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ewe-aktuell 4/2017

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Seite 14 Seite 15<br />

„Du bist angekommen“<br />

Hier in Mazabuka, schon früh am Morgen, nämlich<br />

zwischen fünf und sechs Uhr: Meine Mutter und meine<br />

Bruder können mir jetzt schon auf Deutsch einen guten<br />

Morgen wünschen. Meiner Schwester habe ich sogar<br />

schon ganze Sätze auf Deutsch beigebracht. Nach dem<br />

Aufstehen und noch vor dem Frühstück wird erstmal<br />

das Haus geputzt und die Wäsche gewaschen, mit den<br />

Händen versteht sich.<br />

Wenn es ums Essen geht, wird hier eigentlich fast<br />

immer gekocht, auch zum Frühstück. Hühner<br />

werden im Vorgarten geschlachtet und Fische selber<br />

ausgenommen. Nshima kochen kann ich jetzt schon von<br />

A bis Z ganz alleine, denn das ist eines der wichtigsten<br />

Dinge, die man hier als Mädchen können sollte. An<br />

einem Tag habe ich meiner Gastmutter geholfen, eine<br />

bestimmte Art von Gemüse zuzubereiten: Die Blätter<br />

haben wir, nachdem wir sie alle einzeln von ihrem<br />

Strunk gerupft haben, dann in einer Art großen Mörser<br />

aus Holz zu einem Brei gestampft. Dabei habe ich mich<br />

richtig wie eine sambische Hausfrau gefühlt, wie ich so<br />

in meinem Chitenge auf einer Bambusmatte sitze und<br />

Essen zubereite auf eine Art und Weise, die ich vorher<br />

nur aus Filmen kannte.<br />

Ich arbeite jetzt in einer Vorschule. Die Schule besteht<br />

aus einem einzigen<br />

Klassenraum, 30<br />

Kindern zwischen 2<br />

und 6 Jahren, einer<br />

Lehrerin und mir. Ich<br />

helfe den Kindern<br />

zu lernen bis 10 zu<br />

zählen oder ihren<br />

Namen zu schreiben.<br />

Ganz besonders<br />

freue ich mich<br />

jeden Freitag auf<br />

die Tonga-Stunde,<br />

denn da kann ich<br />

auch noch die eine<br />

oder andere Vokabel<br />

lernen. Das hilft<br />

mir aber auch nicht<br />

weiter, da die meisten<br />

Kinder zwar Englisch<br />

verstehen, aber fast<br />

ausschließlich Tonga<br />

sprechen.<br />

Ein großer Unterschied zu Deutschland ist zum<br />

Beispiel, dass wenn das Handy der Lehrerin im<br />

Unterricht klingelt, sie auch abhebt. Denn es könnte ja<br />

was Wichtiges sein. In Deutschland könnte ich mir das<br />

nicht vorstellen. Aber schon alleine der Fakt, dass selbst<br />

2-jährige hier schon zur Schule gehen, hat mich sehr<br />

erstaunt. Und das ist etwas, was ich nicht recht verstehe,<br />

da ich der Meinung bin, dass Kinder in Deutschland<br />

genauso schnell lernen, auch wenn sie bis zu ihrem<br />

sechsten Lebensjahr nur spielen.<br />

Auch an meinem Arbeitsplatz habe ich unabsichtlich<br />

eine deutsche Verhaltensweise auf die Lehrerin<br />

übertragen: Sie erzählte mir eines Tages, dass ich ihr<br />

beigebracht hätte, die Hefte der Kinder nach Fächern<br />

geordnet fein säuberlich auf das Pult zu legen, um auf<br />

den Unterricht vorbereitet zu sein.<br />

Auf meinem Weg zur Arbeit und auch wieder zurück<br />

begrüßen mich sehr viele Menschen. Das liegt zum<br />

einen daran, dass ich als Weiße nun mal in meinem<br />

Viertel sehr auffalle. Aber zum anderen auch daran, dass<br />

es Teil der sambischen Kultur ist, jeden zu begrüßen,<br />

den man kennt, wenn auch nur flüchtig. Sobald ich<br />

in meine Straße einbiege, geht´s aber so richtig los:<br />

Sobald eines der vielen Kinder, die dort wohnen, mich<br />

sieht und meinen Namen ruft,<br />

stürmen auch die anderen<br />

Kinder aus ihren Häusern und<br />

Gärten, und ich darf erstmal<br />

nicht weiter gehen. Dann<br />

umarmen mich viele kleine<br />

Kindern oder wollen auf den<br />

Arm genommen werden. Die<br />

etwas älteren Kinder wollen<br />

sich mit mir unterhalten, ganz<br />

egal wie erschöpft ich von der<br />

Arbeit bin.<br />

Im Oktober ist mir nochmal<br />

aufgefallen, wie stark hier der<br />

Bezug zur Bibel ist. Es ist der<br />

Monat des Rosenkranz. Das ist<br />

eine bestimmte Art zu beten,<br />

nämlich mit einer Gebetskette.<br />

So haben wir in diesem Monat<br />

jeden Abend mit der ganzen<br />

Familie zusammengesessen<br />

und den Rosenkranz gebetet: Für jede einzelne Perle<br />

haben wir gemeinsam das j<strong>ewe</strong>ilige Gebet gesprochen.<br />

Das hat seine Zeit gedauert.<br />

An einem Tag habe ich meine Schwester in ihrer Schule<br />

besucht. Auch hier wurde der Bezug zur Religion<br />

deutlich: Sie haben eine große Marienstatue auf dem<br />

Schulhof stehen und eine eigene Kirche auf dem<br />

Schulgelände.<br />

Ich war auch bei einer sambischen Hochzeit dabei,<br />

die erstaunlicherweise bescheidener ausgefallen ist,<br />

als ich es mir vorgestellt hatte. Das einzige, was mich<br />

sehr überrascht hat, war, dass auch die Gäste weiß<br />

tragen durften und nicht nur die Braut, wie ich es aus<br />

Deutschland kenne.<br />

Die sambische Zeit, also das viele Warten, ist für mich<br />

kein Problem. Ich glaube, das liegt daran, dass ich mich<br />

von Anfang an darauf eingestellte habe, dass Warten<br />

jetzt zu meinem Alltag gehört…<br />

Ich habe jetzt übrigens auch einen sambischen Namen:<br />

Wiza. Das ist Mambwe und bedeutet etwa so was wie<br />

„Du bist angekommen“. So richtig angekommen fühle<br />

ich mich zwar noch nicht, da ich es sehr schwer finde,<br />

mit der ständigen Aufmerksamkeit auf der Straße<br />

klar zu kommen. Aber ich bin zuversichtlich, dass es<br />

mir mit der Hilfe von ein paar Freunden bald leichter<br />

fallen wird. Alles in allem fühle ich mich mit jedem<br />

Tag wohler hier und freue mich, noch eine Weile hier<br />

bleiben zu dürfen.<br />

Alisha Ernst

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