Festschrift zum 127. Deutschen Fleischer-Verbandstag 2017
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44 Verbandsarbeit Deutscher <strong>Fleischer</strong>-<strong>Verbandstag</strong> <strong>2017</strong><br />
verlieren, denn sie wissen, dass manches<br />
einfach nicht stimmen kann.<br />
Dabei wäre das alles gar nicht nötig.<br />
Es ist doch in der Branche unbestritten,<br />
dass die ganz überwiegende<br />
Mehrheit der Landwirte völlig einwandfrei<br />
arbeitet, und zwar unabhängig<br />
von der Größe. Ebenso anerkannt<br />
ist, dass vielerorts echte Fortschritte in<br />
der Tierhaltung erreicht wurden, und<br />
zwar sowohl hinsichtlich der Kosteneffizienz<br />
und der Qualität als auch<br />
hinsichtlich des Tierschutzes. Es wird<br />
Zeit, dass hier insgesamt ehrlicher dargestellt<br />
wird. Wer Vertrauen gewinnen<br />
und behalten will, dem hilft nur<br />
Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit.<br />
Also: Ställe auf. Lasst die Leute reinschauen.<br />
Es gibt unterschiedliche Haltungsformen,<br />
aber keine davon muss<br />
man verstecken. Und wenn doch,<br />
dann sollte sie schleunigst geändert<br />
werden, denn man soll sich nicht einbilden,<br />
dass sich die kritische Haltung<br />
des Verbrauchers in Zukunft abmildern<br />
wird.<br />
„Wachse oder Weiche“<br />
Neben unzureichender Transparenz<br />
gibt es möglicherweise noch einen<br />
anderen hausgemachten Grund für<br />
die Distanz zur Landwirtschaft: Die<br />
derzeitige marktpolitische Ausrichtung.<br />
Wirtschaftliche Zwänge sollen<br />
nicht geleugnet werden. Aber vielleicht<br />
war es doch nicht so ganz optimal,<br />
der Losung „Wachse oder Weiche“<br />
in dieser Wucht zu folgen.<br />
Größe bringt natürlich betriebswirtschaftliche<br />
Vorteile. Sie bringt aber<br />
auch neue Herausforderungen und<br />
Abhängigkeiten. Große Einheiten verschärfen<br />
eben auch den Wettbewerb,<br />
denn das Angebot wird anonymer<br />
und der Preis wird immer wichtiger.<br />
Durch Export erschließt man zwar tolle<br />
Absatzmärkte, aber wer dabei die<br />
heimischen Regionen vergisst, der<br />
braucht sich nicht wundern, wenn er<br />
irgendwann davon abhängig ist, ob<br />
die Chinesen gerade Lust auf deutsches<br />
Schweinefleisch haben.<br />
Industrielle Landwirtschaft und industrielle<br />
Schlachtung bringen größten<br />
Kostendruck. Klar, dass man bei solchen<br />
Strukturen nur wenig finanziellen<br />
Spielraum für Weiterentwicklungen<br />
in der Tierhaltung hat. Jetzt versucht<br />
man, mit einer eigenen Initiative<br />
mehr Geld für mehr Tierwohl zu bekommen.<br />
Ob das hilft, darf man kritisch<br />
sehen, denn ein Freikaufen des<br />
Handels ohne direkten Bezug <strong>zum</strong> angebotenen<br />
Fleisch könnte als weiterer<br />
Versuch der Verschleierung gewertet<br />
werden.<br />
Es wäre besser gewesen, die Landwirtschaft<br />
hätte großflächiger als jetzt<br />
auf Partner gesetzt, die bereit sind, einen<br />
fairen Preis zu zahlen, der auch<br />
sehr gute Haltungsbedingungen ermöglicht.<br />
Dort, wo die Partnerschaft<br />
zwischen Bauern und <strong>Fleischer</strong>n noch<br />
gut funktioniert, hat man sich meist<br />
bestens arrangiert. Sind die Preise<br />
niedrig, zahlt der <strong>Fleischer</strong> einen Mindestpreis,<br />
mit dem der Bauer noch gut<br />
zurechtkommt. Sind die Preise hoch,<br />
gibt es im Gegenzug einen Höchstpreis.<br />
So funktioniert das seit Jahrzehnten<br />
und zwar ohne Siegel, die<br />
keiner versteht.<br />
Offenheit und Rückbesinnung<br />
Um das lädierte Image der Landwirtschaft<br />
aufzupolieren, bräuchte es also<br />
zweierlei.<br />
Erstens: Absolute Offenheit und größtmögliche<br />
Transparenz. Man muss endlich<br />
aufhören, den Verbrauchern etwas<br />
vormachen zu wollen, denn das spielt<br />
denjenigen in die Hände, die aus ideologischen<br />
Gründen auch die Arbeit von<br />
guten und sorgfältigen Betrieben<br />
schlechtreden.<br />
Zweitens: Es braucht die Rückbesinnung<br />
auf regionale Strukturen. Ohne<br />
breiten Rückhalt in der Gesellschaft ist<br />
Nutztierhaltung in Deutschland nicht<br />
möglich. Den gewinnt man aber nur,<br />
wenn man weiß, was die Leute wollen.<br />
Das <strong>Fleischer</strong>handwerk kann hier<br />
Antworten liefern, denn hier gibt es<br />
tagtäglich viele hunderttausend ganz<br />
persönliche Kundenkontakte.<br />
So viel Idealismus sei erlaubt: Solange<br />
das <strong>Fleischer</strong>handwerk der wichtigste<br />
Partner der Landwirtschaft war, gab<br />
es für die Bauern auskömmliche Preise,<br />
stabile Märkte, Hochachtung für<br />
Tierhalter und Verarbeiter sowie Wertschätzung<br />
für Fleisch und <strong>Fleischer</strong>zeugnisse.<br />
Man muss die Uhr nicht<br />
zurückdrehen wollen, aber man kann<br />
die Zukunft auf Grundlage dieser Erkenntnis<br />
gestalten.