauen und Männern (positive Aktionen)<br />

• Asylbewerber/innen<br />

4


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

Querschnitts-Themen:<br />

• Gender Mainstreaming (Gleichstellung von Frauen und Männern)<br />

• Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit<br />

• Offenheit für Menschen mit Behinderungen<br />

• Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

• Empowerment<br />

5


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

EU-Gemeinschaftsinitiative EQUAL<br />

Entwicklungspartnerschaften:<br />

• Vernetzte Projekte<br />

• Strategische Partner/innen<br />

• Gemeinsame Lösungsansätze für sektorale oder regionale<br />

Probleme<br />

6


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Entwicklungspartnerschaften im Strafvollzug<br />

e-LiS – e-Learning im Strafvollzug – 1. EQUAL-Förderrunde<br />

(www.e-LiS.de)<br />

MEMBER – Medienkompetenz und Qualifizierungsbausteine in der<br />

Berufsvorbereitung (mit Teilprojekten im Strafvollzug) - 2. EQUAL-<br />

Förderrunde (www.berufsvorbereitung-medien.org)<br />

BABE – Bildung, Arbeit und berufliche Eingliederung im Nordverbund -<br />

2. EQUAL-Förderrunde (www.babe.de)<br />

7


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Geschlechtsspezifische Differenzen im deutschen Strafvollzug<br />

In Deutschland<br />

• sind ca. 95,5% der Strafgefangenen männlich und 4,5% weiblich<br />

(weltweiter Frauenanteil: 2-8%);<br />

• gibt es nur 5 eigenständige Frauenvollzugsanstalten<br />

• begehen Frauen andere Straftaten als Männer<br />

• gelten Delikte als gefährlich, bei denen das Opfer schwer oder<br />

tödlich verletzt wurde, Waffen im Spiel sind oder ein Schaden von<br />

mehr als 2500 Euro entstanden ist<br />

• wurden daran gemessen schätzungsweise 90% Frauen für<br />

Straftaten verurteilt, bei denen keine besondere Gefahr für die<br />

Gesellschaft bestand<br />

8


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Geschlechtsspezifische Differenzen im deutschen Strafvollzug<br />

…..<br />

• sind Frauen im Schnitt viel weiter entfernt von ihren Angehörigen<br />

untergebracht, was Besuche und Kontakte erschwert;<br />

• hat ein hoher Anteil der weiblichen Strafgefangenen Gewalt- oder<br />

Mißbrauchserfahrungen;<br />

• werden Frauen im Strafvollzug häufig noch mit Kochen, Waschen<br />

…. beschäftigt, während die Männer in Werkstätten arbeiten.<br />

• sind Bildungs- und Ausbildungs-Möglichkeiten unzureichend<br />

vorhanden<br />

9


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Gleichstellungs-Strategien – Prinzipien in den EQUAL-EPn<br />

