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Der Burgbote 1990 (Jahrgang 70)

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Kätscbe Eijenaat<br />

von Dr. Heribert A. Hilgers<br />

<strong>Der</strong> Sprachwissenschaftler,<br />

der sich mit Mundarten befaßt,<br />

erlebt immer wieder Überra<br />

schungen. So gilt es zum Bei<br />

spiel als fester Bestand gramma<br />

tischen Wissens, daß es eine<br />

Steigerung nur bei Adjektiven<br />

gibt, bei Eigenschaftswörten.<br />

Im Kölschen aber ist das anders.<br />

Da kann man auch Substantive<br />

steigern. Jedenfalls das eine<br />

oder andere. Eins von ihnen ist<br />

das Wort "Aat". Eine Möglich<br />

keit, das zu steigern, die ziem<br />

lich häufig vorkommt und des<br />

wegen schon etwas dubios er<br />

scheint, ist "ech kölsche Aat".<br />

Eine einigermaßen seriöse<br />

Form der Steigerung dagegen<br />

ist "kölsche Eijenaat". "Kölsche<br />

Eijenaat", das meint mehr, das<br />

ist etwas Besseres als "kölsche<br />

Aat". Aber was ist das nun ei<br />

gentlich "kölsche Eijenaat"?<br />

Die Antwort darauf hängt<br />

davon ab, wen man fragt. Hein<br />

rich Lützeler zum Beispiel hat<br />

die "kölsche Eijenaat" auf Hu<br />

morfestgelegt, im wesentlichen<br />

auf eine ziemlich drastische Art<br />

des Humors, "wieße Mädcher".<br />

Josef Steinberg hat das um eine<br />

Reihe von köstlichen Beispie<br />

len aus den vielen Grenz<br />

bereichen zum Religiösen und<br />

Kirchlichen, die es in Köln gibt,<br />

ergänzt, etwa jenen locus classicus<br />

für Relativitätstheorie vom<br />

Küster Mörs ("de Prädich wor<br />

allt längs am Engk, bloß Ehr<br />

wort immer noch draan") oder<br />

jene subtile Unterscheidung<br />

zwischen kirchlichem Gebets<br />

vollzug und betroffener Fröm<br />

migkeit, die sich an den Namen<br />

von Domkapitular Arnold Stef<br />

fens knüpft ("maache mer no<br />

Wigger odder solle mer uns jet<br />

bedde"). Da wird also kölsche<br />

Eijenaat im Grielächertum gese<br />

hen...<br />

Andere sehen das anders,<br />

sehen sie zum Beispiel verkör<br />

pert im kölschen Klüngel. Das<br />

sind freilich meistens solche,<br />

denen diese spezifische Art und<br />

Weise, Probleme unideologisch<br />

zu lösen, zu kompliziert ist. <strong>Der</strong><br />

Klüngel ist ja das illegitime Kind<br />

eines preußischen Vaters und<br />

einer rheinischen Mutter. Ihm ist<br />

die Gabe in die Wiege gelegt,<br />

bei pingeliger Wahrung forma<br />

ler Vorschriften doch eine zu<br />

friedenstellende Sachentschei<br />

dung zu treffen. Die Kunst des<br />

Klüngels ist, wenn sie richtig<br />

praktiziert wird, die Kunst, den<br />

Dienstweg zu unterlaufen, die<br />

Kunst, dem Amtsschimmel ein<br />

Schnippchen zu schlagen. Dat<br />

kammer sich jefalle loße.<br />

Die Kölner selbst sehen eine<br />

ihrer besonderen Eigenarten in<br />

der Toleranz, nach der Devise<br />

"Jeck, loß jeck elans. Jede Jeck<br />

eß anders, äwer jet jeck simmer<br />

all!" Aber hier beginnen viel<br />

leicht Wunsch und Wirklichkeit<br />

zu verschwimmen, hier beginnt<br />

die Ideologie der kölschen Ei<br />

genart. "Schön wör et" - aber es<br />

gibt, wenn man ehrlich bleibt<br />

und auf Schönmalerei verzich<br />

tet, allerhand Rechthaberei un<br />

ter "echten" Kölnern, allerhand<br />

Intoleranz, und nicht von unge-<br />

67<br />

fähr gibt es eine kölsche Reden<br />

sart, die da feststellt: "dä jünnt<br />

däm nit et Schwatze ungerm<br />

Näl".<br />

Damit sind wir beim Thema.<br />

Ich meine: wenn es tatsächlich<br />

so etwas wie kölsche Eigenart<br />

gibt, dann muß sie in der Spra<br />

che zu finden sein. Sie ist Nie<br />

derschlag und Reservoir zu<br />

gleich kölscher Eigenart. Wenn<br />

das stimmt, dann muß man die<br />

Frage stellen und beantworten<br />

können: was sagt die kölsche<br />

Sprache über kölsche Eigenart?<br />

Da gibt es einiges:<br />

1) Die kölsche Sprache ist in<br />

manchem komplizierter und<br />

anspruchsvoller als das Hoch<br />

deutsche. 20 Vokale statt 15,<br />

6 Diphthonge statt 3, das kom<br />

plizierte g (fleje, flüch. Hoch, jeflore),<br />

ich kumme, do küß... ich<br />

jonn, do jeehs, stelle/jestallt,<br />

setze/jesatz, höre/jehoot, däue/<br />

jedaut, dräume/jedraump, spöle/jespoolt,<br />

schelle (schälen!)/<br />

jeschallt, früher sogar jläuve/<br />

jejloov.<br />

2) Die kölsche Sprache ist in<br />

manchem konservativer als das<br />

Hochdeutsche. Wie die Alten<br />

sungen. Dä Brell.<br />

3) Die kölsche Sprache ist<br />

reich im Bereich der Gemütsbe<br />

wegungen, etwa im Bereich der<br />

Zärtlichkeit und ihrer Aus<br />

drücke. Immer wiederholbares<br />

Beispiel: die Kinderwörter. Et jitt<br />

e Babaditzje un e Schnüggelche,<br />

ne Botzendresser un ne Stinkadores,<br />

e Buselche un e Stubbeditzje,<br />

e Pannestätzje un e Fött-

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