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Kätscbe Eijenaat<br />
von Dr. Heribert A. Hilgers<br />
<strong>Der</strong> Sprachwissenschaftler,<br />
der sich mit Mundarten befaßt,<br />
erlebt immer wieder Überra<br />
schungen. So gilt es zum Bei<br />
spiel als fester Bestand gramma<br />
tischen Wissens, daß es eine<br />
Steigerung nur bei Adjektiven<br />
gibt, bei Eigenschaftswörten.<br />
Im Kölschen aber ist das anders.<br />
Da kann man auch Substantive<br />
steigern. Jedenfalls das eine<br />
oder andere. Eins von ihnen ist<br />
das Wort "Aat". Eine Möglich<br />
keit, das zu steigern, die ziem<br />
lich häufig vorkommt und des<br />
wegen schon etwas dubios er<br />
scheint, ist "ech kölsche Aat".<br />
Eine einigermaßen seriöse<br />
Form der Steigerung dagegen<br />
ist "kölsche Eijenaat". "Kölsche<br />
Eijenaat", das meint mehr, das<br />
ist etwas Besseres als "kölsche<br />
Aat". Aber was ist das nun ei<br />
gentlich "kölsche Eijenaat"?<br />
Die Antwort darauf hängt<br />
davon ab, wen man fragt. Hein<br />
rich Lützeler zum Beispiel hat<br />
die "kölsche Eijenaat" auf Hu<br />
morfestgelegt, im wesentlichen<br />
auf eine ziemlich drastische Art<br />
des Humors, "wieße Mädcher".<br />
Josef Steinberg hat das um eine<br />
Reihe von köstlichen Beispie<br />
len aus den vielen Grenz<br />
bereichen zum Religiösen und<br />
Kirchlichen, die es in Köln gibt,<br />
ergänzt, etwa jenen locus classicus<br />
für Relativitätstheorie vom<br />
Küster Mörs ("de Prädich wor<br />
allt längs am Engk, bloß Ehr<br />
wort immer noch draan") oder<br />
jene subtile Unterscheidung<br />
zwischen kirchlichem Gebets<br />
vollzug und betroffener Fröm<br />
migkeit, die sich an den Namen<br />
von Domkapitular Arnold Stef<br />
fens knüpft ("maache mer no<br />
Wigger odder solle mer uns jet<br />
bedde"). Da wird also kölsche<br />
Eijenaat im Grielächertum gese<br />
hen...<br />
Andere sehen das anders,<br />
sehen sie zum Beispiel verkör<br />
pert im kölschen Klüngel. Das<br />
sind freilich meistens solche,<br />
denen diese spezifische Art und<br />
Weise, Probleme unideologisch<br />
zu lösen, zu kompliziert ist. <strong>Der</strong><br />
Klüngel ist ja das illegitime Kind<br />
eines preußischen Vaters und<br />
einer rheinischen Mutter. Ihm ist<br />
die Gabe in die Wiege gelegt,<br />
bei pingeliger Wahrung forma<br />
ler Vorschriften doch eine zu<br />
friedenstellende Sachentschei<br />
dung zu treffen. Die Kunst des<br />
Klüngels ist, wenn sie richtig<br />
praktiziert wird, die Kunst, den<br />
Dienstweg zu unterlaufen, die<br />
Kunst, dem Amtsschimmel ein<br />
Schnippchen zu schlagen. Dat<br />
kammer sich jefalle loße.<br />
Die Kölner selbst sehen eine<br />
ihrer besonderen Eigenarten in<br />
der Toleranz, nach der Devise<br />
"Jeck, loß jeck elans. Jede Jeck<br />
eß anders, äwer jet jeck simmer<br />
all!" Aber hier beginnen viel<br />
leicht Wunsch und Wirklichkeit<br />
zu verschwimmen, hier beginnt<br />
die Ideologie der kölschen Ei<br />
genart. "Schön wör et" - aber es<br />
gibt, wenn man ehrlich bleibt<br />
und auf Schönmalerei verzich<br />
tet, allerhand Rechthaberei un<br />
ter "echten" Kölnern, allerhand<br />
Intoleranz, und nicht von unge-<br />
67<br />
fähr gibt es eine kölsche Reden<br />
sart, die da feststellt: "dä jünnt<br />
däm nit et Schwatze ungerm<br />
Näl".<br />
Damit sind wir beim Thema.<br />
Ich meine: wenn es tatsächlich<br />
so etwas wie kölsche Eigenart<br />
gibt, dann muß sie in der Spra<br />
che zu finden sein. Sie ist Nie<br />
derschlag und Reservoir zu<br />
gleich kölscher Eigenart. Wenn<br />
das stimmt, dann muß man die<br />
Frage stellen und beantworten<br />
können: was sagt die kölsche<br />
Sprache über kölsche Eigenart?<br />
Da gibt es einiges:<br />
1) Die kölsche Sprache ist in<br />
manchem komplizierter und<br />
anspruchsvoller als das Hoch<br />
deutsche. 20 Vokale statt 15,<br />
6 Diphthonge statt 3, das kom<br />
plizierte g (fleje, flüch. Hoch, jeflore),<br />
ich kumme, do küß... ich<br />
jonn, do jeehs, stelle/jestallt,<br />
setze/jesatz, höre/jehoot, däue/<br />
jedaut, dräume/jedraump, spöle/jespoolt,<br />
schelle (schälen!)/<br />
jeschallt, früher sogar jläuve/<br />
jejloov.<br />
2) Die kölsche Sprache ist in<br />
manchem konservativer als das<br />
Hochdeutsche. Wie die Alten<br />
sungen. Dä Brell.<br />
3) Die kölsche Sprache ist<br />
reich im Bereich der Gemütsbe<br />
wegungen, etwa im Bereich der<br />
Zärtlichkeit und ihrer Aus<br />
drücke. Immer wiederholbares<br />
Beispiel: die Kinderwörter. Et jitt<br />
e Babaditzje un e Schnüggelche,<br />
ne Botzendresser un ne Stinkadores,<br />
e Buselche un e Stubbeditzje,<br />
e Pannestätzje un e Fött-