blu Mai 2018
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GESELLSCHAFT<br />
FOTO: M. HASTINGS<br />
INTERVIEW<br />
BABY, DU BIST SCHWUL!<br />
Adam Rippon hat bei den Olympischen<br />
Winterspielen in Pyeongchang<br />
nicht nur eine Bronzemedaille im<br />
Eiskunstlauf mit dem Team USA geholt,<br />
eigentlich hat er auch eine Goldmedaille<br />
verdient für den unwiderstehlichen<br />
Charme, das Charisma und den selbstironischen<br />
Witz, den er in Interviews<br />
an den Tag legt. Seit den Spielen ist<br />
er jedenfalls zu America’s Sweetheart<br />
geworden, in Talkshows zeigt er natürliches<br />
Talent zu unterhalten, das seinen<br />
hart erarbeiteten Fähigkeiten auf dem<br />
Eis in keinster Weise nachsteht.<br />
Mit inzwischen 28 Jahren gehört er in seinem<br />
Sport schon fast zu den Senioren, aber Rippon<br />
nimmt Training und Kondition sehr ernst:<br />
„Ich will natürlich gut aussehen. Gleichzeitig<br />
ist mein Körper mein wichtigstes Werkzeug<br />
und er muss ganz einfach funktionieren.“<br />
Glück für uns, denn kamerascheu ist Adam<br />
nicht. „Als junger schwuler Mann habe ich<br />
oft das Gefühl gehabt, ich müsste mich<br />
verstecken. Dieses Gefühl ist passé und ich<br />
habe überhaupt kein Problem damit, meinen<br />
Körper zu zeigen. Ich habe schließlich hart<br />
dafür gearbeitet“, so Rippon.<br />
STRAIGHT ACTING?<br />
Wenn man ihn auf dem Eis sieht oder in<br />
Interviews erlebt, schlägt auch das stumpfste<br />
Gaydar an – eine erfrischende Abwechslung<br />
von all den hypermaskulinen schwulen<br />
Männern, die man in den Medien so häufig zu<br />
sehen bekommt – aber das war nicht immer<br />
so: „Ich weiß noch, wie ich mich früher geradezu<br />
verkleidet habe, um nicht aufzufallen.<br />
Kein Mensch wäre im Leben darauf gekommen,<br />
dass ich schwul bin. Die Leute dachten<br />
nur, ich hätte einen furchtbaren Geschmack!“<br />
(lacht) „Ich hatte ein oder zwei Freundinnen<br />
in meiner Jugend und hatte gehofft, vielleicht<br />
bisexuell zu sein. Als ich meinen ersten Kuss<br />
mit einem Mann hatte, wusste ich: Baby, du<br />
bist schwul.“<br />
Es ist fast kaum zu glauben, aber Adam<br />
war der erste offen schwule US-Athlet bei<br />
Olympischen Spielen. Dazu sagt er: „Wenn<br />
die Leute einen Eiskunstläufer sehen, dann<br />
denken sie automatisch: Oh, der muss schwul<br />
sein. Viele Athleten fürchten sich davor, dieses<br />
Klischee zu bedienen. Mir war es ganz einfach<br />
egal, was andere Leute denken.“<br />
Auf die Frage, ob sein Coming-out eine<br />
positive Erfahrung war, sagt er: „Einhunderttausendprozentig.<br />
Als ich gemerkt habe, dass<br />
meine Freunde mich nicht anders behandelten<br />
als vorher, hat das mein Selbstbewusstsein<br />
gestärkt. Ich habe heute viel mehr Vertrauen<br />
in mich selbst als vor meinem Outing.<br />
– Ich habe mich meinen Freunden und meiner<br />
Familie mit 21 geoutet. Mein öffentliches<br />
Coming-out hatte ich vier Jahre später. Mir<br />
wäre viel Schmerz erspart geblieben, hätte ich<br />
ein schwules Vorbild gehabt, an dem ich mich<br />
hätte orientieren können. Jemand, der gesagt<br />
hätte: Hey, es ist o. k., schwul zu sein.“<br />
AGAINST ALL ODDS<br />
Man möchte meinen, in einem Sport wie<br />
dem Eiskunstlauf wäre es einfacher, sich zu<br />
outen. Dem ist aber offensichtlich nicht so:<br />
„Im Eiskunstlauf gibt es genauso Widerstand.<br />
Vielleicht sogar noch mehr, weil man die Vorurteile<br />
eben nicht bedienen will. Getreu dem<br />
Motto: Nicht noch einer von denen – den wollen<br />
wir hier nicht! Einfacher war es deshalb für<br />
mich nicht. Allerdings bin ich durch den Sport<br />
viel gereist und war immer auch in größeren<br />
Städten, wo ich neue Leute getroffen habe,<br />
die mir eine ganz neue Welt eröffneten.“<br />
Adam fliegen derzeit durch seine Fernsehauftritte,<br />
seinen Charme und seine unverblümte<br />
Ausdrucksweise Sympathien und Herzen zu.<br />
Aber er möchte durch seine offene Art und<br />
seine Popularität auch etwas bewirken: „Wenn<br />
du älter wirst, wird dir klar, dass der Sport nur<br />
ein kleiner Teil von dir als Person sein kann. Du<br />
musst dir die Frage stellen, was du mit deiner<br />
Position erreichen willst. Wie kann ich das<br />
Leben für andere Menschen besser machen?<br />
Mir persönlich hat es geholfen, wenn andere<br />
schwule Männer zum Beispiel auf YouTube<br />
von ihrer Geschichte erzählt haben. Es hat<br />
das Schwulsein irgendwie leichter gemacht.“<br />
In Zeiten eines Präsidenten Trump und vor<br />
allem seines homophoben Vizes Mike Pence<br />
hat diese Freimütigkeit natürlich auch eine<br />
politische Dimension, wie die Diskussion um<br />
ein Treffen von Rippon und Pence vor den<br />
Spielen zeigte. Auch heute noch würde Adam<br />
eine Einladung ins Weiße Haus ablehnen: „Es<br />
sollte eine Ehre sein, ins Weiße Haus eingeladen<br />
zu werden. Aber ich glaube nicht an das,<br />
wofür unser Präsident steht. Ich gratuliere ihm<br />
zu seinem Sieg, aber er hat in vielen Leuten<br />
das Schlechteste freigesetzt. Ich habe keinerlei<br />
Ambitionen, mich mit Trump zu treffen. [...]<br />
Ich glaube, Donald Trump ist nicht in der Lage<br />
zuzuhören.“<br />
Wir haben das Gefühl, dass wir von Adam<br />
Rippon auch nach seiner aktiven Karriere als<br />
Eisläufer noch viel hören und sehen werden –<br />
und wir freuen uns schon darauf! *am