SPORTaktiv April 2018
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NO RISK, NO<br />
LIFE!<br />
WARUM „RISIKOSPORTARTEN“<br />
KEINESWEGS NUR EIN AUSDRUCK EINER<br />
OBERFLÄCHLICHEN SPASSGESELLSCHAFT<br />
SIND, SONDERN DIE AUSÜBENDEN UND<br />
DIE GESELLSCHAFT WEITERBRINGEN<br />
KÖNNEN. UND WARUM ES BESSER IST,<br />
RISIKOKOMPETENZ ZU ERWERBEN, ALS<br />
RISIKOVERMEIDUNG ZU BETREIBEN.<br />
VON CHRISTOF DOMENIG<br />
Nein, wir wollen hier zum Start der<br />
schneelosen Bergsaison keineswegs<br />
gegen Sicherheitsdenken anschreiben.<br />
Aber Kletterer und Höhenbergsteiger,<br />
Wildwasserkajaker, Freerider oder<br />
andere „Risikosportler“ werden oft in eine<br />
Schublade gesteckt: Die der rücksichtslosen<br />
Adrenalinjunkies. Für einen egoistischen<br />
Lust-Trip setzen sie ihr Leben aufs<br />
Spiel. Und wenn sie verunglücken, auch<br />
das von Helfern und Rettern.<br />
Die andere Seite benennt Peter Gebetsberger<br />
von den Naturfreunden: „Immer<br />
weniger Menschen sind heute bereit,<br />
Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen<br />
zu treffen. Die Scheu vorm<br />
Risiko, das Abgeben von Verantwortung<br />
und der Hang zum Nichtentscheiden hat<br />
aber Folgen: Stress bis hin zum Burn-out<br />
für den Einzelnen. Vor allem aber führt es<br />
zu einer Gesellschaft, in der Innovationen<br />
der Vergangenheit angehören.“<br />
Angemessener Umgang mit Risiko<br />
Mit Sorge beobachtet Gebetsberger auch,<br />
dass es Kindern in unserer „Sicherheitsgesellschaft“<br />
immer weniger ermöglicht<br />
wird, Erfahrungen zu sammeln: aus<br />
Angst vor vermeintlichen oder realen<br />
Gefahren. Der Sportwissenschafter und<br />
Bergführer hat Jugend-Sommercamps<br />
(siehe Kasten hinten) initiiert, die Erfahrungen<br />
im Klettern, Kajaken und in<br />
anderen „risikobehafteten“ Sportarten<br />
ermöglichen. Professionell angeleitet und<br />
im geschützten Rahmen.<br />
Doch solche Sportarten seien auch für<br />
Erwachsene ideal, um „Risikokompetenz“<br />
zu erwerben und sich weiterzuentwickeln.<br />
Denn, so die These: Risikokompetenz,<br />
also das Erkennen und angemessene Beurteilen<br />
von riskanten Situationen, ist für<br />
sich gesehen nicht nur ein Sicherheitsfaktor<br />
in der jeweiligen Sportart: Sondern<br />
lässt sich auch in anderen Lebensbereichen<br />
sehr gut brauchen. Noch mehr:<br />
Sie ermöglicht erst eine lebendige, freie<br />
Gesellschaft.<br />
Gebetsberger erklärt den Zusammenhang:<br />
„Ein gewisses Maß an Risikokompetenz<br />
ist eine Grundvoraussetzung, um<br />
sich in der Gesellschaft zurechtzufinden.<br />
Im Beruf, in der Freizeit, in der Familie<br />
wie in jedem sozialen Umfeld.“ Und: „Risikokompetenz<br />
umfasst auch besonders<br />
den Umgang mit Situationen, in denen<br />
nicht alle Faktoren erkennbar sind und<br />
berechnet werden können.“<br />
Beim Risiko muss nämlich unterschieden<br />
werden: Es gibt solches, das sich gut<br />
berechnen lässt. Im Sport ist dies beispielsweise<br />
bei Pisten-Skiunfällen so: Man<br />
weiß sehr genau, wann und unter welchen<br />
Umständen die meisten dieser Unfälle<br />
passieren, welche Körperteile vorwiegend<br />
betroffen sind usw. Entsprechend einfach<br />
lässt sich dieses Risiko reduzieren.<br />
Auf der anderen Seite gibt es ungewisses<br />
Risiko. Darunter fällt etwa die Lawinengefahr.<br />
Oder jene im Wildwasser. Genau<br />
solche, nicht einfach zu berechnende Gefahren<br />
gäbe es in allen Lebensbereichen.<br />
Fotos: Naturfreunde, iStock<br />
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