Gender Mainstreaming erfolgt<br />

• top down durch das Management der EP<br />

• auf der Basis von geschlechterdifferenzierten Daten und Fakten und<br />

deren Bewertung in den Aufgabenbereichen<br />

• verankert in den Zielen und Aufgaben aller Ebenen und Beteiligten<br />

• integriert in Organisations- und Personalentwicklungs-Prozesse der<br />

beteiligten Organisationen<br />

• durch Gender-Kompetenzentwicklung und Erweiterung der Gender-<br />

Handlungskompetenzen aller Beteiligten<br />

• mithilfe von Evaluations- und Controlling-Methoden und<br />

–Instrumenten zur Zielfindung, Steuerung, Bewertung und<br />

Verbesserung der Umsetzung<br />

10


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz in e-Lis<br />

Sektorale EP „e-Lis“: Einführung von E-Learning im<br />

Strafvollzug<br />

• Netzwerk aus 6 nordostdeutschen Bundesländern<br />

• Kooperationen zwischen Justizverwaltung, Strafvollzug,<br />

Universität und Bildungsträgern<br />

• Zielgruppen: Männer, Frauen, Jugendliche<br />

• Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe<br />

• Gemeinsame Lernplattform als Querschnittsaufgabe<br />

• Mainstreaming: „Nordverbund“<br />

11


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz in e-Lis<br />

Gender Mainstreaming in e-Lis<br />

• Sensibilisierung des Managements (Justizverwaltungen,<br />

EP-Koordination, Projektleitungen)<br />

• Gender-Trainings: Lehrer/innen, AVD, Management und<br />

Personalrat in JVAn<br />

• Gender-Screening der Lernplattform<br />

• Transnationale Gender-Trainings<br />

12


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz in e-Lis<br />

Beispiel: Gender-Kompetenz<br />

• Klärung des gleichstellungspolitischen Doppelansatzes<br />

• Gender-Wissen bezogen auf die Bedarfsanalyse(n) der<br />

Entwicklungspartnerschaft/der Teilprojekte v.a. hinsichtlich der<br />

eingangs erwähnten Unterschiede zwischen männlichen und<br />

weiblichen Strafgefangenen und deren Auswirkungen<br />

• kommunikative Gender-Kompetenz (Verständnis für die<br />

Bedeutung von Sprache, Sexismus in der Sprache)<br />

• Genderkompetenz in Bildung, Ausbildung und Erwerbsarbeit<br />

13


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz in e-Lis<br />

Teilprojekt „Frauen“ – JVAF <strong>Berlin</strong><br />

Genderkompetenzen in der Personalentwicklung<br />

• Personalentwicklung (Training für Bedienstete in IT, IT-Didaktik<br />

und Lernbegleitung)<br />

• Training der Inhaftierten: Berufliche Orientierung,<br />

IT-Kompetenzen, Schlüsselkompetenzen<br />

• Transnationale Kooperation: UK, Frankreich, Schweden,<br />

Niederlande<br />

14


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz MEMBER<br />

Regionale EP „MEMBER“<br />

• <strong>Berlin</strong> und Brandenburg<br />

• Kooperationen zwischen Justiz-, Arbeits- und<br />

Bildungsverwaltung, Agentur für Arbeit sowie Schulen,<br />

Strafvollzug und Bildungsträgern<br />

• Zielgruppen: junge Frauen und Männer<br />

• in der Berufsvorbereitung<br />

• innerhalb und außerhalb des Strafvollzugs<br />

• Ziel: Integration von Medienkompetenzen und Gender<br />

Mainstreaming in die BVB<br />

15


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz in MEMBER<br />

Gender Mainstreaming: Gender-Bestandsaufnahme (GIA)<br />

• Persönliche Ebene der TP- oder EP-Mitarbeiterin<br />

• Organisationsebene<br />

• Thematischer Bereich des TP<br />

• Gender-Wissen<br />

• Gender-Kompetenzen<br />

• Haltung, Einstellungen, Handlungskompetenzen (bezogen auf<br />

Gender)<br />

• Ergebnisse der Bedarfsermittlung/Zielvereinbarungen für<br />

weiteres Vorgehen<br />

• Enge Kooperation mit Koordination und Evaluation<br />

16


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz in MEMBER<br />

Teilprojekt Frauen<br />

• JVAF <strong>Berlin</strong><br />

• Personal- und Organisationsentwicklung (Training/Coaching<br />

des „Jugendteams“ – Ziel: Mainstreaming: Eigenständige<br />

Weiterführung des MEMBER-Projektes nach Abschluß von<br />

EQUAL)<br />

• Training der Inhaftierten: Allgemeinbildung, berufliche<br />

Orientierung, IT-Kompetenzen, Schlüsselkompetenzen,<br />

Vorbereitung auf Erstausbildung<br />

• Transnationale Kooperation: Polen, Malta, Niederlande<br />

17


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz BABE<br />

Sektorale EP „BABE“ – Bildung, Arbeit und berufliche<br />

Eingliederung im Nordverbund<br />

• 6 nordostdeutsche Bundesländer<br />

• Kooperationen zwischen Justizverwaltung, Strafvollzug und<br />

Bildungsträgern<br />

• Zielgruppen: Männer, Frauen, Jugendliche<br />

• Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe<br />

• Gemeinsames Wissensmanagement-System als<br />

Querschnittsaufgabe<br />

18


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz BABE<br />

Gender Mainstreaming in BABE<br />

• Sensibilisierung des Managements (Justizverwaltungen,<br />

EP-Koordination, Projektleitungen)<br />

• Gender-Trainings: Justizverwaltungen, EP, TP, AVD<br />

• Gender-Screening des Wissensmanagement-Systems<br />

• Integration von Gender in die Personalentwicklung im Kontext<br />

„Wissensmanagement“<br />

• Transnationale Gender-Trainings<br />

19


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz BABE<br />

Teilprojekt Frauen: Kompetenzbilanzierung und –Entwicklung und deren<br />

Integration in die Vollzugsplanung<br />

• JVAF <strong>Berlin</strong><br />

• Entwicklung eines Kompetenz-Bilanzierungs-Instruments mit Fokus auf<br />

informell erworbene Kompetenzen<br />

• Personalentwicklung: Einbezug der Bediensteten/Werkbetriebe in die<br />

Entwicklung und Erprobung des Instruments, fachliche Qualifizierung:<br />

Beobachter/innen-Schulung, Gender-Trainings<br />

• Insassinnen: individuelle Kompetenzbilanzierung und darauf basierend<br />

individuell abgestimmte Bildungs- und Berufsbildungs- oder<br />

Arbeitsangebote<br />

• Mainstreaming: in andere JVA für Frauen<br />

• Transnationalität: Frankreich, Ungarn, Österreich, UK<br />

20


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Dualer Gleichstellungs-Ansatz BABE<br />

Wirkungen….<br />

….. aus dem Bericht eines Teilprojektes mit männlichen „Langstrafern“:<br />

„Im Dienstleistungsbereich „Reinigung“ sind überwiegend Frauen<br />

beschäftigt. Männliche Gefangene, die in dieses Berufsfeld integriert<br />

werden sollen, sind auf ihre Rolle in den Reinigungsteams<br />

vorzubereiten. Sie müssen lernen, die Gleichberechtigung aller Team-<br />

Mitglieder zu akzeptieren und ihr Handeln danach auszurichten. (…) Im<br />

Rahmen des Bewerbungstrainings müssen entsprechende<br />

Verhaltensproben bzw. Rollenspiele entwickelt und trainiert werden.<br />

Hilfreich wäre auch, wenn in dem Ausbildungsteam Frauen und Männer<br />

tätig sind, damit ein der Situation angemessenes Verhalten modellhaft<br />

vorgelebt werden kann“.<br />

21


FrauenComputerZentrum<strong>Berlin</strong><br />

Gender Mainstreaming - Maßnahmen zur Steigerung<br />

der Gender-Kompetenz im Strafvollzug<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!!<br />

Fragen??<br />

Gerne…..<br />

22

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